Die Welt - 08.08.2019

(Brent) #1

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08.08.1908.08.1908.08.19/1/1/1/1/Pol3/Pol3 BBENDIX 5% 25% 50% 75% 95%

6 POLITIK *DIE WELT DONNERSTAG,8.AUGUST


Behörden im Originalton, ein Großteil
davon stammt aus den vergangenen
zwölf Monaten.
*
„Mit Blick auf den Schmuggel (von Mi-
granten) auf die griechischen Inseln
nutzen die Schmuggler immer häufiger
kleine und schnelle Boote (immer mehr
Holzboote, aber auch Schnellboote oder
Jetski). Sie transportieren nun weniger
Migranten (15–20). Zuvor wurden bis zu
60 Migranten in größeren Schlauchboo-
ten befördert.“

*
„Am 5. Oktober wurde ein Polizist aus
Zagreb verhaftet, der 18 Pakistaner in sei-
nem Transporter geschmuggelt hatte.“

*
„Menschen aus Drittstaaten gehen
Scheinehen ein, um legal in die EU zu ge-
langen. Dabei handelt es sich meistens
um Männer aus Pakistan, Indien und
Bangladesch, aber auch aus Serbien, Ne-
pal, der Ukraine und einigen nordafrika-
nischen Staaten. Die Frauen, die sich für
eine Scheinehe bereit erklärten, stamm-
ten im Allgemeinen aus Bulgarien, Por-
tugal, Rumänien und der Slowakei. Sie
verfügten über eine geringe Bildung und
sehr wenig Einkommen.“

D


eutschland bleibt das
Sehnsuchtsziel Nummer
eins vieler Migranten in
Europa. Die Zahlen sind
immer noch hoch: 185.
Personen haben im vergangenen Jahr
in Deutschland Asyl beantragt, in die-
sem Jahr waren es bis Juli insgesamt
8 4.866. Sie haben auf ihrem Weg nach
Europa häufig auf die Hilfe von krimi-
nellen Menschenschmugglern gesetzt.

VON CHRISTOPH B. SCHILTZ
AUS BRÜSSEL

Dabei werden die Tricks dieser
Schleuser immer fieser, ihre Routen im-
mer komplexer und ihre Geldforderun-
gen immer höher. Europäische Flughä-
fen sind mittlerweile zu Hotspots für
Menschenschmuggel geworden. Das
geht aus vertraulichen EU-Dokumenten
hervor, die dieser Zeitung vorliegen. Sie
basieren vor allem auf der erfolgreichen
Arbeit der europäischen Asylagentur
(EASO) und von Polizeibeamten (Euro-
pol), die die Schleuser gefasst und ihre
kriminellen Methoden entlarvt haben.
Ein dunkler Kosmos aus Kriminalität,
Korruption, Elend und Gewalt. WELT
dokumentiert diverse Beschreibungen
und Fälle aus den Dokumenten der EU-

*
„Die Überwachung sozialer Medien er-
gibt: Schmuggler boten in der Farsi-
Sprache (Iran, Afghanistan) neue Trips
vom Iran in die EU über Serbien an. Kos-
ten: von Iran nach Serbien 1000 Euro.
VVVon Serbien nach Ungarn 2500 Euroon Serbien nach Ungarn 2500 Euro
(Landweg). Von Serbien nach Österreich
3 000 Euro (Landweg). Von Serbien nach
Deutschland 3000 Euro (Landweg). Von
Serbien nach Großbritannien 5000 Euro
(Flugzeug), von Serbien nach Kanada
7 000 Euro (Flugzeug). In separaten Mit-
teilungen boten sie auch neue Trips von
Belgrad nach Schweden und Norwegen
fffür 3500 Euro an.“ür 3500 Euro an.“

*
„Am 9. Januar verhaftete die italieni-
sche Polizei acht Tunesier, die im Ver-
dacht standen, einen Schmugglerring
von Tunesien nach Südsizilien organi-
siert zu haben und dabei Schnellboote
einzusetzen. Mindestens fünf Trans-
porte wurden beobachtet. Alle
Schmuggler folgten dem sogenannten
Islamischen Staat (IS) auf Facebook
und verbreiteten dort IS-Propaganda.“

*
„Instagram wird von iranischen
Schmugglern genutzt, um Hunderte ge-

fälschte oder gestohlene EU-Reisedoku-
mente anzubieten. Dadurch sollen die
Menschen glauben, die Reise sei legal
und sicher. Es gibt auch explizit Nach-
richten, die sich auf Organhandel bezie-
hen und die Iraner glauben machen sol-
len, dass sie umsonst eine Nierentrans-
plantation erhalten, sobald sie Großbri-
tannien oder Deutschland erreichen.“

*
„Im Dezember fassten die italienischen
Behörden zwei Mitglieder einer krimi-
nellen Gruppe, die illegale Migranten zu
den Bahnhöfen von Gallarate (Varese),
VVVerona und Novara eskortierten und ih-erona und Novara eskortierten und ih-
nen spät in der Nacht dabei halfen, heim-
lich in Güterzüge oder in das Innere von
Containern zu gelangen. Dafür nahmen
die Schmuggler 150 bis 300 Euro.“

*
„Die ungarische Polizei untersucht
eine kriminelle Gruppe, die von einem
Afghanen angeführt wird, der vor allem
Afghanen und Iraner von Serbien nach
Ungarn schmuggelt. Diese kriminelle
Gruppe nutzt die Dienste von serbi-
schen und rumänischen Staatsbürgern.
Die serbischen Staatsbürger führen die
irregulären Migranten zu Fuß über die
serbisch-ungarische Grenze. Wenn die

illegalen Migranten sich dann in Un-
garn befinden, bringen sie rumänische
Fahrer (meistens mit sehr geringem
Einkommen) nach Budapest. Dort
werden sie in kleine Gruppen von zwei
bis drei Leuten aufgeteilt und mit öf-
fentlichen Verkehrsmitteln weiterge-
bracht über Sopron und Hegyeshalom
nach Österreich. ... Dafür zahlen Afgha-

bracht über Sopron und Hegyeshalom
nach Österreich. ... Dafür zahlen Afgha-

bracht über Sopron und Hegyeshalom


nen 3000 bis 3500 und Iraner 4500 bis
6000 Euro.“

*
„Migranten auf dem griechischen Fest-
land reisen in den Nordwesten des
Landes mit öffentlichen Verkehrs-
mitteln und überqueren zu Fuß die

Grenze nach Albanien. Sie stellen dort
einen Asylantrag, was ihnen gestattet,
sich in Albanien frei zu bewegen; dann
überqueren sie die Grenze nach Mon-
tenegro. Sie stellen dort möglicher-
weise erneut einen Asylantrag und
können sich dann auch in Montenegro
frei bewegen. Dann überqueren sie die
Grenze nach Bosnien-Herzegowina
und ziehen weiter nach Kroatien (EU-
Land). Diese Route wird vor allem von
albanischen und kosovarischen Schleu-
sern betrieben.“

*
„Verschiedene Veröffentlichungen, die
einen Bericht des Bundesnachrichten-
dienstes (BND) zitierten, gaben an,
dass die Wanderung von nigerianischen
Flüchtlingen von Italien nach Deutsch-
land wahrscheinlich zu einem unkon-
trollierten Anstieg von ‚extrem gefähr-
lichen gut organisierten nigerianischen
Kriminalitätsstrukturen‘ führt.“

*
„Fünf nigerianische Schmuggler wur-
den am 14. Februar von der Polizei in
Catania (Italien) verhaftet. Die Verhaf-
tung ging auf die Zeugenaussagen einer
Minderjährigen zurück, die zuvor deren
Schmugglerdienste in Anspruch genom-
men hatte. Sie wurde dann zur Prostitu-
tion gezwungen unter der Drohung,
dass ansonsten bei ihr Voodoo-Prakti-
ken angewendet würden.“

*
„Die Migranten (staatenlose Palästi-
nenser) wurden von einem Menschen-
schmugglerring in Beirut (Libanon)
unterstützt. Diese Leute setzten die
Migranten auf die Route Beirut–Adis
AAAbeba (Äthiopien)–São Paulo (Brasi-beba (Äthiopien)–São Paulo (Brasi-
lien)–Lima (Peru)–Quito (Ecuador)


  • Curaçao–Amsterdam. Preis für jeden
    Passagier: 5000 US-Dollar. Andere
    Migranten kamen aus Mexiko City und
    San Jose (Costa Rica) nach Amster-
    dam. ... Die lateinamerikanische Route
    wird von Schmugglern favorisiert, weil
    staatenlose Palästinenser in vielen
    Ländern Südamerikas kein Visum
    benötigen.“


*
„Im Jahr 2018 gab es einen Anstieg bei
der Überquerung von Grenzen in der
Luft. ... Die am meisten genutzten
Flugrouten mit Blick auf Asylanträge
sind: Casablanca (Marokko) nach
Madrid und Paris. Istanbul nach
Frankfurt/M. und andere EU-Ziele.
VVVon Kutaisi (Georgien) zu verschiede-on Kutaisi (Georgien) zu verschiede-
nen EU-Flughäfen. Von Tirana (Alba-
nien) zu italienischen Flughäfen. Von
Athen, Thessaloniki, Heraklion zu
verschiedenen EU-Flughäfen. Von
italienischen und spanischen Regio-
nalflughäfen zu britischen und iri-
schen Flughäfen.“

Die Tricks der Schleuser


Interne Dokumente der EU zeigen, dass die Menschenschmuggler immer brutaler und raffinierter werden. Sogar Polizisten


beteiligen sich an dem schmutzigen Geschäft. WELT schildert Fälle, die EU-Behörden jüngst aufdeckten, im Originalton


FFFür viele ist der Menschenschmuggel ein lukratives Geschäft. Die Schlepper verlangen Tausende Euro für die Reise nach Europaür viele ist der Menschenschmuggel ein lukratives Geschäft. Die Schlepper verlangen Tausende Euro für die Reise nach Europa


AFP

/PAVEL VITKO

DIE MINDERJÄHRIGE


WURDE DANN ZUR


PROSTITUTION


GEZWUNGEN


VERTRAULICHES EU-DOKUMENT

Prozesse in Deutschland beginnen. Vom



  1. August 1942 bis zum 26. April 1945,
    dem Tag der Evakuierung des Lagers,
    versah B. dort seinen Dienst.
    Der frühere Wachmann hat sich im
    vergangenen Jahr in Vernehmungen
    ausführlich eingelassen und zugegeben,
    Hunderte Leichen gesehen und auch
    Schreie aus der Gaskammer gehört zu
    haben. Viele Menschen seien an Krank-
    heiten gestorben, und er habe aus Er-
    zählungen gewusst, dass Frauen vergast
    worden seien.
    Konkrete Taten wirft ihm Ober-
    staatsanwalt Lars Mahnke in seiner 79-
    seitigen Anklageschrift nicht vor. Doch
    allein durch seine Zugehörigkeit zur
    Wachmannschaft sei er ein kleines Räd-
    chen in der Tötungsmaschine gewesen,
    die das KZ Stutthof war. Das Argument
    der Ankläger: Ohne die bewaffneten
    Aufpasser, die Fluchtversuche verhin-
    dern oder aufhalten sollten, wären die
    Verbrechen im Lager nicht möglich ge-
    wesen. Und die „Sicherung des Häft-
    lingslagers“ gehörte dem Historiker
    Stefan Hördler zufolge nicht nur zu den
    wichtigsten Wachaufgaben des Postens,
    sondern war Grundvoraussetzung für
    das Funktionieren des KZs.
    Hördler hat die Arbeit der SS-Wach-
    männer recherchiert und in einem Gut-
    achten festgehalten. Er wird im Prozess
    auftreten und war bereits im Stutthof-
    Verfahren von Münster 2018 als Sach-


W


enn Bruno D., SS-Schütze in
der 1. Kompanie des Toten-
kopfsturmbanns auf dem
Wachturm stand, war er vom Tod in all
seinen Facetten umgeben. Er konnte die
Rauchsäulen der Scheiterhaufen sehen,
auf denen die Leichen ermordeter Häft-
linge im KZ Stutthof, etwa 40 Kilometer
östlich von Danzig, verbrannt wurden.
Er wusste wohl, dass das Gebäude unter
ihm die Gaskammer war, in der nicht
mehr arbeitsfähige Gefangene mit Zy-
klon B erstickt wurden. Und er kannte
den Block 29/30, den sogenannten To-
desblock. Dort wurden die Juden er-
mordet, indem man ihnen Nahrung,
Wasser und medizinische Hilfe verwei-
gerte. Mindestens 5000 Menschen star-
ben dort auf Strohlagern, die von Exkre-
menten und Eiter durchtränkt waren.

VON PER HINRICHS

So jedenfalls steht es in der Anklage
der Staatsanwaltschaft Hamburg. Sie
hatte Bruno D. im April angeklagt. Nun
hat die zuständige Kammer des Landge-
richts Hamburg entschieden, das Ver-
fahren zu eröffnen. Sie will am 17. Okto-
ber mit der Verhandlung beginnen. Also
muss sich Bruno D. jetzt, am Ende sei-
nes Lebens, mit dem Vorwurf der Bei-
hilfe zum Mord an mindestens 5230
Menschen auseinandersetzen. Damit
könnte im Herbst einer der letzten NS-

verständiger geladen. Ihm zufolge gab
es zwei Postenketten, die sich um das
Lager legten. Wachmänner geleiteten
Häftlinge zu ihrer Arbeit, bewachten die
Außenkommandos, sicherten die Wach-
türme und ankommende Transporte.
Sie hielten Gefangene auch bei Selektio-
nen und beim Abtransport in Vernich-
tungslager in Schach. Regelmäßig nah-
men sie an ideologischen Schulungen
teil und absolvierten Schießtrainings.
Aus dem KZ Dachau sind die Wach-
vorschriften für SS-Angehörige erhalten
geblieben. Sie dürften in allen KZ ange-
wandt worden seien. Dort finden sich
unter anderem folgende Anweisungen:
Aufgabe des Postens ist insbesondere,
jede geplante Flucht oder gewaltsame
Befreiung der Lagerinsassen zu verhin-
dern, sowie Revolten mit allen Mitteln

zu begegnen. „Wenn nötig, ist von der
Schusswaffe Gebrauch zu machen.“ –
„Wer versucht, den Kopf zu heben und
so Anzeichen von Flucht ahnen lässt,
wird sofort erschossen.“
Mit Blick auf die Frage der Schuld er-
scheint Hördlers Recherche wichtig,
wonach sich jeder Wachmann versetzen
lassen konnte – indem er sich an die
Front meldete. Wer also nicht mitma-
chen wollte, konnte demnach das Lager
verlassen. Denn der Dienst an der
Kriegsfront spiegelte das heroische Bild
des SS-Soldaten besser als der Dienst
im Konzentrationslager.
Die Historikerin Janina Grabowska-
Chalka beschrieb in ihrem 2004 er-
schienen Buch „Stutthof. Historischer
Wegweiser“ die erschütternden Zustän-
de im Lager, in dem D. arbeitete. Sämtli-
che Gefangenen, Frauen, Alte und Kin-
der waren zur Arbeit verpflichtet.
Schwere, die menschlichen Kräfte über-
steigende Arbeit bestimmte den Rhyth-
mus von Leben und Tod im Lager, so die
Autorin. Die Lebensbedingungen waren
darauf ausgerichtet, die Menschen auf
schnellstem Wege zum psychischen Zu-
sammenbruch und Erschöpfung ihrer
körperlichen Kräfte zu bringen.
Die Häftlinge wohnten in Holzbarac-
ken und teilten sich einen Raum von et-
wa 50 Quadratmetern mit 150 bis 200
Menschen. Hunger und Durst, Hitze
und Kälte schwächten die Menschen

und führten viele in den Wahnsinn. Als
im November 1944 eine Typhus-Epide-
mie ausbrach, gingen die Erkrankten
elendig zugrunde. Bis zu 5000 sollen es
gewesen sein.
Die Überlebende Judy Meisel erin-
nert sich an ihre Zeit im Lager, sie tritt
als Nebenklägerin Hamburger Verfah-
ren auf. „Es war schlimmer als im Get-
to, es ging jetzt nur noch ums nackte
Überleben“, sagt sie. Bei der Ankunft

to, es ging jetzt nur noch ums nackte
Überleben“, sagt sie. Bei der Ankunft

to, es ging jetzt nur noch ums nackte


rissen SS-Männer ihr die Haare aus, sie
blutete am ganzen Kopf. Ein Mann
brach die goldenen Kronen aus dem Ge-
biss ihrer Mutter, das Blut lief ihr aus
dem Mund. „So standen wir nebenein-
ander, blutverschmiert, gedemütigt und
zu Tode verängstigt“, sagt Judy Meisel.
Die SS-Männer schwingen sich zu
Herren über Leben und Tod auf, neh-
men sich das Recht, zu foltern, zu schla-
gen und zu morden. „Sie haben mir alle
Fingernägel herausgerissen. Es hat Jah-
re gedauert, bis sie wieder da waren“,
sagt Meisel. Sie sieht, wie die Deutschen
Babys mit dem Kopf an die Wand schla-
gen, bis sie tot sind. Sie sieht, wie ihre
eigene Mutter in die Gaskammer ge-
führt wird, am 21. November 1944, kurz
bevor die Rote Armee das Lager befreit.
Bruno D. war auf der anderen Seite,
ein Mann in einer SS-Uniform mit
einem Gewehr um den Hals. Aber war
er auch ein Peiniger, ein Unmensch? An-
kläger Mahnke sieht in Bruno D. zwar

keinen glühenden Verehrer der NS-
Ideologie. Er habe sich auf der anderen
Seite aber nie für die Verfolgten einge-
setzt und vielmehr geglaubt, er könne
die Zeit überstehen, indem er sich wie
ein Einzelgänger verhalte, der Befehle
einfach ausführe und sich im Übrigen
aus der Sache heraushalte.
Auf Nachfragen aber erinnerte sich
Bruno D. an einzelne Tötungen. „Ich
hab’ da mal von Ferne diese Schreie ge-
hört“, sagte er zu den Morden in der
Gaskammer, bei denen die Gefangenen
erst nach etwa zehn bis 30 Minuten tot
waren und vorher um ihr Leben schrien
und kämpften.
Die Morde an den Juden in Stutthof
hatten „ohne Zweifel“ verbrecherischen
Charakter, schreibt Oberstaatsanwalt
Mahnke, und Bruno D. habe das er-
kannt. Am 6. Juli 2018 sagte er in der
Vernehmung: „Ich wusste wohl, dass
das Juden waren, die keine Verbrechen
begangen haben. Dass die nur dort drin
waren, weil es Juden waren. Und die ha-
ben genauso ein Recht, zu leben und
frei zu arbeiten, wie jeder andere
Mensch.“
Insgesamt ermordeten die Deutschen
etwa 65.000 Menschen in Stutthof, et-
wa 70 Prozent davon waren Juden.
Das Gericht will wegen der angegrif-
fenen Gesundheit Bruno D.s an zwei Ta-
gen in der Woche für etwa zwei Stunden
verhandeln.

Einer der letzten NS-Prozesse


Das Landgericht Hamburg hat das Verfahren gegen den ehemaligen SS-Mann Bruno D. eröffnet. Der Vorwurf: Beihilfe zum Mord in mindestens 5230 Fällen


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VON FLUCHT AHNEN


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