Das Einfamilienhaus Schweiz – August-September 2019

(Marcin) #1

52_Das Einfamilienhaus 4/2019


Finanzierung Hypotheken


Vermögen voll für die Erfüllung des Vertrags – und natürlich für
die Zinszahlung bis zum letzten Tag der Vertragsdauer. Nicht
geplante und nicht vorhersehbare Ereignisse wie Arbeitslosig-
keit, Scheidung, ein nicht geplanter Wechsel des Arbeitsortes etc.
können aus Kundensicht der Anlass sein, den Vertrag vorzeitig
kündigen zu müssen. Hier ist es aber branchenüblich, dass der
Kunde dafür schadenersatzpflichtig ist. Die konkrete Ausstiegs-
zahlung, die sogenannte «Vorfälligkeitsentschädigung», hängt von
den Vertrags- und Geschäftsbedingungen der Bank respektive des
Vertragspartners ab.


Hohe Hürden bei den Banken Für die Praxis ist weiter zu bedenken,
dass längst nicht jeder Eigentümer und potentielle Eigenheimkäu-
fer die strenge Prüfung der Banken besteht. Für Leute, die schon
Wohneigentum besitzen und Hypotheken haben, ist es meist
einfacher, vom Tiefzinsumfeld zu profitieren. Für Neuerwerber
stellt das geforderte Eigenkapital heute eine hohe Hürde dar: Alle
Schuldner müssen sich daran halten, dass sie mindestens 20 Pro-
zent eigene Mittel beisteuern. Höchstens die Hälfte davon darf als
Vorbezug der Pensionskasse entnommen werden. «Bei den heute
relativ hohen Preisen sind viele Käufer darauf angewiesen, eine
Schenkung oder einen Erbvorbezug aus der Familie zu beanspru-
chen», sagt Urs Tschudi von Tschudi & Partner Immobilien in
Uster/ZH.
Als zweite hohe Hürde gilt die finanzielle Tragbarkeit – gewisser-
massen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Kreditnehmer.
Die kalkulierten Kosten für ein Eigenheim – bei einem Zins von
fünf Prozent gerechnet – inklusive Amortisationen und Nebenko-
sten dürfen nicht mehr als ein Drittel dieses Einkommens brutto
ausmachen. Grundsätzlich anrechenbar sind alle regelmässigen
und dokumentierten Einkünfte des Kreditnehmers. De facto
führe dies heute bei den Banken zu einem strengen Regime.


Die Fünf-Prozent-Regel Als Faustregel nehmen die Darlehens-
geber fünf Prozent der Hypothek als Ausgangslage. Zu dieser
Zahl addieren sie noch ein Prozent des Liegenschaftswertes als
Nebenkosten; eine allfällige zweite Hypothek muss innerhalb von
15 Jahren amortisiert werden. Etwas vereinfacht gesagt: Bei einem
Kredit über eine Million Franken und einem Liegenschaftswert
von 1,25 Mio. Franken ergeben sich mindestens 75 000 Franken
an kalkulatorischen Eigenheimkosten. Und weil nach den klas-
sischen Kreditrichtlinien der Banken diese kalkulierte finanzielle
Last maximal ein Drittel des Einkommens ausmachen darf, muss
ein hohes Einkommen nachgewiesen sein: In unserem Beispiel
also mindestens 225 000 Franken.
Liegt das Einkommen tiefer, hat der Schuldner höhere Eigenmit-
tel einzubringen, um die kalkulatorische Belastung zu reduzieren.
Eine Zeit lang gingen potentielle Käufer davon aus, dass sie nur
lange genug suchen müssten, um auch bei schwierigen Vorausset-


zungen noch einen Kredit zu bekommen. «Die Praxis ist heute bei
praktisch allen Banken durchweg streng», so die Erfahrung von
Urs Tschudi.

Gute Beratung gefragt Wer zum ersten Mal im Leben ein Haus
oder eine Wohnung kauft, will sich entsprechend gründlich
informieren. Zwar haben sich die Bankenlandschaft und auch
die Hypothekenstrategien von anderen Anbietern wie Versiche-
rungen wesentlich verändert; viele davon führten neue Vermark-
tungs- und Vertriebswege ein, gerade im Zug der Digitalisierung.
«Gemessen am Total aller Hypotheken von über 1000 Milliarden
Franken und dem generell steigenden Kreditvolumen bleibt der
Anteil der Online-Abschlüsse aber immer noch klein», sagt Lorenz
Heim. Er betont, dass die Mehrheit der Ersterwerber nach wie vor
auf eine persönliche Beratung setzen. «Die Höhe des Zinses ist ja
letztlich nur eine von sehr vielen Komponenten einer Finanzie-
rung», so Heim.
Die meisten Käufer verlangen von einem professionellen Part-
ner und Berater Aufschluss über den konkreten Ablauf oder die
Bestimmungen in den Verträgen. «Viele Leute wollen ganz einfach
Bescheid wissen, worauf sie achten müssen und welche Fehler sie
vermeiden sollten», erläutert Heim. Denn die Käufer von Immo-
bilien seien sich ja bewusst, dass es sich um eine Investition von
grosser Tragweite handle. <

«Bei den heute relativ
hohen Preisen sind viele
Käufer darauf angewie-
sen, eine Schenkung oder
einen Erbvorbezug aus
der Familie zu beanspru-
chen.»

Urs Tschudi, Tschudi & Partner
Immobilien AG, Uster (ZH)

«Ich halte es sogar für
möglich, dass unsere
Generation Zinsen wie
früher von vier oder fünf
Prozent nicht mehr
erleben wird.»

Lorenz Heim
VZ Vermögenszentrum

Libor-Hypothek Der Zins folgt dem Geldmarktsatz (LIBOR-Satz) und
wird diesem periodisch angepasst. In der Regel haben auch Libor-Hypo-
theken eine feste Laufzeit (Rahmenvertrag). Die Libor-Hypothek wird
auch Geldmarkt-Hypothek oder Rollover-Hypothek genannt.
Festhypothek Kredit mit fester Laufzeit. Der Zins von Festhypotheken
ist unabhängig von den Marktentwicklungen für die gesamte Laufzeit
fix. Üblich sind Laufzeiten von einem bis zu zehn Jahren; etliche Anbie-
ter führen sogar noch längere Laufzeiten im Angebot. Interessant bei
Festhypotheken sind oft auch die Angebote von Versicherungen.
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