Der Spiegel - 03.08.2019

(Nora) #1

M


anchmal ist Markus Söder selbst
für die eigenen Leute zu schnell.
Am Dienstag twitterte die CSU-
Landesgruppe im Bundestag: »Wir setzen
für die Mehrheit der Bürger in Deutsch-
land lieber auf Anreize und Innovationen
statt auf Verbote und Ausschluss von Teil-
habe.« Am selben Tag ließ der bayerische
Ministerpräsident in seinem Kabinett eine
Bundesratsinitiative verabschieden, Plas-
tiktüten bundesweit zu verbieten.
Die Berliner Abgeordneten hatten nicht
mitbekommen, dass bestimmte Verbote in-
zwischen für die CSU in Ordnung sind.
Man kann es ihnen nicht vorwerfen. Seit-
dem Söder im April entschieden hat, sich
die Forderungen des Volksbegehrens »Ret-
tet die Bienen« zu eigen zu machen, lan-
ciert er in immer kürzeren Abständen
Ideen zum Klima- und Umweltschutz, da-
runter allein in den vergangenen Wochen:
ein Vorziehen des Kohleausstiegs, die Ein-
führung eines Zertifikatesystems für den
Verkehr, die Senkung der Mehrwertsteuer
auf Bahntickets, die Förderungalternativer


  • Bei den Bayreuther Festspielen mit Markus Söders
    Ehefrau Karin Baumüller-Söder.


Kraftstoffe und die Aufnahme des Klima-
schutzes als Staatsziel ins Grundgesetz.
Söder hat aus den Wahlerfolgen der
Grünen gelernt. Er will die CSU zur Klima -
partei machen und die Schwesterpartei
vor sich hertreiben. Ob Ersteres gelingt,
ist offen. Der zweite Teil des Plans funk-
tioniert ganz gut.
Von CDU-Chefin Annegret Kramp-Kar-
renbauer, die sich eigentlich selbst mit dem
Thema profilieren wollte, ist wenig zu hö-
ren. Auch scheint ihre Autorität begrenzt
zu sein: Als Ende April im Bundesvor-
stand ein im Auftrag von Kramp-Karren-
bauer entwickeltes Konzept zum Klima-
schutz vorgestellt wurde, das Vorschläge
für eine CO
²
-Steuer enthielt, fiel der Wi-
derstand des Wirtschaftsflügels so massiv
aus, dass die Parteichefin beidrehen muss-
te: »Dann nehmen wir die CO
²
-Steuer aus
dem Papier raus«, hieß es. Heute hat sie
genug damit zu tun, sich in ihr neues Amt
als Verteidigungsministerin einzuarbeiten.
Dass Kramp-Karrenbauer den CSU-
Umweltexperten Georg Nüßlein zu einem
der beiden Leiter einer Kommission beru-
fen hat, die CDU-Vorschläge für den Kli-
maschutz erarbeiten soll, war kein kluger
Schachzug. Eigentlich wollte die CDU-
Chefin die Schwesterpartei frühzeitig ein-
binden, um Streit zu vermeiden. Dort
nahm man das unerwartete Angebot gern
an. Jetzt kann Söder die CDU-Politik von
außen und von innen steuern.
Ein zentrales Ziel hat der CSU-Chef
schon erreicht: Eine CO
²
-Steuer wird im
Unionskonzept aller Voraussicht nach
nicht auftauchen. Das hat Nüßlein bereits
angekündigt. Auch Söder hat sich öffent-
lich dagegen ausgesprochen. Daran wird
Kramp-Karrenbauer nicht vorbeikommen.
Von der CDU-Spitze ist zu diesem Thema
in jüngster Zeit nur noch wenig zu hören.

Dabei gibt es in der Partei durchaus
Sympathien für eine solche Steuer. »Es
ist zu früh, um jetzt schon etwas auszu-
schließen«, sagt die CDU-Bundestagsab-
geordnete Elisabeth Winkelmeier-Becker.
Sie gehört zu den 16 Parlamentariern der
Union, die ein Klimakonzept unter dem
Schlagwort »Grüne Null« erarbeitet ha-
ben. Darin ist ein differenziertes Modell
einer CO
²
-Abgabe enthalten.
Stattdessen läuft die CDU-Position auf
eine Zertifikatelösung hinaus, bei der der
CO
²
-Ausstoß über Emissionsrechte gere-
gelt werden soll. Es ist ein kompliziertes
Verfahren, das nicht kurzfristig umsetzbar
ist. »Wir müssen schnell die richtigen An-
reize setzen«, sagt Winkelmeier-Becker.
»Wir haben keine Zeit zu verlieren.«
Während die CDU mit sich ringt, muss
Söder in der CSU für seinen Kurs keine
Gegenwehr befürchten – eher sieht er
sich veranlasst, mögliche Konkurrenten
zu bremsen. CSU-Landesgruppenchef
Alexander Dobrindt beispielsweise, der
bislang in der Klimapolitik eher unauf -
fällig agierte, versuchte Söder jüngst mit
eigenen Vorschlägen zu übertreffen, etwa
mit einer höheren Steuerbelastung für die
in Bayern beliebten SUV. »CSU will Öko-
Umbau der Auto-Steuer«, titelte der
»Münchner Merkur« zu Dobrindts Plänen.
So geht es in der CSU natürlich nicht.
Was die Partei will, bestimmt immer noch
Söder persönlich. In einem Telefonat wur-
de Dobrindt deutlich gemacht, dass nicht
mit dem Vorsitzenden abgestimmte Vor-
schläge wenig Realisierungschancen ha-
ben. »Der weiß jetzt: Das kommt nicht«,
sagt ein ranghoher CSU-Politiker.
Nur vereinzelt gibt es parteiintern Kritik
am klimapolitischen Feuerwerk aus Mün-
chen. »Ich habe die Befürchtung, dass der
Zeitgeist uns zu Aktionismus verführt«,
sagt der CSU-Wirtschaftspolitiker Hans
Michelbach. »Wir brauchen ein Gesamt-
konzept. Es bringt nichts, immer neue Ein-
zelmaßnahmen ins Spiel zu bringen.«
Söder lassen solche Mahnungen kalt.
Er ist schon einen Schritt weiter. Auf einer
Klausurtagung Anfang September soll
der CSU-Vorstand ein eigenes Klima -
konzept beschließen. Zwar wird es ein
Konzept sein, dem die Schwesterpartei
ohne größere Probleme zustimmen kann.
Doch Söder hätte abermals gezeigt, wer
vorangeht.
In einem Punkt kann er schon einen
Erfolg verbuchen. Hessens Ministerpräsi-
dent Volker Bouffier (CDU) unterstützt
seinen Vorschlag, den Klimaschutz als
Staatsziel ins Grundgesetz aufzunehmen
(siehe Seite 36). Ein solcher Grundgesetz-
passus suggeriert Aktivität und kostet
nichts. Auf dieser Basis haben sich CDU
und CSU noch immer schnell einigen kön-
nen.Ralf Neukirch

42

Vorwärts


immer


CSU Parteichef Markus Söder
lanciert ständig neue
Vorschläge zum Klimaschutz.
Für die CDU-Spitze
ist das keine gute Nachricht.

FRANCESCO GULOTTA / ACTION PRESS

Unionspolitiker Söder, Merkel*: Verführung zum Aktionismus
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