A
bgesehen davon, dass
es dort sprießt und
blüht oder eingeht und
verdorrt, hat ein Gar-
ten mit Natur nichts zu tun. Er
ist Kulturprodukt und ein Kunst-
werk im besten Sinne: Der Gar-
ten ist begehbar, emotional wie
intellektuell erfahrbar. Er spricht
alle Sinne an. Und er ist seit je-
her ein Zauberspiegel für die
WWWelt, wie wir sie uns wünschen –elt, wie wir sie uns wünschen –
jedenfalls seit Adam und Eva von
dort vertrieben wurden, aus je-
nem eingefriedeten Bereich, der
im alten Persien pairi daēzahieß.
VON MARCUS WOELLER
Heute bestellt der von Para-
diesglaube und Gartenbau ent-
fffremdete Städter seinen remdete Städter seinen hortus
conclususin ausgedienten Wein-
kisten und betreibt „Urban Gar-
dening“ schon zur Verbesserung
des ökologischen Fußabdrucks.
KKKünstler aber entdecken denünstler aber entdecken den
Garten als Metapher für den Zy-
klus von Leben und Tod. Außer-
dem passt er perfekt in die „rela-
tional aesthetics“, die unter Ku-
ratoren derzeit so beliebt sind.
Dabei sind Künstler nicht mehr
Produzenten von Werken, son-
dern Schöpfer von Mikro-Uto-
pien, in denen der Austausch
zzzwischen Kunst und Betrachterwischen Kunst und Betrachter
endlich wieder sozial und poli-
tisch relevant werden könnte.
Wenn der Martin-Gropius-
Bau in Berlin nun also in einen
„Garten der irdischen Freuden“
lädt, dann ist das mehrdeutig.
Die Direktorin Stephanie Ro-
senthal versammelt hier Künst-
ler, die das Motiv des Gartens
ästhetisch aufnehmen und in-
terpretieren. Freudig stimmen
diese Gärten aber nur bedingt,
das Paradies scheint verloren:
„In meinem Garten lebt nicht
viel“, sagt Heather Phillipson,
und man trampelt durch ihre
grellrosa ausgeleuchtete Rin-
denmulchdystopie mit Videos
von einer Pflanze, die sie hier
dankenswerterweise nicht in
Kübeln ausgepflanzt hat, den
Stinkkohl. Trotzdem setzt eine
olfaktorische Halluzination ein,
man denkt an Zersetzung und
Verwesung. Die Künstlerin ist
mit ihren Gedanken schon wei-
ter. Was lebt weiter nach der
Klimakatastrophe? Und wer
wird kompostiert?
In der Installation „Antoine’s
Organ“, die Rashid Johnson auf-
gebaut hat, sieht man den Men-
schen nicht mehr. Er ist nur vage
zu spüren, weil Bücherstapel auf
dem Stahlregal zwischen Un-
mengen von Zimmerpflanzen
stehen und einige Sheabutters-
kulpturen einen leicht ranzigen
Geruch verbreiten. Erst wenn
am Samstagnachmittag aus dem
Inneren ein Klavier ertönt, bleibt
der Pianist zwar verborgen, wird
aaaber deutlich, dass ein Gartenber deutlich, dass ein Garten
nur durch die menschliche Prä-
senz am Leben bleibt.
Korakrit Arunanondchai ist
fasziniert vom Hieronymus-
Bosch-Gemälde „Der Garten
der Lüste“, das in der Ausstel-
lung als Kopie aus dem 16. Jahr-
hundert hängt. Das Wimmel-
bild der menschlichen Komödie
und Tragödie inspirierte den
thailändischen Shootingstar zu
einer überbordenden Sitzland-
schaft mit Plastikblumendeko-
ration und der gefälligen Flach-
ware, die er für den Kunstmarkt
produziert. Die beiden Bild-
schirme gehen davor fast unter.
Sie zeigen anrührende Videos
aus dem Garten von Aruna-
nondchais Großeltern, erzählen
von den verheerenden Zerstö-
rungen der Überschwemmun-
gen im Jahr 2011 und der Angst
vor dem Weltuntergang.
Zum Glück birgt die Garten-
metapher auch die Lust am
Neuanfang. Tacita Dean erhebt
einen englischen Apfelbauern
zum Poeten über die Langsam-
keit des Lebens und die Schön-
heit des Moments. Hicham Ber-
rada überlistet die in den Kon-
ventionen ihrer Biologie ste-
ckende Natur und erschafft ei-
nen duftenden Paradiesgarten.
Und Zheng Bo liebt die Pflan-
zen einfach, sogar sexuell.
Der anregendste Garten aber
ist der Martin-Gropius-Bau
selbst. Akanthusblätter und
WWWeinreben zieren den Boden,einreben zieren den Boden,
Rankwerk und glasierte Kachel-
reliefs von reifen Äpfeln, Ananas
und Maiskolben schmücken die
WWWände. Überall wächst und wu-ände. Überall wächst und wu-
chert in dem um 1880 als Kunst-
gewerbemuseum errichteten
Haus das Ornament. Ganz ohne
welterklärende Hintergedanken.
TBis zum 1. Dezember
ZHENG BO
Sex mit
Farnen
Ist der Garten
unsere letzte
Mikro-Utopie? Eine
Berliner Schau
erkundet den
Raum zwischen
Paradies und
Weltuntergang
HICHAM BERRADA, FOTO: ARCHIVE KAMEL MENNOUR, COURTESY:DER KÜNSTLER; PARIS / LONDON & VG BILD-KUNST, BONN 2019
RASHID JOHNSON, COURTESY: DER KÜNSTLER UND HAUSER & WIRTH
MATHIAS VÖLZKE, COURTESY: DIE KÜNSTLERIN
18 REPORT DIE WELIE WELIE WELT KOMPAKTT KOMPAKT DONNERSTAG, 8. AUGUST 2019
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