Der Spiegel - 03.08.2019

(Nora) #1
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schäftsstelle und anderen Landesverbän-
den. Die brauchen sie auch.
Die Grünen wissen, dass sie einen selbst-
bewussten Wahlkampf führen müssen, der
zeigt, dass sie sich die Führung im Land
zutrauen. Denn gerade in den ländlichen
Regionen befindet sich die Partei erst im
Aufbau. »Wir sind noch immer eine struk-
turschwache Partei«, sagt Nonnemacher.
Die Grünen haben in Brandenburg der-
zeit knapp 1800 Mitglieder. In vielen Re-
gionen gab es bis vor Kurzem gar keinen
Ortsverband. In manchen Landesteilen sei
es schwer gewesen, sagt Nonnemacher,
»dass überhaupt mal drei Leute zusam-
menkamen, um die herum sich etwas ent-
wickeln konnte«.
Doch zuletzt hat sich viel getan. Bei der
Kommunalwahl in diesem Jahr holten die
Grünen landesweit gut elf Prozent und leg-
ten damit um fast fünf Prozentpunkte zu.
In rund 40 Städten und Gemeinden in
Brandenburg sitze zum ersten Mal ein grü-
ner Kommunalpolitiker im Parlament, ju-
belte die Partei.
Der Erfolg weckt Begehrlichkeiten.
Nonnemacher, Chefin von sechs Abgeord-
neten im Landtag, denkt darüber nach, in
welcher Liga die Grünen künftig spielen
werden. Und mit wem. Denn klar ist: An-
ders als im Bund, wo seit Jahren Politiker
von SPD, Linken und Grünen Gemein-
samkeiten ausloten, kann in Brandenburg
von einem lange vorbereiteten Projekt
Rot-Rot-Grün keine Rede sein. »Das wäre
Zufall«, sagt ein Genosse der Linken.
Grüne und Linke eint vor allem ihre
Wut auf die Sozialdemokraten. »Die
glauben, ihnen gehört das Land«, sagt
einer.
Inzwischen wird nicht ausgeschlossen,
dass die Grünen nach der Wahl den Mi-
nisterpräsidenten stellen. Dabei könnte
es womöglich eine Frau ganz nach oben
katapultieren, die aus Brandenburg
kommt und in letzter Zeit einen steilen
Aufstieg hingelegt hat – Annalena Baer-
bock, die grüne Bundesvorsitzende.
Für sie könnte es attraktiv sein, die erste
grüne Ministerpräsidentin in einem ost-
deutschen Bundesland zu werden. Baer-
bock wurde 2008 in den Landesvorstand
der Brandenburger Grünen gewählt – als
sie noch in der außerparlamentarischen
Opposition waren. Eine Erfolgsgeschichte,
wenn ausgerechnet sie an der Spitze der
ersten grün geführten Regierung in Bran-
denburg stünde.
Allerdings: Eine Karriere auf Bundes-
ebene wäre ihr damit wohl vorerst verbaut.
Und ob Baerbock wirklich bereit wäre, auf
ein prestigeträchtiges Amt auf Bundes -
ebene zu verzichten, um Landesmutter zu
werden, ist unklar. Bisher will sie sich zu
den Spekulationen nicht äußern.
Kevin Hagen, Valerie Höhne

der Terrasse eines Cafés im Zentrum Pots-
dams. Benjamin Raschke ist ebenfalls ge-
kommen. Er ist 36 und im Tandem mit
Nonnemacher Spitzenkandidat der Grü-
nen. »Wir haben jahrelang darum ge-
kämpft, die Fünfprozenthürde zu kna-
cken«, sagt Raschke. An die neuen Zustän-
de müsse man sich erst gewöhnen.
Inzwischen liegt die Partei sogar auf
Augenhöhe mit SPD und Linken. Infratest
dimap sah die Grünen Anfang Juni bei
17 Prozent. Seitdem fragen sie sich, ob sie
einen Ministerpräsidentenkandidaten auf-
stellen müssen. »Jeden Tag«, sagt Raschke.
Es soll ein Witz sein, aber natürlich neh-
men sie diese Frage ernst. »Wir werden ja
ständig danach gefragt«, fügt er hinzu.
Die Partei will angreifen. Insgesamt wol-
len die Grünen in Brandenburg 12 500 klei-
ne Plakate aufhängen, dazu kommen
240 Großflächenplakate. Für die Land-
tagswahl haben sie personell aufgestockt,
sie bekommen Hilfe aus der Bundesge-


Sonntagsfrage
»Welche Partei würden Sie wählen, wenn am
kommenden Sonntag Landtagswahl wäre?«


Infratest dimap vom 3. bis 6. Juni; 1000 Befragte*


Brandenburg
nächste Wahl
am 1. September 2019

17


23,0

21%


12,2

55
1,5

14


18,6

18


31,9

17


6,2
AfD SPD CDU Grüne Linke FDP

Infratest dimap vom 24. bis 29. Juli; 1001 Befragte*


Thüringen
nächste Wahl

(^24) am 27. Oktober 2019
33,5
11
12,4
55
2,5
8
5,7
25
28,2
21
10,6
Linke AfD CDU Grüne SPD FDP
Schwankungsbreite zwischen 1,4 und 3,1 Prozentpunkten
26
AfD
9,7
15
Linke
18,9
55
FDP
3,8
9
SPD
12,4
26
CDU
39,4
12
Grüne
5,7
Sachsen
nächste Wahl
am 1. September 2019
Infratest dimap vom 24. bis 29. Juni; 1000 Befragte

Ergebnis der Land-
tagswahl 2014

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