Deutsch Perfekt - 10.2019

(Romina) #1
Fotos: Kathrin Koschitzki; Porzellan Manufaktur Nymphenburg

Deutsch perfekt 10 / 2019

Brennen, daran müssen die Mitarbeiter


denken.


In der Malerei riecht es nach Nelkenöl,

das zum Mischen der Farben gebraucht


wird. Es ist ruhig wie in einer Bibliothek.


Die meisten haben Kopfhörer in den


Ohren und hören Musik, während sie ar-


beiten. Seit 2016 ist die Nymphenburger


Porzellanmalerei Teil des Immateriellen


Kulturerbes der UNESCO. Wie das Re-


zept für die Porzellanmasse sind auch


die rund 15 000 Rezepte für die Farben


geheim. Nymphenburg hat ein eigenes


Farblabor, wo die Farben aus Tausenden


Pigmenten und Farboxiden hergestellt


werden. Von jeder Farbe gibt es viele ver-


schiedene Nuancen. So sind zum Beispiel


300 unterschiedliche Grüntöne möglich.


Und was ist, wenn man etwas falsch

malt? „Dann wische ich es einfach weg“,


sagt eine Porzellanmalerin, die mit einem


feinen Pinsel das Dekor „Cumberland“


auf einen Teller malt. Das Design mit


seinen Blumen und Schmetterlingen ist


eines der komplexesten der Welt. Bis zu


drei Wochen dauert es, bis ein Teller fer-


tig ist. Das Rokoko-Service war das erste


„Churfürstliche Hofservice“ der Manu-


faktur. Es wurde 1765 zu Ehren von Ma-


ximilian III. Joseph entwickelt.


Katharina Neumann malt im Moment

nicht auf Porzellan, sondern auf Papier.


Sie macht gerade den Entwurf für die


Decke der Showküche eines Hotels fer-


tig. 100 Teller mit Blumenmustern sollen


dort genau so hängen, dass ihre Kompo-


sition zu einem Bild wird. Nun muss der


Kunde entscheiden, ob ihm Neumanns


Entwurf gefällt. Bis alle Teller für die


Decke fertig sind, wird es sicher ein paar


Monate dauern.


Neumann ist die stellvertretende

Chefin der Malerei. Die 28-Jährige ist


seit zehn Jahren in Nymphenburg. Sie


hat hier ihre Ausbildung gemacht. Weil


sie einen Beruf machen wollte, in dem es


ums Zeichnen und Malen geht, bewarb


sie sich damals mit ein paar Zeichnungen.


Heute ist sie selbst für die Auszubilden-


den der Malerei verantwortlich. Auch hier


braucht man sehr viel Geduld. Bis man


die komplizierten Motive perfekt malen


kann, dauert es viele Jahre.


das N¡lkenöl, -e
, hier: ≈ Öl aus Nelken

(die N¡lke, -n
, hier: Gewürz aus der
getrockneten Blume eines
tropischen Baumes)

der K¶pfhörer, -
, Gerät mit zwei kleinen
Lautsprechern, das man am
Kopf trägt

das “mmaterielle Kultur-
erbe , menschliches
Wissen und Können, das
kulturell wichtig ist und das
man für die Menschen in
der Zukunft schützen soll

der Grünton, ¿e
, eine von mehreren
Varianten der Farbe Grün

w¡gwischen
, hier: ≈ wegmachen

der P“nsel, -
, Gegenstand mit Haaren
an einem Ende

der Schm¡tterling, -e
, ≈ schönes, buntes Insekt,
das fliegen kann

das Hofservice, -s franz.
, ≈ Geschirr, das man am
Hof benutzt

(der Hof, ¿e , hier: Ort,
an dem Aristokraten leben)

zu Ehren v¶n , hier: ≈
zum offiziellen Lob für

entw“ckeln
, hier: eine Idee für ein
Produkt haben und dieses
dann auch herstellen

der Entwurf, ¿e
, hier: Plan; Vorschlag

die D¡cke, -n
, hier: obere Seite von
einem Raum: Dort hängt
z. B. eine Lampe.

das Blumenmuster, -
, Motiv/Dekor mit
Blumen

st¡llvertretend
, hier: ≈ in zweiter Positi-
on nach dem Chef

Tradition und Zukunft

die Porzellanmanufaktur,
-en
, Firma, die Porzellan
herstellt

(das Porzellan
, hier: teures Geschirr
und andere Gegenstände
aus einer harten, weißen
Substanz)

das K¢nstwerk, -e
, Produkt eines Künstlers

die Edition, -en
, spezielle Version eines
Kunstwerks

der [nspruch, ¿e
, hier: Wunsch, wie etwas
sein soll

der B“ldhauer, -
, Künstler, der Skulpturen
macht

beitragen zu
, hier: ≈ helfen, dass sie ...
bekommt

weiterdenken
, hier: innovativ arbeiten
mit

sch„ffen
, hier: machen; designen

die Schale, -n
, ≈ flache Schüssel (s. Foto
unten)

60 NYMPHENBURGER PORZELLANMANUFAKTUR


Tradition und Zukunft


Die Porzellanmanufaktur Nym-
phen burg in München hat eine
lange Tradition. Aber die Mitarbei-
ter wissen, dass sie mit den Mög-
lichkeiten des Porzellans spielen
müssen, um auch in Zukunft inte-
ressant zu bleiben. Die Manufaktur
arbeitet deshalb immer wieder mit
bekannten Künstlern wie Dami-
en Hirst, Kiki Smith oder Carsten
Höller zusammen, die Kunstwerke
oder limitierte Editionen aus Por-
zellan machen möchten. Der Foto-
graf Nick Knight hat zum Beispiel
2014 eine Porzellanfigur des Mo-
dels Kate Moss designt – eine der
bis heute komplexesten Editionen
der Manufaktur.
Den künstlerischen Anspruch
gab es aber schon am Anfang, als
der Bildhauer Franz Anton Bustelli
1754 als Figurist an die Manufaktur
kam und mit seinen Rokoko-Figu-
ren sehr stark zu ihrem Erfolg bei-
trug. Berühmt sind zum Beispiel
seine 16 Charaktere der Commedia
dell’Arte. Nymphenburg: Für die Fa-
brik bedeutet das auch, dass Traditi-
on weitergedacht werden kann. So
lud die Manufaktur im Jahr 2007 16
international bekannte Modedesi-
gner wie zum Beispiel Vivienne
Westwood dazu ein, Bustellis Fi-
guren neue Kleidung zu geben.
Auch mit modernen Designern
arbeitet Nymphenburg zusam-
men. So hat die Argentinierin Ruth
Gurvich ein Service geschaffen, das
wie Papier aussieht. Der Münche-
ner Konstantin Grcic designte für
Nymphenburg moderne Porzellan-
löffel im für ihn typischen In-
dustriedesign. Die Nieder-
länderin Hella Jongerius
machte Schalen, in de-
nen Tierfiguren sitzen,
die sie in Nymphen-
burgs Formenarchiv
gefunden hat.
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