Die Zeit - 01.08.2019

(Kiana) #1

POLITIK 9


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  1. August 2019 DIE ZEIT No 32


Foto: privat

Im Film »RoboCop« wird der Polizist Alex Murphy bei einem Einsatz
ermordet und im Körper eines Roboters wiedergeboren. Die Polizei wurde
in dieser Dystopie privatisiert, und eine profitorientierte tech-Firma übt das
gewaltmonopol aus. Aber auch in der realen Welt stellt man sich manchmal
die Frage: Was geht »Polizeirobotern« eigentlich so durch den Kopf? MOA

Damals


2014

Heute


27.7.

Nun, ich wohne zwar nicht, wie us-Präsident Donald
trump das zu nennen pflegt, in einem »widerlichen,
von Ratten und Nagern zerfressenen Drecksloch«,
aber immerhin in Berlin. und Prenzlauer Berg ist
auch sicherlich nicht der »schlimmste« und »gefähr-
lichste« Ort Berlins, aber immer noch Berlin. und in
Berlin ist es üblich, dass jeder, der umzieht, einen teil
seiner widerlichen, von Ratten und Nagern zerfresse-
nen Möbel und Matratzen vor die Haustür stellt. In
der Hoffnung, dass ein komplett Verwirrter wie der

us-Präsident vorbeikommt und sie mitnimmt. Den
anderen teil seines Drecks knallt er einfach in den
Innenhof. Mit dem Ergebnis, dass es dort so aussieht,
als sei das Woodstock-Festival nicht vor genau 50
Jahren, sondern erst vor 5 Minuten zu Ende gegangen.
Die Überbleibsel von 3 Days of Peace and Music sind
natürlich neben den Fahrrädern der eigenen Kinder
gelandet. Der Woodstock-soundtrack spendet trost.
Wenn man zuerst With a Little Help From my Friends
(Joe Cocker) und dann Volunteers (Jefferson Air plane)

hört, glaubt man, dieser Sea of Madness (Crosby, stills
& Nash) Herr werden zu können. Vielleicht schickt
ja Joan Baez auch noch Joe Hill und einen Drug Store
Truck Drivin’ Man auf den Wooden Ships von Crosby,
stills & Nash zum Aufräumen vorbei. In der Haus-
gemeinschaft sind wir mit the Who jedenfalls einer
Meinung: We’re not gonna take it.
50 Jahre nach Star Spangled Banner bin ich der
spießer geworden, der Jimi Hendrix nie werden wollte.
I’ m Going Home (ten Years After). PETER DAUSEND

Woodstock im Innenhof


50 Jahre nach dem legendären Festival muss unser Kolumnist Frustrierendes erkennen:
selbst auf den Wooden ships von Crosby, stills & Nash wird man kein Jimi Hendrix

Torten der Wahrheit
VON KATJA BERLIN

seinen schmerz kann man beim Anblick seines aufgerissenen Auges nur
erahnen. Inmitten der grauen uniformen, der gepanzerten Körper, der auf-
gerüsteten Beamten wirkt dieser russische Demonstrant, der für freie
Wahlen in Moskau auf die straße gegangen ist, irgendwie nackt und schutz-
los. Ein ungleicher Kampf, Mensch gegen RoboCop. MOA

ZEITGEIST

Abendessen mit Lord P. in todi, umbrien. In-
mitten der jahrtausendealten Etrusker-Kulisse
spürt man wenig vom neuen Italien des Dema-
gogen Matteo salvini und landet sofort bei
Boris Johnson, dem britischen Premier.
Der Lord hat Labour verlassen, weil er den
Antisemitismus und Linksradikalismus der
Partei nicht mehr ertragen wollte. Wie hält es
der Pro-Europäer mit Boris J.? Die lapidare
Antwort: »Boris verkörpert keine flüchtige
Aufwallung, sondern einen trend.« Neuer-
dings wolle fast die Hälfte der Briten den Bre-
xit um jeden Preis; die »Remainer« seien auf
ein Zehntel gefallen.
und wenn sich erst die Lkw in
Dover stauen, die Lebensmittel preise
hochschießen, Investitionen und
Jobs schwinden? Der Eu-Freund be-
tont die gefühlslage: »Ihr kennt ja
bloß London, das überwältigend für
den Verbleib gestimmt hat. schon in
Liverpool und Leeds hassen sie die
Eu, weil die sie kujoniert und ihrer
nationalen Würde beraubt.«
Hierzulande hieß das einst ganz
links: »Macht kaputt, was euch kaputt macht.«
Nur kleine Krämerseelen würden in England an
die Kosten gekappter Kooperation und nati o-
naler Alleingänge denken. Take back control!
Die Briten sind nicht allein. Die Liste ist
lang. trumps Amerika, Putins Russland, salvi-
nis Italien, Le Pen in Frankreich, die FPÖ in
Österreich, die National-Autoritären in Ost-
europa, Brasilien und Manila, Modis Hindu-
Nationalisten in Indien ...
Es sind eben nicht nur Donald und sein
Freund Boris. Das Muster taucht immer wieder
in der geschichte auf. Da verbündet sich eine
gegen-Elite mit dem »gemeinen Volk« gegen die
herrschende Klasse. Heute rollen der Millionär
trump und der Eton-und-Oxford-Zögling John-


son das Establishment auf, das für Internationa-
lismus und Interessenausgleich steht, zugleich
korrektes Verhalten und Denken bestimmt.
Die »Abgehängten«, die in Amerika und im
Brexit-Referendum die Hälfte der stimmen
repräsentierten, sind in der großen Mehrheit
keine Neo-Faschisten. »Take back control« –
»Bloß raus!« – ist die Botschaft des neuen
Nationalismus, der zwar defensiv ist, sich aber
wie jeder romantische Mythos nicht um Kon-
sequenzen kümmert.
Ob die Ernüchterung trump und Johnson
bei der nächsten Wahl davonfegt? solche »Punks«
(so der Guar dian) werden gewählt,
weil sie Anstand und Wahrhaftigkeit
zertrümmern, wie es die echten
Punks mit dem Bühnen-Mobiliar
getan haben. Politik als Brutalo- En-
ter tainment ist das Programm, und
es funktioniert rings um die Welt.
Abgerechnet wird trotzdem.
Johnson wähnt, der Preis des
Chaos-Brexits sei »winzig«. Auch
wenn dabei eine harte grenze zwi-
schen Irland und dem Norden he-
rauskommt? Wenn schottland beim nächsten
Mal für die sezession votiert? Wenn London
am 31. Oktober abspringt und dann aus einer
Position der schwäche um einen neuen Deal
betteln muss? so denken doch nur Buchhalter!
Die Deutschen, die einst die Welt in Brand
gesteckt haben, dürfen sich glücklich schätzen
mit ihren ach so langweiligen Politikern. Die
drehen an den schrauben, verteilen Wahl-
geschenke und wollen niemandem wehtun, am
wenigsten sich selber. Deshalb eine sprache,
die sich im ungefähren verliert, eine Politik,
die das Abenteuer hasst. Nationalismus, lehrt
nicht nur die deutsche geschichte, hat seinen
Preis. Doch Donald und Boris lesen keine
Bilanzen. Abgerechnet wird trotzdem.

Josef Joffe
ist Mitglied des
Herausgeberrats
der ZEIT

Punks an der Macht


Boris und Donald demolieren die Bühne ihrer nationalen größe
VON JOSEF JOFFE

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POLITIK 9


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Fotos: ddp (l., Filmszene aus »Robocop«, 2014); Shamil Zhumatov/Reuters (r.)
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