Der Spiegel - 03.08.2019

(Nora) #1

100


Kultur


Mode

Zeitreise mit Seitenscheitel


Der Bildband »Fünf Finger Föhn Frisur« verwandelt Katalogfotos in Kulturgeschichte.

 Früher, als Friseure ihren Geschäften noch keine lustig
gemeinten Namen gaben, wurde auch der Haarschnitt selbst
ernster genommen. Man hatte nicht einfach eine Frisur, man
trug sie. Die entsprechenden Moden wechselten natürlich;
wer keine Ahnung hatte, was gefragt war, welche Stufen,
welche Wellen, wo der Scheitel, dem wurden im Salon oft
große, unhandliche Bücher in die Hand gedrückt, Kataloge
für toupierte Köpfe sozusagen. Diese Alben, die einst zum
Friseurbesuch dazugehörten, sind selbst ein wenig aus der
Mode gekommen. Doch jetzt können sie von einem neuen
Publikum wiederentdeckt werden: Die Edition Patrick Frey

hat unter dem Titel »Fünf Finger Föhn Frisur« einen Bildband
mit besonderen Frisurenfotos zusammengestellt. Sie wur den
von den Siebzigerjahren bis Anfang der 2000er-Jahre von
dem Schweizer Fotografen Peter Gaechter aufgenommen, die
meisten für einen Zürcher Coiffeur. Die Fotos er mög lichen
eine kurze Zeitreise der eigenen Art: Eine von Gaechter
porträtierte Dame erinnert mit ihrer luftigen Haarpracht an
die Schauspielerin Farrah Fawcett aus der Fernsehserie »Drei
Engel für Charlie«, eine andere sieht aus wie die für ihre
Kurzhaarschnitte bekannte Lady Di. Ein guter Friseur konnte
aus jeder Kundin ein Double solcher Doubles machen. UK

Sind das Nazis?, ist nicht die Frage, die in dieser Zeit weiterführt. ‣S. 102

DER SPIEGEL Nr. 32 / 3. 8. 2019

GAECHTER+CLAHSEN, EDITION PATRICK FREY, 2019

FOTOS:
Gaechter-Aufnahmen von Frisurenmodellen aus den Jahren 2002, 1998, 2001, 1999

Kino


Totalschaden


 Gewalt gegen Kraftfahrzeuge ist so
etwas wie der Running Gag in Rainer
Kaufmanns Scheidungskomödie »Und
wer nimmt den Hund?«, in der die beiden
deutschen Starschauspieler Martina
Gedeck und Ulrich Tukur ein zerbröseln-
des Ehepaar verkörpern (Kinostart:



  1. August). Tukur ist ein unglaubwürdiger
    Hamburger Aquariumsdirektor und
    wegen seiner Affäre mit einer viel jünge-
    ren Mitarbeiterin (Lucie Heinze) auf dem
    Ehe-Absprung; Gedeck malmt als seine
    zaghaft an Malerei und bildender Kunst
    interessierte Gattin voller Wut mit ihren
    Kieferknochen. Damit die Trennung in
    aller Freundschaft abläuft, begeben sich


die beiden zu einer Entpaarungstherapeu-
tin (Angelika Thomas). Dem Regisseur
Kaufmann und seinem Drehbuchschrei-
ber Martin Rauhaus mag die Leichtigkeit
einer französischen Tragikomödie im
Stil von Mia Hansen-Løves »Alles was
kommt« vorgeschwebt haben, in der die
großartige Isabelle Huppert die Haupt -
rolle spielt. Doch statt souverän mit
Klischees zu jonglieren, reiht »Und wer
nimmt den Hund?« nur viele Flachwitze
aneinander, die sich um die Rücken-
schmerzen älterer Herren, spät aufflam-
mende Eifersucht und einen maladen
Haushund drehen. Gedeck und Tukur
sehen in dieser krampfig humorbemühten
Produktion, in der nicht mal die Szenen
der Autodemolierung Kinoformat haben,
leider sehr verloren aus. HÖB

BORIS LAEWN / MAJESTIC FILMVERLEIH
Gedeck, Tukur in »Und wer nimmt ...«
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