Die Welt Kompakt - 01.08.2019

(Brent) #1

24 BÜCHER DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT DONNERSTAG,1.AUGUST2019


A

ls Schriftsteller hat Jo-
nathan Franzen eine
beeindruckende Um-
weltbilanz. Versuchs-
weise ließe sich sogar behaupten,
dass er ebenso sehr Umwelt- wie
Familienromane schreibt. Bereits
sein zweiter Roman „Schweres
Beben“ (1992) war ein Umwelt-
thriller, von der komplizierten
Problematik des Fracking dürften
viele deutsche Leser zuerst in sei-
nem Roman „Freiheit“ (2010) ge-
lesen haben, und ein Nature Wri-
ter ist der leidenschaftliche Vo-
gelbeobachter schon so lange, wie
er Essays schreibt. Aber Franzen
hat eben auch ein Talent, sich
zwischen alle Stühle zu setzen.
VVVor vier Jahren machte er sichor vier Jahren machte er sich
mit einem damals „Die Klima-
Klemme“ überschriebenen Essay
dafür stark, über dem Klima-
nicht den Artenschutz zu ver-
nachlässigen, und löste damit ei-
ne Welle der Empörung aus. Un-
ter seinem neuen Titel „Rette,
was du liebst“ ist auch dieser Es-
say in Franzens neuem Buch „Das
Ende vom Ende der Welt“ (Ro-
wohlt, 256 S., 25 €) enthalten. Sei-
ne Position in der immer heftiger
geführten Klimadebatte hat Fran-
zen seitdem noch geschärft.


VON WIELAND FREUND

WELT: Das Hockeyschläger-
Diagramm zur globalen Erwär-
mung ist 20, „Die Grenzen des
WWWachstums“, der berühmte Be-achstums“, der berühmte Be-
richt des Club of Rome, 47, Ra-
chel Carsons Buch „Der stum-
me Frühling“ sogar 57 Jahre alt.
Die Umweltkrise könnte seit
Jahrzehnten das dominierende
Thema sein, sie ist es aber – zu-
mindest in Europa – erst jetzt.
WWWarum?arum?
JONATHAN FRANZEN:WWWas ichas ich
mich deutlich zu machen bemü-
he, ist, dass Umweltschutz mehr
als eine Sache beinhaltet – dass es
viele verschiedene Wege gibt,
grün zu sein. Den Klimawandel zu
bekämpfen ist ganz sicher einer
dieser Wege. Doch die Tatsache,
dass das Klima in Europa jetzt das
dominierende Thema ist, bedeu-
tet nicht, dass Europa auf einmal
umweltbewusst geworden wäre.
Europäische Länder fügen der
Natur nach wie vor verheerenden
Schaden zu – durch eine sterili-
sierende Agrarpolitik, durch die
Zerstörung von Fischgründen,
durch Waldmisswirtschaft, durch
ein krass unnachhaltiges Ausmaß
legaler und illegaler Jagd und, ja,
durch Windparks und Biodiesel-
verordnungen und andere „tu-
gendhafte“ Energieprogramme –
und darüber reden, wie es aus-
sieht, nur sehr wenige Leute. Für
mich deutet die plötzliche neue
Beschäftigung mit dem Klima da-
rauf hin, dass die meisten Euro-
päer sich erst dann um den Plane-
ten sorgen, sobald sie persönlich
bedroht sind. Und das gilt natür-
lich nicht nur für die Europäer.
Die meisten Amerikaner sind ge-
nauso.


„Als Spezies, heißt es“, schrei-
ben Sie, „seien wir Menschen
darauf programmiert, nicht vo-
rausschauend zu denken.“ Ist


Homo sapiens zu dumm, um
die Klimakrise zu bewältigen?
Nun ja, ich habe mich da über den
Begriff „programmiert“ lustig ge-
macht, ein Konzept, das aus der
Soziobiologie stammt und in ei-
ner Zeit, in der Computer die be-
vorzugte Metapher zur Beschrei-
bung des menschlichen Hirns
sind, floriert. Aber Ihre Frage er-
innert mich an den großartigen
Aphorismus von Karl Kraus: „Wir
waren kompliziert genug, die Ma-
schine zu bauen, und wir sind zu
primitiv, uns von ihr bedienen zu
lassen.“ Die Klimakrise ist keine
Frage der Intelligenz – ein durch-
schnittlicher Achtklässler kann
verstehen, was unser Kohlendi-
oxidausstoß mit der Atmosphäre
macht. Wie ich in einem der Es-
says in meinem neuen Buch
schreibe, kann die Krise auf viele
Arten begriffen werden: als Schei-
tern einer Weltordnungspolitik,
als Versagen, Kohlendioxidemis-
sionen angemessen zu bepreisen,
als Streit zwischen armen Natio-
nen und reichen Nationen, als gi-
gantisches Dilemma kollektiven
Handelns, als ethisches Rätsel
(((wie bewertet man den Schadenwie bewertet man den Schaden
künftiger Generationen) und so
weiter. Die Klimakrise wäre schon
schwer zu lösen gewesen, hätte
sie aus einem einzigen dieser Pro-
bleme bestanden. Wenn man aber
fffünf verschiedene, schwierigeünf verschiedene, schwierige
Probleme miteinander multipli-
ziert, wie es der Klimawandel tut,
kriegt man ein Problem heraus,
das noch so viel Intelligenz nicht
lösen kann. Karl Kraus hat das
menschliche Gehirn nicht
schlechtgemacht. Er hat auf die
immer größer werdende Kluft
zwischen technologischem Fort-
schritt und menschlicher Natur
hingewiesen, die – es ist das Ge-
schäft der Literatur, uns daran zu
erinnern – nur sehr langsam Fort-
schritte macht, wenn überhaupt.

Ihr neuer Essayband enthält
auch den heftig debattierten
Text „Rette, was du liebst“. Für
diesen Text wurden Sie unter
anderem als Klimaleugner und
als „Spatzenhirn“ beschimpft.
WWWas war Ihr Vergehen?as war Ihr Vergehen?
Ich habe mich in meiner letzten
Antwort schon wieder des glei-
chen Vergehens schuldig ge-
macht, indem ich den Konjunktiv
II der Vergangenheit gebraucht
habe: Der Klimawandel wäreein
schwer zu lösendes Problem ge-
wesen. Mit anderen Worten, wir
sind an seiner Lösung geschei-
tert, Ende der Geschichte. Diese
Einschätzung ist von den zahlrei-
chen Gruppen, die ein Interesse
an der Behauptung haben, ein ka-
tastrophaler Klimawandel könne
immer noch abgewendet werden,
nicht freundlich aufgenommen
worden. Eine dieser Gruppen ist
die Demokratische Partei in den
VVVereinigten Staaten. Es vergehtereinigten Staaten. Es vergeht
kaum ein Tag, ohne dass in der
„New York Times“, der Stimme
des liberalen Amerikas, ein Hin-
weis darauf erschiene, dass wir
„die Ärmel hochkrempeln“ und
das Problem des Klimawandels
„anpacken“ müssten. Klimafor-
scher werden Ihnen sagen, dass
die Zeit, die Ärmel hochzukrem-

peln, vor 30 Jahren war. Seitdem
haben die Menschen so viel zu-
sätzliches CO 2 in die Atmosphäre
gepumpt wie zuvor in der ganzen
Geschichte. Das Kind ist in den
Brunnen gefallen! Doch das zuzu-
geben wäre politisch desaströs.
WWWeil die Republikanische Parteieil die Republikanische Partei
so tut, als gäbe es kein Klimapro-
blem, müssen die Demokraten so
tun, als könnten wir es lösen – an-
dernfalls ist der Streit rein akade-
misch. Mein Vergehen gegen die
liberale Orthodoxie war, nicht
auch so zu tun.

WWWenn ich es richtig sehe, habenenn ich es richtig sehe, haben
Sie in erster Linie darauf hinge-
wiesen, dass es – leider auch
ganz ohne Klimawandel – ein
vom Menschen verursachtes
massenhaftes Artensterben
gibt. Spätestens seit der UN-Be-
richt zum Artensterben veröf-
fffentlicht ist, sollte klar sein,entlicht ist, sollte klar sein,
dass Sie recht hatten. Wo also
ist das Problem? Ist nicht offen-
sichtlich, dass die schwere Um-
weltkrise, in der wir stecken,
mehr als eine Seite hat?
Es sollte offensichtlich sein.
AAAber ich lade Sie ein, falls Sie einber ich lade Sie ein, falls Sie ein
bisschen freie Zeit haben, die
Statements der derzeitigen de-
mokratischen Präsidentschafts-

bewerber zu lesen und mal zu
schauen, wie viele Aussagen Sie
zum Artensterben finden. Ach-
ten Sie auch darauf, wie schnell
in jedem beliebigen Pressebe-
richt über das Massensterben
das Wort „Klimawandel“ fällt.
Die politische Spannung der Kli-
madebatte ist so hoch, dass jede
weitere Diskussion über die Na-
tur sofort kurzgeschlossen wird.
WWWas mich wütend macht, ist,as mich wütend macht, ist,
dass viele der Gefahren, denen
die Biodiversität ausgesetzt ist,
anders als der Klimawandel be-
deutsam verringert werden
könnten. Die öffentliche Diskus-
sion wird von einem einzigen
Problem, dem Klima, dominiert,
fffür das es keine Lösung gibtür das es keine Lösung gibt
(bestenfalls kann es leicht abge-
mildert werden), während es
gleichermaßen drängende Um-
weltprobleme gibt, die tatsäch-
lich gelöst werden könnten.

Das Pariser Abkommen, das
Zwei-Grad-Ziel, „Fridays for
Future“ und die Bepreisung
von CO 2 : Wirklich alles zu spät?
Ja, zu spät. Der Weltklimarat
IPCC – der sich in der Vergan-
genheit ohnehin zuschulden hat
kommen lassen, wissenschaftli-
che Daten zu verzerren, um poli-

tisch genehmere Voraussagen zu
bekommen – hält daran fest, dass
es immer noch möglich sei, den
Anstieg der weltweiten Durch-
schnittstemperatur auf 1,5 Grad
zu begrenzen. Aber um auch nur
eine Chance zu haben, diese Zahl
zu erreichen, müsste jedes Land
der Welt seine Infrastruktur und
Wirtschaft in den nächsten zehn
Jahren komplett erneuern. Viel-
leicht kann Schweden seine Net-
tokohlenstoffemissionen bis
2 030 auf null bringen. Aber die
Menschen in Frankreich randa-
lieren schon wegen einer gering-
fffügigen Benzinsteuer, die Men-ügigen Benzinsteuer, die Men-
schen in Trump-Amerika sind in
ihre Pick-ups verliebt, und über
China und Indien und Afrika, wo
jeden Tag das nächste riesige
Kohlekraftwerk ans Netz geht,
wollen wir gar nicht erst reden.
Sich ernsthaft vorzustellen, die
WWWelt würde fröhlich auf das Flie-elt würde fröhlich auf das Flie-
gen und auf Großbildfernseher
verzichten, kommt mir wie ein
Beispiel für die schwarze Komö-
die des Klimawandels vor. Das
Spiel ist aus. Der Petro-Konsu-
mismus hat gewonnen.

Haben Sie keine Sorge, mit Ih-
rer Argumentation Klimaskep-
tikern, die ohnehin alles beim

„Das Spiel


ist aus“


Klimaskeptiker nennen ihn einen


Apokalyptiker, Klimaaktivisten


beschimpfen ihn als Klimaleugner:


In der Debatte über die


Erderwärmung sitzt Jonathan


Franzen zwischen allen Stühlen.


Ein klärendes Gespräch


über unlösbare Probleme


und falsche Hoffnungen


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