Neue Zürcher Zeitung - 03.08.2019

(Barry) #1

Samsta g, 3. August 2019 WIRTSCHAFT 23


Die Öl- und Gasförderer in der Nordsee werden künftig


wohl weniger ausbeute n und mehr aufräumenSEITE 25


Der verschärfte Handelsstreit zwischen Japan u nd


Südkorea hat Konsequenzen für Tech-Unterne hmenSEITE 26


Peking droht Washington mit Vergelt ung

Nach Trumps Kehrtwende im Handelsstreit stellt sich China auf eine lang andauernde Fehde ein


MATTHIAS MÜLLER, PEKING


Pekinghat amFreitagnachmittag scharf
auf die Ankündigung des amerikani-
schen Präsidenten DonaldTr ump, die
Zölle für chinesische Einfuhren aber-
mals zu erhöhen,reagiert. China werde
Gegenmassnahmen ergreifen, sagte ein
Sprecher des Aussenministeriums in
Peking. Die USA würden dieKonse-
quenzen zu tragen haben, fügte er dro-
hend an. China sei nicht bereit, die ame-
rikanische Strategie, maximalen Druck
aufzubauen, zu akzeptieren, und werde
auch nicht auf Drohungenreagieren.
Zudem sagte der Sprecher inPeking,
die chinesischeRegierung werde nicht
zu Zugeständnissen in Grundsatzfragen
bereit sein. Zuvor hatteAussenminister
WangYiamRande einerKonferenz in
Thailand gesagt, mit solchen Massnah-
men liessen sich die wirtschaftlichen
und handelspolitischenVerwerfungen
nicht beseitigen. Die chinesischeFüh-
rung dürfte sich nach der Ankündi-
gungTr umps, einen Zollsatz von 10%
auf chinesische Einfuhren imWert von
rund 300Mrd.$per1. September ein-
zuführen, darin bestätigt sehen, dass die
Regierung inWashingtonkein zuverläs-
sigerVerhandlungspartner ist.


Anfangs herrschteZuversicht


Welche GegenmassnahmenPeking er-
greifen wird, ist noch unklar.Allerdings
verfügt China jenseits von Zöllen über
diverse Instrumente, um die amerikani-
schen Anbieter empfindlich zu treffen:
Ihnen dürfte es bei einer ausbleiben-
den Lösung künftig schwerer fallen, Zu-
gang zu einersich weiter öffnenden chi-
nesischenWirtschaft zu erhalten.Jenen
amerikanischenFirmen, die bereits vor
Ort sind, dürftenAufträge wegbrechen,
und sie werden vermehrt Schikanen der
Behörden ertragen müssen; die chinesi-
schenKonsumentenkönnten Produkte
aus denVereinigten Staaten boykottie-
ren. Und schliesslich ist trotz allenAn-
kündigungen derPeople’s Bank of China
denkbar, dass derYuan alsAusgleich zu
den Zöllen zu schwächeln beginnt.
Zuvor war nach der insgesamt zwölf-
tenVerhandlungsrunde indem Handels-


konflikt zwischen China und denVerei-
nigten Staaten am Dienstag und Mitt-
woch dieserWoche in Schanghai noch
Hoffnung aufgekeimt. In zentralenFra-
gen blieben die Differenzen zwar be-
stehen. Allerdings verständigten sich
der HandelsbeauftragteRobert Light-
hizer sowieFinanzminister Steven Mnu-
chin auf der amerikanischen und der
stellvertretende Ministerpräsident Liu
He auf der chinesischen Seite darauf,
die Gespräche imkommenden Monat
inWashington fortzusetzen. In Anbe-
tracht der verfahrenen Situation wurde
dieses Zugeständnis bereits als Erfolg
gewertet. In den Gesprächen in Schang-
hai ist es auch um die Ankündigung der
Chinesen gegangen, vermehrt landwirt-
schaftliche Produkte aus denVereinig-

ten Staaten zu kaufen.Tr ump gingen
die Zusagen offenbar nicht weitgenug,
denn aufTwitter äusserte er seinen Un-
mut darüber, dassPeking bisherkeine
zusätzlichenamerikanischen Agrarpro-
dukte gekauft habe.

Trump stärkt Xis Position


Chinas Machthaber dürften nach der
abermaligenKehrtwendeTr umps zum
Schlusskommen, dass es der amerikani-
schenRegierung allein darum geht, den
wirtschaftlichenAufstieg ihres Landes zu
verhindern. So soll der Handelskonflikt
sich negativ auf die chinesischeWirt-
schaft auswirken. Zudem sollen durch
die protektionistischen Interventionen
die bestehendenWertschöpfungsketten
durchbrochen werden.Tr ump dürfte es
mitFreude vernehmen, dass sich west-
liche Produzenten nach neuen Produk-
tionsstandorten umschauen. Ob sie sol-
cheVerlagerungen jedoch wirklich vor-
antreiben, steht auf einem anderen Blatt.
In wirtschaftlichen Metropolen wieim
südchinesischen Shenzhen hat sich ein
einzigartiges Ökosystem entwickelt. Zu-
dem punktet China gegenüber Stand-
orten wieVietnam mit einer intakten
Infrastruktur.
Tr ump stärkt darüber hinaus mit zu-
sätzlichen Zöllen die bereits starkePosi-
tions Xis. Zunächst war in China im ver-
gangenenJahr die Kritik aufgekommen,
der starke Mann inPeking habe den
US-Präsidenten falsch eingeschätzt. In-
zwischen ist man jedoch der Meinung,
dass der aus SichtPekings irrational
handelndeTr ump nicht zu fassen ist. Xi
dürfte deshalb in denVerhandlungen
von seiner bisherigen Strategie nicht ab-
weichen und einePosition der Härte ein-
nehmen. Die chinesischen Machthaber
bestehen darauf, dass die Gespräche auf
Augenhöhe stattfinden und die Gegen-
seite nicht erniedrigt wird. Die abermali-
gen DrohungenTr umps wertet China je-
doch als Eklat während des laufenden
Verfahrens. Zudem ist fürPeking die
Beseitigung der vergangenesJahr einge-
führten Zölle auf chinesische Produkte
eine zentraleVoraussetzung, um dieVer-
handlungen erfolgreich abzuschliessen.
«Reflexe», Seite 32

Strafzölle treffen vor allem amerikanische Konsumenten


Eine Viel zahl der amerikanischen Konsumgüter stammt aus China – sie dürften empfindlich te urer werden


DOMINIK FELDGES


Sofern die zusätzlichen Zölle wie er-
wartet Anfang September 20 19 in Kraft
treten, werden in erster Linie die ame-
rikanischen Privathaushalte leiden.
Und zwar gleich in mehrfacher Hin-
sicht: Die Anbieter von Elektronikgerä-
ten wieApple oder Schuh- und Beklei-
dungshersteller wie Nike,die ihre Pro-
dukte zu einem grossenTeil imReich
der Mitte fertigen lassen, werden versu-
chen, die Abgaben inForm von höheren
Preisen an dieKonsumenten weiterzu-
geben. Allerdings dürfte dies angesichts
hart umkämpfter Absatzmärkte nicht
in vollem Umfang möglich sein. Um die
Mehrkosten wegen der Strafzölle gleich-
wohlkompensieren zukönnen, werden
betroffeneFirmen wohl auch Sparmass-
nahmen ergreifen.


Teurere Handysund Laptops


Dies kann inForm vonEntlassungen ge-
schehen oder beispielsweise auch durch
denVerzicht auf Lohnerhöhungen. Ge-
wisse US-Konsumenten dürften damit
die Strafzölle auch an ihrem Arbeits-


platz zu spüren bekommen. Ein schwa-
cherTr ost für sie ist, dass angesichts der
jüngsten Eskalation im Handelskrieg
auchRestrukturierungen bei Unter-
nehmen in anderenWeltgegenden wahr-
scheinlicher geworden sind. Die Strei-
tigkeitenkennen schon seit längerem
fast nurVerlierer, wie das Nachlassen
derKonjunkturdynamik in zahlreichen
Regionen andeutet.
Dass die Gefahr von empfindlichen
Preiserhöhungen sowie Stellenstrei-
chungen imminent ist, illustrieren die
aufgebrachten Stellungnahmen einer
Reihe von Branchen in den USA. So
erklärte einVertreter des US-Verbands
der Bekleidungs- und Schuhindus-
trie gegenüberder Nachrichtenagen-
turReuters, dass die Strafzölle enorm
schädlich («hugely disruptive») seien.
Über 40% der Kleider und sogar fast
70% aller Schuhe,die in Amerika ver-
kauft werden, stammen aus China.
In den ersten fünf Monaten dieses
Jahres wurden allein Sandalen mit Soh-
len aus Plastik oder Gummi im Gesamt-
wert von 1,1 Mrd. $ aus demReich der
Mitte eingeführt. Sie gehören zu den
zehn bedeutendstenWarenkategorien,

die von derVerhängung der jüngsten
Strafzölle betroffen sind. Noch deutlich
mehr Gewicht in dieser von Bloomberg
publiziertenAufstellung weisen Elektro-
nikprodukte wie Handys (Importvolu-
men von 15 Mrd. $ zwischenJanuar und
Mai 2019) undLaptops (14,1 Mrd. $)
auf.Auch diverse Spielzeuge figurieren
prominent unter den am meisten impor-
tierten Produkten, die sich nun spürbar
zu verteuern drohen.

Auf Anschaffungenverzichten


Verschiedene Branchenverbände in den
USA haben schon berechnet, was die
jüngsten Strafzölle Konsumenten im
Detailkosten dürften. So soll laut der Con-
sumer Technology Association eineSpiel-
konsole imDurchschnitt um 56, ein Handy
um70 und einLaptop sogar um 120 $ teu-
rerwerden.Bewahrheiten sich diese Pro-
gnosen, wäredas eine empfindliche Mehr-
belastung für amerikanischeKonsumen-
ten und würde wohl viele von ihnen ver-
anlassen, entsprechende Anschaffungen
zumindest vorübergehend auszusetzen.
Herstellern bietet sich die Möglich-
keit, auf Produktionsstandorte ausser-

halb von Chinaauszuweichen, umden
Strafzöllen zu entgehen. Solche Anpas-
sungen in derWertschöpfungskettebe-
nötigen allerdings Zeit und sindkost-
spielig. Zudem ist die Abhängigkeit von
chinesischenFertigungsstätten in diver-
sen Branchen, zu denen neben der Be-
kleidungsindustrie beispielsweise auch
der Elektroniksektor zählt, so hoch, dass
sich dies bestenfalls teilweiserealisie-
renlässt.

Für Google wirdes ungemütlich


DieBefürchtung in der amerikanischen
Unternehmenswelt ist gross, dass China
alsVergeltung nun weitere Schritte
unternehmenkönnte. So ist denkbar,
dass chinesischeFirmen undKonsu-
menten auf Geheiss derRegierung
vermehrt den Erwerb amerikanischer
Produkte boykottieren werden.Auch
könnten US-Anbietern von Dienst-
leistungenRestriktionen imReich der
Mitte blühen. Dies ist eine ungemüt-
lichePerspektive für die grossenTech-
Konzerne wie Google und Microsoft
sowie für den riesigen amerikanischen
Finanzsektor.

ChinasAussenministerWang Yi kritisierteTrumps neue Drohungen. NARONG SANGNAK / EPA

EU erle ichtert Import von US-Rindf leisch


rru.· Während der Handelskrieg mit
China eskaliert,kommen sich Amerika
und die Europäische Union handels-
politisch einen Schrittnäher.AmFrei-
tag wurde imWeissen Haus ein neues
Abkommen unterzeichnet, das ameri-
kanischenRanchern den Zugang zum
europäischen Mark erleichtern soll.
Über eine Zeitspanne von siebenJah-
ren, bis zur vollen Implementierung des
Abkommens, wird demnach der garan-
tierte Lieferanteil für hormonfreies
Rindfleisch aus Amerika auf letztlich
35000 t proJahr steigen. Derzeit ist
in der EU das jährliche Importvolu-

men für amerikanisches Rindfleisch auf
11000 t beschränkt. Gemäss dem Han-
delsbeauftragtenRobert Lighthizer, der
das Abkommen im Beisein von Präsi-
dent DonaldTr ump präsentierte, ent-
spricht dies einem Handelsvolumen
von 420 Mio.$. Das Abkommen be-
endet einen langjährigen Streitvor der
WTO.Es muss nun noch vom Europäi-
schenParlament bestätigt werden.
Tr ump nannte die Übereinkunft
einen «bedeutenden Erfolg» fürLand-
wirte. Über die andauerndenVerhand-
lungen über ein Handelsabkommen gab
der PräsidentkeineAuskunft.

QUELLEN: US ITC, BLOOMBERG NZZ Visuals/cke.

IndenUSA drohen höherePreise


Volumen grössterWarengruppen, die von den
neuen Strafzöllen auf chinesischen Importen
betroffen wären, von Januar bis Mai 2019.

Kunststoffprodukte

Diverse Elektrowerkzeuge

Speichergeräte

Sandalen

Fernsehgeräte

Computermonitore

Spielzeuge wie Puzzles

Bisher nicht betroffeneTelekomausrüstung

Laptops

Handys
15

14,1

5,1

3,4

2,0

1,6

1,1

1,1

1,0

1,0

In Mrd. $
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