Süddeutsche Zeitung - 01.08.2019

(singke) #1
WennseineNachbarninSanaawüssten,
dassIbi Ibrahimdenamerikanischen
Passhat–undsichdennochjedenTagda-
fürentscheidet,inJemenzuleben,wür-
densieihnwohlfürverrückterklären.
AberIbrahimistnichtverrückt.Vielleicht
einwenig,verrücktnachseinerHeimat.
JenemLand,dasMenschenimWesten
seitJahrenmithungerndenKindernund
einemblutigenStellvertreterkriegassozi-
ieren.DasaberfürIbiIbrahimvorallem
einsist:Inspiration.Der32-Jährige,in
denUSAgeboren,aberinJemenaufge-
wachsen,arbeitetseitüberzehnJahren
alsvisuellerErzählerundgründeteimver-
gangenenSommerdieRomoozFoundati-
on,eineunabhängigeOrganisation,dieje-
menitischeKunstundKulturfördert–ge-
radeinZeitendesKrieges,wennplötzlich
keinPlatzmehristfürdasSchöne.
IbiIbrahimwarberuflichinBerlin,als
imMärz2015einvonSaudi-Arabienange-
führtesMilitärbündniseineOffensivege-
gendieschiitischeHuthi-MilizinJemen
ankündigte.RiadbegründetedieOperati-
ondamit,dieRegierungstabilisierenzu
wollen.Seitdemherrschteinblutiger
StellvertreterkriegzwischenIranundSau-
di-ArabienumdieVormachtstellungin
derRegion.DieVereintenNationenspre-
chenvondergrößtenhumanitärenKata-
strophedes21.Jahrhunderts.Jederdritte
derknapp30MillionenJemenitenistun-
terernährt,mehralszweiDrittelderBevöl-
kerunghabenkeinenZugangzusaube-
remTrinkwasser,10000Menschenstar-
benseitAusbruchdesKrieges.
Ibrahimweiß,wiemantrotzalldieses
LeidsdenJemenkriegimAuslandnennt:
„denvergessenenKrieg“,sagteramTele-
fon.Underglaubtzuwissen,warumdas
soist.BereitsvorderEskalationwar

JemeneinesderärmstenLänderder
Welt.DieLänderderKoalitionhingegen
gehörenzudenreichstenLändern,sie
könntenihreVersiondesKonfliktseher
andieÖffentlichkeitbringenalsdieJeme-
niten.SogelangedasSchicksalderBevöl-
kerungkauminsBewusstseinderWeltöf-
fentlichkeit.Hinzukomme:DerKriegin
SyrienhabeEuropawegenderFluchtbe-
wegungenunmittelbarbetroffen,das
LeidinJemendagegenseiinEuropa
kaumspürbar.Umsowichtigerseiesnun,
dassauchdieJemenitengehörtwerden.
ErstvorwenigenWochenludIbrahim
jungeAutorennachSanaazueinemkrea-

tivenSchreibworkshopein.Gefördert
werdendieProjektemalvonlibanesi-
schen,malvondeutschenoderniederlän-
dischenStiftungen.Esdauerte,bisdie
Huthi-MilizdieGenehmigungerteilte–
aberesklappte.JungeFrauenundMän-
nernahmenmehrstündigeBusfahrtenin
Kauf,teilsdurchumkämpfteGebiete.
Ibrahimhältnichtsvondenprunkvol-
lenKunstausstellungen,oftorganisiert
vonBotschaften,zudenennurausgewähl-
teGästeeingeladenwerden.„Kunstdarf
keinLuxussein.EinKünstleristderSpie-
gelderGesellschaft“,sagtIbrahimunder-
zähltvoneinem20-jährigenAbiturien-
ten,deranfangssoschüchternwar,dass
erkaumeinWortsagte.AlsIbiIbrahim
ihnfragte,warumerschreibe,antwortete
er:„Ichmussschreiben.ÜberdieSchön-
heitderFrauen.“ErsprachvollerEhr-
furcht–undfasziniertedamitalleim
Raum.Undalserbegannzuschreiben,da
warseineSprachekraftvoll.„Alswäreer
dernächsteNagibMahfuz“,sagtIbiIbra-
him.InMomentenwiediesenspüreerpu-
reErfüllung–unddiePflicht,dafürzusor-
gen,dassdieserjungeMannseinTalent
auslebt.TrotzdesKriegs.
BereuthatIbiIbrahimseineRückkehr
indieHeimatnie.Erhabegelernt,mitder
Angstzuleben.DawardieserMomentin
einemCaféinSanaa,kurznachBerlin.Er
hörteLuftangriffe,achthintereinander,
ganznah.ErgerietinPanik.Dannsaher
eineMutter,diemitihrenKindernaufder
Straßespielte.Erkamsichlächerlichvor.
„EsisteinWunder,wieschnellsichMen-
schenanKrieggewöhnenkönnen“,sagt
Ibrahim.„Vielleichtistesihrunbedingter
Willezuüberleben–oderauchnurdieEr-
kenntnis,dasssiekeineandereWahlha-
ben.“ 

HERAUSGEGEBENVOMSÜDDEUTSCHENVERLAG
VERTRETENDURCHDENHERAUSGEBERRAT
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S


ehranständigundmenschlich
wirkt,wasdiederzeitigenTopmana-
gerbeiAudiundihreJuristenfor-
mulierenanlässlichderAnklageerhe-
bunggegenRupertStadler.Siewenden
sichnichtvölligabvomehemaligenKon-
zernchef,verweisendarauf,dasserAudi
großgemachthabeundbeidenVorwür-
fendesDieselbetrugsfürihndieUn-
schuldsvermutunggelte.Schließlich
stehtda:„WirhabenausunsererVergan-
genheitgelerntundnutzensiealsChan-
ce.“ÄhnlichistdieKommunikationindie-
semSkandalbeiderKonzernmutter
Volkswagen:Lernen.Chancenergreifen.
Dasklingtgut.Tatsächlichistaber
auchjetzt,imJahrviernachdemAufflie-
gendesSkandals,nichtsicher,obeinsau-
bererNeustartgelingt,trotzalldeslauten
RedensüberabgasfreieElektroautosund
mancherSelbstkritik.Dennweiterhinist
nichtimDetailgeklärt,wiesoüberhaupt
soschlechteDieselautosgebautwurden.
DieFolgenspürenjedenfallsnichtnur
Stadlerundanderegutbezahlte(Ex-)Füh-
rungskräfte,sondernvieleandere.
DasindvorallemdieDieselfahrer,die
immernochbangen,obdieRestwerteih-
rerFahrzeugesohochbleibenwievor
demSkandalkalkuliert–AudiundVW
sträubensichmitallenverfügbarenrecht-
lichenMittelngegenjeglichenAusgleich.
ChancennutzenzumBeschwichtigenauf-
gebrachterKunden?Fehlanzeige.Zudem
drohendenDieselbesitzernimmerneue
Fahrverbote,aktuellnunauchinAachen.
DassdieBillig-AbgastechnikbeiAudi
undVWzurschlechtenLuftbeigetragen
hat,unterderetlicheStadtmenschenlei-
den,daranbestehtkeinZweifel.Doch
weitverbreitetbeiManagernwieIngeni-
eurenistweiterhindieHaltung,dassein
AusreizengesetzlicherVorgabenerste
PflichtvonAutobauernist,umGeldzu
sparen.Selbstwennesumgesundheit-

lichrelevanteAngelegenheitengehtund
klarist,dasseinFahrenimGraubereich
anderenschadet.WermitLeutenbeiAu-
di,VWundderKonkurrenzspricht,der
merkt:DieBranchehatkaumgelernt.Die
Beharrungskräftesindenorm.DerProfit
proWagenzähltvielfachimmernocham
meisten.
EsleidenaberauchdieBeschäftigten,
geradebeiAudi:SiemüssenihrenArbeit-
gebernunwiederverteidigenunddie
wirtschaftlicheMisereausbaden,dieals
FolgedesSkandalsentstandenist.Wichti-
geArbeitbliebindemganzenSchlamas-
selliegen,dieFührungskriselähmteden
AutobauerausIngolstadt.Miserabelsind
deshalbdieGeschäftszahlen;VWhatsich
indeswirtschaftlichüberraschendgut
ausderAffäregezogen.

AberwiekonntedieseAffäreüber-
hauptentstehen?DaswillderKonzern
immernochnichtöffentlicherklären,an
dessenobersterSpitzemitAufsichtsrats-
chefHansDieterPötschjemandwirkt,
derauchimaltenSystemschonsehr
mächtigwar.DieStaatsanwaltschaft
prüftauchseineVerstrickungen–gerade
ersolltenuneinmalganzoffensagen,
wasschiefliefinderVergangenheit.
DennesgibtfürAudiundVWnicht
nurdieChancezumBessermachen,son-
dernauchdasRisikodesZurückfallensin
alteVerhaltensmuster.Dashatübrigens
auchdervomUS-Justizministeriument-
sandteBeobachterfestgestellt.„DerKon-
zernbewegtsich“,sagtederJuristLarry
ThompsonerstimFrühjahr,„aberwir
müssenunsdarüberimKlarensein,wie
vielharteArbeitnochvorunsliegt.“Rich-
tigmüssteesalsoheißenindiesemKon-
zern:Wirlernenimmernoch.


  

A


lsDonaldTrumpvoreinemJahr
denNato-GipfelinBrüsselvorführ-
teundgenüsslichdenZusammen-
haltderAllianztestete,tatenvieleMitglie-
dereinenheiligenSchwur:Soetwaswür-
desienichtnocheinmalmitsichmachen
lassen,derDurchhaltewillederGemein-
schaftwerdeamEndestärkerseinalsder
spalterischeGeistinWashington.DieKri-
semitIranbietetnundenersten,sehr
ernstzunehmendenTest,wieesdieVer-
bündetenmitdenUSAhalten:WievielVer-
trauenstecktalsonochindentransatlanti-
schenBeziehungen?Wasistübrigvonei-
nerPartnerschaft,diezunächstundzuvör-
dersteineSicherheitsallianzwar?
FüralleFormalistenundStrukturalis-
ten:Ja,imKonfliktmitIranhabendie
USAeinzelneMitgliederzurUnterstüt-
zungihrerSicherungsmission„Sentinel“
gebeten,nichtdieNato.Eswirdalsonicht
dieBelastbarkeitdesnordatlantischen
Bündnissesgetestet,sondernderZusam-
menhalteinzelnerStaaten.Diesistden-
nochvonhoherSymbolik.Umgekehrt
wirdmanauchdieBereitschaftderUSA
messenkönnen,aufderBasisvonexakt
ausgehandeltenRegelnmiteinanderzuar-
beiten.DasisteineGelegenheit,dieesin
Trump-Zeitennochnichtgab.
UmKlarheitzubekommen,mussman
lautfragenundnochlauterBedingungen
stellen.DochanstattdieEinsatzregeln,
dieGrenzenderMission,konkreteBedürf-
nisseoderandereKonditionenineinem
ernsthaftenVerfahrenabzuklopfen,hat
diedeutschePolitiksämtlicheAntworten
schonparat.ParteitaktikgehtüberBünd-
nisstrategie.BesondersbeliebtistdieWar-
nung,manwerdevondenUSAindenKon-
fliktmitIranhineingezogen.DiesesArgu-
mentistgleichdoppeltdrollig:Erstens
stehteseinersouveränenNationwie
Deutschlandfrei,ihrUnbehagenzuäu-
ßernundsichvoneinemKonfliktzuverab-

schieden,wennsiedieKontrolleübereine
Missionzuverlierendroht.Undzweitens
stecktDeutschlandbereitsmittendrinin
derAuseinandersetzungmitIran.
OberstesZielistesnachwievor,dasNu-
klearabkommenmitallenMittelnamLe-
benzuerhaltenunduntergünstigerenBe-
dingungenzureanimieren.Dazuistes
wichtig,dassderKonfliktmitIrannicht
weitereskaliert,dassalsodieiranischePo-
litikderNadelstichenichtweiterverfängt
undklareGrenzenauchanderStraßevon
Hormusgezogenwerden.

AufderanderenSeiteistnichtzuunter-
schätzen,dasszumindestTeileder
Trump-Regierungmiteinergefährlichen
AgendainderRegionagieren.Aberauch
hiergilt:JeklarerdieRegeln,jedichter
dasGeflechtderVerbündeten,destomehr
Kontrollmacht–selbstüberdieUSA.
DeutschlandundFrankreichhaben
nichtvieleHebel,umIranoderdieUSAzu
beeinflussen.WenndieIdeeeinereigenen
europäischenMissionbereitsnacheiner
AbsageGroßbritanniensplatzt,dannist
daseinbeschämendesEingeständnisder
europäischenSchwäche.Dasfortwähren-
deLamentoüberdieachsounberechenba-
renUSAundeinenpräpotentenIransollte
mansichalsoschenken,wenndieeigene
außenpolitischeOhnmachtallesüberla-
gert.IndiesemMomentwäreeszumin-
desteinenernsthaftenVersuchwertgewe-
sen,überdasVehikeleinesEinsatzesim
GolfzumSchutzfreierSeewegezuneuen
RegelnimUmgangmitIranzukommen.
DerSPD-TeilderBundesregierunghat
sichgegendiesenWegentschieden,der
Unions-Teilwindetsich.Ausdruckeiner
Strategieistdasnicht,eherAusdruck
wachsenderBedeutungslosigkeit.

E


sisteinSkandal,wennChefsihre
Machtdazunutzen,Freundeinho-
hePositionenzuhievenundKriti-
kerzumobben.DemDirektordesPalästi-
nenserhilfswerksderVereintenNationen
wirdgenaudasvorgeworfen,seinBeispiel
sollzudeminderFührungderBehörde
Schulegemachthaben.
NatürlichgiltfürPierreKrähenbühl
wiefüralleanderenBeschuldigtendieUn-
schuldsvermutung,bisdieUntersuchun-
genzumFallabgeschlossensind.Wennes
aberstimmt,dassbeiderUN-Spitzein
NewYorkbereitsimDezember2018ein
BriefmitdenVorwürfeneingetroffenist,
darfmandielangsameAufarbeitung
ebenfallsskandalösnennen.

GeradeweildieUN-Behördepolitisch
umstrittenist–dieUSAundIsraelwerfen
ihrIneffizienzvor,störensichanderbrei-
tenDefinitiondesFlüchtlingsstatusfür
diePalästinenser–,solltendieVorwürfe
schnellundtransparentaufgeklärtwer-
den.BereitsjetzthatdieSchweizihreHil-
feausgesetzt,einweitererVertrauensver-
lustwärefürdasAnsehenderBehörde
fatal.Weitschlimmerjedochwäreerfür
diefünfMillionenPalästinenser,dievon
derhumanitärenHilfe,denBildungsange-
botenunddermedizinischenVersorgung
durchdieBehördeabhängigsind.Sie
könnenwederetwasfürderenVerfehlun-
gennochfürdenStreitumihreArbeits-
grundlage.  
 

D


ieoffeneGesellschaftistverletz-
lich.Daszeigtsichbesondersdras-
tisch,wennRechtsextrememor-
den,wennIslamistenUnschuldigeangrei-
fen.Eszeigtsichaberauchinvermeint-
lichkleinenVorfällen:InBerlinhaben
zweiMännereinenRabbiner,dernach
demGottesdienstmitseinemKindunter-
wegswar,bespucktundaufArabischbe-
schimpft.Esisteinevonzuvielenantise-
mitischenAttackenineinerStadt,dieso
stolzistaufdasNebeneinanderderKultu-
ren,aufToleranzundOffenheit.
DieFrage,wiesichdieseOffenheitver-
teidigenlässt,stelltsichgeradeange-
sichtsderalltäglichenAngriffeundAg-
gressionen,denenJudenausgesetztsind.

Siezermürben,verunsichern,bissich
schlimmstenfallsdasGefühleinschleicht:
IchhabehierkeinenPlatz.
SolidaritätsbekundungenausPolitik
undZivilgesellschaftsinddawichtig.
DochimAlltagderBetroffenenändernsie
zuwenig.DaszeigtdieForderungderJüdi-
schenGemeinde,PolizistenmüsstenJu-
denaufdemWegzurSynagogebeschüt-
zen.Besserwärenoch,jederBürger,jede
BürgerinsähendasalsdieeigeneAufga-
be:dort,woMenschenwegenihresGlau-
bensangegriffenwerden,einzuschreiten,
lautunddeutlich.DenndiePolizeikann
nichtüberallsein.Judenabermüssen
überallsichersein.NichtnuraufdemWeg
zurSynagoge.   


G


erhardRichteristeinerderbe-
rühmtestenKünstlerweltweit,sei-
neBildererzielenHöchstpreise.
Underlebtseit40JahreninKöln.Wärees
nichtnaheliegend,ihmdorteinMuseum
zuerrichten,inDomnähe,guterreichbar
fürTouristenwiefürKölner?Daswirdin
derStadtgeradediskutiert.EineReiheHo-
noratiorensprachsichfüreinRichter-Mu-
seumaus;OberbürgermeisterinHenriet-
teRekerließausdemUrlaubwissen,sie
seimitdemMeisterimGespräch.
DerKunstaberistdamitnichtgedient.
KölnhatbereitsprächtigeMuseen,darun-
terdasaufmoderneundzeitgenössische
KunstspezialisierteMuseumLudwigdi-
rektamHauptbahnhof.Hierundinande-

renÜberblickshäusernimLandistder
richtigePlatzfürArbeitenGerhardRich-
ters–diesichnurerklären,wennmansie
mitanderenWerkenderKunstgeschichte
vergleichenkann.Aufsichalleinegestellt
gehtauchdergrößteKünstlerzugrunde.
Endedes20.,Anfangdes21.Jahrhun-
dertswurdeninDeutschlandDutzende
Museengebaut,vondenenetlichesich
heutekaumunterhaltenlassen.Besserist
es,bestehendeSammlungenzupflegen,
siemitbesucherfreundlichenKonzepten
auszubauen.SoüberzeugenHäuser
durchinnereVielfalt.WenndieKulturpoli-
tiksichdagegenausPrestigegründenver-
zettelt,schwächtdasdieKunstmehrals
esihrhilft. 

W


enndiePolendieserTage
andenBeginndesWar-
schauerAufstandesvor
75Jahrenerinnern,sogilt
dasGedenkennichtnur
demMutderVerzweifelten.Esgiltauch
derAuferstehungausdertotalenKatastro-
phe.NachdemsiedenWiderstandmiter-
drückendermilitärischerÜbermachtge-
brochenhatten,machtensichdieDeut-
schenandiefastkompletteVernichtung
derpolnischenHauptstadt.Verschont
bliebnurderTeil,derschonbesetztwar
vonjenensowjetischenTruppen,diedas
Massakerhattengeschehenlassen.Der
WarschauerAufstandstehtfürdieSelbst-
behauptungdespolnischenVolkes,er
stehtaberauchfürdoppeltedeutsche
Schuld.DieSchuldderTäter,aberauch
dieSchuldderVergessenden.ÜberJahr-
zehntespieltedasLeidderPolenfürviele
DeutscheeinenachgeordneteRolle.Diese
doppelteLastträgtAußenministerHeiko
MaasalsVertreterDeutschlandsbeimGe-
denkeninWarschau.

MaasselbstsolltedasGewichtdesGe-
päcksaufseinenSchulternamwenigsten
überraschen.DerSozialdemokrathatsei-
neganzepolitischeLaufbahnindenKon-
textderhistorischenVerantwortung
Deutschlandsgestellt.WillyBrandthatte
dieseVerantwortungeinstzumKniefall
amMahnmalfürdenAufstandimWar-
schauerGhettoveranlasst,siegabihm
denImpulsfürseineOstpolitik.Mitder
EntspannungspolitikgegenüberdenStaa-
tendesWarschauerPakteswarerdieser
Verantwortunggerechtgeworden.ImEu-
ropaundinderWeltvon2019bestehtdie-
seVerantwortungfort.Zudenschwierigs-
tenAufgabendeutscherPolitikaberge-
hörtes,ihrunterdenganzanderenVoraus-
setzungenbeizukommen.
ImVerhältniszumkonservativbisnati-
onalistischregiertenPolengehtesdarum,
diehistorischeVerantwortungfürdenöst-
lichenNachbarninEinklangzubringen
mitderVerantwortungfürdaseuropäi-
scheEinigungsprojekt.DieinPolenRegie-
rendenvonderParteiRechtundGerech-
tigkeithabendaraufeineeinfacheAnt-
wort.SieerwartenvonderBundesregie-
rungbesondereZurückhaltung,wennes
umKritikamAbbaudesRechtsstaatesin
Polengeht.Sieverlangenvonihreinge-
steigertesVerständnisfürdasabsolute
NeinPolenszurAufnahmeausdemMittel-
meergeretteterFlüchtlinge.Undsiefor-
dernanhaltendeSolidaritätinFormvon
EU-FondsbeimAufbauderWirtschaftin

Polen.NichtzufälligbeherzigtUrsulavon
derLeyenalskünftigePräsidentinderEu-
ropäischenUniongenaudiesedreiAnlie-
genbisherstrikt.
FürdieBundesregierungkanndieses
VerhaltenkeineAnleitungsein,dennes
läuftdereuropäischenEinigungzuwider.
DerEUfehltderKitteinesNationalstaa-
tes.ÜberdauernkannsienuralsGemein-
schaftvonDemokratienundRechtsstaa-
ten,diesichinihrenGrundwerteneinig
sind.DerVersuch,diesePrinzipienzurela-
tivieren,bringtdieEUinexistenzielleGe-
fahr–umsomehr,alsDemokratieund
RechtsstaatlichkeitweltweitunterDruck
stehen.DieBundesregierungwirdPolen
Kritikauchkünftignichtersparenkön-
nen–ebensowenigwiedasderkünftigen
KommissionspräsidentinaufDauermög-
lichseinwird.
ZurVerantwortunggegenüberPolen
bestehthierohnehinnureinscheinbarer
Widerspruch,denndieseVerantwortung
giltnichtgegenübereinerbestimmtenRe-
gierung.DieRücksichtgegenüberderzur-
zeitdenTonangebendenPiSmussihre
Grenzedortfinden,woesderdemokrati-
schen,pro-europäischenOppositionscha-
denwürde.InderEUwirderstdannwie-
derwirklichetwasvorangehen,wennPo-
lenalsgrößtesMitgliedslandimOsten
mitmacht.DasPrinzipdeutscherPolen-
PolitikkanndaherzumeinennurHoff-
nunglauten,zumanderenaberRespekt.
DasgiltetwafürdenUmgangmitRepa-
rationsforderungen.Siemögenrechtlich
nichthaltbarsein,historischabersindsie
verständlich.DieBundesregierungsollte
nachWegensuchen,mitderdoppelten
Schuldumzugehen–dempolnischenGe-
fühlalso,dassDeutschlandsichauchma-
teriellderVerantwortungfürdieVerbre-
chenderNazisbislangnichtineinerange-
messenenWeisegestellthat.Dieswird
sichnichtinReparationszahlungennie-
derschlagen,könnteaberdurchsymbol-
starkeProjektewiedenWiederaufbaudes
SächsischenPalaisgeschehen.
Nichtminderwichtigwirdsein,ob
DeutschlandinPolenkünftigalsverlässli-
cherPartnerundVerbündeterwahrge-
nommenwird.DieForderungostdeut-
scherPolitikernachbedingungsloserAuf-
hebungderSanktionengegenüberRuss-
land,dasFesthaltenanderOstsee-Pipe-
lineNordStream2unddieDiskussionen
überdasZwei-Prozent-ZielderNatowe-
ckeninPolenZweifel.Bemerkenswertist
indiesemZusammenhangdasArgument,
einedeutscheAufrüstungverschiebedie
BalanceinEuropaundmüssedieNach-
barnverschrecken.DasGegenteilistrich-
tig.Polenerwartet,dassDeutschlanddie
ZusageninderNatoeinhält.WennPolen
einDeutschlandfürchtet,dannjenes,das
seineVersprechenbricht.

DiegriechischenDichterHo-
merundHesiodliefertenun-
terschiedlicheBeschreibun-
gender„Chimaira“.Fürden
einenwareseineKreatur
mitLöwenkopf,ZiegenrumpfundSchlan-
genhinterleib.Demanderenschwebte
ehereinWesenmitdreiverschiedenen
Tierköpfenvor.Mischwesen,vorallem
anthropozoomorpheausMenschund
Tier,bevölkernMythologieundKunstso-
garnochlängeralsgriechischeEpen.Sie
tretenetwaalsWerwölfe,Meerjungfrau-
enoderZentaureninnahezujedemKul-
turkreisauf.Wennnunbaldjapanische
ForschertatsächlichChimärenaus
menschlichenStammzellenundanderen
SäugetierenzulebensfähigenWesenher-
anwachsenlassen,dannhatdasmitsol-
chenFantasiegestaltenjedochnichtszu
tun,sondernehermitEntwicklungenin
derBiomedizin,diebeivielenMenschen
Unbehagenauslösen.ZieldieserExperi-
mente,dienunvondenBehördengeneh-
migtwurden,istes,menschlicheOrgane
inTierenzuzüchten,diealsErsatzPatien-
teneingepflanztwerdenkönnen.DieFor-
scherwollenzunächstmenschlicheZel-
leninMaus-oderRattenembryonen
spritzenunddiesevonMuttertierenbis
kurzvorderGeburtaustragenlassen.Es
gehtzuerstdarumzulernen,wiesichdie
verschiedenenZellenvertragen.Obda-
beijemalsbrauchbareOrganeentstehen,
istdementsprechendungewiss. 

4 HF2 (^) MEINUNG Donnerstag, 1. August 2019, Nr. 176 DEFGH
FOTO: CAMILLE ZAKHARIA
DIESELSKANDAL
Profitzuerst
GOLF-MISSION
DasBündnistesten
VEREINTE NATIONEN
FatalerAnsehensverlust
ANTISEMITISMUS
WasechteSolidaritätist
MUSEEN
KünstlerbrauchenGesellschaft



 :

75 JAHRE WARSCHAUER AUFSTAND
DoppelteSchuld
  
AKTUELLESLEXIKON
Chimären
PROFIL
Ibi
Ibrahim
MannderKünste
inmittendes
KriegsinJemen
AuchnachderAnklagegegen
Stadlergilt:DieKonzernehaben
nochnichtgenuggelernt
DieBundesregierunghätte
denUSAnichtabsagen,sondern
Bedingungenstellensollen
DeutschlandmussdenPolen
einverlässlicherPartnerbleiben.
NotfallsauchmitKritik
Л
ИЗ
П
О
Д
rektamHauptbahnhof.Hierundinande-
Д
rektamHauptbahnhof.Hierundinande-rektamHauptbahnhof.Hierundinande-rektamHauptbahnhof.Hierundinande-ГО
KunstspezialisierteMuseumLudwigdi-
О
KunstspezialisierteMuseumLudwigdi-
rektamHauptbahnhof.Hierundinande-rektamHauptbahnhof.Hierundinande-О
KunstspezialisierteMuseumLudwigdi-KunstspezialisierteMuseumLudwigdi-ТТ
rektamHauptbahnhof.Hierundinande-
Т
rektamHauptbahnhof.Hierundinande-
О
terdasaufmoderneundzeitgenössische
О
terdasaufmoderneundzeitgenössische
KunstspezialisierteMuseumLudwigdi-KunstspezialisierteMuseumLudwigdi-О
В
terdasaufmoderneundzeitgenössische
В
terdasaufmoderneundzeitgenössische
KunstspezialisierteMuseumLudwigdi-
В
KunstspezialisierteMuseumLudwigdi-
И
KölnhatbereitsprächtigeMuseen,darun-
И
KölnhatbereitsprächtigeMuseen,darun-
terdasaufmoderneundzeitgenössischeterdasaufmoderneundzeitgenössischeИЛ
KölnhatbereitsprächtigeMuseen,darun-
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KölnhatbereitsprächtigeMuseen,darun-
terdasaufmoderneundzeitgenössischeterdasaufmoderneundzeitgenössischeЛ
KölnhatbereitsprächtigeMuseen,darun-KölnhatbereitsprächtigeMuseen,darun-АА
Г
DerKunstaberistdamitnichtgedient.
Г
DerKunstaberistdamitnichtgedient.
KölnhatbereitsprächtigeMuseen,darun-KölnhatbereitsprächtigeMuseen,darun-Г
DerKunstaberistdamitnichtgedient.DerKunstaberistdamitnichtgedient.РУ
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KunstspezialisierteMuseumLudwigdi-
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VK.COM/WSNWS
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