In Deutschland, Österreich und der Schweiz
(D-A-CH) leben 100 Millionen Menschen. An dieser
Stelle interviewen wir jedes Mal einen von ihnen.
76 Deutsch perfekt 10 / 2019
Foto: http://www.christian-ude.de
D-A- CH-MENSCHEN – EINER VON 100 MILLIONEN
Herr Ude, wie sind Sie von der Politik ins Ka-
barett gewechselt?
Ich bin ja schon während meiner kom-
pletten Amtszeit mit Musikgruppen
und Kabarettisten im Schlachthof aufge-
treten. Der bekannte Kabarettist Dieter
Hildebrandt hat einmal gesagt, dass ich
der einzige Kabarettist bin, der nebenbei
auch noch eine Großstadt regiert.
Nach dem Ende Ihrer Amtszeit haben Sie also
einfach mit dem Kabarett weitergemacht?
Ja, aber es war eigentlich nicht meine Idee.
Die Agentur München Musik, die größte
Künstleragentur Münchens, hat gesagt,
dass ich damit weitermachen sollte. Es
gab nämlich immer viele positive Reak-
tionen. Dann habe ich nicht Nein gesagt.
Ihre Show „Ude & Friends“ läuft nun schon
seit fünf Jahren.
Ich habe sie 15 Mal gemacht und jedes
Mal war sie ausverkauft. 15 000 Gäste ha-
ben sie schon gesehen. Die nächsten drei
Auftritte sind auch schon geplant.
Was ist der Inhalt Ihrer Show?
Es kommen immer verschiedene Kolle-
gen aus dem Kabarett, wie die legendäre
Luise Kinseher, wie Sissi Perlinger oder
der politisch aktive Christian Springer.
Oder Hans Klaffl, der wunderbar die
Schule auf den Arm nimmt. Und tolle
Musiker von der berühmten Familie Well
oder die Jazz-Legende Jenny Evans oder
Lisa Fitz. Ich selbst erzähle nur wahre Ge-
schichten aus meinem politischen Leben.
Was bringt das Publikum zum Lachen?
Sie finden es immer toll, wenn man sich
selbst auf den Arm nimmt. Sie lieben
Selbsironie und würden nicht kommen,
wenn dort nur Wahlkampf mit anderen
Mitteln gemacht werden würde. Ich er-
zähle Geschichten über Kuriositäten
des politischen Alltags: die langweiligen
Bürgerversammlungen oder die nervtö-
tende Qualität von Ortsvereinsversamm-
lungen. Die Leute finden es lustig, wenn
man die Politik nicht so ernst nimmt.
Muss man Münchener sein, um Ihre Sketche
zu mögen?
Nein. Kenntnisse über München stören
nicht, aber sie sind nicht wirklich nötig.
Mein anderes Programm „Der doppelte
Ude“ läuft auch in ganz Bayern.
Sind Sie aktuell noch politisch aktiv?
Parteipolitisch, nein. Aber ich leite den
Aufsichtsrat der Äthiopienhilfe von Karl
Heinz Böhm und einigen anderen Stif-
tungen. Außerdem schreibe ich Bücher
und halte Reden über Politik.
Fehlt Ihnen das Amt des Bürgermeisters?
Es hat natürlich geholfen, um Inspiration
und berühmte Gäste für meine Sketche
zu finden. Aber nein, das Amt fehlt mir
nicht. Ich habe es wirklich mit Enthusias-
mus gemacht. Aber jetzt genieße ich es,
freie Zeit in meinem Kalender zu haben.
21 Jahre lang waren Sie Oberbürgermeister
von München – was macht die Stadt Ihrer
Meinung nach besonders?
München ist nicht nur eine Metropole,
die eine immer anonymere Großstadt
wird. Sie ist eine Mixtur vieler dörflicher
Gemeinschaften. Obwohl München sehr
dicht bebaut ist, gibt es wunderbare Na-
turareale wie das Isartal oder den Engli-
schen Garten. Außerdem gibt es diese
Kombination von kulturell aktiver und
wirtschaftlich erfolgreicher Stadt nur
einmal. Interview: Guillaume Horst
der Oberbürgermeister, -
, Bürgermeister mit
höchster Position in einer
größeren deutschen Stadt,
in der es mehr als einen
Bürgermeister gibt
auftreten
, hier: auf der Bühne
stehen
die [mtszeit, -en
, Zeit, in der eine Person in
ihrem Amt bleibt
(das [mt, ¿er
, hier: politische Position)
der Kabarett“st, -en
, ≈ Schauspieler, der Politi-
ker und aktuelle Ereignisse
auf lustige Art kommentiert
und kritisiert
der Schl„chthof, ¿e
, hier: Veranstaltungs-
haus in München
nebenbei
, ≈ außerdem; hier:
neben dem Hauptberuf als
Kabarettist
die Agentur, -en
, Firma, die einen Service
für Privatpersonen oder
andere Firmen anbietet
laufen
, hier: gezeigt werden
ausverkauft
, hier: so, dass es keine
Eintrittskarten mehr gibt
auf den [rm nehmen
, m ≈ lachen über
der Wahlkampf, ¿e
, ≈ Kampf der Parteien um
das Ja der Wähler
das M“ttel, -
, hier: Methode
die B•rgerversammlung,
-en
, ≈ Treffen, bei dem die
Bürger einer Kommune
mit dem Bürgermeister
diskutieren können
n¡rvtötend
, so, dass man davon
ärgerlich und müde wird
n“cht so ¡rnst nehmen
, hier: ≈ auch lachen
können über
d¶ppelt
, hier: ≈ zweimal
der Aufsichtsrat, ¿e
, hier: Gruppe von
Personen, die in einer
Stiftung oder einem Verein
Entscheidungen kontrolliert
(die St“ftung, -en
, Organisation mit einer
speziellen Aufgabe)
einige
, ein paar; manche
eine Rede h„lten
, hier: vor Publikum
sprechen
genießen
, Freude haben an
die dœrfliche Gemein-
schaft, -en
, hier: ≈ Nachbarn, die
zusammenleben wie in
einem Dorf
d“cht bebaut
, mit vielen Gebäuden, die
eng zusammen stehen
erf¶lgreich
, mit Erfolg
„Ich erzähle nur wahre Geschichten“
21 Jahre lang war er Münchens Oberbürgermeister, heute wie
auch schon in seiner Zeit im Rathaus ist er Kabarettist: Mit
Kuriositäten aus dem politischen Alltag amüsiert Christian Ude
seine Zuschauer. Wie macht er das? MITTEL PLUS
Christian Ude (71) war ein
sozialdemokratischer Politiker. Von
1993 bis 2014 war er Münchens
Oberbürgermeister – so lange wie
kein anderer seit 1945. Seit er nicht
mehr politisch aktiv ist, kann sich
Ude auf seine humoristische Arbeit
konzentrieren: Mehrmals pro Jahr
tritt er in München mit seiner Show
„Ude & Friends“ auf.