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H
err Maschke, wie viele
Wurstgeschäfte, Imbiss-
buden und Bäckerläden
sieht ein Lebensmittel-
kontrolleur?
Das hängt davon ab, wo die
Kolleginnen und Kollegen im Ein
satz sind. Wir haben Kontrolleure,
die besuchen 200 Betriebe. Und es
gibt welche, die sind für 2000 Unter
nehmen zuständig. Den Zuschnitt
legen die kreisfreien Städte und die
Landkreise fest. Davon gibt es über
400 in Deutschland.
Sind die jährlich vorgesehenen
amtlichen Kontrollen zu schaffen?
Das kann bei bis zu 200 Betrieben
gelingen, bei 2000 Unternehmen auf
keinen Fall. Wir schaffen je nach Be
triebsgröße zwei Besuche am Tag,
selten drei.
Ende vergangenen Jahres erkrank-
ten vier Menschen nach dem Ver-
zehr von Gurken, die mit Listerien
verseucht waren. Es kam heraus,
dass in dem Betrieb aus Hessen, in
dem die Gurken verarbeitet wor-
den waren, schwere Hygienemän-
gel herrschten. Die Firma war zwei
Jahre lang nicht kontrolliert wor-
den. Wie erklären Sie sich einen
solchen Skandal?
Dass da lange niemand von der
Lebensmittelkontrolle war, ist na
türlich fatal. Das liegt aber auch an
unseren Vorgaben. Angestoßen von
der damaligen Bundesministerin
Julia Klöckner wurde die Zahl der
Regelkontrollen seit 2019 zurück
gefahren. Wir sollten uns dafür
stärker auf schwarze Schafe kon
zentrieren. Das Ergebnis war, dass
jene Betriebe, die zuvor nicht ne
gativ aufgefallen waren, über Nacht
in eine Kategorie einsortiert wur
den, in der deutlich weniger kont
rolliert wird. Wenn man erst nach
zwei Jahren wieder hinguckt, kann
es zu spät sein. Mir ist aber wichtig:
Die Verantwortung für die Sicher
heit der Lebensmittel liegt bei den
Unternehmen selbst. Wir über
prüfen, wie die Betriebe dies ge
währleisten wollen. Aber es kann
nicht hinter jeder Pizza ein Kon
trolleur stehen. Dazu kommt, dass
die Kontrolllücke in Hessen wohl
auch der pandemischen Lage ge
schuldet war.
Inwiefern?
Wir sind in den Gesundheitsämtern
eingesetzt worden, weil es dort akut
an Personal fehlte. Also haben wir
Leute mit positivem CoronaTest
abtelefoniert. Die Personalknapp
heit ist ein grundsätzliches Prob
lem. Man hat sich jahrelang totge
spart. Das hat die Epidemie für die
Gesundheitsämter gezeigt. Und das
zeigt sich nun mit dem Ausbruch
der Afrikanischen Schweinepest bei
den Veterinären, die wir derzeit mit
Leuten unterstützen. Einige Le
bensmittelkontrolleure müssen zu
sätzlich sogar noch den ruhenden
Verkehr überwachen.
Was heißt das? Die Leute kontrol-
lieren eine Bäckerei auf Hygiene
und laufen danach den Parkstrei-
fen ab?
Ja, die verteilen nebenbei Knöllchen.
Es ist absurd.
Wo besteht die größere Ekelge-
fahr – in der Gastronomie oder in
der Lebensmittelindustrie?
In der Gastronomie gibt es eindeu
tig mehr Beanstandungen als in der
Produktion. Dafür können die Fol
gen bei Mängeln in der Herstellung
weitreichender sein, wie auch der
Skandal um den Wursthersteller
Wilke vor drei Jahren gezeigt hat, bei
dem Dutzende Kunden erkrankten
und drei Menschen starben. Grund
sätzlich halte ich Lebensmittel in
Deutschland aber für sehr sicher.
Sind die Unternehmen vorge-
warnt, bevor Sie tätig werden?
Wir kommen in der Regel unange
kündigt, sonst ergibt das Ganze kei
nen Sinn. Wenn es sich um einen Pro
duktionsbetrieb handelt, melden wir
uns an der Pforte an, das spricht sich
intern dann natürlich rum. Doch gra
vierende Mängel wie etwa Schimmel
oder Schädlingsbefall kann man so
schnell nicht mehr vertuschen. Wir
fangen bei unserem Kontrollgang
da an, wo die Rohstoffe angeliefert
werden, und wir enden bei der Ver
packung und der Lagerung. Darüber
hinaus kontrollieren wir Umkleiden
und Toiletten. Bei Schimmel stellt
sich regelmäßig die Frage, wo der sich
befindet. Haben wir nur einen klei
nen Fleck an der Wand, reicht es viel
leicht, wenn da mal jemand drüber
streicht. Sitzt er auf dem Hackfleisch,
stoppen wir die Produktion. Stellen
wir Ratten oder Schaben fest, neh
men wir den Betrieb grundsätzlich
vorläufig vom Markt.
Wie reagieren die Unternehmens-
chefs in solchen Fällen?
Maik Maschke
ist Vorsitzender
des Bundes-
verbands der
Lebensmittel-
kontrolleure
So sicher sind Lebensmittel in Deutschland:
Der Kontrolleur Maik Maschke über gefährliche
Gurken und die Sauberkeit von Burger-Ketten
SCHMECKT’S
NOCH?
GESELLSCHAFT
88 29.9.2022