Der Spiegel - 03.08.2019

(Nora) #1

mission zum Schutz der Schifffahrt in der
Straße von Hormus anzuschließen. Das ist
der Versuch, den Rest Europas auf die ame-
rikanische Außenpolitik einzuschwören.
SPIEGEL:Was könnten die Europäer denn
tun, um das Abkommen zu erhalten?
Nasr:Es gibt verschiedene Optionen, die
sich alle im Rahmen des Nuklearabkom-
mens JCPOA bewegen. Die europäischen
Unterzeichnerstaaten Deutschland, Frank-
reich und Großbritannien könnten zum
Beispiel iranisches Öl kaufen. Oder sie
könnten Iran eine Kreditlinie gewähren,
die mit Öllieferungen bedient wird. Natür-
lich würde das Streit mit Washington pro-
vozieren. Aber weil es ein Geschäft zwi-
schen Regierungen wäre, müssten die USA
europäische Staaten mit Sanktionen be -
legen. Das ist nicht sehr wahrscheinlich.
SPIEGEL:Hat Trump eine Strategie im
Umgang mit Iran?
Nasr:Trumps Strategie ist, Leute mit
Druck an den Verhandlungstisch zu zwin-
gen, damit sie ihm dort geben, was er will.
Es scheint so, als hätte das in der Vergan-
genheit auch funktioniert, Trump denkt
das zumindest. Er hat die Mexikaner
drangsaliert, die Kanadier und die Euro-
päer, und früher oder später haben sie ihm
immer Zugeständnisse gemacht.
SPIEGEL:Mit Iran scheint das bisher nicht
zu klappen.
Nasr:Die Iraner trauen Trump nicht. Der
Präsident sagt, dass er verhandeln will, aber
seine maßgeblichen Sicherheitspolitiker
ziehen nicht mit. John Bolton, der nationale
Sicherheitsberater, und Außenminister
Mike Pompeo wollen keine Gespräche mit
Iran. Vor seiner Berufung in den Stab von
Donald Trump hat Bolton öffentlich erklärt,
dass er einen Regimesturz in Teheran wolle.
Die Iraner wissen: Selbst wenn sie sich auf
Trumps Vorschlag eines Gipfeltreffens ein-


ließen und Beschlüsse träfen – es ist die
Ebene darunter, die diese dann umsetzen
muss. Bolton und Pompeo aber wollen kein
neues Abkommen. Sie wollen die Spannun-
gen verschärfen und das Regime stürzen.
SPIEGEL: Viele sagen, hinter der Berufung
Boltons stand die Idee, sich einen Falken
ins Weiße Haus zu holen, der den Druck
erhöht und so Trump dabei hilft, das
Atomabkommen neu zu verhandeln.
Nasr: Selbst wenn Trump das beabsichtigt
haben sollte, war es keine gute Idee.
Trump will die Iraner davon überzeugen,
dass er ernsthaft an Gesprächen interes-
siert ist. Aber genau das untergräbt Bolton.

Nehmen Sie den Versuch Japans, zwischen
Iran und den USA zu vermitteln. Trump
und der japanische Premierminister Shin-
zo Abe haben viel Zeit mit dem Thema
verbracht. Trump hat Abe gebeten, nach
Teheran zu fliegen und einen Brief an die
iranische Führung zu übermitteln. Die Ira-
ner sahen das als positives Zeichen und
machten ihrerseits eine Geste, indem sie
vor der Ankunft Abes einen libanesischen
Gefangenen freiließen, der ein Aufent-
haltsrecht in den USA genießt.
SPIEGEL: Was ging schief?
Nasr: Unmittelbar vor der Landung Abes
erließen die USA neue Sanktionen gegen
die iranische Ölindustrie. Damit war der
Vermittlungsversuch gescheitert. Ich glau-

be, Bolton steckte dahinter. Es ist einfach
für einen gewieften Bürokraten wie ihn,
so etwas einzufädeln.
SPIEGEL: Warum haben die Iraner die US-
Drohne abgeschossen und nun auch noch
einen britischen Tanker festgesetzt? Wollen
sie einen Krieg mit den USA provozieren?
Nasr:Das glaube ich nicht. Ein Jahr lang
haben die Iraner jede Eskalation vermie-
den, und das obwohl die USA aus dem
Nuklearabkommen ausgestiegen sind und
den Druck immer weiter erhöht haben.
Die Iraner nannten das »strategische Ge-
duld«. Aber im Frühjahr gab es dann eine
neue Sank tionsrunde, und Trump sagte,
er werde die iranischen Ölexporte auf null
drücken. Außerdem erklärte die US-Re-
gierung die iranischen Revolutionswächter
offiziell zu einer Terrororganisation. Die
iranische Regierung kam zu dem Schluss,
dass die USA das Konzept der »strategi-
schen Geduld« als Schwäche interpretie-
ren, und sah gleichzeitig kein Risiko darin,
ihrerseits den Druck zu verschärfen. Selbst
die moderaten Stimmen in Iran sind über-
zeugt, dass nur eine Politik der Abschre-
ckung Trump davon abhalten wird, immer
weiter zu eskalieren. Die Botschaft ist klar:
Wir können die Krise verschärfen. Ihr
könnt uns mit Krieg drohen, aber der wird
auch für euch schmerzhaft sein. Wir sind
verrückter als ihr.
SPIEGEL: Wie steht die iranische Öffent-
lichkeit zum Nuklearabkommen?
Nasr:Zu Beginn hat es enorm positive Er-
wartungen geweckt. Für die meisten Iraner
ging es nicht um die Atomfrage und auch
nicht um wirtschaftliche Erleichterungen.
Sie sahen das Abkommen als ersten Schritt
hin zu einer Öffnung Irans. Jeder glaubte,
dass nun europäische Firmen ins Land
kommen würden und vielleicht bald auch
amerikanische. Die Botschaft moderater

DER SPIEGEL Nr. 32 / 3. 8. 2019 75


Irans Rohölexport
in Mio. Barrel pro Tag

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(^199020002010) Juni
2019*
EU verhängt
Ölembargo
US-Sanktionen
wieder eingeführt
2,2
0,3
Einigung im
Atomabkommen
Durchs Nadelöhr
Die Straße von Hormus und andere wichtige Schifffahrtsrouten des Ölhandels
Straße
von
Malakka
Suezkanal
Gibraltar
IRAK IRAN
KUWAIT
OMAN
SAUDI-
ARABIEN
CHINA
V.A.E.
20 Prozent der weltweiten
Öllieferungen gehen durch
die Straße von Hormus.
INDIEN



  • Schätzung; Quelle: Opec
    »Ein Jahr lang haben die
    Iraner jede Eskalation
    vermieden – sie nannten
    das ›strategische Geduld‹.«

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