Die Zeit - 01.08.2019

(Kiana) #1
Verschenken Sie jetzt die neue ZEIT-Edition »Weltliteratur für Kinder«
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K lassiker f ür


K lein und Groß


Die ZEIT-Edition
»Weltliteratur für Kinder«
6 große Klassiker, kindgerecht erzählt
und eindrucksvoll bebildert

Illustration: Anatolij Pickmann (nach Vorlage von Jessie Willcox Smith)

Von
preisgekrönten
Künstlern
gestaltet

Nur
79,95 €*

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68 1. August 2019 DIE ZEIT No 32


Im Moment liegt mir ein Buch besonders am Her-
zen, das es vermutlich leider nicht so leicht haben
wird. In Roberta verliebt geht es nämlich um genau
das, was der titel sagt: ein Mädchen, das plötzlich
für einen Jungen schwärmt. Der ist neu in ihren
Zeichenkurs gekommen, und
Roberta findet ihn ganz toll.
Aber plötzlich kann sie kaum
noch sprechen und schon gar
nicht mehr malen, wenn er in
der Nähe ist.
Roberta ist elf Jahre alt, und
ihre Mutter meint, in dem Alter
kann man noch gar nicht ver-
liebt sein. Ich finde es normal,
wenn Kinder so fühlen. Aber ich
fürchte, dass einige Mütter wie
Robertas Mama denken und
deswegen nicht gerne solche
Bücher für ihre Kinder besorgen.
Das eher dunkle Cover wird
ebenfalls nicht gleich überzeugen – obwohl die
Illustration von ulrike Möltgen sehr eindrücklich
ist, wie auch ihre vielen Zeichnungen im Buch.
Ich habe es nach dem ersten Aufschlagen jeden-
falls nicht mehr aus der Hand gelegt, so schön ist es
geschrieben. Am liebsten mag ich, dass Roberta
schließlich unterstützung bei einer alten, feinen
Dame findet, die früher Opernsängerin war und
sehr viel Verständnis für Roberta hat.
Es wäre schade, wenn diese geschichte nicht zu
den Lesern findet. Mindestens alle, die zum ersten
Mal verliebt sind, werden sie lieben. Egal übrigens,
ob Mädchen oder Junge.

Ebenfalls mehr Normalität wünsche ich mir für das
thema Menstruation. Als Jugendliche hätte ich
jedenfalls gern das sachbuch Rot ist doch schön von
Lucia Zamolo gehabt. schon das Cover mit dem
Mädchenschlüpfer, den ein Blutfleck ziert, ist groß-
artig. Weit weg von dem Igittigitt,
mit dem junge Frauen oft noch
aufwachsen. Bei meiner eigenen
tochter, die inzwischen 16 ist,
habe ich sehr darauf geachtet,
dass sie nie Angst hat, Fragen zu
ihrer Periode zu stellen. Dabei ist
mir erst aufgefallen, wie peinlich
wir Frauen darauf bedacht sind,
dass bloß nie jemand mitbe-
kommt, wenn wir unsere tage
haben. Völlig verrückt!
Dagegen geht das Buch auf
eine angenehm lustige Art an. Es
ist humorvoll illustriert und
kommt wie ein Erklär-Comic
daher. Alle wichtigen biologischen Fakten sind
natürlich trotzdem drin – selbst als erwachsene Frau
kann man da noch was lernen.
Es sind dann auch die Mütter, die es bei mir im
Buchladen am häufigsten auswählen. Die jungen
Mädchen selbst, denen ich es zeige, schrecken eher
zurück. Deshalb empfehle ich, dieses Buch am
besten einfach aufs Klo zu legen. Da kann jeder aus
der Familie mal reinschauen, auch die Papas und
Brüder. ganz unkrampfig.

Susann Thiel, 43, ist die Inhaberin des Kinderbuch-
ladens serifee in Leipzig

Lucia Zamolo:
Rot ist doch
schön
Bohem 2019;
96 s., 14,95 €;
ab 10 Jahren

Judith Burger:
Roberta verliebt
gerstenberg
2019; 200 s.,
13,– € ;
ab 10 Jahren

Stürme im Bauch


WAS KÖNNEN SIE EMPFEHLEN?

König Schokoschleuder


King Eddi ist noch ein Kind und schon Herrscher eines Reichs. sein Volk liebt ihn, weil er es regelmäßig mit süßigkeiten
bombardiert. Bis ihm eines tages das geld ausgeht ... Eine Erzählung VON ANDY RILEY

I


ch hätte jetzt gern mein taschengeld«,
sagte der Junge, woraufhin prompt ein
Mann hereinkam, der eine schubkarre
voller goldmünzen vor sich herschob.
Eddi war kein gewöhnlicher neunjähriger
Junge. Er war ein König mit einem thron,
einer eigenen Rüstung und einer Burg mit
geheimgängen und allem, was dazugehörte. und
das Beste war, dass er eine Krone aufhatte.
Eine Krone ist sehr wichtig. Wenn Eddi keine
hätte, würdet ihr sagen: »schaut euch den Jungen da
drüben an. sieht er nicht aus wie jedes andere Kind?«
Aber setzt ihm eine Krone auf, und ihr sagt: »Wow! Er
ist ein Junge, und er ist König!« Eddis Krone war wirk-
lich etwas Besonderes, denn auf jeder spitze saß noch
einmal eine kleine Krone. Noch kroniger geht es nicht.
Kein Wunder, dass King Eddi sie nie absetzte.
»Vielen Dank«, sagte Eddi zur Palastwache mit der
schubkarre, denn obwohl er der Herrscher war, ver-
hielt er sich immer sehr höflich. King Eddi fuhr durch
das gold und holte eine Handvoll der glänzenden
Münzen heraus. Auf jeder prangte auf einer seite sein
gesicht. Eddi wandte sich an seine Assistentin. »Jill,
ich verlasse die Burg für eine Weile!«, sagte er. »Bitte?
Oh ja, geht in Ordnung«, sagte Ministerin Jill, wäh-
rend sie zwei Briefe gleichzeitig schrieb, einen mit jeder
Hand. Jill hatte immer viel zu erledigen, denn sie war
eine Erwachsene mit einem sehr erwachsenen Job. Ob-
wohl Eddi der Herrscher des Königreichs Eddiland
war, brauchte er jemanden, der ihm bei den kompli-
zierten geschäften half. Wer musste einen tanzenden
Bären für das geburtstagsbankett finden? Jill. Wer
musste ein Entschuldigungsschreiben verfassen, als der
Bär jemandem den Arm abnagte? Jill. Jill arbeitete so
viel, wie Eddi spielte, und Eddi spielte sehr viel.
Eddi schob die schubkarre voller Münzen den Weg
entlang. »guten tag!«, sagte King Eddi. »guten tag,
Majestät!«, sagte ein Bauer, der an ihm vorbeiging. In
Eddis Königreich lebten Bauern, doch es waren keine
unglücklichen, hungernden Bauern, die Kleidung aus
sackleinen trugen und sich zum Abend essen Brenn-
nesselsuppe kochten. Nein, es waren fröhliche Bauern,
alle mollig und lächelnd. Wenn sie ihre Arbeit getan
hatten, tanzten sie auf dem Marktplatz.
Eddi ging ins nächstgelegene Dorf. Eddiland war
kein großes Land, es gab nur ein Dorf. Es hieß »Dorf«.


King Eddi betrat einen süßwarenladen. Er nahm zwei
Handvoll Münzen und schüttete sie auf die theke.
»Ich hätte gerne alle Pralinen, alle schokoriegel
und alle schokoladenhaltigen süßigkeiten aus diesem
Laden.« – »Dasselbe wie immer, Majestät? selbst-
verständlich.« Als King Eddi den Laden kurz darauf
verließ, türmten sich die süßigkeiten auf der schub-
karre. Dann kaufte er alles im nächsten süßwarenladen.
und im nächsten. und im nächsten. um halb fünf
balancierte Eddi einen gewaltigen, wackelnden schoko-
ladenturm auf seiner schubkarre. Er kippte alles in
einen riesigen trichter, der an einem Rohr befestigt war,
das an einem Rad befestigt war, das an einem weiteren
Rohr befestigt war, das an einem Kolben befestigt war,
der an einem ... Nun, ich denke, ihr habt es kapiert. Es
war eine ziemlich komplizierte Maschine. King Eddis
Krasse süßwarenwurfmaschine. Abgekürzt K.E.K.s.
Der König fuhr auf K.E.K.s. durch die straßen
und verteilte schokolade. Die Bauern liefen aus ihren
Häusern und schnappten sich alles, was sie fangen
konnten. Es war ihr Lieblingstag. In manchen Wochen
liebten sie ihn so sehr, dass sie den Freitag zum Wir-
lieben-den-König-tag erklärten. Dann feierten alle,
anstatt zur Arbeit oder zur schule zu gehen. und wenn
sie richtig gut drauf waren, wurde auch der Montag
ein Wir-lieben-den-König-tag. An diesen tagen
murmelte Ministerin Jill sachen vor sich hin wie
»Arbeitsscheue Bauern« und »Die haben immer eine
Ausrede«, aber Eddi fand, dass sie ihnen unrecht tat.
Das Volk liebte den König, der König liebte das Volk,
alle liebten schokolade.

A


m nächsten Freitag, als Eddi auf seinem
thron saß und darauf wartete, dass sein
taschengeld gebracht wurde, überlegte
er: Ich führe ein tolles Leben. Ich habe
echt glück. tatsächlich habe ich so viel glück, dass
bestimmt nie wieder etwas schiefgehen wird. Die
Palastwache schob die schubkarre in den thronsaal.
Eddi machte große Augen. Die schubkarre war leer.
»Majestät? Das ganze geld ist weg.«
King Eddi und Ministerin Jill kletterten in ein
schwein. Es war aus Porzellan. Könige haben keine
normalen sparschweine. sie haben riesige. Das offi-
zielle sparschwein von Eddiland war so groß wie ein
Haus und stand in der Mitte des Burghofs. Jeder Be-

sucher musste durch einen schlitz oben auf seinem
Rücken klettern. Einfacher wäre es durch die runde
tür gewesen, die unten am Bauch mit einem großen
gummistopfen verschlossen war, aber die durfte man
nur benutzen, wenn man das schwein verließ.
»Aaaaaarrrrrgh!«, rief Jill, als sie durch den schlitz
fiel und auf den tönernen Boden knallte.
»Aaaaaarrrrrgh!«, rief Jill noch einmal, als King Eddi
mit der spitzen Krone auf ihr landete. Ministerin Jill
ging von einem Ende des schweins zum anderen. sie
kniete sich hin und spähte umher. Es machte keinen
unterschied. Egal, aus welchem Winkel man sich
umsah, im schwein lagen keine Münzen. »In diesem
schwein sind keine Münzen«, sagte King Eddi. »ge-
nau das dachte ich auch gerade«, sagte Ministerin Jill.
»Wo sind sie denn alle hin?« – »Nun«, sagte Jill, »weißt
du noch, wie ich dir die Verantwortung für die Fi-
nanzen übertragen habe? Damit du üben kannst, wie
du das Königreich führst, wenn du erwachsen bist?«


  • »Du meinst, als du mir gesagt hast, dass ich ab jetzt
    selbst entscheide, wie viel taschengeld ich bekomme?
    Klar. Das war klasse.«
    Ministerin Jill schloss die Augen und kniff sich in
    die Nasenwurzel. Ah, dachte Eddi. Das ist eines dieser
    Dinge, die Erwachsene tun, wenn sie gestresst sind.
    Vielleicht war Jill gestresst. »Du hast doch nicht etwa
    ALLEs für schokolade ausgegeben, oder?«, fragte Jill.
    »Nein«, sagte King Eddi. »Für was sonst noch?« – »Ich
    habe einen Zimmermann für eine größere schubkar-
    re bezahlt, mit der ich mehr geld aus dem Riesen-
    schwein bekomme, damit ich meinen Bauern noch
    mehr schokolade kaufen kann.« – »Was glaubst du,
    wo das ganze geld herkommt, Majestät?«, fragte Jill.
    »Hmmmmmm ...«, überlegte King Eddi und bohrte
    mit dem Finger in seinem Ohr herum, während er
    versuchte, sich daran zu erinnern. »Da wäre Onkel
    gavin. Er ist Herzog von irgendwo. Er schickt mir
    zum geburtstag immer ein Boot voller schätze.« –
    »Nein, das schickt er, wenn Herzogin Karen ihn daran
    erinnert, dass du geburtstag hast. Ich glaube, sie hat
    ihn dieses Jahr nicht daran erinnert.« – »Oh. Ach so.«

  • »Darum hat das Königreich kein geld mehr. Er-
    innerst du dich an das, was ich dir vor ein paar Mona-
    ten beigebracht habe? Alles, was ein König über geld
    wissen muss? Ich denke, wir müssen den unterricht
    direkt wiederholen.«


King Eddi nickte. Er wusste, dass Jill gleich
viele komplizierte Erwachsenen-Begriffe verwenden
würde und dass es einem Neunjährigen sehr schwer-
fallen würde, sich zu konzentrieren. »Ein Land er-
wirtschaftet geld durch steuern und Kredite.
Kredite nimmt es nur auf, wenn es ein Haushalts-
defizit hat. Ein Haushaltsdefizit ist ...«, begann Jill.

I


ch werde versuchen, mich zu konzentrieren,
dachte der König. In diesem leeren, schwei-
neförmigen Raum wird mich nichts ablen-
ken. Bis auf ein bisschen blauer Himmel,
den ich durch den schlitz sehe. Warum ist der
Himmel blau? und warum ist das Meer blau?
Vielleicht, weil darin so viele Blauwale schwim-
men. Riesige Blauwale. Bis auf den Meeresgrund.
Wenn das stimmte, hätten die Wale es nicht
leicht, dachte er. sie würden ständig zusammen-
krachen. Aber vielleicht entstehen so Wellen.
Wenn ich groß bin, könnte ich nicht nur König
sein, sondern auch ein begnadeter Wissenschaft-
ler, dachte Eddi. Ich werde sturzhelme für Blau-
wale entwerfen. und dann werde ich ...
»Majestät? Hallo, Majestät? Hörst du überhaupt
zu?« – »Was? Klar. und wie«, sagte King Eddi und
setzte sich aufrecht hin. »Ich habe nur den letzten
teil verpasst.« – »Ab welcher stelle?« – »Ähm. Ab
dem Anfang. tut mir leid«, sagte der König. »Ver-
such dich diesmal zu konzentrieren«, bat Jill. »Ein
Land erwirtschaftet geld durch steuern und ...«
Diesmal schweifte King Eddi in gedanken noch
schneller ab. Konzentrier dich auf das langweilige
Zeug, von dem Jill redet. Denk nicht an coole
Dinge wie Wale oder das Meer. Denk an trockenes
Land. King Eddi stellte sich vor, dass er eine Land-
karte seines Königreichs studierte. Dann dachte er:
Wenn du eine Karte anschaust, auf der die stelle
drauf ist, an der du gerade stehst, und wenn du dir
durch ein Mikroskop genau diese stelle auf der
Karte anschaust, könntest du ein kleines Bild von
dir selbst sehen. und dieses kleine Bild studiert
gerade eine absolut winzige Karte. Wenn du ein
noch stärkeres Mikroskop hättest, könntest du
sogar ein noch kleineres Bild von dir selbst ent-
decken, das das winzige Bild von dir ansieht. und
dieses winzige Bild von dir würde eine unglaublich

kleine Karte studieren mit einem unglaublich klei-
nen Bild von dir, das ein klitzekleines winziges ...
»MAJEstÄt!« – »Oh! Hallo! Was sagtest du
gerade?«, fragte der König. Ministerin Jill atmete
tief durch. »Der unterricht muss warten«, sagte
sie: »Das Königreich braucht geld. Ich weiß, wo
wir welches finden. Wir müssen aus diesem
schwein raus.« Der König und die Ministerin
sprangen auf dem großen gummistopfen am
Boden auf und ab. Es dauerte eine Weile, bis er
nachgab, aber schließlich öffnete er sich, und die
beiden landeten im Innenhof.
»Majestät, bitte ruf die Palastwachen«, sagte Mi-
nisterin Jill. Der König blies in ein riesiges Horn.
Jeder stein in der Burg erzitterte. Es gab viele Mög-
lichkeiten, die Palastwachen zu rufen, aber das rie-
sige Horn war mit Abstand die coolste. Kurz darauf
marschierten die Wachen in zehn Reihen vor King
Eddi auf. sie waren ein furchterregender Haufen.
Ministerin Jill erteilte die Befehle. Es gab unzäh-
lige Räume in King Eddis Burg. Niemand wusste
genau, wie viele es waren. In den meisten dieser
Räume standen sofas. Die Wachen sollten ihre
Hände in jede sofaritze in der Burg stecken und
darin nach Münzen suchen, die dort hinein-
gerutscht waren. sie zogen los und quetschten ihre
Arme in die sofas. Einige von ihnen blieben mit
ihrem Kettenhemd an sofaquasten hängen, und es
bedurfte sechs anderer Wachen, um sie zu befreien.
Aber sie fanden nicht viel geld.
»Ruft sämtliche Wachen des Königreichs!«, rief
Ministerin Jill. »sie sollen jedes sofa fünf Mal ab-
suchen.« Die Botschaft wurde im ganzen Land mit
berittenen Boten, Rauch si gna len und Büch sen-
telefo nen verbreitet. »Es wird doch alles wieder in
Ordnung kommen?«, fragte King Eddi. »Aber
sicher, Majestät«, versicherte Ministerin Jill. Der
König fragte sich, wieso die Ministerin angefangen
hatte, auf einer Haarsträhne herumzukauen.

Dies ist ein gekürzter Vorabdruck aus
»King Eddi und der fiese
Imperator« von Andy Riley, das am


  1. August bei Beltz & gelberg
    erscheint. Besonders toll im Buch:
    die vielen Zeichnungen des Autors


Illustration: Elsa Klever für DIE ZEIT; Foto: Frank Thiel

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ZEIT ZUM (VOR)LESEN

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