Die Welt am Sonntag - 04.08.2019

(Sean Pound) #1
ben, deren Verbringung nach Deutsch-
land unserem heutigen Wertesystem wi-
derspricht?“
Ja, wie können sie das? Man möchte
meinen mit der geltenden Rechtslage,
nach der die Artefakte legaler Besitz der
Museen sind. Sicher, Ethnologen waren
oft rücksichtslos. Aber wäre denn eine
WWWelt denkbar, in der es Ethnologen undelt denkbar, in der es Ethnologen und
Kolonialismus nie gegeben hätte? Und
wie sähe diese Welt heute aus? Wenn der
Eroberungs- und Sammelwahn der Euro-
päer nie aufgekommen wäre, weil man
sich im 16. Jahrhundert so aufgeklärt ver-
halten hätte, wie man es 2019 als richtig
erkennt, dann gäbe es den Restitutions-
streit gar nicht, weil es wenig zu restituie-
ren gäbe. Hunderttausende ethnologi-
scher Artefakte, die von ihren Schöpfern
nie zum dauerhaften Erhalt bestimmt wa-
ren, würden sich lautlos in ihre Bestand-
teile auflösen, wie der kleine Apparat am
Anfang von H.G. Wells’ Roman „Die Zeit-
maschine“, der in die Zukunft reist.
WWWas nach Wiedergutmachung klingt,as nach Wiedergutmachung klingt,
ist eigentlich eine kontrafaktische Erzäh-

lung, ein großes Was-wäre-wenn. Das
heißt natürlich nicht, dass nichts geraubt
wwwurde, dass es keine Genozide gab, keineurde, dass es keine Genozide gab, keine
Plünderungen und dass man die Ge-
schichte des Kolonialismus nicht genaue-
stens erforschen sollte. Es heißt auch
nicht, dass man sie nicht bedauern oder
sich dafür entschuldigen soll. Doch wie
entschädigt man für Geschichte? Das
Grauen von gestern ist in die Welt von
heute eingewebt wie in einen Teppich.
WWWas genau will man nachträglich für un-as genau will man nachträglich für un-
entschuldbar erklären? Kontrafaktisches
Denken lockt. Der in Cambridge lehrende
Historiker Richard J. Evans hat 2013 ein
Buch über „Veränderte Vergangenheiten“
geschrieben, in denen Napoleon in Water-
loo gewinnt, die Mauren 1492 nicht aus
Spanien vertrieben werden oder der Kolo-
nialismus nie existiert hat.
„Das Problem an derartigen kontrafak-
tischen Argumentationen ist“, so Evans,
„dass sie die Geschichtsschreibung kei-
neswegs aus der vermeintlichen Zwangs-

jacke des marxistischen Determinismus
befreien, sondern sie vielmehr in eine an-
dere hineinzwängen, die sie unter dem
Strich noch sehr viel stärker einengt.“
Ach, wären die Menschen damals schon
so vernünftig und gutherzig gewesen, wie
wir es heute sind! Lasst uns endlich kor-
rigieren, was sie dummerweise getan ha-
ben. Lasst es uns ausgleichen. Right the
wrong. Ein solches Denken, nennen wir es
Retroaktivismus, ist aber nicht progres-
siv, sondern latent reaktionär, mindestens
konservativ. Konservative lieben kontra-
fffaktische Erzählungen, Linke eher nicht. aktische Erzählungen, Linke eher nicht.
„Ungeachtet aller Strudel und Gegen-
strömungen“, schreibt Evans, „ist die Lin-
ke traditionell davon überzeugt, dass der
Strom der Geschichte in eine für sie gün-
stige Richtung fließe. Warum sollten linke
Historiker dem nachtrauern, was in der
VVVergangenheit nicht geschehen ist, wennergangenheit nicht geschehen ist, wenn
ihnen ohnehin die Zukunft gehört?“ Ja,
warum? Nichts spricht dagegen, aus der
Gegenwart heraus für die Zukunft das
Richtige zu tun. Man kann in Anerken-
nung der Vergangenheit handeln, ohne zu

versuchen, sie zu korrigieren. Man kann
afrikanische Artefakte nach Afrika geben
(und einige europäische dazu) und Mu-
seen bauen, die legale Migration erleich-
tern und das Leben von Afroamerikanern
chancengleicher machen, ohne es als
Kompensation für fünfhundert Jahre zu
begreifen, als Begleichung einer Schuld.
Man kann es tun, indem man sich auf eine
bessere Zukunft beruft. Aber Zukunft ist
aaaus der Mode gekommen. us der Mode gekommen.
Wir sind, so scheint es, in einer Art gi-
gantischer Möbiusschleife gefangen. Alle
wollen zurückgeben, Traumata heilen,
Schulden begleichen. Es ist ein einziges
großes Aufrechnen, und die größten Er-
zählungen der Gegenwart sind Remakes
oder nostalgisch. „Stranger Things“ ist
die erfolgreichste Serie des Moments,
eine nostalgische Zeitreise in die Achtzi-
gerjahre, aber auch ein Schlüssel, um den
Retroaktivismus der Gegenwart zu ver-
stehen. Die Handlung entspringt im We-
sentlichen dem Kontakt mit einer „ande-

H


öchstens eineinhalb
Grad mehr, sagt das
Klimaabkommen von
Paris, danach ist
Schluss mit lustig.
ZZZwei Grad mehr?wei Grad mehr?
WWWasserknappheit fürasserknappheit für
Milliarden Menschen und Überflutung
der Küstenstädte. Drei Grad mehr? Kol-
laps unserer Zivilisation. Vier Grad mehr?
WWWeltweites Artensterben.eltweites Artensterben.

Endlich kann der Mensch in die Zu-
kunft sehen. Aber will er das noch? Wäh-
rend die Zukunft früher nur darauf warte-
te, von glücklichen Nachgeborenen mit
kühner Betonarchitektur und Raketenska-
teboards bevölkert zu werden, stecken die
Jüngeren, ähnlich wie ein amerikanischer
Collegestudent, schon tief in den CO 2 -
Schulden, bevor sie mit dem Leben über-
haupt richtig angefangen haben. Über der
Gegenwart ist eine gläserne Decke einge-
zogen worden. Wir leben im wahrsten
Sinn des Wortes in einem Treibhaus.
In dieser eher defensiven Zeit sind zwei
Begriffe zentral geworden: die Kompensa-
tion und das Remake. Das Remake verar-
beitet einen schon bearbeiteten Stoff
noch einmal, damit er der Gegenwart bes-
ser zu Diensten sein kann, also etwa „Das
Boot“ als sechzehnteilige Serie statt als
Kinofilm. Recycling spart Ideen. Die Kom-
pensation gleicht ein schon eingetretenes,
negatives Ereignis aus: Wer in den Som-
merferien unvernünftigerweise nach Tahi-
ti geflogen statt mit dem Fahrrad nach
Boltenhagen geradelt ist, kann seine Kli-
mabilanz im Nachhinein kompensieren,
indem er CO 2 -Zertifikate kauft. Man kann
so auch alle seine früheren Flüge im Nach-
hinein klimatechnisch kompensieren.
So oder so: Am Ende muss das Konto
aaausgeglichen sein. Das Symbol der Klima-usgeglichen sein. Das Symbol der Klima-
moderne ist die schwarze Null, das der
Identitätspolitik ist eine weiße Wand. Die-
sen Monat entschied die Schulbehörde
von San Francisco, dreizehn Wandgemäl-
de in der George-Washington-Highschool
zu überdecken oder, besser noch, zerstö-
ren zu lassen. Während der Großen De-
pression hatte die Regierung den russi-
schen Emigranten und Kommunisten Vic-
tor Arnautoff damit beauftragt, das Leben
von George Washington in der nach dem
Gründervater benannten Schule auszu-
malen. Es ist ein wenig Agitprop und ein
wenig Diego Rivera, was man da auf Fotos
sieht, es gibt noch die gemalte Antwort
eines afroamerikanischen Künstlers in
derselben Schule. Auf den Bildern Arnau-
toffs sind ein toter amerikanischer Urein-
wohner und schwarze Sklaven abgebildet,
die Washingon besaß. Traumatisierend für
Nichtweiße, findet die Schulbehörde, die
WWWandbilder müssten verschwinden. andbilder müssten verschwinden.
AAArnautoff, kommentierte die Kunstkri-rnautoff, kommentierte die Kunstkri-
tikerin Roberta Smith in der „New York
Times“, „markierte die zugrunde liegen-
den Verbrechen des Landes, indem er das
Leben Washingtons kritisch betrachtete,
seinen Besitz von Sklaven und seine Un-
terstützung der völkermörderischen west-
lichen Expansion darstellte. Ziel war es,
ihn in einen Kontext zu stellen, in ein dich-

tes Panorama der Geschichte des Landes.“
Die Schulbehörde zeigte sich davon unbe-
eindruckt, sie ist überzeugt, ihre Schüler
vor dem Anblick schützen zu müssen, und
wwwill Hunderttausende Dollar in die Handill Hunderttausende Dollar in die Hand
nehmen, um Arnautoffs Werke zu ver-
nichten: „Es könnte Kunst sein, und es
kann rassistisch sein, es kann auch beides
sein“, sagte ein Mitglied des Organs dem
„San Francisco Chronicle“. „Es geht nicht
nur darum, sie aus dem Blick der Öffent-
lichkeit zu entfernen, es geht auch darum,
Unrecht wiedergutzumachen.“
„Righting a wrong“ ist die Formel des
Moments. Vor einem Ausschuss des US-
Repräsentantenhauses wurde im Juni die
Möglichkeit erörtert, Afroamerikaner für
das Unrecht der Sklaverei zu entschädi-
gen, die 1865 abgeschafft wurde. Bei einer
Fernsehdebatte der Demokraten am
Dienstag sprach die Kandidatin Marianne
Williamson bewusst nicht von Transfer-
zahlungen, sondern von „200 bis 500 Mil-
liarden Dollar Schulden“, die es zu beglei-
chen gelte. Die meisten demokratischen
Präsidentschaftskandidaten sind dafür,

Reparationen zu prüfen; ein von der
„New York Times“ zitierter Forscher hat
die 1865 den befreiten Sklaven als Ent-
schädigung versprochenen und nie zuge-
teilten vierzig Acres Land plus ein Maul-
tier auf heutigen Wert hochgerechnet. Er
kommt auf 2,6 Billionen Dollar.
Reparationen sind eindeutig im Trend.
Die Nachfahren des letzten deutschen
Kaisers fordern von der Bundesrepublik
und den Ländern Berlin und Brandenburg
1 ,2 Millionen Euro Entschädigung für das
Einziehen ihres Besitzes durch die DDR-
Regierung. Hinzu kommt ein Streit um
KKKunstwerke. Die deutschen Museen zit-unstwerke. Die deutschen Museen zit-
tern auch vor den umfänglichen Restitu-
tionen, die sie nach Vorstellung einiger
Historiker und Aktivisten an Afrika lei-
sten müssten. „Wie können es Museen
und Sammlungen rechtfertigen“, fragten
die beiden Kulturstaatsministerinnen
Monika Grütters und Michelle Müntefe-
ring in der „FAZ“, „Objekte aus kolonialen
Kontexten in ihren Sammlungen zu ha-

ren Seite“, die sich ausgerechnet im fikti-
ven Hawkins, Idaho, mit dem Leben der
normalen Leute kurzschließt. Das in der
Parallelwelt hausende Böse greift nach
den Bewohnern und saugt sie aus.
WWWo ständig der Reiz des Analogen be-o ständig der Reiz des Analogen be-
schworen wird und sogar die Akne der
Darsteller bewusst nicht digital wegretou-
chiert wurde, erscheint das Böse in
„Stranger Things“ in seiner digitalen Per-
fffektion als unverzeihlicher stilistischerektion als unverzeihlicher stilistischer
Bruch. Die Inkongruenz erklärt sich,
wenn man versteht, dass nur dieses „up-
side down“ nicht aus den Achtzigern
kommt, sondern aus der kannibalisti-
schen Gegenwart, die sich auf die Vergan-
genheit stürzt, um sie in eine Augsburger
Puppenkiste zu verwandeln. Die Puppen-
spieler sind wir. Wir saugen die Vergan-
genheit aus, weil wir uns keine Zukunft
mehr vorstellen können. Wo die Gegen-
wart die Versprechen auf Fortschrittlich-
keit nicht mehr einlöst, so die retroaktive
Logik, da kann nur noch die Vergangen-
heit zum Positiven verändert werden.
AAAber soll man seine momentane Fru-ber soll man seine momentane Fru-

stration absolut setzen und ein Wandge-
mälde von 1936 unwiederbringlich ver-
nichten, als Rache für das Unrecht eines
halben Jahrtausends? Die Geschichte
lehrt, dass das ein Fehler ist. Und von wel-
cher Annahme geht der Prinz von Preu-
ßen denn eigentlich aus, wenn er vor
einem Gericht der Bundesrepublik seine
Entschädigung einklagt? Nur wenn Stalin
den Krieg nicht gewonnen hätte, sondern
Hitler, dann gehörten den Hohenzollern
weiterhin all ihre Besitztümer in Bran-
denburg und möglicherweise auch Teile
RRRusslands und der Ukraine, mitsamtusslands und der Ukraine, mitsamt
einem Heer von Arbeitssklaven.
Vielleicht hieße diese Zeitung dann
nicht WELT AM SONNTAG, sondern
„Preußenbote“ und würde mit dem solar-
betriebenen Luftschiff „Eva Braun“ zu
den treuen Abonnenten nach Neupom-
mern in der Südsee gebracht. Aber das
wird sie nicht. Denn mit der Gegenwart
ist es wie mit der Erde: Wir haben nur die-
se eine. Machen wir etwas daraus!

Lassen sich die Fehler der Menschheitsgeschichte


im Nachhinein auslöschen? Das scheinen heute viele zu glauben.


Über den Retroaktivismus als letzte kulturelle Utopie


VONBORIS POFALLA

WAMS_DirWAMS_DirWAMS_Dir/WAMS/WAMS/WAMS/WAMS/WSBE-VP1/WSBE-VP1
04.08.1904.08.1904.08.19/1/1/1/1/Kul3/Kul3SMUELL11 5% 25% 50% 75% 95%

Abgezeichnet von:
Artdirector

Abgezeichnet von:
Textchef

Abgezeichnet von:
Chefredaktion

Abgezeichnet von:
Chef vom Dienst

51


04.08.194. AUGUST 2019WSBE-VP1


  • :----ZEIT:BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -ZEIT:-BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -ZEIT:-BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ---ZEIT:---BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: :BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: :BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: :BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: :BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: :BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: BELICHTERFREIGABE: BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: :BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: :BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: :BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: :BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: :BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: :BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: :BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: :BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE:
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4 .AUGUST2019 WELT AM SONNTAG NR.31 KULTUR 51


D


ie Weltgeschichte der Überbe-
völkerung nach Schneider
geht so: 1798 predigt Pfarrer
Malthus: „Kriegt weniger Kinder!“
1 800: Die erste Milliarde ist voll. 1930:
ZZZwei Milliarden Menschen. 1960 drei,wei Milliarden Menschen. 1960 drei,
1 975 vier, 1987 fünf, 1999 sechs. 2012 wa-
ren es sieben, 2020 werden es acht Mil-
liarden sein. „Wir sind“, schreibt Wolf
Schneider, „zu viele geworden für ei-
nen Planeten. Zu tüchtig, zu gierig sind
wir auch. Wir vermüllen, zertrampeln,
vergiften die Erde, als hätten wir noch
eine zweite als Reserve.“
WWWolf Schneider ist 94 Jahre alt undolf Schneider ist 94 Jahre alt und
hat vier eigene Kinder, zehn Enkel und
vier Urenkel. Mit Büchern zum richti-
gen Sprachgebrauch hat sich Schneider
einen Namen gemacht. Er war langjäh-
riger Leiter der Henri-Nannen-Schule,
WELT-Chefredakteur und vieles mehr.
Sein jetzt erschienenes Manifest
„Denkt endlich an die Enkel!“ (Ro-
wohlt Verlag, 72 Seiten, 8 Euro) klärt
uns über sein wahres Lebensthema auf:
„„„Wie geht es mit der Menschheit wei-Wie geht es mit der Menschheit wei-
ter?“ Schon zur dritten Menschenmilli-
arde, erfahren wir, warnte Schneider
vor der drohenden Überfüllung der Er-
de. 1966 erschien sein Leitartikel „Tod
dem Verbrennungsmotor“. Deswegen
ist Schneider auch für Greta Thunberg.
Er ist für den sofortigen Kohleausstieg,
die Verbannung der SUVs. Er sagt, was
es bräuchte, nur nicht wie. Und was es
wirklich bräuchte – mehr Empfängnis-
verhütung – sagt er so: „Sollte die ge-
samte Dritte Welt den Lebensstandard
und Lebensstil der Industrieländer er-
reichen, würde die Umweltbelastung
sich verzwölffachen.“
WWWas uns droht? „Krieg natürlich, deras uns droht? „Krieg natürlich, der
Endkampf um Essen, ums Trinken, um
Rohstoffe, um den letzten freien
Raum.“ Schneiders Sätze sind radikal-
gestanzt und kurz, oft Sentenzen: „Na-
türlich ist der Strom zu billig!“ Sein
Menschenbild ist mies. Aber es kennt
keinen Welthass, auch keinen Frem-
denhass. Nur Forderungen: „Handeln!
Sofort!“ Der Rest ist Raunen: „Wie lan-
ge kann das noch gutgehen?“
„Denkt endlich an die Enkel!“ gehört
zum Genre der großväterlichen Wutre-
de. Bevor die Alten verstummen, wol-
len sie die Nachwelt noch einmal wach-
rütteln. Michel Serres tat das neulich
mit seinem optimistischen Wutanfall
„„„Was genau war früher besser?“, Sté-Was genau war früher besser?“, Sté-
phane Hessel hat die Gattung 2010 er-
fffunden, als er mit „Empört euch!“ dasunden, als er mit „Empört euch!“ das
Begleitschreiben zur weltweiten Occu-
py-Bewegung lieferte und drei Millio-
nen Exemplare verkaufte. Davon darf
Schneider schon aus Ressourcengrün-
den nicht träumen. MARC REICHWEIN

Wir! Sind!


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