Neue Zürcher Zeitung - 03.08.2019

(Barry) #1

12 SCHWEIZ Samstag, 3. August 2019


Am PizSegnas sind vor einemJahr 20Personenbeim Absturzeiner Ju-52 ums Leben gekommen. KANTONSPOLIZEI GRAUBÜNDEN / HANDOUT VIA REUTERS


Passagierflüge

mit Oldtimer-

Flugzeugen

werden

zur Rarität

Am 4. August 2018 stürzt eine Ju-52 oberhalb von


Flims ab. Das Unglück hallt bis heute nach.


Es hat auch die Welt der Aviatikfans in der Schweiz


und in Deutschland nachhaltig verändert.


JÜRGEN SCHELLING

JunkersJu-52 und die Lockheed Super
Constellation sind Namen, die beiAvia-
tikfans Begeisterung auslösen. Beide
Propellermaschinen stehen für klas-
sischen Flugzeugbau, mächtige Stern-
motoren und eine Ära, in der eine Luft-
reise noch etwas Besonderes war. Die
Begeisterung ist zwar noch da, aller-
dings fliegen die eidgenössischen Klas-
siker nicht mehr.
Beide verbliebenenJu-52 der Ju-
Air sind derzeit nicht flugtauglich und
werden in mehrjähriger Restaurie-
rung technischkomplett überholt. Die
Super Constellation ist AnfangJuli so-
gar völlig überraschend nach Deutsch-
land verkauft worden. Sie wird gerade
am Flughafen Zürich für denTransport
demontiert. Ebenfalls imJuli wurde
der Jahresbericht der Sicherheitsunter-
suchungsstelle(Sust)2018 veröffentlicht.
Auchdortistnachzulesen,dassdertragi-
sche AbsturzeinerJu-52 derJu-Airmit
zwanzigToten imAugust vor einemJahr
die SchweizerAviatik verändert hat.

KeinkommerziellerVerkehr


Bereits drei Monate nach dem verhee-
renden Crash der1939 in Deutschland
gebautenJu-52 HB-HOT kam die Sust
beim ersten Zwischenbericht der Ab-
sturzuntersuchung vom 20. November
zu einem überraschenden Befund.Am
Wrack wurden an mehreren Stellen,
etwa an Holmen, aber auch an ande-
ren Teilen der Flügel und am Kabi-
nenboden «erheblicheKorrosionsschä-
den» entdeckt. Diese waren zwar laut
Sust nicht Ursache für den Unfall, alar-
mierten aber das zuständige Bundesamt
für Zivilluftfahrt (Bazl).Da beide noch
existierendenJu-52 derJu-Air ähnliche
Baujahre und Betriebszeiten wie die
abgestürzte Maschine aufweisen, wollte
das Bazl erst einmal festgestellt wissen,
ob diese Flugzeuge ebenfalls von mög-
licherKorrosion betroffen sind, bevor
sie wieder abheben dürften.

Dann ging es quasi Schlag auf Schlag:
Das Bazl entzog derJu-Air im März die
Erlaubnis, kommerzielle Flüge mitPas-
sagieren durchzuführen. Das bedeutet
allerdings nicht gleich das Ende von Flü-
gen mit Gästen an Bord.So könne ein
Betrieb derJu-52 lautBazl «im privaten
Rahmen und unter nationalenAuflagen
weiterhinmöglichsein». Dassollmithilfe
einerVereinslösung ermöglicht werden.
Allerdings müssen lautBazl mögliche
Passagiere an Bord «seit mindestens
dreissigTagen Vereinsmitglieder sein».
Zudem müssten diese über die höheren
Risiken aufgeklärt werden, die bei his-
torischen Flugzeugen imVergleich zu
modernen bestehen. Einkommerzieller
PassagierflugbetriebderJu-52, wieerbis
Herbst 2018 bei derJu-Air stattfand, ist
aber künftig ausgeschlossen.
Die Ju-Air teiltedaraufhin im April
mit, dass beideJu-52 einer grundlegen-
den Sanierung unterzogen würden. Spä-
ter folgt noch eine dritte Maschine, die
derzeit in Mönchengladbach steht.Alle
drei sollen auf den technischen Zustand
eines Neuflugzeugs gebracht werden.
Allerdings dauern diese Arbeiten pro
MaschinemindestenszweiJahreundsol-
lennacheinanderablaufen,nichtparallel.
Verantwortlich ist dafür aber nicht
mehr dieJu-Air, sondern die eben-
falls inDübendorf beheimateteJunkers
FlugzeugwerkeAG. Diese Firma wurde
durch den Nachbau einer historischen
Junkers F-13 bekannt. Zudem werden
alle dreiJu-52 von den originalen BMW-
Triebwerken auf weiter verbreitete US-
Sternmotoren von Pratt&Whitney
umgerüstet. Für diese sind Ersatzteile
und Wartungbesserverfügbar.Frühes-
tens 2021könnte die ersteJu-52 derJu-
Air alsowieder inDübendorfabheben,
wenn mit derRestaurierung alles klappt
und das Bazl sein Okay gibt.
Die strengereAufsicht durch das
Bundesamt betrifft neben derJu-Air
auch andere Betreiber von Oldtimer-
Flugzeugen. Die neueRegelung gilt vor
allem für mehrmotorige Flugzeuge, in
denen vielePassagiere befördert wer-

den, weniger für die einmotorigen
Bücker-, Piper-, Pilatus- oder Cessna-
Klassiker. Die verschärfteAufsicht be-
kam neben derJu-Air wohl am meisten
die Super Constellation Flyers Associa-
tion (SCFA) zu spüren.Bereits imFrüh-
jahr wurde eine1940 gebaute und eid-
genössischregis trierte DC-3A in die
Türkei verkauft. Diese wurde von dem
in Basel gegründetenVerein SCFA mit
rund 4000 Mitgliedern betrieben, war
aber in Privatbesitz. Mit ihr wurden
Rund- und Erlebnisflüge durchgeführt.
Der zweimotorige Klassiker ist interna-
tional bekannt, weil mit ihm vor zwei
Jahren eine in Genf gestarteteWelt-
umrundung gelang. Ob dieserVerkauf
mit der verschärftenAufsicht übereid-
genössischregistrierte Oldtimer-Flug-
zeuge zu tun hat, ist allerdings offen.
Flaggschiff der SCFA war aber ihre
1955 gebaute Lockheed Super Constel-
lation«Star ofSwitzerland». Sie ist eine
von weltweit nur noch zwei flugfähi-
gen Exemplaren diesesTyps. Das vier-
motorige Propeller-Flugzeug sollte ur-
sprünglichen Plänen gemäss jetzt, nach
zweijährigerReparatur in Zürich, wie-
der fliegen. Doch es kam ganz anders.
EndeApril wurde bekannt,dass sich die
SCFA auflöst. Dies, weil die dringend
benötigten Millionen für die Sanierung
des Flugzeugs nichtrechtzeitig zusam-
menkamen. DerVerein hätte demBazl
nachweisen müssen, dass sein Flugzeug
technisch absolut einwandfrei sei.
DerKlassikermitderzeit35Passagier-
plätzen hat seit 2017 zuerst Korrosion an
Teilen der Landeklappen-Anlenkungen
aufgewiesen. Seither steht die Maschine
in einem Hangar des Flughafens Zürich
zur Reparatur.ImNovember 2018 folgte
die nächste Hiobsbotschaft. Absplitte-
rungen an einem Holm desrechtenTrag-
flügels wurden festgestellt.Fachleute
untersuchten weiter und kamen zum
Schluss, dass eine Sanierung derTragflü-
gel notwendig sei. Die hätte vierJahre
gedauert und mit Löhnen, Hangarmiete,
Administration und Unvorhergesehe-
nem bis zu 20 MillionenFranken gekos-
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