Der Spiegel - 03.08.2019

(Nora) #1
Energie

Umweltminister bald


Lobbyist?


 Der niedersächsische Umweltminis-
ter Olaf Lies (SPD) steht vor einem
heiklen Sprung in die Energiebranche.
Er soll Hauptgeschäftsführer ihrer wohl
wichtigsten Lobbyorganisation werden,
des Bundesverbands der Energie- und
Wasserwirtschaft (BDEW). In dem
Verband sind die Größen der Branche
organisiert, unter anderem RWE und
E.on. Lies verantwortet derzeit die
Energiepolitik seines Bundeslands. Das
Präsidium des BDEW will in Kürze
über die Nachfolge von Geschäftsfüh-
rer Stefan Kapferer (FDP) entscheiden.
Offensichtlich soll Lies ohne Karenz-
zeit in seinen neuen Job wechseln, der
mit einem Jahreseinkommen von rund
einer halben Million Euro vergütet sein
dürfte. Die niedersächsische Gesetzes-
lage sieht Übergangszeiten für Minister
nicht zwingend vor, sondern lediglich
eine freiwillige Abklingphase. Der BDEW
wollte keine Stellung nehmen. GT

EZB

Wirtschaftsweiser sieht


Lagarde-Berufung kritisch


 Der Wirtschaftsweise Volker Wieland
kritisiert, dass mit Christine Lagarde als
neuer EZB-Chefin schon wieder eine
Juristin ins Direktorium der Notenbank
einrückt. Das sechsköpfige Gremium

bestehe nun zur Hälfte aus Juristen. Künf-
tig müssten »unbedingt wieder vermehrt
Ökonominnen und Ökonomen mit einem
wissenschaftlichen Hintergrund und
Notenbankerfahrung berufen werden«,
sagte er dem SPIEGEL.Es reiche nicht,
wenn die EZB in ihren Fachabteilungen
eine große Zahl exzellenter Experten
beschäftige. Sie benötige auch Direkto -
riumsmitglieder, die die Analysen ihres

Stabs mindestens so gut verstehen wie
dieser oder besser. Geldpolitik basiere auf
wissenschaftlicher, methodisch anspruchs-
voller Analyse. »Es geht doch auch jeder
davon aus, dass die Richter am Bundes-
verfassungsgericht Juristen sind«, sagte
Wieland. Der Professor für Monetäre
Ökonomie ist seit 2013 Mitglied im Sach-
verständigenrat zur Begutachtung der
gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. REI

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Siemens

Arbeitnehmervertreter


pochen auf Frauenquote


 Nach der Ankündigung des Abgangs
von Siemens-Personalchefin Janina
Kugel verlangen Belegschaftsvertreter
eine hochkarätige Nachbesetzung der
Position. Anlass sind Spekulationen, Vor-
standsmitglied Cedrik Neike könne den
Job mit übernehmen, um das Gremium
zu verkleinern. »Es kann nicht angehen,
dass der Posten der Arbeitsdirektorin als
Manövriermasse behandelt und einem
der verbliebenen männlichen Vorstands-
mitglieder als Zusatzaufgabe zugeschla-
gen wird. Dafür ist er zu wichtig«, sagt
Jürgen Kerner, Finanzchef der IG Metall
und Siemens-Aufsichtsrat. Die Selbstver-
pflichtung des Konzerns, mindestens 25
Prozent der Vorstandsposten mit Frauen
zu besetzen, müsse eingehalten werden.
Anders als Kugel könne ihre Nachfolge-
rin neben der Personalverantwortung
zusätzlich auch eine operative Aufgabe
übernehmen. »Über den Zuschnitt des
Ressorts können wir reden und gemein-

sam mit dem Vorstand entscheiden«, so
Kerner. Er selbst und Betriebsratschefin
Birgit Steinborn – sie ist stellvertretende
Aufsichtsratschefin – wollen mit Kugel
noch vor ihrem Abgang Ende Januar den
geplanten Abbau mehrerer Tausend
Jobs in der Energiesparte und im Bereich
Digitale Fabrik regeln. »Sie führt solche
Verhandlungen einfach besonders sensi-
bel und konstruktiv«, sagt Kerner. DID

DER SPIEGEL Nr. 32 / 3. 8. 2019

Endlich ist es so weit. Vier Jahre nach der Aufdeckung des
Dieselskandals in den USA werden nun auch die Männer zur
Rechenschaft gezogen, die das Desaster bei VW und Audi
zu verantworten haben: Ex-VW-Chef Martin Winterkorn und
Ex-Audi-Chef Rupert Stadler. Doch es sind nicht die Unterneh-
men, die die Verfehlungen ihrer Topmanager rigoros aufklärten,
Schadensersatz von ihnen forderten oder ihre millionenschwe-
ren Pensionen einfroren. Nein, es brauchte erst Staatsanwälte
in Braunschweig und München, die sich akribisch in den Diesel -
betrug einarbeiteten. Sie haben Hunderte Zeugen befragt und
unzählige Dokumente gesichtet. Und sie sind dabei zu der Über-
zeugung gelangt, dass die von VW gern verbreitete Lesart, einige
wenige Techniker seien allein für den Skandal verantwortlich,
nichts anderes ist als eine Mär. Ohne Wissen und Unterstützung
der Chefetage, heißt es sinngemäß in ihren Anklagen, wäre der


Betrug an Millionen Autokunden nicht möglich gewesen. Winter-
korn und Stadler müssen ihre bisherigen Unschuldsbeteuerun-
gen deshalb wohl bald vor einem Strafgericht untermauern. Das
ist gefährlich für sie und peinlich für VW. Denn während der
Konzern seine Topmanager ungeschoren lässt, geht er in Arbeits-
gerichtsprozessen hart gegen Techniker und Programmierer
vor. Mit Kündigungen und Schadensersatzforderungen werden
sie eingeschüchtert, offenbar um die Legende vom ahnungslosen
Chef nicht zu gefährden. Spätestens beim Strafprozess gegen
Stadler wird das kaum noch gelingen. Die Münchner Ermittler
haben sich eine besondere Konstellation einfallen lassen: Neben
dem Audi-Chef sitzen zwei ebenfalls beschuldigte Ingenieure
auf der Anklagebank. In Vernehmungen haben sie ausgesagt,
dass sie ihre Anweisungen von »ganz weit oben« bekamen.
Davon dürften sie im Prozess nicht abweichen. Frank Dohmen

Kommentar

Von »ganz weit oben«


Ermittler in Braunschweig und München nehmen sich die Autobosse zur Brust. Das wäre der Job von VW gewesen.

THOMAS DASHUBER / AGENTUR FOCUS

Kugel
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