Die Welt Kompakt - 01.08.2019

(Brent) #1

DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT DONNERSTAG,1.AUGUST2019 WIRTSCHAFT 11


D


ie Zeichen sind un-
missverständlich:
Deutschlands wirt-
schaftliche Blütepha-
se geht zu Ende. Für Politiker
und Wirtschaftsführer kommt
die Zeit, Bilanz zu ziehen. Lässt
sich eine harte Landung abwen-
den? Und: Läuft Europas größte
VVVolkswirtschaft in eine Schwä-olkswirtschaft in eine Schwä-
che, ohne dass es ein Konzept für
künftigen Wohlstand gibt?

VON DANIEL ECKERT

Lehrreich ist ein Blick auf die
vergangenen zwölf Jahre. Be-
trachtet man den jetzigen Boom
vor allem als Boom der Beschäf-
tigung, liegen die Anfänge im
Jahr 2005. Seither ist die Zahl der
Erwerbstätigen in Deutschland
um mehr als fünf Millionen ge-
stiegen – eine im europäischen
VVVergleich beachtliche Leistung.ergleich beachtliche Leistung.
Viele Ökonomen betrachten die
Hartz-Reformen als Initialzün-
dung für das „Jobwunder“, aller-
dings spielt mit Sicherheit auch
der internationale Investitions-
gggüterboom dieser Jahre eine Rol-üterboom dieser Jahre eine Rol-
le. „Der Aufschwung war das Re-
sultat von strukturellen Refor-
men wie der Agenda 2010, aber
aaauch einer Portion Glück. Deruch einer Portion Glück. Der
AAAufschwung Chinas brachte eineufschwung Chinas brachte eine
große Nachfrage nach typisch
deutschen Gütern“, sagt Carsten
Brzeski, Chefökonom von ING
Deutschland. Als Land der Ma-
schinenbauer konnte Europas
größte Volkswirtschaft von In-
vestitionen im Reich der Mitte
üüüberproportional profitieren.berproportional profitieren.
Zuletzt wurde der Konjunktur-
aaaufschwung mit billigem Noten-ufschwung mit billigem Noten-
bankgeld – Skeptiker sagen
künstlich – verlängert und am
Leben gehalten.
Fünf Millionen Erwerbstätige
mehr bedeutet fünf Millionen
Menschen mehr in Lohn und
Brot, was für den Staat wieder-
um ein Mehr an Einnahmen be-
deutet. Die jüngsten Rekordein-
nahmen des Fiskus wären ohne
das Jobwunder schwer vorstell-
bar. Die große Frage ist: Wie lan-
ge brummt der Beschäftigungs-
motor noch? Die neuesten Zah-
len des Statistischen Bundesam-
tes deuten auf eine scharfe Ver-
langsamung hin. Für Juni 2019
vermelden die Statistiker zwar
noch einmal einen Spitzenwert
von 45,1 Millionen Erwerbstäti-
gen in Deutschland. Die Dyna-
mik verschlechtert sich jetzt je-
doch zusehends. So sind im Juni
nach vorläufigen Ergebnissen
unter dem Strich nur mehr 1000
Personen in den Erwerbsprozess
dazugekommen. „Das ist ein
weit geringerer Zuwachs gegen-
üüüber dem Vormonat als imber dem Vormonat als im
Durchschnitt der letzten fünf
Jahre“, schreiben die Statistiker.
In den Vorjahren war die Zahl
der Menschen in Lohn und Brot
zu dieser Zeit des Jahres im
Schnitt um 44.000 gewachsen.
Die Vollbremsung passiert im
Zentrum der deutschen Wirt-
schaft. Während der Beschäfti-
gggungsaufbau im Öffentlichen
Dienst weiter vorangeht, haben

in der Industrie die ersten Un-
ternehmen bereits Kurzarbeit
und Entlassungen angekündigt.
Der Arbeitsmarkt war zusam-
men mit dem Bau und dem
Staatssektor zuletzt der große
Stützpfeiler der deutschen Kon-
junktur. Die eher exportlastigen
Bereiche mussten dagegen herbe
RRRückschläge hinnehmen. ückschläge hinnehmen.
Wie wichtig der Jobaufbau für
das „neue deutsche Wirtschafts-
wwwunder“ der vergangenen Jahreunder“ der vergangenen Jahre
war, zeigt der Rückblick: Auch
wenn es Bundesländer gibt, die
seit 2005 an Bevölkerung verlo-
ren haben, lässt sich in keinem
der 16 Länder ein Rückgang der
Beschäftigung konstatieren.
Gleichwohl war der Jobaufbau in
manchen Bundesländern weitaus
nachhaltiger. Den größten
Sprung nach vorn haben die Süd-
länder Bayern und Baden-Würt-
temberg gemacht: Allein im Frei-
staat waren zuletzt 1,2 Millionen
Menschen mehr in Arbeit als
2 005, dazu kommen noch einmal
gggut 800.000 zusätzliche Er-ut 800.000 zusätzliche Er-
werbstätige in Baden-Württem-
berg. Auch in Nordrhein-Westfa-
len hat die Beschäftigung um ei-
ne Million zugenommen, ange-
sichts der fast 18 Millionen Ein-
wohner des Bundeslandes ist das
allerdings eine unterdurch-
schnittliche Leistung.
Unterdurchschnittlich ist
Nordrhein-Westfalen auch beim
Anstieg der Wirtschaftskraft, al-
so jener Kennziffer, die darüber
entscheidet, wie viel Wohlstand
verteilt werden kann. Während
sich das Bruttoinlandsprodukt
(BIP) je Einwohner seit 2005
bundesweit um 44 Prozent er-
höht hat, ging es an Rhein und
RRRuhr nur um 38 Prozent nachuhr nur um 38 Prozent nach
oben. Eine relative schwache
Wirtschaftsentwicklung zeigen
aaauch andere Flächenländer imuch andere Flächenländer im
WWWesten: Das kleine Saarland hatesten: Das kleine Saarland hat
ökonomisch seit 2005 an Boden
verloren, aber auch Rheinland-
Pfalz, wo der Chemiekonzern
BASF seinen Sitz hat, trat ökono-
misch auf der Stelle.
Überraschend schwach prä-
sentiert sich auch die Langfrist-
Entwicklung des Bundeslandes
Hessen. Dort stieg das Brutto-
inlandsprodukt je Einwohner in
den vergangenen zwölf Jahren
nur um ein Drittel. Ein Grund
dafür dürfte die Verzwergung
der deutschen Kreditwirtschaft
sein, Frankfurt am Main, nach
unten zieht. Hessens unter-
durchschnittliches Wachstum
hat dazu geführt, dass sich der
Anteil des Bundeslandes am
deutschen BIP im zurückliegen-
den Boom von 9,2 auf 8,6 Punkte
vermindert hat.
Noch stärker gesunken ist nur
das Gewicht Nordrhein-Westfa-
lens als Wirtschaftsfaktor. In der
alten Bundesrepublik war NRW
ökonomisch lange dominant.
AAAber auch noch nach der Wieder-ber auch noch nach der Wieder-
vereinigung von 1990 stand das
einstige Herzland des Nach-
kriegs-Wirtschaftswunders für
ein Viertel der gesamtdeutschen
WWWertschöpfung. Heute werdenertschöpfung. Heute werden
noch 20,8 Prozent aller Güter

und Dienstleistungen in Nord-
rhein-Westfalen produziert. Für
das Bundesland ist das ein histo-
rischer Tiefwert.
Um das einzuordnen: Bayern
bringt es mit weniger als drei
Viertel der Bevölkerung auf ei-
nen Anteil von 18,5 Prozent an
der gesamtdeutschen Wirt-
schaftskraft. Zum Teil erklärt
sich der weiß-blaue Höhenflug
aaaus der starken Bevölkerungsdy-us der starken Bevölkerungsdy-
namik im Freistaat. Verglichen
mit 2005 zählt Bayern heute fast
7 00.000 Menschen mehr, wäh-
rend die Einwohnerzahl an
RRRhein und Ruhr in den letztenhein und Ruhr in den letzten
zzzwölf Jahren per saldo stagniertewölf Jahren per saldo stagnierte


  • vermutlich weil viele NRW-
    Städte nicht als attraktiv wahrge-
    nommen werden. Statistisch gilt
    dort mehr als jeder sechste
    Haushalt als armutsgefährdet.
    Das entgegengesetzte Bild in
    Bayern: Das Armutsrisiko be-
    trägt hier nur 11,7 Prozent. Die
    Struktur seiner Wirtschaft be-
    gggünstigt den Freistaat: Rechne-ünstigt den Freistaat: Rechne-
    risch konnte jeder bayerische Er-
    werbstätige seine Wertschöp-
    fffung seit 2005 um fast ein Drittelung seit 2005 um fast ein Drittel
    aaausweiten. Einen noch höherenusweiten. Einen noch höheren
    WWWert erreichte im Westen nurert erreichte im Westen nur
    Baden-Württemberg. Darin
    schlägt sich die relativ starke Ge-
    wichtung von Zukunftstechnolo-
    gien in diesen Bundesländern
    nieder. Einen starken, innovati-
    ven Mittelstand gibt es zwar
    aaauch in Teilen Nordrhein-West-uch in Teilen Nordrhein-West-
    fffalens, doch fordern dort diealens, doch fordern dort die
    strukturschwachen Gegenden
    ihren Tribut. In der Krise könnte
    sich das Übergewicht zyklischer
    Branchen der alten Industrien
    fffür NRW als Hypothek erweisen:ür NRW als Hypothek erweisen:
    Schon jetzt ist die Arbeitslosen-
    quote mit 6,6 Prozent die dritt-
    höchste aller Flächenländer. Nur
    in Sachsen-Anhalt und Mecklen-
    burg-Vorpommern sind prozen-
    tual mehr Menschen auf Jobsu-
    che als in NRW.
    Insgesamt kann sich die Ent-
    wicklung im Osten sehen lassen.
    So konnte kein Bundesland das
    Bruttoinlandsprodukt je Ein-
    wohner so stark steigern wie
    Thüringen mit fast 60 Prozent.
    AAAllerdings sind diese beachtli-llerdings sind diese beachtli-
    chen Steigerungsraten zum Teil
    als Aufholprozess zu verstehen.
    Mangels internationaler Konzer-
    ne und Forschungszentren wer-
    den die Bäume in den neuen Län-
    dern wohl nicht in den Himmel
    wachsen. 2018 lag das für Meck-
    lenburg-Vorpommern gemesse-
    ne Bruttoinlandsprodukt pro
    Kopf trotz der gewaltigen Annä-
    herung seit dem Fall der Mauer
    immer noch um 42 Prozent un-
    ter dem Bayerns. Entsprechend
    sind demografisch weitere Ver-
    schiebungen zu erwarten: Die
    Menschen werden weiter dort
    hinziehen, wo sie die Kommunen
    als lebenswert empfinden und
    Unternehmen genügend attrak-
    tive, gut bezahlte Arbeitsplätze
    bieten. Länder, die schon im
    Boom Schwierigkeiten hatten,
    die Erwartungen der Menschen
    zu erfüllen, werden sich im nun
    kommenden Abschwung etwas
    einfallen lassen müssen.


Schlechtes


Omen für die


Schwachen


Seit der letzten Krise haben manche


Bundesländer im großen Stil Jobs


geschaffen, andere weniger. Schwache


Regionen müssen den wirtschaftlichen


Einbruch besonders fürchten


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Bayern

Hessen

Thüringen

Sachsen

Sachsen-Anhalt

Berlin

Brandenburg

Meckl.-Vorpomm.

Saarland

Rheinl.-Pfalz

Baden-Württemb.

Nordrh.-Westf.

Niedersachsen

Bremen

Hamburg

Schleswig-Holst.

Quelle: Statistische Ämter

Anteil am deutschen Bruttoinlandsprodukt
in jeweiligen Preisen in Prozent Veränderung zu ���� in Prozent

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Quelle: Statistische Ämter

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Quelle: Statistische Ämter

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Bevölkerung
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Quelle: Statistische Ämter

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