Die Zeit - 01.08.2019

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  1. August 2019 DIE ZEIT No 32


T


ausende Jahre war sie die Herr-
scherin in den Wäldern unseres
Kontinents, der damals noch
keinen Namen hatte. Als sich
die gletscher nach der letzten
Eiszeit zurückzogen, rückte sie
langsam vom süden Europas
nach Norden vor. und wohin sie kam, setzte sie
sich durch: Die Rotbuche, Fagus sylvatica, formte
riesige Wälder, die sich über große teile Mittel-
europas erstreckten. Deutschland war einst zu
zwei Dritteln von ihnen bedeckt.
geblieben sind nur ein paar Reste, in
Deutschland haben fünf Flecken mit jeweils ein
paar tausend Hektar überlebt. Buchenurwälder
gibt es in zwölf Ländern, von einem kleinen Fitzel
in Belgien bis hin zu gebieten im Osten wie der
ukraine oder slowakei. Die größten alten Wald-
gebiete liegen in den Karpaten Rumäniens.
Ein schatz der Menschheit, ganz offiziell.
2011 ernannte die unesco die urtümlichen
Buchen wälder zum Weltnaturerbe: so wertvoll
und einmalig, dass sie allen Menschen gehören
und die staaten, die sich das Welterbe teilen, ge-
meinsam die Verantwortung tragen, den schatz
zu bewahren. Das gilt auch für Rumänien.
so weit die theorie. Die Realität lässt sich am
Fall der Nationalstraße DN 66A erzählen. sie ver-
bindet die Kohlestadt Petroșani im Westen des
Landes mit dem Kurort Herkulesbad (Băile Her-
culane). 138 Kilometer lang, das meiste davon ist
eine schmale, raue Asphaltpiste, für die Autos vier
stunden brauchen. Nur die ersten 66 Kilometer
wurden ausgebaut, zum teil schon in der sowjet-
Ära. Jetzt soll ein weite-
rer Abschnitt hinzukom-
men. Das geld dafür,
umgerechnet 60 Millio-
nen Euro, sei bereitge-
stellt, heißt es seitens der
rumänischen Regierung.
In Petroșani lohnt sich
der Kohleabbau längst
nicht mehr. Auch am an-
deren Ende der straße, in
Herkulesbad, das einst
von touristen lebte, war-
tet man auf bessere Zei-
ten. Beide Regionen sind
im Abschwung, die Re-
gierung will sie mit dem
straßenbau attraktiver
machen, vor allem für den
tourismus.
Für auswärtige Besu-
cher wäre aber gerade das attraktiv, was zwischen
den beiden Orten links und rechts der DN 66A
liegt: zwei Nationalparks voller Buchenwälder,
zum teil urwälder, in denen noch nie ein Mensch
mit Axt oder säge war. Hier sieht man, wie Eu-
ropa aussah, bevor die Menschen begannen, mit
ihrem Holzhunger die Wälder aufzufressen. Bä-
ren sind hier zu Hause, Luchse, spechte und
Käfer, die man in bewirtschafteten Wäldern
nicht mehr findet.
Dieses seltene Ökosystem ist durch die DN
66A nun gefährdet. Denn mitten durch diese
Welt soll die straße erweitert werden, 19 Kilo-
meter lang. Der größte teil des Ausbaus führt
durch den Domogled-Nationalpark, drei Kilo-
meter durch Natura-2000-gebiet, das durch eu-
ropäisches Recht geschützt ist, und der letzte
Kilometer quer durch das unesco-Welterbe. Die
straße würde massive Eingriffe in das eigent-
lich unantastbare gebiet erfordern. Berge
müssten zum teil weggesprengt werden.
Wer verfolgt, wie die rumänische Regierung
mit den alten Wäldern umgeht, wundert sich
nicht über die Pläne. Die geschichte der rumä-
nischen Forstwirtschaft ist eine von Korruption
und gier, das bestätigen gespräche mit Kennern
der situation im Land. Christoph Promberger,
der geschäftsführer der Carpathia Foundation,
die vor Ort große Flächen Wald kauft, um dort
die Natur sich selbst zu überlassen, sagt: »Die ak-
tuelle Politik der Regierung ist es, mit einem
Bulldozer anzurücken und Infrastrukturprojekte
durchzudrücken, egal um welchen Preis.«
Einer der Hauptverantwortlichen für den
Kahlschlag ist die rumänische Forstverwaltung
Romsilva, ein aufgeblähter Apparat, der über
den Verkauf von Holz geld macht – und zu-
gleich zwölf der dreizehn Nationalparks des
Landes managt.
Wohin dieser Interessenkonflikt führt, zeigt
sich alle fünf Jahre, wenn die Regierung eine

neue Waldinventur vorlegt: Zwischen der Menge
Holz, die geerntet werden darf, und der, die tat-
sächlich eingeschlagen wird, klafft stets eine ge-
waltige Lücke. Die vorletzte Erhebung von 2012
ergab, dass jährlich rund ein Drittel des Holzes
illegal geschlagen wurde. Die Veröffentlichung
der Inventur offenbarte den skandal. Die rumä-
nische Regierung reagierte darauf: sie hielt bei
der nächsten Inventur 2018 den teil über den
illegalen Holzeinschlag zurück. Dieser Abschnitt,
der der ZEIT vorliegt, zeigt: Der Raubbau am
rumänischen Wald ist noch kräftig angestiegen


  • zwischen 2013 und 2018 wurde sogar mehr
    illegal geschlagen als legal.
    Rumänien steht unter internationaler Beob-
    achtung. Erst kürzlich musste der mächtigste
    Politiker des Landes ins gefängnis, der sozial-
    demokrat Liviu Dragnea. Vor seiner Verhaftung
    war Dragnea Parteichef und Vorsitzender der
    Abgeordnetenkammer, er gilt als symbol für
    Korruption und Vetternwirtschaft. Zwei Jahre
    lang versuchte er nationale gesetze so zu verän-
    dern, dass er einer strafe entgeht.
    Warum die angeschlagene Regierung jetzt den
    Ausbauplan für DN 66A so nachdrücklich verfolgt,
    ist unklar. Die Idee kam Ende der 1990er-Jahre auf,
    wurde jedoch 2012 verworfen, offiziell wegen
    fehlender Mittel, doch auch der von der rumäni-
    schen NgO Agent green organisierte Widerstand
    dürfte eine Rolle gespielt haben. Vor einigen
    Monaten holte Premierministerin Viorica Dăncilă
    den Plan wieder aus der schublade. Er wurde vom
    Parlament bestätigt, der rumänische Verkehrs-
    minister sagte am vergangenen Wochenende, dass
    die Ausschreibung been-
    det sei und die Bauma-
    schinen bald anrücken
    würden. Auf Anfragen
    der ZEIT reagierten bis
    Redaktionsschluss weder
    das Büro der Premier-
    ministerin noch das um-
    weltministerium.
    Der Ausbau der DN
    66A birgt für Deutsch-
    land ein Risiko. Die
    unesco betrachtet die
    alten Buchenwälder Eu-
    ropas als ein system, das
    nur in seiner gesamtheit
    den status eines Welt-
    erbes genießt. Baut Ru-
    mänien die straße,
    könnten alle Länder mit
    alten Buchenurwäldern

  • auch Deutschland und Österreich – den status
    einbüßen. Diese gefahr war bereits thema auf
    einer unesco-Konferenz Anfang Juli in Baku,
    Aser baidschan. »Das Welterbe-Komitee wird eine
    Kontrollmission nach Rumänien schicken, um
    sich ein Bild vor Ort zu machen«, sagt gabriel
    schwaderer von der stiftung Euronatur, die die
    si tu a tion beobachtet. Im nächsten Jahr könnten
    die Welterbestellen dann als »gefährdet« eingestuft
    werden. In Deutschland hatte die Kulturland-
    schaft Dresdner Elbtal wegen des Baus der Wald-
    schlösschenbrücke ihren unesco-titel verloren.
    um den Ausbau zu stoppen, sammelt die
    Naturschutzorganisation Agent green zusam-
    men mit Euronatur und der Londoner NgO
    Client Earth Belege, die zeigen sollen, dass die
    rumänische Regierung das Eu-Recht unter-
    läuft. Damit will man ein Eu-Vertragsverlet-
    zungsverfahren anstoßen, möglichst noch im
    August. Auf diese Weise wurde die polnische
    Regierung vor zwei Jahren daran gehindert,
    den tieflandurwald Białowieża weiter abzuhol-
    zen. Am Wochenende protestierten Mitglieder
    von Agent green, Euronatur und Robin Wood
    mit einem riesigen Plakat, das sie über ein tal
    spannten, gegen den Ausbau von DN 66A.
    schon 2016 begann die damalige Regierung
    Rumäniens, urwälder in einem Katalog zu er-
    fassen. Bis heute sind nur knapp 30.000 Hektar
    aufgenommen, darunter noch nicht einmal alle
    Welterbestätten. Experten schätzen, dass mehrere
    Zehntausend Hektar den status ebenfalls ver-
    dienten. »Die Kriterien für den Katalog sind so
    streng, dass er mir wie ein Instrument erscheint,
    um möglichst wenig dieser wertvollen Wälder zu
    schützen«, sagt gabriel schwaderer. Dabei ist der
    Wert vor allem ein ökologischer. Die wirklich
    alten Buchen, diese Horte der Artenvielfalt, lassen
    sich nicht hochwertig verarbeiten. Ihr Kern ist
    oft morsch, was sie für die Holzindustrie wertlos
    macht. Aus ihnen wird dann Brennholz.


Eine Straße mitten


durchs Herz


Rumänien will eine trasse durch einen Buchenurwald ausbauen.
Dadurch ist auch deutsches Weltnaturerbe bedroht VON FRITZ HABEKUSS

Die Adressen für »stimmt’s«-Fragen:
DIE ZEIt, stimmt’s?, 20079 Hamburg,
oder [email protected].
Das »stimmt’s?«-Archiv: http://www.zeit.de/stimmts

Stimmt’s?


http://www.zeit.de/audio

30 WISSEN


Verbraucht der Zahlungsverkehr
mit Bitcoin so viel Energie wie
ein ganzes Land?
... fragt GÜNTER KOHLBECKER
aus München

D


ie Kryptowährung Bitcoin ge-
nießt nicht den besten Ruf. Ihr
Kurs schwankt gewaltig, sie ist
deshalb gegenstand heftiger
Finanzspekulationen. Weil sie
anonym ist, werden mit ihr auch allerhand
zweifelhafte geschäfte abgewickelt. und seit
einigen Jahren wird sie kritisiert, weil das
»schürfen« der virtuellen Münzen gewaltige
Mengen an Energie verschlingt.
um neue Bitcoins herzustellen, muss ein
Computer eine komplexe Rechenaufgabe lösen,
und das geht nur durch das aufwendige Durch-
probieren von Zahlenkombinationen. Rechnen
erfordert strom, und mit dem Bitcoin-Kurs ist
die Komplexität der Rechenaufgaben gestiegen.
schon lange wird nicht mehr auf Heimcompu-
tern geschürft, sondern in großen Rechner-
farmen mit spezialisierten Chips. Viele davon
stehen in China und werden mit billigem
Kohle strom betrieben.
Weil diese Produktion dezentral geschieht,
kann man den Energieverbrauch nur schätzen.
Das tut zum Beispiel die englische universität
Cambridge mit ihrem Cambridge Bitcoin
Elec tri ci ty Consumption Index (CBEI). Dem-
nach verbraucht der Handel mit Bitcoin der-
zeit etwa 62 terawattstunden im Jahr. Wäre
das Bitcoin-system ein Land, dann stünde es
mit diesem stromverbrauch an 43. stelle in
der Welt – zwischen der schweiz und tsche-
chien, tendenz steigend. Laut einem Experten
hat die Kryptowährung schon Österreich über-
holt, das wäre Position 41.
Oft liest man auch Zahlen für eine einzelne
transaktion. Die werden ermittelt, indem man die
gesamte Bitcoin-stromrechnung durch die Zahl
der Bezahlvorgänge dividiert. Dann verbraucht
eine einzelne transaktion über 200 Kilowatt-
stunden – damit kommt ein Vier-Personen-Haus-
halt drei Wochen lang aus. Zum Vergleich: Eine
herkömmliche Überweisung verbraucht nur ein
bis zwei Wattstunden. CHRISTOPH DRÖSSER

RUM Ä NIEN

UKRAINE

Bukarest

Petroșani

Herkulesbad

MO
LD
AW
IE
N

Südkarpaten

SERBIEN UNGARN

UNGARN

Urwälder Nationalstraße DN 66A

Schwarzes
Meer

70 km

ZEIT- GRAFIK

Nationalpark Retezat
Nationalpark Domogled

Rumänische Wildnis im Tal Ucea Mare im Făgăraș-Gebirge

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Foto: Matthias Schickhofer
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