Der_Stern_-_29_September_2022

(EriveltonMoraes) #1
Sisi und kein Ende. Nach der erfolg-
reichen RTL-Serie und Marie Kreuzers
fabelhafter „Corsage“ bringt Netflix
seine Version der berühmten Monarchin
des 19. Jahrhunderts zur Aufführung.
„Die Kaiserin“ ist braver, dafür histo-
rischer als die Konkurrenz. Devrim
Lingnau und Philip Froissant liefern
das, was Sisi-Fans wünschen: eine
große Liebesgeschichte, bei allen
bekannten Verstrickungen. Besonders
stark ist der Sechsteiler auch in seinen
Nebenfiguren, wie dem Kaiserbruder
Maximilian. (Netflix) 22222

SERIE


Was diese Frau so alles kann: Die gebür-
tige Kubanerin Ana de Armas war schon
Bond-Lady und prügelte sich mit Ryan
Gosling durch „The Gray Man“. Nun gibt
sie für „Blond“ Oscar-verdächtig die
Ikone Marilyn Monroe und kopiert den
Habitus des Sexsymbols so präzise
wie empathisch. Dabei erzählt der Film
vor allem eine Leidensgeschichte:
wie eine hochtalentierte Frau von
Hollywood und dessen Männern syste-
matisch ausgenutzt, degradiert und
verletzt wurde. Ein bitteres Schauspiel.
(Netflix) 22222

Elyas M’Barek ist 40 geworden und
hat geheiratet, höchste Zeit also, dass
er erwachsener wird in seinen Rollen.
Für die Mediensatire „Tausend Zeilen“
schlüpft er schon mal gekonnt in die
Rolle eines Auslandsreporters, der
die Recherchen eines preisgekrönten
Kollegen anzweifelt – und damit Job
und Familienglück riskiert. Wem das
bekannt vorkommt: Michael Bully
Herbigs Film basiert auf dem Skandal
beim Magazin „Der Spiegel“, so süffi-
sant böse wie „Schtonk!“ ist er aber nur
manchmal. (im Kino) 22222

FILM


FOTOS: BRIDGEMAN IMAGES; PICTURE ALLIANCE; GETTY IMAGES (2); MARCO NAGEL; NETFLIX (2)


„The Old Man“
(Disney+) 22222

Krebs feststellte. Er bekam eine Chemo­
therapie und erkrankte dann auch noch an
Covid­19. Nach sechs Wochen Krankenhaus
sagte er, dass es schwieriger war, Corona zu
überleben als den Krebs zu überstehen.
„Ich war auf einmal mit meiner Sterb­
lichkeit konfrontiert, und was mir da durch
den Kopf ging, war interessant. Wenn du in
solchen Momenten alle Erfahrungen und
Herausforderungen des Lebens zusammen­
zählst, ist der Tod eigentlich nur ein Prob­
lem wie alle anderen auch. Geburt und Tod
sind die größten Hürden. Können Sie sich
noch vorstellen, wie schwierig Ihre Geburt
war? Die haben Sie auch hinbekommen.
Und deshalb ist der Tod vor Augen dann
nicht wirklich etwas Neues, es ist nur in­
tensiver.“ Sagt er so dahin, der weise und
nicht alt wirkende Mann, der sich schon
viele Jahre mit Spiritualität beschäftigt.
Fast zwei Jahre pausierte Bridges, und
wenn man ihn fragt, ob man am Ende der
Serie einen veränderten Schauspieler
sehen würde, antwortet er: „Ich weiß es
nicht, ich hoffe nicht.“ Er habe einen sehr
guten Trainer gehabt, der ihm nach dem
Krankenhaus das Atmen wieder beige­
bracht habe, mit Übungen, die er bis heu­
te macht. Aber wieder an den Set und in
seine Rolle zu kommen sei gewesen, „wie
nach einem Traum wieder ins Leben ein­
zusteigen. Die Leute, mit denen ich dreh­
te, hatten sich überhaupt nicht verändert.“
Wird denn Dan Chase am Ende ein guter
oder schlechter Mensch sein? Lautes
Lachen. „Netter Versuch. Ich soll hier das
Ende verraten? Come on.“

Zeit zu haben, eine Figur in allen Facetten
zu entwickeln, sie mal zögern, mal nach­
denken und dann auch wie einen Vulkan
explodieren zu lassen, „das war schon sehr
cool“, erzählt er.
„The Old Man“ handelt von dem pensio­
nierten Agenten Dan Chase, der mit seinen
zwei Rottweilern auf dem Land lebt und
eines Tages einem Einbrecher gegenüber­
steht, der ihn ermorden will – ein Auftrags­
killer. Er erledigt ihn, flieht aus seinem
Haus und kontaktiert seine früheren Ge­
heimdienstverbindungen. Es kommt ans
Licht, dass der Anschlag auf ihn mit einer
alten Geschichte aus dem Afghanistan­
Krieg zusammenhängt, in die die CIA ver­
wickelt ist.
Das klingt jetzt nicht unbedingt inno­
vativ, doch in „The Old Man“ wird dieser
altbekannte Plot komplexer, privater und
irritierender erzählt als gewohnt. Und es
geht heftig zur Sache, denn der old man
Chase muss Anschläge, Prügeleien und
Unfälle überstehen, was man diesem be­
tagten Kerl erst mal nicht zutraut. Seine
besten Waffen sind oft seine Rottweiler, die
entschieden von ihren scharfen Zähnen
Gebrauch machen.
Dass „The Old Man“ überhaupt zu sehen
ist und Jeff Bridges mit diesem Dan Chase
seiner Galerie denkwürdiger Figuren eine
weitere hinzufügt, ist eine andere, beson­
dere Geschichte. Denn die Dreharbeiten
hätten für Bridges bereits nach vier Folgen
auch auf dem Friedhof enden können. „Es
war eng“, sagt er. 2020 war das, damals muss­
ten die Aufnahmen wegen der Corona­Pan­
demie unterbrochen werden, und während
der Pause ließ sich Bridges von einem Arzt
untersuchen, der bei ihm Lymphdrüsen­

Links: Rock’n’Bowl mit Julianne Moore in „The Big Lebowski“ 1998 und
rechts als Sänger in der NBC-Show „Today“ 2011

29.9.2022 105

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