Der Spiegel - 03.08.2019

(Nora) #1
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KARSTEN THIELKER / DER SPIEGEL

Die Augenzeugin

»Mit 15 etwas planlos«


Um die Jugendarbeitslosigkeit zu reduzieren, strebt
Arbeitsagenturchef Detlef Scheele ein neues Konzept
für Schul- und Ausbildungsabbrecher an. Die jungen
Leute sollen intensiver beraten werden. Birgit Wolf,
46, arbeitet als Pädagogin in der Kompetenzagentur
des Berlin-Neuköllner Vereins Netzwerk Berufshilfe.

»Die meisten Jugendlichen, mit denen wir arbeiten,
finden keinen Ausbildungsplatz, weil sie keinen Schul -
abschluss ha ben. In der Industrie kommt es ab und zu vor,
dass Unquali fizierte eine Stelle bekommen – in Berlin-
Neukölln, wo wir in die Schulen gehen, ist diese Branche
nur schwach vertreten. Für eine Ausbildung zum Kfz-
Mechatroniker reicht es mittlerweile nicht einmal mehr
aus, dass man einen Hauptschulabschluss hat, der bei uns
in Berlin Berufsbildungsreife heißt. Das amerikanische
Märchen Vom-Teller wäscher-zum-Millionär funktioniert
zumindest in Deutschland nicht. Wir ermutigen die
Jugendlichen deswegen, Praktika zu machen oder einen
möglichst qualifizierten Schulabschluss anzustreben.
Wer die Schule schwänzt oder abbricht, ist nicht un -
bedingt faul. Oft ist das Leben der Jungen oder Mädchen
plötzlich ausdem Takt geraten wegen Problemen in
der Familie oder im Freundeskreis, aber auch wegen
Drogenkonsum oder Schulden. Was wir sehen – nämlich,
dass der Jugendliche nicht mehr zur Schule geht –, ist
oft nur Symptom eines größeren Problems. Unsere pro -
fessionelle Distanz hilft uns zu erkennen, was dann der
richtige Weg sein könnte. Zu mir kamen schon Eltern,
die wollten, dass ihr Kind jetzt Abitur macht, dabei hatte
es gerade die Schule geschmissen. Bei Elternsprechtagen
sind wir deshalb vor Ort und bieten Hilfe an.
Man muss das Alter berücksichtigen. Mit 15 Jahren ist eine
gewisse Planlosigkeit ganz normal. Viele kommen zu mir
und meinen, sie hätten keine Talente oder Ziele. Oft sind
sie dann noch etwas still, doch je häufiger wir uns treffen,
desto selbstbewusster und fokussierter werden sie. Ein ech-
tesErfolgserlebnis war für mich eine junge Schülerin, die
die Schule abgebrochen hatte und arbeitslos war. Unsere
Be ratung half ihr, erst die Berufsbildungsreife und dann
sogar den Mittleren Schulabschluss nachzuholen. Wir trai-
nierten für Bewerbungsgespräche, und sie bekam tatsächlich
in der Gastronomie einen Ausbildungsplatz. Das hat mich
stolz gemacht.« Aufgezeichnet von Anna-Lena Jaensch

Der Spieler


Der britische Schüler
Jaden Ashman, 15, ist seit
vergangenem Samstag Mil-
lionär: Beim Fortnite World
Cup wurde er Zweiter im
Teamwettbewerb, gemein-
sam mit seinem 21-jährigen
Spielpartner aus den Nieder-
landen. Die beiden teilen
sich das Preisgeld von 2,25
Millionen Dollar. »Ich bin
gut im Töten, mein Partner
ist das Gehirn, eine gute
Kombination«,
sagte Jaden der
»Times«. Bei dem
beliebten Online -
videospiel geht es
ums Überleben:
Jeder Spieler ver -
teidigt sich mit
Waffengewalt, wer


übrig bleibt, hat gewonnen.
Viele seiner Kollegen, fast
alle Teenager wie er, bekom-
men daheim privaten Schul-
unterricht, damit sie ihre
Trainingsstunden am Com-
puter und ihr Lernpensum
unter einen Hut bringen
können. Jaden sagte dem
»Telegraph«, dass er bis zu
den Abschlussprüfungen im
nächsten Jahr auf jeden Fall
an seiner Schule in Essex
bleiben wolle. Zwischen-
durch habe er durchaus mal
die Nase voll von
»Fortnite«, sagte er
der »Times«. Dann
entspanne er gern
mit Freunden –
beim Videogame
»Minecraft«, bei
dem es weitgehend
friedlich zugeht. KS

Wie sie’s macht ...


Herzogin Meghan, 37,
Gattin von Prinz Harry,
steht auch wegen Kleinigkei-
ten in der Kritik. Jetzt hat
sie mehr als eine Kleinigkeit
geleistet, und wieder ist es
nicht recht. Die ehemalige
amerikanische Schauspiele-
rin gestaltete als Gast-Chef-
redakteurin die September-
ausgabe der britischen
»Vogue«, sie zeichnet sowohl
für die Covergestaltung als
auch für Inhalte verantwort-
lich. Für Royalisten ein
Grund zu murren: Eine Her-
zogin dürfe sich genauso
wenig wie die Queen poli-
tisch positionieren. Aber
schon das Titelbild will eine
politische Botschaft trans -


portieren: Veränderung sei
notwendig, und Frauen seien
dafür wichtige, treibende
Kräfte. Weibliche Persön -
lichkeiten, die die »Kraft des
Wandels« innehaben sollen,
werden abgebildet, darunter
Greta Thunberg. Ein Bild
der erklärten Feministin
Meghan ist nicht dabei. An -
dere Mitglieder der könig -
lichen Familie ließen sich als
dekorative »Vogue«-Cover-
Girls engagieren: Lady Dia-
na zum ersten Mal im Jahr
1981, Herzogin Kate 2016.
Meghans Konzept, nach
dem Frauen das Sagen ha -
ben sollen, hat sie nicht ganz
durchgehalten: Die Titel -
fotos stammen von dem
74-jährigen deutschen Foto-
grafen Peter Lindbergh.KS

@SUSSEXROYAL


PHIL PENMAN / DDP IMAGES
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