Neue Zürcher Zeitung - 05.08.2019

(Dana P.) #1

Montag, 5. August 2019 SPORT29


Packendes Duell der Generationen


Weiteres Renndrama in der Formel 1 –Lewis Hamiltons Taktik siegt über Max Verstappens Hochform


Lewis Hamilton und Max


Verstappen schenken sich im GP


von Ungarn nichts. Klar ist nun


auch:Verstappens


Ausstiegsklausel beiRed Bull


kommt nicht zur Anwendung.


ELMAR BRÜMMER, MOGYOROD


Es ist der achte Sieg vonLewisHamil-
ton im zwölftenRennen derFormel-1-
Saison.Tr otzdem zeigt der Grosse Preis
von Ungarn, dass vieles anders gewor-
den ist in derKönigsklasse. Nur takti-
scheFinesse verhinderte den dritten
Sieg MaxVerstappens in den letzten
vierRennen.
Zum erstenMal in seiner Karriere
war der Niederländer im Red-Bull-
Honda aus derPole-Position gestartet.
Längst wirdVerstappen aufgrund sei-
ner Hochform, des stärker gewordenen
Rennwagens und der sich stetigstei-
gernden Motorenleistung alsTitelkan-
didat schon in dieser Saison genannt.
Dies, obwohl seinRückstand momentan
noch stattliche 69 Punktebeträgt. Doch
dasDuell der Generationen wird greif-
barer. Hamilton sagte nach seinem ins-
gesamt siebenten Erfolg auf dem Hun-
garoringebensoerschöpft wie glücklich:
«JedeRennrundewar wie eine Qualifi-
kationsrunde.»


Alfa rückt dank Räikkönen vor


SebastianVettel erkämpfte sich gegen
Charles Leclerc imDuell der Ferrari
den dritten Platz. DerRest desFeldes
war chancenlos. KimiRäikkönen sorgte
mit einem ordentlichen siebenten Platz
dafür, dass der Hinwiler Alfa-Rennstall
jetzt auch in derKonstrukteurswertung
auf diesem Platz liegt. Antonio Giovi-
nazzi hingegen wurde zweimal über-
rundet und beendete dasRennen als
Vorletzter.
Tatsächlich hat sichVerstappen für
die zweite Saisonhälfte zum ersten Her-
ausforderer der Silberpfeile gemausert.
Nebenbei haben die jüngsten Erfolge
die Diskussion um seine nahe Zukunft
beendet, denn dieAusstiegsklausel bei
Red Bull hätte nur dann gegriffen, wenn
er nach diesemWochenende in derFah-
rerwertung nicht mindestens Platz drei
erreicht hätte. Der von Mercedes und
Ferrari umworbene 21-Jährige ist aber


hinter Hamilton (250 Punkte) undValt-
teri Bottas (188) mit181 Punkten mitt-
lerweile souveräner Dritter. Er bleibt
jetzt bis Ende 2020 beiRed Bull, mit
dem Ziel, bei seinem Stammteam jüngs-
terWeltmeister derFormel 1 zu werden.
Konsequent nutzteVerstappen den
Vorteil, vorneweg zu fahren, auch wenn
in der erstenKurve die Silberpfeilevon
Valtteri Bottas und Hamilton gleich-
auf lagen. Der Niederländer zog da-
von, als sich die silbernenTeamkolle-
gen ins Gehege kamen. DerFrontflügel
von Bottas touchierte leicht das Hin-
terrad des Briten, als Hamilton vorbei-
zog. DerFinne ging nach einerRepa-
ratur als Letzter wieder insRennen, er
wurde am EndeAchter und muss um
seineVertragsverlängerungbei Merce-
des bangen.
Aber für das Drama von Mogyorod,
das vierteüberaus spannendeFormel-
1- Rennen in Serie, benötigte es ohne-
hin nur zwei Hauptdarsteller. Für den

Angreifer Hamilton galt es zu wider-
legen, dass aufdem Hungaroring nicht
überholt werden kann.Fast 50 Grad
Asphalttemperatur machten das Unter-
fangen nicht gerade leichter. Der füh-
rendeVerstappen klagte schon nach 20
der 70Runden darüber, dass die Pneus
an Haftung verlieren, Hamilton knab-
bertekontinuierlich seinenRückstand
ab. Die Nervosität übertrug sich auf die
Kommandostände:Wer kommt zuerst
zumReifenwechsel? Es warVerstap-
pen, nach 25Runden. Hamilton über-
nahm dieFührung, verlor sie aber beim
eigenen Boxenstopp.
Damit ging der Niederländer mit
fünf SekundenVorsprung in die ent-
scheidendeRennhälfte. Doch innerhalb
wenigerRunden schlug derWeltmeister
zurück. In der 40.Runde war Hamilton
im zweitenVersuch schon vorbei, aber
Verstappen liess sich nicht so einfach
abschütteln, der Championgeriet in die
Auslaufzone.

20 Runden vor Schluss befahl der
Mercedes-StrategeJamesVowles auf-
grund der Computerdaten eine riskante
Umstellung derTaktik. Der wieder nur
eine Sekunde zurückliegende Hamilton
wurde noch einmal an die Box befohlen,
um frischeReifen zu holen.

Das Signaldes Verlierers


Hamilton liebt solcheAktionen, und er
vertraut seinemTaktiker. DerFührende
merkte sofort, dass es eng werden würde,
aberseinTeam musste ihn draussenlas-
sen, sonst wäre er in jedemFall hinter
Hamilton zurückgefallen. FünfRunden
vorRennende meldeteVerstappen über
Funk, dass seineReifen «erledigt» seien,
Hamilton ging kurz darauf locker vor-
bei. Um überhaupt ins Ziel zukommen,
holteVerstappen noch einmal frische
Pneus und sicherte sich den Extrapunkt
für die schnellsteRennrunde. Ein klares
Signal: So schnell gibt er nicht auf.

Viel Grund zurFreude: Lewis Hamilton jubelt auf dem Hungaroring. STEVEN TEE / IMAGO

Der erste Titel


in Deutschland


Lucien Favre und Dortmund nach
Supercup-Triumph optimistisch

(dpa)·LucienFavre liess es sich nicht
nehmen, den Siegerpokal eigenhändig
in die Spielerkabine zu tragen.Wie
einen Schatz hielt der Dortmund-Tr ai-
ner seine erste in Deutschland gewon-
neneTr ophäe in beiden Händen.Das 2:0
überBayern München im Supercup, bei
dem Dortmundseinen forschenWorten
Taten folgen liess, machte aber nicht nur
Favre stolz. «Wenn es bis zum Ende der
Saison so weitergehenkönnte, würde
ich dassofort unterschreiben»,sagte
der Captain MarcoReus.Auch derTor-
schützeJadon Sancho war ermutigt:
«Das kann unserJahr werden.»
DerAuftritt der Dortmunder wurde
von allen Beobachtern als ersteWar-
nung an den FCBayern gewertet. Mit
einer über weite Strecken soliden Ab-
wehrleistung und sehenswertemKon-
terfussball deutete derBVB an, dass es
nicht vermessen war, denTitel erstmals
seitJahren als Saisonziel auszugeben.
«Wir wissen, dass es heute nicht der
Meistertitel war, und werden das sicher
nicht überbewerten»,sagte der Neu-
zugang Nico Schulz, verwies aber auf die
inspirierendeWirkungdes Erfolgs:«Wir
wollten ein Zeichen setzen, dass wir da
sind und in dieser Saison versuchen, vor
denBayern zu landen.»
Schon bei der ersten Spielanalyse
wenige Minuten nach dem Match sorgte
der CoachFavre dafür, dass seine Pro-
fis nicht die Bodenhaftung verlieren. Bei
allerFreude über den Erfolg nachToren
vonPaco Alcácer und Sancho pflegte
der Schweizer einmal mehrseinenRuf
alsPerfektionist. «65 ProzentBallbesitz
für dieBayern sind zu viel.Wir müs-
sen viel geduldiger denBall halten.Vo n
links nachrechts, vonrechts nach links,
damit wir Zeit haben, uns zu ordnen»,
kommentierteFavre die hoheFehler-
quote imAufbauspiel.
Gut möglich, dass die Borussia mit
allen Zugängen in Zukunft auch gegen
dieBayern dominanter auftreten kann.
Im ersten Kräftemessen der Saison zwi-
schen den beiden Branchenführern fehl-
ten mit Mats Hummels,Julian Brandt,
Thorgan Hazard und Mateu Morey
gleich vier der fünf im Sommer verpflich-
tetenProfis.Dass der Supercup dennoch
imTr ophäenschrank landete, wertet den
Erfolg zusätzlich auf. «Wir fühlen uns
sehr wohl mit dem Kader und haben in
derVorbereitung schon gemerkt,dass ei-
nige Dinge ziemlich gut funktionieren»,
sagte der Sportdirektor Michael Zorc.

Lüthi riskiert bei Aufholjagd zu viel


Nach miss glücktemQualifying stürzt der Berner Motorradfahrer im GP von Tschechien


(sda)· FürTom Lüthi hat ein schwieri-
ges GP-Wochenende in Brünn im Kies-
bett geendet. Der 32-jährige Emmen-
taler schied im Grand Prix von Tsche-
chien in der viertenRunde aus. Bereits
dasQualifying war fürden17-fachen
GP-Sieger,der in Brünn schon zweimal
zuoberst auf demPodest gestanden hat
(2 005 und 2017), enttäuschend verlau-
fen. Lüthi verpasste es, bei abtrocknen-
der Strecke auf Slick-Reifen zu wech-
seln, und klassierte sichmitfastsieben
SekundenRückstand nur im 12.Rang.
«Klar, dass ich dann imRennen eini-
ges riskieren musste», sagte Lüthi. Der
Kalex-Fahrer preschte nach einem guten
Start auf Platz 6 vor, bekam jedoch Pro-
bleme mit der Bremse. «Überholen war
für mich aber nur auf der Bremse mög-
lich, und darum war ich einige Male am
Limit.» In der vierten von 19 Runden
folgteinKurve 5 dasAus. «Mir klappte
ohneVorwarnung dasVorderrad ein»,
sagte Lüthi.Für ihn war es nach dem
Rennen in ArgentinienderzweiteAus-
fall in dieser Saison.


Aegerters Zukunftungewiss


Gewonnen wurde dasRennen von Alex
Marquez, der nach einem überlegenen
Start-Ziel-Sieg die WM-Führungaus-
baute. Der Spanier liegt nach dem zehn-


ten von 19 Saisonrennen nun 33 Punkte
vor Lüthi (161:128), der seinerseits
noch einenVorsprung von 18 Punkten
aufAugustoFernandez (8. imRennen)
undJorge Navarro (4.) aufweist. Hinter
Marquez klassierten sichFabio Di Gi-
annantonio und EneaBastianini mit be-
reits drei beziehungsweise vier Sekun-
denRückstand.Für die beiden Moto2-
Rookies war es der erstePodestplatz in
der mittleren Motorrad-Klasse.
Für DominiqueAegerter, Zweitletz-
ter im Qualifying, verlief auch dasRen-
nen enttäuschend. EineWoche nach
demAbstecher zum 8-Stunden-Ren-
nen in Suzukaverpasste der 28-jäh-
rige Oberaargauer als 21. die Punkte-
ränge um knapp zehn Sekunden. Ob
Aegerter auch nächste Saison noch in
der Moto2-Klasse fahren darf, ist mehr
als fraglich. Obwohl er noch einenVer-
trag für 2020 besitzt, dürfte seinTeam
MV Agusta nächste Saisonkeinen Start-
platz mehr erhalten. DerRechteinhaber
und MotoGP-Vermarkter Dorna plant,
dasFahrerfeld von 31 auf 26 zureduzie-
ren. Zudem habenrenommierteTeams
einen zweiten Startplatz beantragt.Weil
AegertersRennstall ständig mit finan-
ziellen Schwierigkeiten kämpft und
Rechnungen mit grosserVerspätung
zahlt (wenn überhaupt), ist es gut mög-
lich, dass Dorna demTr auerspiel ein

Ende setzt. Bereits fix scheint, dass das
deutsche Kiefer-Team aus dem Moto2-
Zirkus verschwinden wird–derTeam-
chefJochen Kiefer kündigte dies am
Sonntag gegenüber dem österreichi-
schen Sender ServusTVan.Vor einem
Jahr hatteAegerter noch beim Kiefer-
Team unterVertrag gestanden.

Jubiläumfür Marc Marquez


Marc Marquez machte mit seinem


  1. GP-Triumph wie vor einem Monat
    beim GP von Deutschland denFamilien-
    Doppelsieg perfekt.Der erst 26-jährige
    Spanier gewann wie seindreiJahre jün-
    gerer Bruder Alex in der Moto2 überle-
    gen vonderPole-Positionaus. Mit dem
    Jubiläums-Sieg, dem 50. in der MotoGP,
    machte Marquez einen weiteren Schritt
    Richtung WM-Titel Nummer 8. Mehr
    GP-Siege in derKönigsklasse schafften
    nur der neunfache ChampionValentino
    Rossi (89), GiacomoAgostini (68) und
    Mick Doohan (54).
    Der sechste Saisonsieg von Marquez
    geriet nie in Gefahr.Am Ende verwies er
    mit über zwei SekundenVorsprung die
    beidenDucati-Fahrer Andrea Dovizioso
    undJack Miller auf die Ehrenplätze. In
    der Gesamtwertung führt Marquez mit
    63 PunktenVorsprung auf Dovizioso
    (210:147).


Premiere für Hirschi


Berner Radprofi Dritter der Clasica San Sebastian


(sda)· Marc Hirschi hat an der Clasica
SanSebastian in Spanien das wertvollste
Ergebnis seiner noch jungen Profi-
karriere erreicht. Der bald 21-jährige
Berner klassierte sich bei dem zurWorld
Tour zählenden Eintagesrennen im drit-
ten Rang.Geschlagen wurde Hirschi nur
von einem noch grösserenTalent, dem
19-jährigen SolosiegerRemco Evene-
poel aus Belgien, und im Sprint derVer-
folgergruppe von Olympiasieger Greg
van Avermaet.Für Hirschi, den U-23-
Welt- und Europameister von 2018, war
es der erstePodestplatz imRahmen der
WorldTour.
Hirschi, in Diensten des deutschen
Teams Sunweb, fuhr clever.An der letz-
ten von sieben Steigungen zwölf Kilo-
meter vor dem Ziel hielt er sich meist im
Hintergrund, überquerte dieKuppe aber
mit der Gruppe derFavoriten umvan
Avermaet und demWeltmeister Ale-
jandroValverde. «Ich fühlte mich gut,
der kurze und steile Anstieg am Ende
kam mir entgegen», resümierte Hirschi.
Im Zielsprint um Platz 2 war nach 227,3
Kilometern durch dasBaskenland nur
vanAvermaet um einen Hauch stärker.
«Ich wusste, dass ich in dieser Gruppe
nicht der schlechteste Sprinter bin. Also
suchte ich das Hinterrad van Avermaets.
Es war ein guter Entscheid,er war der
Schnellste der Gruppe», sagte Hirschi.

Evenepoel, derWelt- und Europa-
meister bei den U-19-Junioren, düpierte
dieFavoriten, indem er vor der letzten
Steigung zusammen mit dem Letten
Toms Skujins ausriss, sich gut acht Kilo-
meter vor dem Ziel alleine absetzte und
schliesslich solo triumphierte.Evene-
poel, früher auchJunioren-Internatio-
naler imFussball, wird in Belgien be-
reits mit Eddy Merckx verglichen. Er ist
nun der jüngste Sieger der Clasica San
Sebastian, die zum 39. Mal stattgefun-
den hat.
Nicht mehr imVollbesitz ihrer Kräfte
waren die prägendenFiguren derTour
deFrance. Der Gesamtsieger Egan Ber-
nal ausKolumbien gab dasRennen
ebenso auf wie derFranzose undVor-
jahressiegerJulian Alaphilippe, der an
derTour 14 Tage lang das Maillotjaune
getragen hatte.SeinTeamkollege Evene-
poel sicherte der belgischen Equipe De-
ceuninck-QuickStep den 53. Saisonsieg.

Marc Hirschi
KEYSTONE Radprofi
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