Neue Zürcher Zeitung - 05.08.2019

(Dana P.) #1

2INTERNATIONAL Montag, 5. August 2019


Studenten verlassen Kaschmirwegen derTerrorwarnung mit dem Zug. CHANNI ANAND / AP

ExodusausKaschmir nachWarnung


(afp)· Nach einerTerrorwarnung der ört-
lichenRegierung für den indischenTeil
der Unruheregion Kaschmir habenTau-
sende vonTouristen das Gebiet verlas-
sen. Zahlreiche Menschen versuchten
amWochenende noch Plätze in Flugzeu-
gen oder Bussen zu ergattern, um aus
Kaschmir auszureisen. Unterdessen tra-
fen Tausende von Soldaten zurVerstär-
kung im indischenTeil derRegion ein.
Die Regierung desTeilstaatesJammu
und Kaschmir hatte amFreitagabend
die Feriengäste und Pilger aufgerufen,
Kaschmir umgehend zu verlassen. Es
gebe neue Geheimdiensthinweise auf
Terrorgefahren für eine grössere hin-
duistische Pilgerversammlung in der
Region, hiess es zu Begründung.

In einer weiteren Mitteilung wurde
Hunderten von Studenten aus anderen
indischenTeilstaaten zurAusreise ge-
raten. Auf den Flughafen von Srinagar
strömten am Samstag scharenweise Be-
sucher von Kaschmir, unter ihnenAus-
länder, die nun schnell ausreisen woll-
ten. Viele von ihnenkonnten allerdings
keine gültigen Flugtickets vorweisen.
Passagiere, die erst in denkommen-
den Tagen abzureisen planten,seien in
Panik zum Flughafen gekommen,sagte
der Manager einer Fluggesellschaft,
die Flüge von Srinagar in die indische
Hauptstadt anbietet.Auch vorTank-
stellen, Supermärkten und Geldauto-
maten in Kaschmir bildeten sich lange
Schlangen.

Fahrplan fürÜbergang


im Sudan vereinbart


(afp)· Nach monatelangen Verhandlun-
gen ist derWeg für eine zivile Über-
gangsregierung im Sudan frei. Die Pro-
testbewegung und der Militärrat unter-
zeichneten am Sonntag eineVerfas-
sungserklärung. Die beiden Seiten
einigten sich darauf, am 18.August einen
«souveränenRat» zu bilden, dem sechs
Zivilisten und fünf Militärs angehören.
In Khartum gingenTausende von Suda-
nesen auf die Strasse und bejubelten
die Aussicht auf eine zivileRegierung.
Mit dem Abkommen werde eine neue
Seite in der Geschichte des Sudans auf-
geschlagen,sagte die Nummer zwei des
Militärrats, General Mohammed Ham-
dan Daglo, bei der Unterzeichnung
in Khartum.An der Zeremonie nah-
men auchVertreterder Afrikanischen
Union und der äthiopischenRegierung
teil, die in demKonflikt vermittelt hat-


IN KÜRZE


Lösungfürdas
Rettungsschiff «Alan Kurdi»

(dpa)· Malta nimmt die 40 Migranten
vom deutschenRettungsschiff «Alan
Kurdi» auf, bis diese auf andere EU-
Staaten verteilt werdenkönnen.Das
kündigte derRegierungschef Joseph
Muscat an.Die deutscheRegierung und
die EU-Kommission hätten dieVertei-
lung allerPersonen auf die Mitglieds-
staaten vereinbart.Kein Migrant bleibe
in Malta. Details zu denAufnahme-
ländern gab es zunächst nicht.

Gewalttr übtBeginn der
Gespräc hemitdenTaliban

(dpa)· Der Beginn einer möglicherweise
entscheidenden Verhandlungsrunde
überFrieden in Afghanistan zwischen
den USA und denTaliban ist am Sams-
tag von Berichten ausufernder Gewalt
gegen Zivilisten überschattet worden.
Laut vorläufigen Ergebnissen wurden
im Juli mehr als1500 Zivilisten verwun-
det oder getötet. Dies sei die höchste
Monatszahl seit Mai 2017, teilte die
Uno-Mission in Afghanistan am Sams-
tag mit. Im Juli allein wurden fast halb
so viele zivile Opfer verzeichnet wie im
gesamten ersten Halbjahr 2019. Der
Anstieg sei vor allemregierungsfeind-
lichen Kräften zuzurechnen. DieTali-
ban hätten mehr militärische Ziele in
städtischenGebieten angegriffen. Bei
den Gesprächen der USA mit denTali-
ban geht es vor allem um denAbzug der
amerikanischen und der mit ihnen ver-
bündeten ausländischenTruppen, eine
Waffenruhe und Garantien derTaliban
dafür, dass Afghanistan nicht zu einem
sicheren Hafen fürTerroristen wird.

Pier luisialsGouverneur
vonPuertoRicovereidigt

(dpa)· Nach dem Rücktritt von Puerto
RicosGouverneur RicardoRossellóist
sein NachfolgerPedro Pierluisi als neuer
Regierungschef vereidigt worden. Nach
massiven Protesten hatte Gouverneur
Rosselló seinen Rücktritt angekün-
digt. Zuvor hattenJournalisten Proto-
kolle aus einer privaten Chat-Gruppe
veröffentlicht.Darin hattenRosselló,
sein Vize LuisRive ra und zehn weitere
Vertraute Nachrichten geschrieben, die
als frauen- und schwulenfeindlich so-
wie respektlos gegenüber den zahlrei-
chen Opfern des verheerenden Hur-
rikans «Maria» von 2017 empfunden
wurden. Bis zuletzt war nicht klar, wer
nachRossellósRücktritt amFreitag
die Amtsgeschäfte auf der Karibikinsel
übernehmen würde. Die Ernennung von
Pierluisi ist umstritten. Zwar war er im
letzten Moment von derAbgeordneten-
kammerals Vizegouverneur und damit
als Nachfolger vonRosselló bestätigt
worden. Nach Ansicht des Senats be-
nötigt er aber auch dessen Bestätigung.

ten.Auf den Strassen Khartums feierten
Demonstranten die Einigung.Die «Ver-
fassungserklärung» basiert aufein em
Abkommen von MitteJuli, in d em die
Vertreter des Militärrats und die Pro-
testbewegung dieTeilung der Macht be-
schlossen hatten.Vorgesehen ist die Bil-
dung einer Übergangsregierung, die drei
Jahre und drei Monate im Amt bleiben
soll. Ein umfassendes Abkommen über
die neuen Machtstrukturen im Sudan
soll am17.August unterzeichnet werden.

AUFGEFALLEN


Die Italiener zuerst – «ein


Prinzip der Zivilisation»


MartinBeglinger, Grosseto· Die Maremma, der Südteil der
Toskana mit der Provinzhauptstadt Grosseto, war schön wie
immer in den letzten zwanzigJahren, auch wenn man ein
Schild mehr denn je sieht:«Vendesi», «Zu verkaufen». Eine
gute Bekannte, Schweizerin und seit bald dreissigJahren hier
lebend, erzählt, an die Krise habe sie sich langsam gewöhnt,
nur an etwas anderes nicht:dass die Italiener nie wartenkönn-
ten. Immer drängle jemand hemmungslos an einer Schlange
vorbei mit der Begründung, man brauche nur kurz dies oder
das.Trotzdem schweige sie dann lieber – alsAusländerin.
Tags darauf müssen wir mit der Katze zurTierärztin. Nach
einer guten StundeWarten imVorzimmerkommt eine äl-
tere Italienerin und macht eindrücklich vor, was unsere Be-
kannte amVortag beschrieb. Das «nur kurz» dauert eineVier-
telstunde. In der Zwischenzeit fragen wir uns, wie wirreagie-
ren sollen, und sagen dann auf Italienisch: «Signora, wir alle
sind hier amWarten,dasAnstehen sollte doch für alle gelten.»
Die Signora murrt kurz und geht,wir schauen unsschweigend
an und wenden uns später auf Schweizerdeutsch derFrage zu,
was wir am Abendkochen wollen.
Daraufhin sagt der Letzte in der Schlange, ein junger Italie-
ner: «Hören Sie auf zureden, das geht mir auf die Nerven!» –
«Wie bitte?» – «Ja, hören Sie auf! Hier drin darf man nur Ita-
lienisch sprechen.» – «Und wenn Sie mit IhrerFreundin nach
London gehen, dannreden Sie dort auch nur Englisch?» –
«Wir sind hier in Italien.Reden Sie Italienisch, oder gehen Sie
nach draussen.» –«Wir reden ja nicht über Sie.»–«Was weiss
ich, ich verstehe es ja nicht.»
So etwas haben wir noch nie zu hören bekommen in den
letzten zwanzigJahren. Aber es kam auch noch nie vor, dass
ein italienischerInnenminister, Matteo Salvini,am Staatsfern-
sehen RAI sagte: «Die Italiener zuerst, das ist nach meiner
Meinungein Prinzip der Zivilisation.»Daswar Anfang Mai


  1. ZweiWochen später holte er bei den Europawahlen mit
    seinerListe «Lega Salvini Premier» 39 Prozent der Stimmen
    in der einstmalsroten Maremma.


Mehr als20 Festnahmen
nachProte steninHongkong
(Reuters/dpa)· Bei neuen Protesten in
Hongkong gegen die prochinesische
Regierung hat diePolizei mehr als 20
Personen festgenommen. Ihnen wer-
den unter anderemKörperverletzung
und nichtgenehmigteVersammlungen
zur Last gelegt, wie die zuständigen Be-
hörden am Sonntag mitteilten. Die De-
monstranten hatten am Samstag vor
einerPolizeiwache Brände gelegt und
an einem anderen Ort Mülleimer ange-
zündet.Zudem wurde ein wichtigerTun-
nel durch den Hafen blockiert.DiePoli-
zei setzteTränengas ein.Auch am Sonn-
tag errichteten Protestierende Barrika-
den und blockierten Strassen.Tausende
Hongkonger wollen am Montag ihre
Arbeit niederlegen. Der Streik solle die
starke Unzufriedenheit derHongkonger
Bürger mit der politischen Ungerechtig-
keit ausdrücken, hiess es am Sonntag in
einer Mitteilung einesAktivisten-Bünd-
nisses, das zu der Aktion aufgerufen
hatte. Mindestens14 000 Personen aus
20 Sektoren wollen sich an dem Streik
beteiligen, wie die Hongkonger Zeitung
«South China MorningPost» berichtete.
Ausgangspunkt derProteste warein Ge-
setzentwurf zurAuslieferung mutmass-
licher Krimineller an China.

Chinaverweigertdeutschen
Parlamentariern dieEinreise

(afp)· D er deutschen Grünen-Abgeord-
neten MargareteBause wird nach eige-
nenAngabenvon China die Einreise im
Rahmen eines Parlamentarierbesuchs
verweigert. Die Ansage der chinesi-
schen Seite, solange sie auf der Delega-
tionsliste stehe, könne der Bundestags-
ausschuss Digitale Agenda nicht in die
Volksrepublikreisen, sei ein absolut in-
akzeptablerVorgang, erklärte die men-
schenrechtspolitische Sprecherin der
Grünen-Bundestagsfraktion am Sams-
tag in Berlin. Sie verstehe diesesVor-
gehen alsVersuch,Abgeordnete, die sich
laut und deutlich für Menschenrechte
einsetzten, zum Schweigen zu bringen,
führteBause aus.

GrosseGay-Pride-Parade
in Belfast

(afp)· Tausende vonPersonen sind in
der nordirischen Hauptstadt Belfast
für dieRechte von Homosexuellen auf
die Strasse gegangen. Die Entscheidung
des britischenParlaments vor wenigen
Wochen, die Legalisierung der gleich-
geschlechtlichen Ehe auch auf Nord-
irland auszuweiten, hat die Hoffnung
vieler Nordiren auf die Gleichstellung
der Homosexuellen bestärkt. Auch
der Premierminister der benachbarten
Republik Irland, Leo Varadkar, nahm
an der farbenfrohenParade im Zentrum
Belfasts teil.Die Entscheidung des briti-
schen Parlaments ebenso wi e dieLegali-
sierung der Abtreibung treten in Kraft,
sollte in Belfast nicht bis 21.Oktober
ein neuesRegionalkabinett zusammen-
treten.

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