Vor 20 Jahren ver
schwanden ein Junge
am Strand sowie die
Mutter des Polizisten
Charlie Deravin.
Ertrank der Junge,
wurde die Mutter ent
führt? In „Stunde
der Flut“ erzählt der Australier Garry
Disher, wie die beiden Tragödien
lange Zeit später ineinandergreifen.
Deravin, vom Dienst freigestellt, er
mittelt auf eigene Faust, kommt heftig
unter die Räder und muss erleben,
dass sein Vater zum Hauptverdächti
gen wird. Ein Krimi, der seine Fesseln
behutsam und kunstvoll zuzieht.
(Unionsverlag, 24 Euro) 22222
KRIMI
Wie wurde aus einer
Unterhaltungssen
dung „die wichtigste
politische Talkshow im
deutschen Fernse
hen?“, fragte sich Lars
Haider, Chefredakteur
des „Hamburger
Abendblatts“, als er immer öfter die
Frage „Hast du gestern Lanz gesehen?“
hörte. Der Beginn einer überraschend
unterhaltsamen, spannenden Recher
che: In „Das Phänomen Markus
Lanz“ eröffnen 50 Politiker, Wissen
schaftler, Journalisten und Weg
gefährten einen neuen Blick auf den
Mann, über dessen „Wetten, dass..?“
Debakel Deutschland einst spottete.
(Klartext, 25 Euro) 22222
SACHBUCH
Zehn Jahre lang
ist Entertainer
Dirk Bach nun
schon tot.
Seine Stimme
hat dennoch
fast jeder
im Ohr. Bachs
engste Freun-
de – und von
denen hatte
er tatsächlich viele –
haben ihm mit „Dear Dicki“
nun ein Denkmal in mehr
als 80 Briefen gesetzt,
herausgegeben von Hella
von Sinnen, Cornelia
Scheel und Pelle Pershing.
Man staunt, wie lebendig
einer bleiben kann,
der schon so lange nicht
mehr da ist.
(Rororo, 25 Euro)
FOTOS: SVEN JAAX; PRIVAT
übrigens Geschwister, Kinder des Vogel-
warts, der mal zur See fuhr und dann vor
der Wut seiner einsamen Frau zu den
Zwergseeschwalben floh.
Es dauert ein wenig, bis die Geschichte
dieser Familie Sander hervortritt aus Han-
sens vielen umwerfenden Sätzen über die
Walfänger und ihre alten Seelen und den
Himmel über dem Meer. Ein Tag für Maler,
lässt Hansen Mutter Hanne denken, als sie
diesen Himmel am Geburtstag ihres
Jüngsten betrachtet. „Vor dreißig Jahren
war das Wetter ähnlich, und sie weiß noch,
dass da Freude war.“
Innen- und Außenwelt verschmelzen in
diesem Insel-Kontinuum, wie Vergangen-
heit und Gegenwart. Und darum geht es
wohl in „Zur See“. Um das, was wir mit-
bringen. Und das, was wir noch daraus
machen können. Katharina Kluin
M
uss man norddeutsch sein, um
Dörte Hansens Romane zu mö-
gen? Wohl nicht, sie stehen
überall in Deutschland auf den
Bestsellerlisten und werden für
noch viel mehr Leute verfilmt,
erst „Altes Land“ fürs Fernsehen, und jetzt
läuft „Mittagsstunde“ im Kino. Wie wahr
das ist, was Hansen schreibt, dürfte sich
allerdings doch vor allem Nordlichtern
offenbaren. Hansen selbst bringt das in
ihrem Neuling „Zur See“ auf den Punkt, im
letzten Satz ihrer Danksagung, mit dem
Zitat einer Weggefährtin: „De kenn ik all“,
sagt sie. „Die kenn ich alle.“
Man bekommt sie tatsächlich gut vor
Augen, die Figuren auf dieser Nordseeinsel,
deren Namen Hansen nicht verrät. Die Al-
ten, die Zugezogenen, die Wochenendgäs-
te, den Galeristen und den Inselpastor. Die
tätowierte Frau voll Eigensinn, den trin-
kenden Seemann, der nur noch Fähre fährt,
und den Strandgut-Künstler, dessen Wer-
ke „die Insel mittlerweile wie ein eigener
Schwarm bevölkern“. Letztere drei sind
In ihrem Inselroman „Zur See“ geht Dörte Hansen
Land und Leuten einmal mehr auf den Grund
Wasserstoff
Sie hat sich
der Nordsee mit
jedem Roman
ein bisschen mehr
angenähert: Dörte
Hansen, 58
„Zur See“ von Dörte Hansen,
Penguin, 256 Seiten,
24 Euro 22222
BUCH
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29.9.2022 107