Die Zeit - 01.08.2019

(Kiana) #1

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Nachdem ich im ersten Teil der Überwachungsserie eine Videoklin-
gel für die Haustür und im zweiten Teil eine 360-Grad-Kamera für
die Wohnung vorgestellt habe, kann ich bereits sehen, wer vor mei-
ner Haustür steht und was in meiner Wohnung passiert, auch wenn
ich nicht zu Hause bin. Mein Zuhause als Überwachungsstaat: eine
schreckliche Vorstellung. Im dritten und letzten Teil der Serie soll es
nun um einen smarten Rauchmelder von Net atmo gehen.
Ich konnte den Rauchmelder natürlich nicht wirklich testen, da ich
ja in meiner Wohnung nicht extra etwas anzünden kann für diesen
Text. Ich kann also nur theoretisch beschreiben, wie der Rauch-
melder in der Praxis funktionieren soll: Er alarmiert mich, sobald
sich bei mir zu Hause durch einen Brand Rauch entwickelt, und
zwar mithilfe einer App, die ich vorher auf meinem Smart phone
installieren muss. Der Rauchmelder sendet dann gleichzeitig mit
einem Alarm eine Echtzeitwarnung auf mein Handy. So kann ich
die Feuer wehr rufen, noch bevor Nachbarn den Qualm bemerken,
und dadurch möglicherweise einen größeren Brand verhindern.
Außerdem können Menschen, die noch in der Wohnung sind, von
mir gewarnt werden, sollten sie den Alarm, der mit 85 Dezibel
immerhin die Lautstärke eines Saxofons erreicht, überhören, weil
sie gerade Kopfhörer auf den Ohren haben.
Ich stelle mir vor, wie ich meiner Putzfrau eine SMS schreibe: »Es
brennt, bitte verlassen Sie sofort die Wohnung!« Ich will den Ernst
der Situation nicht herunterspielen, aber die Vorstellung birgt eine
gewisse Komik. Noch besser wäre meine Stimme aus dem Off, zu-
sätzlich zum Alarmton. Wenn ich es mir recht überlege: Vielleicht
tausche ich die Standard-Rauchmelder in meiner Wohnung aus und
installiere den smarten Rauchmelder dauerhaft.

Mirko Borsche testet Geräte,


die Wohnungen überwachen sollen – Teil 3


Foto

Masaki Okumura and M-Agency/Netatmo

Technische Daten
Durchmesser: 115 mm, Tiefe: 44 mm; Lebensdauer
Batterie: 10 Jahre; integrierte LED für Status-
informationen; kostenlose App für iOS 10 und Android 5.0;
Preis: 10 0 Euro, 3 Stück für 250 Euro

Stil Unter Strom

Von Tillmann Prüfer


Foto Peter Langer


Mirko Borsche, Creative Director des ZEITmagazins,
schreibt jede Woche die Kolumne »Unter Strom«

Der Hochsommer ist die Zeit, sich modisch für den Herbst und
Winter zu wappnen. Und dabei gehören Handschuhe natürlich un-
bedingt dazu. Die Handschuhe, die dem Mann aktuell für die käl-
tere Jahreszeit empfohlen werden, scheinen allerdings weniger dafür
gemacht, vor Kälte und Nässe zu schützen. Sie wirken vielmehr, als
könnten sie es erleichtern, einer Kuh beim Kalben zu helfen. Bei
Dior Homme etwa gehen die Handschuhe aus schwarzem Leder bis
über die Ellenbogen, und bei Michael Kors Collection bedecken sie
den gesamten Unterarm. Bei Balmain reichen die Herrenhandschu-
he ebenfalls bis zum Ellbogen und haben abgeschnittene Finger-
kuppen. Und Loewe hat einen Handschuh im Programm, mit dem
sich sogar der gesamte Arm verhüllen lässt.
Solche Handschuhe haben außerhalb der Veterinärmedizin wenig
praktischen Sinn. Aber sie erinnern uns daran, dass dieses Acces-
soire uns schon seit Jahrhunderten wertvolle Dienste leistet. Die
ersten Handschuhe wurden tatsächlich entworfen, um die Hände
vor Unbilden zu schützen: Menschen drangen damals in Klima-
zonen vor, in denen sie ihre Finger vor Erfrierungen bewahren
mussten, oder leisteten Arbeit, bei der die Hände verschlissen. So
waren Handschuhe schon bei den Ägyptern, Römern und Grie-
chen bekannt. Homer beschreibt in der Odyssee, dass Laertes, der
Vater von Odysseus, Gartenhandschuhe trägt, um sich vor Dis-
teln zu schützen. Und im 13. Jahrhundert erteilten Herrscher das
Marktrecht, indem sie dem Ort als Zeichen der Zustimmung und
des Schutzes ihren rechten Handschuh sandten. König Edward I.
von England ließ sich sogar in seinen Handschuhen begraben. Mit
den Jahrhunderten wurde der Handschuh also zum Symbol der
(männlichen) Macht.
Im 19. Jahrhundert wurde dem Handschuh wiederum eine neue
Bedeutung zugeordnet: Der wahre Gentlemen trug nun helle
Stoffhandschuhe und wechselte diese mehrmals am Tag. Auf die-
se Weise brachte er zum Ausdruck, dass er sich im Wortsinn die
Hände nicht schmutzig machte und stets mit blütenweißer Hand-
beschuhung aufwarten konnte. Ein Handschuh hat also neben der
praktischen oft auch eine symbolische Bedeutung. Er kann für Ar-
beit stehen oder für das Gegenteil.
Man kann nur darüber spekulieren, um welche Bedeutung es im
Fall der neuen Monster-Handschuhe geht. Soll womöglich die
durch die starke Frauenbewegung gequälte männliche Seele mit
neuer Maskulinität auftrumpfen? Das wiederum wird allerdings
auch schwierig, wenn der Mann künftig ewig braucht, um seine
Handschuhe anzuziehen.


Hand anlegen

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