Süddeutsche Zeitung - 01.08.2019

(singke) #1

26 °/14°


München–DieMenscheninundumMün-
chensolltensichgegendiedurchZecken
übertrageneFrühsommer-Meningoenze-
phalitis(FSME)impfenlassen.Dazurät
dasstädtischeReferatfürGesundheitund
Umwelt.DieLandkreiserundumMün-
chengeltenalsRisikogebiete.Nunwurden
auchimBereichdesPerlacherForsts
FSME-infizierteZeckengefunden.Dassei-
enzwarnochEinzelfälle,dochGesund-
heitsreferentinStephanieJacobssagt:
„DieErkrankungkanndurcheineImp-
fungverlässlichverhindertwerden.Voral-
lemältereMenschenundKindersollten
sichimpfenlassen.“ 



D


ieAutobauervonmorgenhaben
selberkeineAutos.Erwolleauch
garkeins,sagtLaurinHahn,25.
GemeinsammitNavinaPernsteinerund
seinemSchulfreundJonaChristiansister
GründerundGeschäftsführervonSono
Motors,einerjungenMünchnerFirma,die
den„Sion“entwickelthat,einElektroauto
mitintegriertenSolarzellen,„dasAuto,
dassichselbstlädt“,sobewerbensiees.Im
Herbst2020sollendieerstenAutosserien-
mäßigvomBandlaufen,insgesamt
257000Fahrzeugesollenproduziertwer-
den,etwa43000imJahr.Docheineige-
nes?DanachhabeerkeinBedürfnis,sagt
Hahn.„MiteinemAutohabeicherstein-
malmitderVersicherungzutun,unddann
gehteskaputt,dannmussichdamitindie
Werkstatt.“Esseidochvielangenehmer
undbequemer,sicheinAutozuteilen.

„WirglaubenaneineZukunft,inderje-
desAutoelektrischistundaußerdemge-
teiltwird“,sagtLaurinHahn.AufdenStra-
ßensolltenkünftigwenigerAutosimWeg
herumstehen.SonoMotorswolledeshalb
nichtnurFahrzeugeverkaufen,sondern
aucheineCarsharing-Flotteaufbauen.
UnddazuwirdeseineAppgeben,mitder
manseinAutoverleihenkann,mitder
manMitfahrerfindenundsogarüber-
schüssigenSolarstromanandereverkau-
fenkann.Dochbisessoweitist,wehren
sichHahnundChristiansdagegen,dassan-
geblichwegfallendeArbeitsplätzegegen
denKlimaschutzausgespieltwerden–ha-
bensiemitihrerFirmadochArbeitsplätze
geschaffen.100Mitarbeiterhabensieder-
zeit.ZähltmanZuliefererhinzu,hängenbe-
reits300ArbeitsplätzeandenneuenElek-
troautos.WenndieProduktionerstbegon-
nenhat,sollenes800sein.
SonoMotorsisteinevonderzeitmehr
als2200FirmenausDeutschlandundmeh-
rerenNachbarstaaten,diesichden„Entre-
preneursforFuture“angeschlossen
haben.DieInitiativewillnichtnurdenKli-
maschutzvoranzutreiben,sondernauch
derSchulstreikbewegung„Fridaysfor
Future“denRückenstärken.Diemeisten
derUnterzeichnersindkleineundmittel-
ständischeUnternehmen.Vielevonihnen
wirkenaufdemFelderneuerbarerEner-
gien,würdenalsoeinerseitsdirektvon

mehrKlimaschutzprofitieren,habenaber
andererseitsaucheineAhnungdavon,wie
dieEnergiewendetatsächlichgelingen
kann.WiedieSchülerinnenundSchüler
pochendieUnternehmeraufdasPariser
Klimaschutz-Abkommen,indemsichfast
alleStaatenderWeltdazuverpflichtetha-
ben,dieErderwärmungaufdeutlichunter
zweiGradCelsiuszubegrenzen.Deshalb
fordernsieunteranderemeinewirksame
SteueraufKohlendioxid-Emissionen.
KohlendioxidistfürElektroautosein
heiklesThema,dennbeiderenHerstel-
lungwirderheblichmehrKohlendioxid
freigesetztalsbeiderProduktioneines
BenzinersoderDiesels,besonders
schlimmistesbeiderProduktionderBat-
terie.Der„Sion“habezwareinebessere
BilanzalsvergleichbareElektrowagen,er
werdeaberaucherstnachmindestens
39000Kilometernklimafreundlicherals
eindurchschnittliches,fossilbetriebenes
Autosein,rechnetJonaChristiansvor;und
das,obwohlinderProduktionausschließ-
lichÖkostromverwendetwerde.Dochdas
Kohlendioxid,dasmanbeiderProduktion
nichtvermeidenkönne,werdekompen-
siert,sagtHahn.„WirzahleneinenAus-
gleich.JedesunsererFahrzeugekommt
miteinemCO©-Rucksackvonnullaufdie
Straße.“
EineSteueraufKohlendioxid-Emissio-
nenwürdeBenzinverteuernundElektro-
fahrzeugegünstigerunddamitattraktiver
machen,auchden„Sion“.EinesolcheSteu-
erfordereerabernichtausEigennutz,es
seischlichteineFragederGerechtigkeit,
sagtHahn.„Heuteistesso,dassdieKosten
fürdieUmweltschädenvondenBürgern,
denSteuerzahlerngetragenwerden,wäh-
renddieGewinneandieKonzernegehen.
Dasmusseinfachfairbesteuertwerden.“
ChristineMiedlsFirmatrittebenfalls
füreineSteueraufKohlendioxid-Emissio-
nenein.„Ichbinüberzeugt:Durchden
KlimaschutzwerdennichtnurArbeitsplät-
zewegfallen,sonderneswerdenauchneue
entstehen“,sagtsie.„DieArbeitsweltmuss
undwirdsichverändern.“DochMiedls
ArbeitgeberbautkeineElektroautos,erfer-
tigtauchkeineSolaranlagen.Miedlist
DirektorinunteranderemfürNachhaltig-
keitsmanagementbeiderMünchnerSpar-
da-Bank.DasGeldinstitutmit45Filialen
inOberbayern,rund750Mitarbeiternund
einerBilanzsummevon8,2Milliarden
EuroisteinedergrößtenGenossenschafts-
bankeninDeutschland–undeinevon
einemhalbenDutzendBanken,diesichin-
zwischenbeiden„EntrepreneursforFutu-
re“engagieren.

WaseineBankmitdemKlimaschutzzu
tunhat?„Jederkannhandeln,esfängtim-
mermitdemerstenSchrittan“,sagtMiedl
undzähltauf.DieSparda-Bankbeziehe
ausschließlichÖkostromundbezuschusse
dieTicketsihrerMitarbeiterfürdenöffent-
lichenNahverkehr.WermiteinemElektro-
fahrzeugindieArbeitkomme,könnees
kostenlosaufladen,undfürKurierfahrten
gebeeseineigenesElektroauto.DieBank
legeaußerdemallesGeldnachhaltigan,
daswerdedenKundenauchimmerwichti-
ger,sagtMiedl.
KundenerhaltenvonderBankgünstige
Kredite,wennsiesicheinElektroautokau-
fenwollen,daseidieNachfragenochver-
halten,entwicklesichaber.Kundenkönn-
tenaußerdemvergünstigtÖkostromvon
derMünchnerFirma„PolarsternEnergie“
beziehen,diesichebenfallsbeiden„Entre-
preneursforFuture“engagiert.Und
schließlichpflanztdieSparda-Bankseit
2015fürjedesneueMitgliedeinenBaumin
Oberbayern.Alleine2018gabes14459;bis-
herhabemanEichen,BuchenundFichten
zumBeispielimEbersbergerForstge-
pflanzt,beiBerchtesgadenoderauchbei
BadTölz.ImHerbstpflanzedieBankBäu-
meimRaumOberschleißheim.

DieSparda-Bankseidarüberhinausdie
bislangeinzigedeutscheBank,dieeineGe-
meinwohl-Bilanzerstellthat,sagtMiedl.
EinesolcheBilanzistTeilderInitiative„Ge-
meinwohl-Ökonomie“,diefüreinesoziale-
reundökologischereMarktwirtschaft
wirbt.FüreinesolcheBilanzbrauchees
Mut,denneinUnternehmenwerdedabei
sehrtransparent,sagtMiedl.Manbilanzie-
renichtnurintern,sondernwerdeauch
vonaußenüberprüft.Dochgeradefürein
GeldinstitutwiedieSparda-Bankbiete
sicheinesolcheBilanzan.Manseijakeine
aufRenditefixierteAktiengesellschaft.
„AlsGenossenschaftsbanksindwirseitje-
hersolidarisch,sowohlmitdenMenschen
alsauchmitderNatur.Gewinnmaximie-
rungstehthiertraditionellnichtimVorder-
grund“,sagtMiedl.
AufdieGemeinwohl-Bilanzsetztauch
CarolavonPeinenHoffnung.DieBilanz
müssteaberbekannterwerden.„DieLeute
müssenwissen:DasisteineAllianzder
Anständigen.“DannkönntenmehrMen-
schenSiegelwiediesesauchbeiihrenKauf-
entscheidungenberücksichtigen.
VonPeinenistMitgründerinundGe-
schäftsführerinderMünchnerPersonal-
vermittlung„Talents4good“,diesichdar-
aufspezialisierthat,Arbeitssuchendean
sozialeundökologischeFirmenzuvermit-
teln.DieAgenturhatderzeitsiebenAnge-
stellte,imJahrvermittledieAgentur50bis
60Menschen,sagtvonPeinen.DasUnter-
nehmenistebenfallsbeiden„Entrepre-
neursforFuture“aktiv.UndvonPeinen
wirdgrundsätzlich.DasProblemsei,dass
esimKapitalismusimmerumProfitmaxi-
mierunggehe.„Profitemachenistkein
Problem.AberderVersuch,siezumaximie-
ren,bringtdieWirtschaftinSchieflage.“
AnderesbleibeaufderStrecke:allenvoran
dieMitarbeiter,dienurnochalsRessour-
cengesehenwerden,nichtmehralsMen-
schen.UnddieUmwelt.
SozialundökologischsensibleUnter-
nehmenseiendemgegenüberimNachteil.
SiehättenhöhereKosten,„weilsieDinge
ebenrichtigmachenwollen“,undnoch
dazukeinestarkeLobby,sagtvonPeinen.
DiemeistenFirmenseienkleinundmittel-
ständisch;esfehleeinegemeinsameStim-
me.Undesgebenochnichteinmaleine
Erhebung,wiegroßderArbeitsmarktim
ökologischenBereicheigentlichist.„Das
führtmitdazu,dassdieserUnternehmens-
bereichvielzuwenigwahrgenommen
wird“,sagtvonPeinen.
DabeiseidieserArbeitsmarktgrößer
alsvieledenken.Underwachse,sagtvon
Peinen.ImmermehrMenschenhättendas
Bedürfnisdanach,einesinnvolleArbeitin
einemsozialundökologischdenkenden
Unternehmenzumachen.Dafürnähmen
vieleauchdeutlicheGehaltseinbußenin
Kauf.SiewollesichbeidenSchülernbedan-
ken,diefreitagsaufdieStraßegehen,sagt
vonPeinen.„VieleErwachsene,dieich
gefragthabe,obsiesichanschließenwol-
len,sagten:Ichkannnicht,ichmussarbei-
ten.Wirsindallevielzubeschäftigt,um
dieWeltzuretten.AberdieSchülererin-
nernunsdaran,dassdasProblemtrotz-
demweiterbesteht.“DieJugendlichen
hätteneserreicht,dassständigüberden
Klimaschutzgesprochenwerde.
EinenunmittelbarenEffektvon„Fri-
daysforFuture“aufihreArbeitmerkesie
abernicht,zumindestnochnicht,sagtvon
Peinen.„Esistnichtso,dassjetztdieTele-
fonenichtmehrstillständen,undallewoll-
teneinenJobforFuture.“Diepassende
Internet-Adressehabesiesichaberschon
einmalgesichert.



D


erSittenverfallderJugendist
auchnichtmehrdas,wasermal
war.Zumindest,waslibidinöseEs-
kapadenangeht.Jüngerewissenschaftli-
cheUntersuchungenbehauptensteif
undfest:TrotzdigitalererotischerSer-
vice-AngebotewieTinderhabenjunge
MenschenimmerwenigerSex.Unddas
nichtnurinJapan,wodieNationwegen
sinkenderGeburtenratenaufeinedemo-
grafischeGroßkrisezusteuertoderin
denUSA,woStudentinnen„ProudVir-
gin“-T-Shirtstragen,sonderninderwest-
lichenGesellschaftgenerell.Inderaktuel-
lenAusgabedesPhilosophie-Magazins
wirdgefragt,obwiraufeinesexloseGe-
sellschaftzusteuernunddieentsprechen-
denDatendazusindentlarvend:Diesein-
dizieren,dass28ProzentderSinglesin
Deutschlandzwischen18und30Jahren
sexuellnichtaktivsind.DieAbstinenz-
quotehatsichbeiden18-bis29-Jährigen
bis2018indenvergangenenzehnJahren
verdoppelt.Zudem:Paarezwischen60
und70schnackselnhäufigeralsSingles
zwischen18und30.
WelchekulturpessimistischenEinsich-
tenkönntemandarausableitenfüreine
StadtwieMünchen–DeutschlandsSin-
glehauptstadt,MagnetfürjungeErwach-
seneundvonderAltersstrukturherjün-
geralsBerlinoderHamburg?Untermi-
nierteinemöglicheerotischeFaulheit
derhierlebendenTeensundTwensden
sauberverdientenRufalsnationaleHoch-
burgderLebensqualität?Einsistklar:
RegelmäßigSexzuhaben,istdefinitiv
gutfürdieLebensqualität,dasbestäti-
genStudienseit5000Jahren.Hatnundie
Stadt,derenNackertesichebenfallsim-
merselteneröffentlichzeigen,einen
demografischenodergesellschaftlichen
Standortnachteil?
Fallsja,könnteeinBlickindieHistorie
neueOrientierunggeben.DieSendlinge-
rinUschiObermaierhatetwaalsIkone
dersexuellenRevolutionWegweisendes
geleistet,unddemvonHelmutFischer
verkörpertenMonacoFranzeistoftdie
Libidodazwischengekommen.Selbstder
MünchnerischsteallerMünchner–Karl
Valentin–wareingroßerErotiker,der
lautseiner35JahrejüngerenGeliebten
AnnemarieFischerimBettein„Naturer-
eignis“gewesensei.NacheigenerAussa-
gehatdergenialeKomikermitmehrals
3000Frauengeschlafen.Dasmussman
nichtunbedingtfürvorbildlichhalten,
dervon„Youporn“und„SexalsKonsum-
gut“abgeturntenJugendkönnteman
abernocheinabgewandeltesBonmot
Valentinszurufen:„AlleredenvonSex,
aberkeinertutwasdafür.“Vielleicht
stehtesaberumdieSchnaxel-Frequenz
derMünchnerJugendohnehinvielbes-
seralsesdieStatistikenandeuten.Und
imSeptemberbeginntehdieWiesn.

Gesundheitsreferat


rätzuFSME-Impfung


WeiteWege


LisaBitterermittelt


im„TatortLudwigshafen“,


lebtaberinMünchen


Leute,SeiteR6

AnfangskannesnochRegenoderSprühre-
gengeben.Dannsetztsichimmerhäufiger
dieSonnedurch. SeiteR14

BesorgteUnternehmer


DieBewegung„FridaysforFuture“ziehtimmerweitereKreise:Mehrals2000„EntrepreneursforFuture“
habenzusammengefunden–auchvieleFirmeninundumMünchenentdeckendasThemaÖkologiefürsich

Heutemit


Kostprobe


aufSeiteR5


MÜNCHNERMOMENTE

Befallen von


erotischer Faulheit


KünftigsollenAutosnichtnur
elektrischfahren,siesollen
sogarStromproduzieren

LaurinHahn(obenlinks)
undJonaChristians
(obenrechts)
entwickelnElektroautos,
ChristineMiedl(Mitte)
leitetdas
Nachhaltigkeitsmanagement
einerBank,CarolavonPeinen
(unten)istGeschäftsführerin
derPersonalvermittlung
„Talents4good“.
FOTOS: CORINNA GUTHKNECHT (2),
ALESSANDRA SCHELLNEGGER

NR.176,DONNERSTAG,1.AUGUST2019 PMC


IdyllischeOrte


Woessichanheißen


TageninMünchen


besondersgutlesenlässt


Kultur,SeiteR18


NACHTS

EineBewegung,dievielZulaufhat:Am21.JulidemonstrierteninMünchenmehrals10000MenschenfüreinebessereKlimapolitik. FOTO: ALEXANDER POHL/IMAGO

DasGehaltistbeider
Arbeitsplatzwahloftnichtmehr
dasentscheidendeKriterium

München


FOTOS: RUMPF, SCHELLENGGER

SchlimmeVerstöße


NachdenTierquälerei-Vorwürfen


gegeneinenAllgäuerMilchviehbetrieb


wirdgegenneunVerdächtigeermittelt


Bayern,SeiteR13

DAS WETTER



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