Die Welt am Sonntag - 04.08.2019

(Sean Pound) #1
Cigdem Toprak, 3 1, studierte Politik
in Darmstadt und Istanbul sowie
Konfliktforschung in Lon-
don. Mit Ex-Bundesprä-
sident Gauck sprach sie
üüüber Themen, über dieber Themen, über die
sie sich auch sonst den
Kopf zerbricht: Hei-
mat etwa Seite 55

vergangene Wo-
che wurde der
Rabbiner Yehuda
Teichtal von zwei
arabisch spre-
chenden Männern
in Berlin beleidigt
und bespuckt.
Warum? Weil er
Jude ist. Hunder-
te Vorfälle wie dieser ereignen sich
mittlerweile in Deutschland, Jahr
für Jahr.
Wenn man durch die Straßen
unserer Städte geht, speziell in der
Hauptstadt, sieht man häufig die
goldfarbenen Stolpersteine im Bo-
den, die an ehemalige Bewohner der
Stadt erinnern. Hinter jedem dieser
Steine steht das Schicksal eines
Menschen, der im Nationalsozialis-
mus verfolgt wurde. Die allermeis-
ten wurden ermordet. Die allermeis-
ten waren Juden. Vor einem Haus,
an dem ich auf meinem Weg von
meiner Wohnung zur Redaktion
vorbeikomme, liegen sieben Steine,
alle tragen den Nachnamen „Stein-
berg“, offenbar eine Familie. Da
lebten die Eltern Eli und Judith und
die Kinder Kela, Gitel, Simon, David,
Chana. Alle wurden am 5. September
1942 deportiert, am 8. September
1942 ermordet. Als sie ermordet
wurden, war Chana zwei, David drei,
Simon fünf, Gitel sieben und Kela
zehn Jahre alt.
Die Schoah begann mit Demüti-
gungen. „Ihr könnt Euch das Bild
wohl vorstellen“, schrieb Lina Hey-
drich, die Ehefrau des späteren
„Schlächters von Prag“, Reinhard
Heydrich, voller Glück im Zeitraum
der Machtübernahme an ihre Eltern
in einem Brief, in dem sie beschrieb,
wie politische Gegner und Juden
lächerlich gemacht und misshandelt
wurden: „Als nächster wird der Jude
Lewy eingeführt. Mit dem machen
sie kurzen Prozeß...“ Später hat
man sich in Deutschland auf „nie
wieder“ geeinigt. Es ist Zeit, sich
daran zu erinnern.
Teichtal schreibt auf Facebook:
„Die Mehrheit der Menschen sind
gggute Menschen, und wir dürfen unsute Menschen, und wir dürfen uns
und unsere Identität auf keinen Fall
verstecken, wir müssen uns hingegen
verstärkt für den Dialog und Bildung
einsetzen, denn das trägt zum gegen-
seitigen Verständnis und zur Tole-
ranz bei. Niemand ist ein Außen-
stehender und niemand sollte wegen
seiner Religion angegriffen werden.“
Es ist eine Aufgabe für uns alle.
Ich wünsche Ihnen ein schönes
Wochenende – voller Zuversicht und
Friedfertigkeit wie jener von Yehuda
Teichtal.

Mit herzlichem Gruß
Johannes Boie,
Chefredakteur WELT AM SONNTAG

Liebe Leserinnen,


liebe Leser,


Influencerin Céline Flores Willers,
2 6, spielte als Kind in
einer Jungenmannschaft
Fußball. Sie fühlt sich
als Anpackerin. Warum
jammern andere junge
Frauen so viel, fragt
sie sich in einem
Essay. Seite 10

Claudia Ehrenstein, 5 8,
erinnert sich noch an das
Waldsterben Anfang der
1980er-Jahre. Und jetzt
soll es den Bäumen noch
schlechter gehen? Die
Politikredakteurin wollte
wissen, wie ernst die
Lage ist. Seite 5

AUTORINNEN DIESER
AUSGABE

WAMS_DirWAMS_DirWAMS_Dir/WAMS/WAMS/WAMS/WAMS/WSBE-HP/WSBE-HP
04.08.1904.08.1904.08.19/1/1/1/1/Pol1/Pol1 DSCHWARZ 5% 25% 50% 75% 95%

Abgezeichnet von:
Artdirector

Abgezeichnet von:
Textchef

Abgezeichnet von:
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Abgezeichnet von:
Chef vom Dienst

2


04.08.194. AUGUST 2019WSBE-HP


  • :----ZEIT:BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -ZEIT:-BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -ZEIT:-BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ---ZEIT:---BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: :BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: :BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: :BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: :BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: :BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: BELICHTERFREIGABE: BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: :BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: :BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: :BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: :BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: :BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: :BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: :BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: :BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE:
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2 THEMA DER WOCHE * WELT AM SONNTAG NR.31 4.AUGUST


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WenigerWeniger


Fälle, mehrFälle, mehr


BrutalitätBrutalität


Das Bedürfnis der Bürger nach Sicherheitas Bedürfnis der Bürger nach Sicherheit


wächst. Oft wird das mit derächst. Oft wird das mit der


Flüchtlingspolitik seit 2015 verknüpft.lüchtlingspolitik seit 2015 verknüpft.


Die Statistik zeigt, dass Zuwanderer aufie Statistik zeigt, dass Zuwanderer auf


einigen Kriminalitätsfeldern besondersinigen Kriminalitätsfeldern besonders


auffallen. Kriminologen haben dafüruffallen. Kriminologen haben dafür


verschiedene Erklärungenerschiedene Erklärungen


Quelle: PKS

Mord und Totschlag

  

Zahl der Straftaten in Deutschland



 


D


eutschland ist sicherer gewor-
den, so sagen es die Sicherheits-
behörden. Und sie können sich
auf Daten stützen. Verglichen mit ande-
ren Staaten und vergangenen Jahrzehn-
ten ist Deutschland ein sehr sicheres
Land. Eine Umfrage im Auftrag des
Bundeskriminalamts (BKA) hat aller-
dings auch ergeben, dass sich die Men-
schen trotzdem weniger sicher fühlen.

VON MARCEL LEUBECHER
UND MARTIN LUTZ

Die Zahl der polizeilich erfassten
Straftaten in Deutschland ist gesunken.
Das ist die Entwicklung der vergangenen
Jahre, auch im Vergleich der Jahre 2017
und 2018, den beiden aktuellsten Zahlen
aaaus der Polizeilichen Kriminalstatistikus der Polizeilichen Kriminalstatistik
(PKS). Unter allen Statistiken gilt sie bei
Fachleuten als diejenige, die die Verbre-
chenswirklichkeit am verlässlichsten wi-
derspiegelt. Demnach ist die Zahl der po-
lizeilich registrierten Straftaten im ver-
gangenen Jahr um 3,6 Prozent gesunken


  • auf knapp 5,55 Millionen. Dies sei „der
    niedrigste Wert seit Jahrzehnten“, sagte
    Bundesinnenminister Horst Seehofer
    (CSU), als er die Statistik im Frühjahr
    vorstellte.


Die Zahl der Mord- (rund 700 Fälle)
und Tötungsdelikte (zusammen rund
2 500 Fälle) war in den Jahren 2017 und
2 018 nahezu konstant, im Grunde ist sie
das seit vielen Jahren. Die Gewaltkrimi-
nalität hat gegenüber 2007 um 12,2 Pro-
zent abgenommen. Vor allem die Daten
zu Mord und Totschlag gelten unter Kri-
minalisten und Sicherheitsexperten als
zuverlässig, weil es einerseits eine gerin-
ge Dunkelziffer und andererseits eine
hohe Aufklärungsquote gibt. Das unter-
scheidet diese Taten beispielsweise von
sexueller Belästigung, Vergewaltigung
oder Drogenkriminalität. Hier werden
viele Fälle nicht angezeigt. Die Zahlen
hängen also besonders davon ab, wie in-
tensiv die Polizei Kontrollen durchführt.
Der Kriminologe Axel Petermann
sagt: „Die Delikte haben sich verän-
dert.“ Experten stellen insgesamt eine
„Verrohung“ fest. „Und diese neue
Form der Gewalt“, sagt Petermann,
„führt natürlich zu einem Angstgefühl,
das viele bislang nicht kannten.“ Er
meint unter anderem Spontantötungen,
zu denen der Experte Anschläge mit Au-
tos oder auch Fälle wie die Tötung des
achtjährigen Jungen im Hauptbahnhof
Frankfurt am Main zählt.Die Zahlen
der PKS besagen auch, dass Ausländerder PKS besagen auch, dass Ausländer

in einigen Deliktgruppen überdurch-
schnittlich oft als Straftäter auftauchen.
Das heißt, ihr Anteil in der Gruppe der
Täter ist größer als ihr Anteil an der Be-
völkerung. Laut Statistik wurden im
Jahr 2018 zu allen registrierten Taten
insgesamt 1,9 Millionen Tatverdächtige
ermittelt, unerlaubte Einreise und an-ermittelt, unerlaubte Einreise und an-

V


on der Freiheit einer
Demokratie muss ei-
ne Gruppe ausge-
schlossen bleiben:
diejenigen, die sie
nutzen, um Freiheit
und Demokratie
selbst abzuschaffen. Das betrifft Men-
schen, die direkt die Staatsgefährdung
planen: islamistische oder rechtsradi-
kale Terroristen zum Beispiel. Demo-
kratie und Freiheit können aber auch
durch komplexere Prozesse gefährdet
werden. Nämlich dann, wenn sich in
einem Teil der Bevölkerung das Ge-
fühl breitmacht, nicht mehr sicher zu
sein, dass sich ein grundsätzlicher
Kontrollverlust eingestellt hat in ih-
rem Land, in dem doch eigentlich je-
der Parkverstoß, jede Geschwindig-
keitsüberschreitung, selbst das Nicht-
bezahlen der Gebühren für den öf-
fentlich-rechtlichen Rundfunk mit
Schärfe und Unnachgiebigkeit ver-
folgt wird.

Breitet sich dieses Gefühl aus, wird
die Gesellschaft nervös. Reagiert die
Politik nicht, folgt auf die Unsicher-
heit der Bürger der Aufstieg der Popu-
listen. Diese Erfahrungen aus der Ver-
gangenheit spiegeln die Wahlergeb-
nisse der Gegenwart wider. Es ist Auf-
gabe der Politik, die Gefährdung der
Demokratie auch in diesem Fall aus-
zuschließen.
Maßgebliche Auslöser der Unsi-
cherheit sind Gewalttaten, auch sol-
che, die von Migranten begangen wor-
den sind (siehe nebenstehenden Kas-
ten). Die Gruppe begeht, gemessen an
ihrem Anteil in der gesamten Gesell-
schaft, überproportional viele Strafta-
ten im Bereich dessen, was man als
„brutal“ empfindet (siehe Auswer-
tung der Statistik unten). Dazu
kommt, dass diese Straftaten anders
wahrgenommen werden als noch vor
wenigen Jahren. Dafür gibt es zwei
Gründe: Erstens stehen Teile der Be-
völkerung unter dem Eindruck der
Migrationskrise 2015, zweitens sind
soziale Medien wie WhatsApp, Face-
book, Twitter und Instagram zu einer
Hauptinformationsquelle sehr vieler
Menschen geworden.
In der Kakofonie des Netzes bleibt
wenig Zeit und Raum für Fakten. Der
Eritreer, der das Kind in Frankfurt vor
den ICE stieß, kam schon 2006 in die
Schweiz, er ist offenbar psychisch
krank. Diese Tat hätte auch ohne die
großen Migrationswellen im Jahr 2015
passieren können. Wären diese Wel-

len aber anders organisiert wordenlen aber anders organisiert worden
und hätten sich führende Politiker an-und hätten sich führende Politiker an-
ders geäußert, wäre die Tat vonders geäußert, wäre die Tat von
Frankfurt nicht in einer verängstig-Frankfurt nicht in einer verängstig-
ten, hysterischen Gesellschaft pas-ten, hysterischen Gesellschaft pas-
siert. Prägend für den Diskurs und er-siert. Prägend für den Diskurs und er-
schütternd für viele Bürger, die dieschütternd für viele Bürger, die die
Nachrichten der Gegenwart lesen,Nachrichten der Gegenwart lesen,
sind bis heute stattdessen die sympa-sind bis heute stattdessen die sympa-
thische und verständliche, aber, wiethische und verständliche, aber, wie
man heute weiß, vergebliche Zuver-man heute weiß, vergebliche Zuver-
sicht der Kanzlerin („Wir schaffensicht der Kanzlerin („Wir schaffen
das“, August 2015) und die ostentativdas“, August 2015) und die ostentativ
vorgetragene Empathie diverser Spit-vorgetragene Empathie diverser Spit-
zenpolitiker: Martin Schulz (SPD), Ju-zenpolitiker: Martin Schulz (SPD), Ju-
ni 2016: „Was diese Menschen zu unsni 2016: „Was diese Menschen zu uns
bringen, ist wertvoller als Gold“, Ka-bringen, ist wertvoller als Gold“, Ka-
trin Göring-Eckardt (Grüne), Novem-trin Göring-Eckardt (Grüne), Novem-
ber 2015: „Unser Land wird sich än-ber 2015: „Unser Land wird sich än-
dern, und zwar drastisch. Und ichdern, und zwar drastisch. Und ich
freue mich drauf!“freue mich drauf!“
Dazu kommt das UnverständnisDazu kommt das Unverständnis
vieler Medien und Journalisten übervieler Medien und Journalisten über
die neuen Verhältnisse – weniger diedie neuen Verhältnisse – weniger die
gesellschaftlichen als die medialen.gesellschaftlichen als die medialen.
Vor zehn Jahren noch waren sie, wa-Vor zehn Jahren noch waren sie, wa-
ren wir, in der Rolle von Gatekeepern,ren wir, in der Rolle von Gatekeepern,
von Hütern, die darüber bestimmten,von Hütern, die darüber bestimmten,
welche Nachrichten die Menschen er-welche Nachrichten die Menschen er-
reichten, welche nicht. Mit Zensur hatreichten, welche nicht. Mit Zensur hat
und hatte das nichts zu tun – es warund hatte das nichts zu tun – es war
schlicht die Aufgabe, die Nachrichten-schlicht die Aufgabe, die Nachrichten-
flut in begrenzte Papier- und Digital-flut in begrenzte Papier- und Digital-
ressourcen möglichst sinnvoll zu ka-ressourcen möglichst sinnvoll zu ka-
nalisieren.nalisieren.
Die Zeiten haben sich geändert. Na-Die Zeiten haben sich geändert. Na-
hezu jeder Mensch hat jederzeit einehezu jeder Mensch hat jederzeit eine
Kamera (im Handy) in der Hosenta-Kamera (im Handy) in der Hosenta-
sche. Viele von denen, die – wie gera-sche. Viele von denen, die – wie gera-
de in Stuttgart – beispielsweise vor ih-de in Stuttgart – beispielsweise vor ih-
rem Haus sehen, wie ein Mensch ei-rem Haus sehen, wie ein Mensch ei-
nen anderen Menschen mit einemnen anderen Menschen mit einem
Schwert ermordet, zücken ihr Handy.Schwert ermordet, zücken ihr Handy.
Man mag das geschmacklos finden,Man mag das geschmacklos finden,
unethisch, pietätlos. Dem Leid derunethisch, pietätlos. Dem Leid der
Angehörigen, das die Filmenden nichtAngehörigen, das die Filmenden nicht

bedenken, steht im besten Fall auch
das Ziel gegenüber, Beweismaterial zu
schaffen.
Der Griff zur Kamera ist ein Reflex
der Gegenwart. Menschen fotografie-
ren selbst Straßenecken, ihr Essen, ih-
ren großen Zeh. Die Wirkung der Auf-
zeichnung von Straftaten im Netz ist
gewaltig, sie erreicht auch Menschen,
die nicht auf Twitter oder Facebook
sind, denn Videos und Bilder aus dem
Netz sind heute Gesprächsstoff, wie
es früher die Titel großer Magazine
waren.
Da wirkt es nicht nur, sondern ist es
anachronistisch, wenn sich vornehm-
lich von GEZ-Geld finanzierte Sender
auf einen Standpunkt stellen, der viel-
leicht vor 20 Jahren Sinn ergeben hät-
te: Ein lokaler Mord ist keine Nach-
richt für ein überregionales Medium.
So entschied im Fall Stuttgart der
Deutschlandfunk, so entschied die
„Tagesschau“ bei zahlreichen Mor-
den, die Flüchtlinge begangen haben.
Beide Medien berichteten aber jeweils
über ihre Entscheidung, nicht zu be-
richten. Das verstehe, wer will. Und
beide lassen außer Acht, dass die sorg-
fältige Recherche und der umfassende
Bericht über die Themen, die die
Menschen bewegen, journalistische
Pflicht ist (und schon immer war).
Gerade wenn auf Twitter oder Face-
book das Gefühl über die Sachlichkeit
siegt, ist es die Aufgabe der etablier-
ten Medien, Fakten in die Debatte zu
injizieren. Keinesfalls aber sie zu
ignorieren.
Das ist umso wichtiger, als jeder
Gewalttat deren Instrumentalisie-
rung folgt. Dabei wird von allen Sei-
ten gelogen, bis sich die Balken bie-
gen, demagogisch gehetzt. Der AfD-
Mann Maximilian Krah, der gerade ei-
nen Mitarbeiter eingestellt hat, der

aus der rechtsradikalen Le-Pen-Partei
in Frankreich geflogen ist, weil er sich
im „Stürmer“-Stil über Juden lustig
machte, twittert: „Der Säbelmord von
#Stuttgart ruft in Erinnerung: Will-
kommenskultur ist tödlich!“ Die AfD-
Abgeordnete Verena Hartmann
schreibt auf Twitter wegen der Ge-
walttat am Frankfurter Hauptbahn-
hof, sie „verfluche den Tag“ von Ange-
la Merkels Geburt, nicht ohne die
Kanzlerin dafür zu verurteilen, dass
sie keine Kinder hat. In derselben An-
gelegenheit wiederum twitterte der
Grüne Eike Lengemann einen Ver-
gleich zwischen Unfällen im Autover-
kehr und im Bahnverkehr, als wäre der
kleine Junge nicht von einem Täter
gestoßen worden.
Aufgabe der Politik ist es, auch für
die Millionen Menschen mitzuregie-
ren, denen Bilder wie jene aus Frank-
furt, Videos wie das aus Stuttgart,
Nachrichten über eine zerstückelte
Frau im Koffer, denen die unzähligen
Messerangriffe und insbesondere der
grassierende, stark wachsende Juden-
hass so viel Angst machen, dass sie
sich in die Arme von Populisten flüch-
ten. Wer ihren Zorn in den Kommen-
tarspalten des Netzes verfolgt, findet
knallharte Nazis, Rechtsextreme,
Ausländerhasser. Aber auch Men-
schen voller Empathie, die schlicht
die Welt nicht mehr verstehen, wenn
in Stuttgart ein Mensch mit einem
Schwert zerhackt wird. Sie sehnen
sich nach einfachen Wahrheiten: Der
Staat muss wissen, wer sich innerhalb
seiner Grenzen aufhält. Besser als am
Freibad-Einlass kontrolliert man Päs-
se an der Grenze. Medien und Journa-
listen müssen „sagen, was ist“ (Rudolf
Augstein). Ihren Wünschen nachzu-
kommen, wäre der Stimmung im
Land zumindest nicht abträglich.

Schaffen wir das?chaffen wir das?


Gewalttaten von Migranten polarisieren das Land. Ein Riss zieht sich durchewalttaten von Migranten polarisieren das Land. Ein Riss zieht sich durch


die Gesellschaft. Rechte wie Linke instrumentalisieren die Verbrechen. ie Gesellschaft. Rechte wie Linke instrumentalisieren die Verbrechen.


Soziale Medien geben den Takt vor. Die Statistik interessiert nur noch wenigeoziale Medien geben den Takt vor. Die Statistik interessiert nur noch wenige


ILLUSTRATION: TOM UECKER

VONJOHANNES BOIE

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