Frankfurter Allgemeine Zeitung - 04.08.2019

(Rick Simeone) #1

4 politik FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG, 4. AUGUST 2019, NR. 31


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MIMPRESSUM


SPDmeint’s ernst
PolitikZu „SPD“ von Frank Per-
gande (28. Juli):
Wer die Auswahlverfahren für
die künftige Führung der SPD
nur für ein taktisches Manöver
hält, verkennt, dass die SPD es
ernst meint. Sie will noch mehr
Transparenz bei der Findung der
Person oder des weiblich-männli-
chen Duos für die Führungsspit-
ze herstellen und vor allem die
SPD-Basis einbinden. Es ist kei-
ne Frage, dass der Persönlich-
keitsaspekt in den Wahlen eine
immer größere Rolle spielt.
Nichtsdestoweniger kommt die
SPD nicht um eine Klarstellung
ihres primären gesellschaftspoliti-
schen Kurszieles herum. Wofür
steht die SPD in erster Linie?
Sigurd Schmidt,Bad Homburg

Schwein aushalten
PolitikZu „Schwein oder nicht“
von Friederike Haupt (28. Juli):
Natürlich kann von einem
Schweinefleischverbot keine

Rede sein, wenn die Kinder ein
Schweineschnitzel von zu Hause
mitbringen dürfen. Dennoch
wird mit der Streichung vom
Speiseplan ein fatales Zeichen ge-
setzt. Muslimen gilt Schweine-
fleisch als unrein und ekelig. Kin-
der, die dies lernen, sehen
schnell andere Kinder, die
Schweinefleisch essen, ebenfalls
als unrein an. So viel Toleranz
muss möglich sein, dass man von
Kindern in einer multinationalen
Gesellschaft verlangt, den Ge-
nuss dieses Fleisches bei deut-
schen Kindern hinzunehmen.
Niemand wird ja gezwungen, es
selbst zu essen, und niemand
wird geschädigt wie durch Rauch
oder Lärm.
Michael Schröder,Hannover

Täter werden Opfer
LebenZu „Vorsicht am Becken-
rand“ von Paula Lochte und Lucia
Schmidt (28. Juli):
Es ist eine gute und mutige Idee
der FAS, bei aktuellen und stritti-
gen Themen hinauszugehen, um

sich vor Ort einen Eindruck zu
verschaffen. Aber die Gewaltan-
wendung im Schwimmbad damit
zu entschuldigen, es liege „an ei-
ner Kultur, in der das Leben stär-
ker draußen stattfindet“, klingt
doch sehr läppisch. Die Anfüh-
rung von „Diskriminierung, gerin-
gere Teilhabe- und Bildungschan-
cen“ macht in einem Nebensatz
aus Tätern Opfer. Gerne heißt es,
die Gewalt sei nur gefühlt. Das
empfinde ich als verharmlosend
und zynisch gegenüber denen, die
Schläge, Tritte und Messerstiche
tatsächlich fühlen müssen.
Martin Glauert,Kassel

N


eulich hat Katharina Fege-
bank einen Ballon steigen
lassen. Da eröffnete gerade
der „Sommer des Wissens“


  • ein Fest auf dem Hamburger Rathaus-
    platz, bei dem Kinder erfahren können,
    wie ein Laser funktioniert oder was Pla-
    neten sind. Katharina Fegebank, die
    Wissenschaftssenatorin, stand auf der
    Bühne. Lächelnd ertrug sie den Mode-
    rator, der sie als unglaubliche Frau vor-
    stellte, die eigentlich jeder kennen müs-
    se, und der von den Grünen sprach, die
    ja happy sein müssten mit ihren guten
    Umfragewerten. Dann kam der Ballon.
    Es war ein riesiger Wetterballon, und
    Fegebank hielt ihn zusammen mit dem
    Präsidenten der Hamburger Universität
    so lange, bis alle Fotografen ihr Foto ge-
    macht hatten. Dann ließen sie los, und
    der Ballon stieg in den grauen Hambur-
    ger Himmel. Immer höher, bis er dann
    platzt, hatte ein Wissenschaftler auf der
    Bühne erklärt.
    Bei Ballons weiß man, wann Schluss
    ist: In 20 bis 25 Kilometern Höhe knallt
    es. Beim Höhenflug der Grünen weiß
    man das nicht. Schon gar nicht in Ham-
    burg, wo manche Katharina Fegebank
    schon als Erste Bürgermeisterin sehen.
    Überall steigen die Grünen in neue Hö-
    hen, und in Hamburg sogar noch ein
    bisschen höher als anderswo. Bei der Eu-
    ropawahl haben sie hier mit 31 Prozent
    das beste Ergebnis aller Landesverbände
    geholt. Bei der Bezirkswahl am selben
    Tag lief es genauso gut. In vier von sie-
    ben Bezirken konnten sie die SPD über-
    holen, mit der sie im Rathaus gemein-
    sam regieren. Seitdem wabert die Frage
    durch Hamburg, wie hoch sie noch flie-
    gen können – und was passiert, wenn Fe-
    gebank die Stadt führt. Sie wäre die ers-
    te grüne Bürgermeisterin und über-
    haupt die erste Frau in diesem Amt.
    Eine grün-liberale Pragmatikerin. Gut
    sieben Monate sind es noch bis zur
    Wahl im Februar 2020.
    Am Tag nachdem der Wetterballon ge-
    platzt ist, sitzt sie in ihrem Büro im Rat-
    haus. In dem Imponierbau mit seinen be-
    deutungsschweren historischen Räumen
    und den langen Reihen früherer Bürger-
    meister in Öl hat sie ihr unspektakuläres
    Zimmer karg eingerichtet. Es ist ihr
    Büro als Zweite Bürgermeisterin, ihre
    Wissenschaftsbehörde liegt ein paar Kilo-
    meter weiter im Norden. Fegebank er-
    zählt, dass sie sich Gedanken macht. Sie
    sagt, sie habe nach all den Robert-Ha-
    beck-Titelbättern der letzten Zeit noch
    einmal nachgeschaut, wie es damals war,
    nach Fukushima. Da gab es genauso vie-
    le Titel mit Jürgen Trittin, die Umfragen
    waren gut. Dann aber kam der Fall, und
    er dauerte lange. Noch im Bundestags-
    wahlkampf 2017 hat sie gehört, die Grü-
    nen sollten froh sein, wenn sie es über-
    haupt wieder ins Parlament schafften.
    „Das lässt einen schon nachdenken, war-
    um es damals so rapide bergabging“.
    Und dann fallen Fegebank eine Men-
    ge Gründe ein, warum es diesmal nicht
    wieder so sein werde. Sie zählt auf: Das
    Thema Klimaschutz, das gekommen sei,
    um zu bleiben; die klare Haltung der
    Grünen gegen Nationalisten und Rassis-


ten; die Spitze der Bundespartei mit ih-
ren frischen Gesichtern; die schlechte Po-
litik der großen Koalition in Berlin –
und dann natürlich all das, was die Grü-
nen in Hamburg geleistet hätten. Nach
der Europawahl hat sie gesagt, dass die
Grünen die neue Hamburg-Partei seien.
Eine Stichelei gegen die SPD. Aber es
formulierte auch einen Anspruch.
Fegebank kennt noch die Zeiten, als
die Grünen so etwas nicht einmal im
Scherz hätten behaupten können. Mit ih-
ren 42 Jahren, aufgewachsen als Lehrers-
tochter im Hamburger Speckgürtel,
mischt sie in der Partei schon lange mit.
Im Bund mögen die Grünen zwar viel-
leicht „frische Gesichter“ an der Spitze
haben. In Hamburg aber sind die meis-
ten wichtigen Figuren schon lange im
Spiel – und vorneweg Katharina Fege-
bank, die stets lächelnde Spitzenkandida-
tin. In ihrem Büro sitzt sie gut gelaunt in
einem schreiend roten Kleid. Sie erzählt
klar und ohne Umschweife über ihren
Weg, über ihre Partei. Nur eine kurze Ir-
ritation gibt es, als der Fotograf neben-
bei ein paar Bücher in ihrem Regal ins
Visier nimmt. Ein Blick zu ihrem Spre-
cher: Was steht da eigentlich rum? Dann
lacht sie darüber hinweg.
Ihr rasanter Aufstieg begann 2004.
Die Grünen hießen in Hamburg da
noch Grüne Alternative Liste, die Partei
war überschaubar. Fegebank half der da-
maligen Landesvorsitzenden Anja
Hajduk beim Bundestagwahlkampf 2005.
Hajduk förderte sie, und bald saß sie als
Beisitzerin im Landesvorstand. 2008 ent-
schlossen sich die Grünen zur Koalition
mit der CDU unter Ole von Beust, das
erste schwarz-grüne Bündnis in Deutsch-
land. Hajduk wurde Senatorin. Sie gab
den Landesvorsitz ab, und zu ihrer Nach-
folgerin hatte sie Fegebank erkoren. Heu-
te sagt Hajduk, ihre Nachfolgerin zeich-
ne sich vor allem durch „eine besondere
kommunikative Gabe“ aus. Ihr gelinge
es, Menschen zu überzeugen, indem sie
ihnen zuhöre und ihre Argumente auf-
nehme. Aber auch jemand anderes aus
dieser Zeit spricht in höchsten Tönen
von Fegebank: Ole von Beust erzählt, er
habe sie als extrem herzlich und zugäng-
lich empfunden. Stets habe sie antizi-
piert, was die Gesprächspartner denken.
„Sie ist nicht wie eine Dampfwalze aufge-
treten.“ Alle loben Fegebanks freundli-
che Offenheit, aber nicht alle meinen das
nur nett. Sie weiß jedenfalls ihre Art ein-
zusetzen – und manchmal treibt sie es
recht weit. Als sie Ende vergangenen Jah-
res Mutter von Zwillingen wurde, ver-
folgte die Lokalpresse das intensiv. Zur
Weihnachtszeit gab es ein Interview
über Schlafmangel und Mutterglück mit
gemeinsamem Foto im Rathaus. Von
Beust jedenfalls sagt: „Politik muss ja
nicht heißen, mit runtergezogenem
Mundwinkel Akten hin und herzutra-
gen.“ Und: „Ich war damals schon beein-
druckt, dass sie ihre Aufgabe mit so viel
Souveränität erledigt hat.“
Trotzdem hätte es damals schnell vor-
bei sein können für Fegebank. Die
schwarz-grüne Koalition endete im De-
saster, 2011 schafften es die Grünen nicht
wieder in die Regierung. Olaf Scholz ge-

wann mit der SPD die absolute Mehr-
heit. Die Grünen waren unzufrieden, aus-
gelaugt. Fegebank sagt, sie habe damals
ihre Rolle hinterfragt.
Andere taten es auch. Auf einem Par-
teitag wurde die Führung kritisiert. Fege-
bank blieb trotzdem, und vier Jahre spä-
ter, 2015, brachte sie ihre Partei im Duo
mit dem heutigen Umweltsenator Jens
Kerstan wieder in die Regierung, als Ju-
niorpartner der SPD. Es war kein reines
Vergnügen. Olaf Scholz bezeichnete die
Grünen als „Anbau“ und handelte da-
nach. Über den Koalitionsvertrag gab es
viel Genörgel in der Partei. Fegebank ver-
teidigte ihn und setzte sich durch.
Ihre heutiger Rolle als Wissenschafts-
senatorin ist das, was sie sich immer ge-
wünscht hat. Sie nimmt viele Termine
wahr, es gibt viele Fotos, wenn große Pro-
jekte vorgestellt werden oder nur ein Bal-
lon aufsteigt. Forschung, Innovation, das
sind die Themen, die sie mag. Nach
vorn, Aufbruch. Als sie vor einigen Wo-
chen in Schweden war, hat sie nicht nur
die Grünen dort besucht, sondern auch
die Zentrumspartei, so etwas wie liberale

Grüne. Die haben es ihr angetan. „Ich
mag diesen sehr positiven nach vorne ge-
richteten Spirit, diese ,can do‘-Mentali-
tät“, sagt sie in ihrem Rathausbüro. Die
Zentrumspartei stehe wie die Grünen
für eine CO2-Abgabe und das Verbot
von Mikroplastik. Sie betone vor allem
aber auch: „Ohne technische Innovatio-
nen, Unternehmergeist und marktwirt-
schaftliche Anreize kann grüne Politik
nicht funktionieren.“ Die Schweden sä-
hen „Nachhaltigkeit und sozialen Libera-
lismus“ zusammen. „Dieser Ansatz ist
mir sehr nahe.“ 2016 hatte Fegebank ih-
rer Partei geraten: „Mehr Kretschmann
wagen!“ Gute Politik zeige sich „an der
praktischen Tat, nicht am ideologischen
Bekenntnis.“
So versucht sie es auch in Hamburg
zu halten. Die Partei hat sich mit der Elb-
vertiefung abgefunden, den Hafen will
man zwar grüner machen, aber man fin-
det ihn trotzdem wichtig. „Wir küm-
mern uns um alle Themen“, sagt Fege-
bank. „Wir wollen nicht ausweichen.“
Als die Grünen Anfang des Jahres be-
schlossen, Hamburg bis 2050 zur „klima-

neutralen Stadt“ zu machen, war nicht
von Verboten die Rede, sondern von An-
reizen und Potentialen. „Wir Grüne sind
für innovationsgetriebenen Klima-
schutz“ steht in einem Strategiepapier
vom Februar. Das würde die SPD wohl
auch von sich behaupten.
Für Fegebank lief vieles gut im neuen
Amt. Aus der Wissenschaft kamen aner-
kennende Äußerungen, und dass die Uni-
versität Hamburg jetzt Exzellenzstatus
bekommen hat, ist ein kleiner Triumph.
Unannehmlichkeiten blieben trotzdem
nicht aus. Nicht immer wirkte sie souve-
rän. Fegebank warb für die Hamburger
Olympiabewerbung für 2024, die von den
Hamburgern dann per Volksentscheid
krachend abgelehnt wurde, und als 2017
der G-20-Gipfel in die Stadt kam, fan-
den die Grünen zwischen Unterstützung
und Kritik zu keiner einheitlichen Hal-
tung. Die Partei litt. Zu jeder Äußerung
von damals muss man sich einen gequäl-
ten Gesichtsausdruck vorstellen. Das
galt auch für Fegebank. „Wir haben ein-
gestanden, dass wir Fehler gemacht ha-
ben und dass man auch Fehler machen

kann“, sagt sie heute. „Das ist ein ganz
wichtiger Punkt.“
Dann kam der Umschwung. Puzzletei-
le fügten sich. Für die grüne Bundespar-
tei lief es immer besser, für die SPD
schlechter. Die Klimadebatte kam auf.
Scholz ging nach Berlin und mit ihm die
Erzählung vom „grünen Anbau“ der Ko-
alition. Sein Nachfolger Peter Tschent-
scher tritt weniger breitbeinig auf, die
Grünen sind vernehmbarer geworden.
Weil die direkte Demokratie in Ham-
burg viel ausgeprägter ist als anderswo,
sind außerdem immer wieder Themen
auf die Agenda der Koalition gekom-
men, die den Grünen in die Hände spiel-
ten. Den Ausstieg aus der Kohle oder
der Rückkauf der Fernwärmenetze. All
diese Teile ergaben das Bild einer Partei
im Höhenflug. Bei den Europa- und Be-
zirkswahlen waren die Grünen plötzlich
nicht mehr nur dort stark, wo die Altbau-
ten eng beieinander stehen, sondern sie
legten auch dort zu, wo die Einfamilien-
häuser stehen, wo Hamburg ausfranst
und man nicht mehr so entspannt mit
dem Fahrrad in die Stadt kommt.
Wenn man jetzt auf die Hamburger
Grünen schaut, scheint es vor allem dar-
um zu gehen, nicht abzuheben. Und kei-
ne Fehler zu machen. Die wichtigsten
Köpfe, mächtige Egos darunter, haben
zusammengefunden, den Führungsan-
spruch von Fegebank anerkannt. In klei-
ner Runde stimmen sie sich ab, Misstö-
ne dringen nicht mehr nach außen.
Wenn man Fegebank fragt, wie das ge-
lungen ist, sagt sie lachend: „It’s magic“.
Und dann, wieder ernst: „Hätten wir
nicht zusammengefunden, hätte die
SPD uns als kleinen Koalitionspartner
plattgemacht.“ Es sei gelungen, Unter-
schiedlichkeiten zu ertragen, Stärken an-
zuerkennen und Schwächen auszuglei-
chen. „Und der Wille zum Erfolg hält
natürlich immer zusammen.“ Hajduk
sagt dazu: „Die anderen mussten sich fra-
gen: Können wir das leisten, was Katha-
rina nach außen kann. Da ist die Ant-
wort ganz deutlich.“ So wurde Fegebank
für die kommende Hamburg-Wahl zur
alleinigen Spitzenkandidatin gewählt –
mit mehr als 90 Prozent.
Bürgermeisterkandidatin nennt sie
sich nicht. Man wollte es nicht übertrei-
ben. In der Koalition gibt es keine wirk-
lich dramatischen Streitthemen, der
Stadt geht es gut, und in bestimmten Ab-
stufungen wollen alle die Umwelt schüt-
zen, mehr Wohnungen bauen und mehr
Fahrräder in die Stadt bekommen. Klei-
ne Nickligkeiten gibt es trotzdem. Lärm-
schutz, Klimaplan. Aus der SPD wird
die Frage aufgeworfen, wer eigentlich
für welche Erfolge der Koalition verant-
wortlich ist. Wer umsetzen und durchset-
zen kann.
Koalitionsaussagen für die kommende
Wahl gibt es noch nicht. Die CDU hat
sich mit Marcus Weinberg einen Spitzen-
kandidaten ausgesucht, der gut mit den
Grünen kann. Sie ist aber so schwach,
dass es kaum für Grün-Schwarz reichen
dürfte. In den Umfragen zur Bürger-
schaftswahl führt die SPD immer noch
trotz starker Verluste, Tschentscher be-
kommt persönlich viel Zustimmung: in
einer Umfrage im Mai sprachen sich 34
Prozent der Befragten für ihn als Bürger-
meister aus, nur 16 für Fegebank. Ein-
mal, da war Scholz schon gegangen und
Tschentscher noch nicht gewählt, war Fe-
gebank immerhin für zwei Wochen das
Oberhaupt der Stadt. Sie hatte sichtlich
Spaß dabei. Bei einem Pressefest machte
sie nicht nur über ihre eigene Partei Wit-
ze, sondern auch über die Genossen im
Rathaus, die sich in ihren Zimmern ein-
schlössen, die Telefonkabel zögen und so
versuchten, den kurzen Rest ihrer Herr-
schaft zu überstehen. Heute sagt Fege-
bank, in diesen zwei Wochen seien ihr
die Leute anders begegnet. Bei manchen
habe die Phantasie Flügel bekommen: so
abwegig sei das doch gar nicht mit einer
Grünen an der Spitze. Und was hat sie
für sich damals gelernt? – „Passt schon.“

Foto Lucas Wahl


MLESERBRIEFE


AlleGrünen fliegen hoch – und in


Hamburg unter Katharina Fegebank


noch ein wenig höher. Die


könnte bald Bürgermeisterin werden.


Von Matthias Wyssuwa


Passt schon


Leserbriefredaktion
derFrankfurter Allgemeinen
Sonntagszeitung,
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