Der Spiegel - 03.08.2019

(Nora) #1

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Die angelsächsischen Clowns


LeitartikelTrump und Johnson lassen sich nur von einem starken Europa stoppen.


D


er eine verglich die Ziele der EU mit jenen Hitlers.
Der andere bezeichnete Brüssel als »Höllenloch«.
Boris Johnson und Donald Trump haben aus ihrer
Verachtung für die Europäische Union nie einen
Hehl gemacht. Solange Johnson Zeitungskolumnist und
Trump Immobilienhändler war, konnte das den Europäern
egal sein. Inzwischen aber ist Johnson Premierminister
Großbritanniens, Trump US-Präsident. Zwei der ältesten
Demokratien der Welt werden von Populisten regiert.
Das allein ist für Europa schlimm genug. Doch es könnte
noch schlimmer kommen. Trump und Johnson schicken
sich an, in der Außenpolitik
gemeinsame Sache zu machen –
auf Kosten der EU.
Zwar ist Trump bei den meisten
Briten unbeliebt, eine allzu große
Nähe zu ihm wäre für Johnson ein
Risiko. Bei Gesellschafts- und Kli-
mafragen liegen beide Politiker
auseinander. Aber bislang deutet
wenig darauf hin, dass sie vor
einer Zusammenarbeit zurück-
schrecken. Trump will Europa
spalten. Er hat den Austritt Groß-
britanniens aus der EU stets befür-
wortet. Für Johnson ist Trump
eine Art Lebensversicherung. Soll-
te er das Land im Herbst ohne Ver-
trag aus der EU führen, wie er es
seit seinem Amtsantritt am 24. Juli
täglich androht, wäre seine Regie-
rung mehr denn je auf einen Han-
delsdeal mit den USA angewiesen.
Wie belastbar das transatlanti-
sche Verhältnis ist, dürfte sich im
Nahen Osten entscheiden – einer
der gefährlichsten Regionen der Welt. Unter Trumps Vor-
gänger Barack Obama haben die USA gemeinsam mit
Deutschland, Frankreich und Großbritannien einen Deal
mit Iran ausgehandelt, wonach dieser sein Nuklearpro-
gramm zurückfährt, wenn Sanktionen gegen ihn fallen. Seit-
dem Trump im vergangenen Jahr aus dem Abkommen aus-
gestiegen ist, eskaliert die Auseinandersetzung von Neuem.
London stand in diesem Konflikt bisher fest an der Seite
von Berlin und Paris. Ex-Regierungschefin Theresa May
verwahrte sich ausdrücklich gegen Trumps Strategie des
»maximalen Drucks«. Ihr Außenminister schlug stattdessen
eine europäische Schutzmission in der Straße von Hormus
vor, um Spannungen abzubauen. Mays Nachfolger Johnson
stellt sich dagegen an die Seite der USA, Großbritannien
will sich nun an einem US-geführten Einsatz beteiligen. Es
ist nicht einmal ausgeschlossen, dass sich London unter
Johnson gänzlich aus dem Nuklearabkommen zurückzieht.

Resteuropa könnte sich dann in einem ähnlichen Dilem-
ma befinden wie 2003 im Fall des Irak: Damals weigerten
sich Deutschland und Frankreich, sich dem von den USA
und Großbritannien angeführten Krieg gegen Diktator
Saddam Hussein anzuschließen. Diesmal könnte der Bruch
noch tiefer gehen. Denn Trump setzt die Europäer nicht
nur in einer politischen Frage unter Zugzwang, wie George
W. Bush es damals getan hat. Trump stellt die europäische
Integrität infrage.
Der Brexit wurde bislang vor allem als Gefahr für die
Wirtschaft wahrgenommen. In der Irankrise zeigt sich,
dass die sicherheitspolitischen
Folgen noch gravierender sein
könnten. Das britische Foreign
Office und der Auslandsgeheim-
dienst waren bislang Pfeiler der
europäischen Außen- und Sicher-
heitspolitik. Sollte sich ein Post-
Brexit-Großbritannien dauerhaft
von der EU ab- und den USA
unter Trump zuwenden, würde
dies Eu ropas Rolle in der Welt
schwächen.
In der EU hoffen manche,
dass sich das Problem von selbst
löse, wenn Johnson bei mög -
lichen Neuwahlen im Herbst und
Trump bei den Präsidentschafts-
wahlen 2020 abgewählt würden.
Doch das ist alles andere als
ausgemacht, in den USA etwa
geben die Demokraten im
Moment ein Bild ab, das wenig
optimistisch stimmt. Zudem
ist offen, ob Großbritannien und
die USA unter neuen Regie-
rungschefs tatsächlich zum Multilateralismus zurückkeh-
ren würden.
In jedem Fall ist Abwarten kein Ersatz für eine politische
Strategie. Die EU täte gut daran, ihr eigenes außenpoliti-
sches Profil zu schärfen. Egozentrikern wie Trump und
Johnson ist nicht beizukommen, indem man sie einbindet,
ihre Eskapaden herunterspielt. Gegen Populismus helfen
nur Haltung und Klarheit. Konkret bedeutet das, dass die
EU mit Johnson nicht über das Austrittsabkommen nach-
verhandeln und sich keinesfalls Trumps Iranpolitik
anschließen sollte. Stattdessen sollten sich die Europäer um
eine Schutzmission in der Straße von Hormus bemühen
und gleichzeitig nach diplomatischen Wegen suchen, das
Abkommen zu retten. Während des Irakkriegs 2003
gewann Europa an Statur, indem Frankreich und Deutsch-
land eng zusammenstanden. Es ist an der Zeit, dass beide
Staaten diese Allianz wiederbeleben. Maximilian Popp

TOLGA AKMEN / AFP
Anti-Brexit-Aktivisten in London

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DER SPIEGEL Nr. 32 / 3. 8. 2019
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