Frankfurter Allgemeine Zeitung - 04.08.2019

(Rick Simeone) #1

FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG, 4. AUGUST 2019, NR. 31 leben 13


E


ndevergangenen Jahres ka-
men die Tourismusbeauf-
tragten der Stadt Wien auf
einen neuen Werbeslogan. „Wien
sehen. Nicht #Wien.“ Der ist na-
türlich weniger zu verstehen als
Aufruf, bloß keine Wien-Bilder zu
posten, sondern sorgt erst mal für
mehr Aufmerksamkeit als das typi-
sche „Visit Vienna“. Auch „Don’t
#Vienna“ will der Generation Sel-
fie sagen: Kommt doch mal vor-
bei, wir sind nicht nur alt und Bie-
dermeier, wir verstehen euren
Easy-Jet-Set und Airbnb-Lifestyle.
Wenn ein Auto, ein Arbeitsverhält-
nis, eine Smartphone-Funktion
Generationen prägen, ist das für
die Industrie eine hübsche Gele-
genheit, der jungen Klientel zu be-
gegnen.
Auch Ikea fährt diese Strategie,
allerdings mit völlig anderem Er-
gebnis – einem Spiegel mit Spie-
gel-Ablage. Der erste Spiegel gibt
privates Feedback zum Look, die
Spiegel-Ablage ist für das Smart-
phone da – wer es darauf postiert,
kann freihändig Spiegel-Selfies
machen, für das soziale Feedback.

Smartphone-Spiegel, Ikea, 29,99 Euro


G


roßes Staunen gab es
vor elf Jahren, als
sich Brad Pitt und
Angelina Jolie monatelang in
Berlin aufhielten und das so-
gar gut fanden. Sie wohnten
draußen am Wannsee, be-
suchten aber gefühlt jedes
zweite namhafte Restaurant
in Mitte, mal zu zweit, mal
mit den zu jenem Zeitpunkt
vier Kindern. Die Dreharbei-
ten zu „Inglourious Bas-
terds“, diesem schon durch
die Besetzung deutsch-ameri-
kanischen Brückenschlag, hat-
ten den Clan hergebracht.
Deshalb war auch Quentin
Tarantinoin town. Er und
Pitt sind jetzt wieder da, zur
Premiere von „Once Upon a
Time in Hollywood“. Ob sie
über alte Berlin-Zeiten spre-
chen, die unweigerlich mit
Brangelina verknüpft sind,
ist fraglich; die Scheidung
läuft noch. Margot Robbie
und Leonardo DiCaprio
könnten für alternative Ge-
sprächsthemen sorgen.

BRAUCH’ ICH DAS? VON JENNIFER WIEBKING STEHT MIR DAS? VON JENNIFER WIEBKING


Tarantino und Schauspieler, Berlin, 1. August


Kann man diesen Tele-
fonzellen-Spiegel auch
verwenden, wenn man
älter als zwölf und
größer als 1,50 Meter
ist?Ja, dank der Haken.
Die sind zu bestücken
mit Kleinkram, der sonst
herumfliegen würde,
Ketten, Tücher, Mützen.
Die Handy-Ablage lässt
sich beliebig plazieren.

Foto dpa


Foto Hersteller


Frau Hoflacher, Sie leben in Inns-
bruck, in unmittelbarer Nähe zu den
Bergen. Kann man Ihre Rezepte auch
umsetzen, wenn man zum Beispiel in
Duisburg wohnt?
Die Pflanzen, die ich berücksichtige,
kommen überall vor, Birkenblätter etwa,
Beinwell oder Basilikum. Den kann man
sich auf der Fensterbank ziehen. Brenn-
nessel wächst auch in Duisburg im Park.
Mein Ziel ist es, den Leuten zu zeigen,
wie sie mit Mitteln, die sie häufig zu
Hause haben, die sie im Lebensmittelge-
schäft oder in der Natur bekommen,
Produkte zubereiten können.
Ist es Menschen, die gar keine Er-
fahrung mit Heilkräutern haben,
überhaupt zuzutrauen, in die Natur

zu gehen und dort Pflanzen für Haut-
pflegeprodukte zu pf lücken?
Ja, mit einigen wenigen Regeln, die
man berücksichtigen sollte, ist das mög-
lich. Anfänger können sich an Pflanzen
mit hohem Wiedererkennungswert hal-
ten, Löwenzahn, Gänseblümchen, La-
vendel. Und sammeln sollte man nur
auf sauberen Plätzen, nicht auf Hunde-
wiesen, überdüngten Feldern oder an
Straßenrändern. Man kann auch ohne
Pflanzen auskommen und ätherische
Öle verwenden, wenn man möchte.
Es braucht häufig nur Olivenöl und
Kokosfett, und dann kann man schon
loslegen.

Mal abgesehen davon, dass es Spaß
machen könnte, eigene Naturkosme-

tikprodukte zuzubereiten: Was ist
der große Vorteil gegenüber
industriell gefertigter Kosmetik?
Dass man es essen kann.

Hm...
Mit Naturkosmetik hat man den An-
spruch, nur Inhaltsstoffe zu berücksichti-
gen, die man auch essen kann. Es sind
keine synthetischen Duft- oder Aroma-
stoffe enthalten, keine Farbstoffe und
Weichmacher, kein Mikroplastik und
Aluminiumsalze. Um aus der Liste auf
den Verpackungen konventioneller Pro-
dukte schlau zu werden, braucht man
eine Lupe und einen Übersetzer.
Wie sieht es mit Naturkosmetik aus
der Drogerie oder dem Biomarkt aus?

Naturkosmetik, die man kaufen kann,
muss dem Anspruch Genüge tun, stan-
dardisiert zu sein; dazu gehört eine Halt-
barkeit von drei Jahren, sonst darf sie
nicht in den Handel gebracht werden.
Das ist nur mit Zusatzstoffen möglich,
obwohl die schon verträglicher sind als
jene in konventionellen Produkten.
Gerade deshalb ist umgekehrt die
Haltbarkeit bei Naturkosmetik einer
der großen Nachteile. Oft sind es ge-
öffnet nur Wochen bis wenige Mona-
te, denn es fehlen Parabene, Silikone
und synthetische Duftstoffe. Sie sa-
gen, die Produkte, die aus Ihren Re-
zepten entstehen, halten mindestens
sechs Monate. Wie geht das?
Es stimmt. Nicht jeder hat Lust oder
Gelegenheit, sich einmal in der Woche
sein Deo frisch anzurühren. Deshalb ha-
ben wir die Rezepte so konzipiert, dass
sie mindestens ein halbes Jahr halten,
manchmal auch drei Jahre. Es ist wich-
tig, auf Sauberkeit und Hygiene zu ach-
ten. Machen Sie lieber kleine Dosierun-
gen, die Sie schneller aufbrauchen und
die geschlossen lagern, denn sobald ein
Tiegel geöffnet ist, kommen Sauerstoff
und Keime hinzu. Es hilft auch, wenn
man Harze dazugibt. Harzsalbe ist drei
Jahre oder noch länger haltbar. Auch
ein Nebeneffekt der ätherischen Öle ist,
dass sie damit haltbarer sind.
Woran merkt man, dass die Produkte
übergegangen sind?
Zum Beispiel am Geruch, wenn es ran-
zig, stechend oder moderig riecht. Am
Aussehen, wenn sich Schlieren bilden
oder Schwarzschimmel oder Grünschim-
mel. Oder wenn es auseinanderbricht
oder unschön aussieht.
Inwiefern wirkt selbstgemachte Natur-
kosmetik denn überhaupt noch auf
einer Haut, die längst an Chemiekeu-
len gewöhnt ist?
Wenn die Haut durch Produkte mit Mi-
neralöl lange zugedeckt wurde und man
diese weglässt, kann es schon sein, dass
die Poren aufgehen und der Körper ent-
giftet. Das Hautbild kann sich so vor-
übergehend kurzfristig verschlechtern.
Diese Umgewöhnungsphase dauert
meistens drei bis vier Wochen.
Gibt es Menschen, vielleicht Allergi-
ker, die keine Naturkosmetik selbst
anrühren oder das erst mal mit einem
Dermatologen besprechen sollten?
Für Allergiker mit Neurodermitis,
Schuppenflechte und ganz schweren
Hautproblemen und auch für Säuglinge
muss man die Rezepte zum Teil anpas-
sen, man sollte zum Beispiel keine äthe-
rischen Öle dazugeben. Von Neuroder-
mitis Betroffene sollten auch keine Har-
ze oder Olivenöl auf die Haut geben,
und wer Probleme hat, sollte sich schon
noch mal mit dem Arzt besprechen.
Aber das ist ein bisschen so: Darf ich
Olivenöl essen, oder sollte ich das mit
meinem Internisten abklären?
Man sagt auch, dass man bei Pflege-
produkten nicht so häufig wechseln
sollte. Aber wenn ich mir Naturkos-
metik anrühre, passiert das ja schnell.
Ist das ein Problem?
In der Naturkosmetik würde ich den zu
häufigen Wechsel auf die ätherischen
Öle einschränken, man sollte das Sys-
tem nicht mit zu vielen Duftstoffen
überladen. In der konventionellen Kos-
metik hat man ohnehin eine Reizüber-
flutung für den Duftsinn. Insofern soll-
te man auch allzu viele verschiedene
ätherische Öle vermeiden. Es überfor-
dert die Haut.
Die Fragen stellte Jennifer Wiebking.
Barbara Hoflacher führt eine Schule für Heilpflanzen und
Aromakunde, ist Ernährungstrainerin, Heilpraktikerin und
Tiroler Bergwanderführerin. Ihr Rezeptbuch, „Du darfst
auf meine Haut: Naturkosmetik selber machen“, ist im
Löwenzahn Verlag erschienen; 176 Seiten, 19,90 Euro.

Die Looks der
Männer
Allesamt recht
casual, im Gegen-
satz zu Robbie im
langen Kleid.Un-
derdressedoderover-
dressedist trotzdem
keiner der vier. Es
ist ja nicht mehr
2008, und Kleider-
ordnungen sind
längst gelockert.

Hat das Teil einen
schönen schwedischen
Namen?Selbstverständ-
lich: „Möjlighet“. Einfach
zu verstehen: Möglichkeit.
Komplizierter allerdings,
Möjlighet beim Hashtag-
Setzen fehlerfrei zu tippen.
Kann man somit auch als
Beispiel für „Don’t #Ikea“
sehen.

Zutatenfür einen 50-ml-Gelspender
2 TL Ringelblumentinktur (oder Wundklee,
Wegerich, Vogelmiere, Lavendel)
1 gestrichener Espressolöffel Guarkernmehl
(entspricht 1/2 Teelöffel)
40 ml Lavendel- oder Pfefferminzhydrolat
2 TL Johanniskrautöl (oder Ringelblumenöl,
Wegerichöl)
Wer mag: 10 Tropfen ätherisches Lavendelöl fein

Zubereitung
Ringelblumentinktur in den Gelspender geben.
Guarkernmehl hinzufügen, umrühren und ein paar
Minuten quellen lassen. Mit dem Lavendel- oder
Pfefferminzhydrolat auffüllen und mit dem Milchauf-
schäumer verquirlen. Johanniskrautöl dazugeben
und weiter verquirlen. Zum Schluss das Lavendelöl
dazutropfen und nochmals umrühren. Den Gel-
pumper verschließen und eventuell verbliebene
Luft im Spender herauspumpen.

Zutatenfür 6 Lippenstifthülsen
10 g Kokosfett
10 g Bienenwachs oder 5 g Carnaubawachs
20 g Olivenöl oder Mazerat (z.B. Ringelblume,
Wundklee, Rotklee)
Wer mag: 4 Tropfen ätherische Öle
Wer mag: 4 Tropfen Sanddornfruchtfleischöl

Zubereitung
Kokosfett, Bienen- oder Carnaubawachs und das
Olivenöl oder Ölmazerat im Wasserbad schmelzen.
Sobald die Masse auf Handwärme abgekühlt ist,
die ätherischen Öle und das Sanddornfruchtfleisch-
öl dazutropfen. Solange die Masse noch warm ist,
in Lippenstifthülsen füllen und vor dem Verschlie-
ßen ganz auskühlen lassen.

Zutatenfür ein 30-ml-Glas
3 TL Sheabutter
1-2 Espressolöffel Backnatron (entspricht
1/2-1 Teelöffel)
1-2 Espressolöffel Zinkoxid (entspricht
1/2-1 Teelöffel)
6 Tropfen ätherisches Lavendelöl fein

Zubereitung
Die zimmerwarme Sheabutter mit den restlichen
Zutaten gut vermengen. Am besten füllt man gleich
alle Zutaten in ein 30-ml-Gläschen, dann spart
man sich das Umfüllen.

Brad Pitts Haare
Erfreuen sich seit
der Trennung von
Angelina Jolie des
Wachstums.

Ist so ein Spiegel für die Gene-
ration Selfie jetzt vonnöten?
Ikea setzt sogar noch früher an.
In der Produktbeschreibung on-
line steht, man habe Kinder ge-
fragt, was sie in ihrem Zimmer
haben wollen würden. Kinder!

AFTER-SUN-GEL


LIPPENBALSAM


DEO-PASTE


Die Sonnenbrillen
Es mag Sommer und, auf der Dach-
terrasse des Soho House, hell sein.
Aber Robbie hält es für einen Mo-
ment doch auch ohne aus.

„Olivenöl, Kokosfett,


und man kann loslegen“


Naturkosmetik ist beliebt. Aber um zu wissen, was wirklich


darin enthalten ist, müsste man sie sich schon selbst backen. Geht das?


Eine Expertin für Heilpflanzen gibt Auskunft.


D


afür, dass die Herzogin von
Sussex aktuell im Mutter-
schutz ist, gab es allein im
Juli eine Menge Aufhebens. Da war
die Taufe des Sohnes, von der das
Paar die Öffentlichkeit ungewöhn-
lich streng ausschloss. Da war der
Auftritt in Wimbledon, zu dem sie
in Jeans kam und bei dem sie nur ih-
rer Freundin Serena Williams zu-
guckte statt auch dem Briten Andy
Murray. Und dann erschien in die-
sen letzten Julitagen die September-
ausgabe der britischen „Vogue“, aus-
nahmsweise mit zwei Chefredakteu-
ren, mit Edward Enninful wie üb-
lich – und der Herzogin von Sussex
als „Guest Editor“.
Die giftigen Stücke des Boule-
vards ließen nicht lange auf sich war-
ten: „Warum Meghan Markles links-
gerichtete ‚Vogue‘-Ausgabe zeigt,
dass sie sich so wie Kate Middleton
aus der Politik raushalten muss“
(„Sun“). „Me-Me-Meghan“ („Daily
Mail“). Die Abgeordnete der Brexit-
Partei im Europaparlament Ann
Widdecombe wetterte: „Mitglieder
des Königshauses müssen sich nicht
nur aus der Politik raushalten, sie
müssen auch so gesehen werden.“
Prinz Charles war im vergange-
nen Jahr Ko-Chefredakteur von
„Country Life“, der Leser bekam ei-
nen Eindruck von seinen Gütern
und Gärten. Störte niemanden. Meg-
hans „Vogue“ ist jetzt anders. Kern
der Auseinandersetzung sind die 15
Frauen auf dem Cover – Greta
Thunberg zum Beispiel und die
Schriftstellerin Chimamanda Ngozi
Adichie („We Should All Be Femi-
nists“) – persönlich ausgewählt von
der Herzogin und im Heft gefeiert
als „forces for change“. Frauen, die
zweifelsohne mit wichtigen Fragen
befasst sind, die dafür viel Aufmerk-
samkeit erfahren. Ist es also der Job
der Herzogin, diese Frauen zu be-
stärken, oder sollte sie lieber in
Brennpunktvierteln und Kranken-
häusern Umarmungen verteilen?
Ihr eigenes Profil wird sie wohl
mehr schärfen, indem sie, wie eben-
falls jetzt bekannt wurde, mit drei
britischen Filialisten eine philanthro-
pische Modekollektion lanciert.
Oder mit den Promi-Aktivistinnen
auf dem Cover der „Vogue“. Das
überließ sie ihnen. Sich selbst habe
sie da nicht gesehen. „Zu prahle-


risch.“ Als wäre sie nicht eh Stamm-
gast auf Titelseiten.
Mehr erwarten die meisten Bri-
ten von ihren Royals, die sie nicht ge-
wählt haben und trotzdem mitfinan-
zieren, ja gar nicht. Nett lächeln.
Nähe zeigen. Gute Bilder liefern.
Dinge tun, die eine Gesellschaft ver-
einen, statt sie womöglich weiter zu
spalten. Doch die Grabenkämpfe,
mit denen dieses Land unter dem
Eindruck des Brexits schon genug
zu tun hat – hier die Weltoffenen,
Entspannten, dort die von Zukunfts-
ängsten und dem Verlust ihrer natio-
nalen Identität Besessenen – werden
auch zunehmend an ihrer Personalie
entlanggeführt. Die Herzogin eint
die Briten nicht. Sie denkt größer,
weil globaler, erreicht mit der
„Vogue“ aber recht wenig.
Man betrachtet schöne Schwarz-
weißaufnahmen von den 15 Frauen,
die mehr zu sagen hätten, als State-
ments wiederzugeben. Man liest,
wie Michelle Obama ihre Mutter-
schaft erlebt und dass Prinz Harry
„maximal zwei Kinder“ möchte. Ab-
gesehen von ihrer weltverbessern-
den Agenda, mit der sie die Debatte
um ihre Person noch mal schön be-
feuert, erfährt man über die Herzo-
gin nicht viel. Im Heft steht auch
ein Gedicht, „A Note From the
Beach“ von Matt Haig. Es geht um
den weiten Strand und die kleinen
Menschen. Immer wieder ist die
Rede vom Körper. Zum Beispiel: „I
am entirely indifferent to your body
mass index. I am not impressed that
your abdominal muscles are visible
to the naked eye.“ Eines ihrer Lieb-
lingsgedichte, steht daneben. Man
schaut sich die Bilder der Herzogin
an und kann ihr das nicht so recht
abnehmen. jwi.


Robbies Kleid
Ist von der Designerin Rosie
Assoulin und setzt sich nicht
nur farblich ab, siehe „Die
Looks der Männer“.

Birkenblätter und Basilikum: Barbara Hoflacher bedient sich an dem, was in der Natur wächst – oder im Topf am Fenster. Fotos Nadja Hudovernik


Meghans


„Vogue“


Als die Herzogin mal


Chefredakteurinwar.


Editorial and royal. Foto Reuters


Quentin Tarantino
Brad Pitt

Margot Robbie
und Leonardo
DiCaprio
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