22 KULTUR DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT DONNERSTAG,8.AUGUST2019
IM KINO
JETZT im KiNO
vom regisseur von
ein FLieHenDes PFerD
unD Dem autor von FamiLienFest
„Diese bitterböse Scheidungskomödie macht einen Heidenspaß!“
F i l m s t a r t s
martina Gedeck
UlricH tUkUr
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C
yril Ramaphosa, der
derzeitige Präsident
Südafrikas, verglich
die Strategie der neu-
en ANC-Regierung im Umgang
mit den Weißen in den frühen
Neunzigerjahren mit der Zube-
reitung eines Frosches: „Man
wwwürde es angehen wie das Ko-ürde es angehen wie das Ko-
chen eines Frosches bei lebendi-
gem Leibe. Das gelingt, indem
man die Temperatur ganz lang-
sam steigert. Als Kaltblüter be-
merkt der Frosch den langsamen
Anstieg der Temperatur nicht,
doch würde man sie plötzlich an-
steigen lassen, würde er aus dem
WWWasser springen.“ asser springen.“
Ramaphosa meinte damit,
dass die schwarze Mehrheit Ge-
setze verabschieden würde, die
WWWohlstand, Land und wirtschaft-ohlstand, Land und wirtschaft-
liche Macht ganz langsam und
Stück für Stück von den Weißen
zu den Schwarzen transferieren
wwwürden, bis die Weißen alles,ürden, bis die Weißen alles,
was sie in Südafrika gewonnen
hatten, wieder verloren hätten,
ohne dabei jedoch jemals zu viel
auf einmal zu nehmen, damit die
so Beraubten nicht auf den Ge-
danken kämen zu rebellieren
oder zu kämpfen.
Ramaphosa ist einer der wohl-
habendsten Geschäftsmänner
des Landes, er besitzt mehr als
eine halbe Milliarde US-Dollar.
WWWenn wir also schon über dieenn wir also schon über die
Umverteilung von Wohlstand re-
den, sollte jemand wie er dann
nicht auch zum langsamen Ko-
chen in den Topf geschmissen
werden? Oder besteht unser Ziel
einfach darin, die alte weiße
Herrscherklasse durch die neue
schwarze zu ersetzen, während
die schwarze Mehrheit weiterhin
in der gleichen Armut feststeckt?
Es gibt jedoch eine andere
weitaus interessantere Verwen-
dung für Ramaphosas eher un-
glückliche Metapher: Beschreibt
GETTY IMAGES
/ CYFROGCLONE
Wir sind Frösche,diedie
sich zu Tode kochenich zu Tode kochen
Die Klimakatastrophe und der digitaleie Klimakatastrophe und der digitale
Polizeistaat stehen am Horizont – aberolizeistaat stehen am Horizont – aber
wir machen einfach so weiter. Warum?ir machen einfach so weiter. Warum?
VVVon Slavoj Žižekon Slavoj Žižek
sie nicht perfekt, wie (bis jetztie nicht perfekt, wie (bis jetzt
jedenfalls und in den entwickel-edenfalls und in den entwickel-
ten Ländern) die Bedrohungen Ländern) die Bedrohung
durch den Klimawandel wahrge-urch den Klimawandel wahrge-
nommen wird? Während wir imommen wird? Während wir im
wahrsten Sinne des Wortes vonahrsten Sinne des Wortes von
der globalen Erwärmung ge-er globalen Erwärmung ge-
kocht werden, scheint es, alsocht werden, scheint es, als
spiele die grausame Mutter Na-piele die grausame Mutter Na-
tur das gleiche Spiel, wobei sieur das gleiche Spiel, wobei sie
das Wasser (und die Luft) ganzas Wasser (und die Luft) ganz
langsam erwärmt. angsam erwärmt.
Der Prozess der globalen Er-
wärmung geht langsam vonstat-
ten und ist voller Mehrdeutigkei-
ten, die von den Klimaleugnern
ausgenutzt werden – so mag der
WWWandel des Klimas extreme lo-andel des Klimas extreme lo-
kale Kälteeinbrüche zur Folge
haben. Solche Vorfälle ermögli-
chen es mental gefestigten Ge-
nies wie Trump zu erklären, dass
wir wärmeres Wetter bräuchten.
In Wahrheit könnte einer der Ef-
fffekte der globalen Erwärmungekte der globalen Erwärmung
sein, dass der Golfstrom seine
Route ändert und Nordwesteu-
ropa nicht mehr erreicht, was zu
einer Eiszeit von Frankreich bis
Skandinavien führen würde.
Beinahe fühlt es sich so an, als
sei das „Projekt Klimaerwär-
mung“ so orchestriert, dass die
Mehrheit der Menschen skep-
tisch bleiben und sich weigern
wird, etwas dagegen zu tun. Und
bloß als Erinnerung, dass die La-
ge ernst sein könnte, trifft uns
gelegentlich eine Hitzewelle
oder ein unerwarteter Tornado,
doch solche Katastrophen wer-
den dann schnell zu unvorher-
sehbaren Unfällen umgedeutet.
Und so bekommen wir, selbst
wenn wir uns der Bedrohung ge-
wahr sind, von den Medien die
Botschaft, dass wir ohne große
VVVeränderungen einfach so wei-eränderungen einfach so wei-
termachen sollten wie bisher –
den Müll recyceln, die Coladose
in eine Tüte, die alten Zeitungen
in eine andere, und schon ist die
Klimapflicht erfüllt.
Und dann gibt es noch einen
weiteren Zusammenhang, in
dem Ramaphosas Metapher zur
Anwendung kommen könnte.
Und zwar einen, der kaum weni-
ger entscheidend für das Überle-
ben der Menschheit sein könnte:
Geschieht nicht etwas Ähnliches
mit der Bedrohung durch die di-
gitale Kontrolle unseres Lebens?
Wir sind definitiv auf dem direk-
ten Weg in eine Ära des digitalen
Polizeistaates: Auf die eine oder
andere Art registrieren digitale
Geräte all unsere persönlichen
Daten und Taten, von unserer
Gesundheit bis hin zu unseren
Einkaufsgewohnheiten, von poli-
tischen Meinungen zu der Art
von Unterhaltung, die wir mö-on Unterhaltung, die wir mö-
gen, von geschäftlichen Ent-
scheidungen bis hin zu unseren
sexuellen Praktiken. Mithilfe der
heutigen Supercomputer kön-
nen so riesige Datenmengen
fffeinsäuberlich kategorisiert undeinsäuberlich kategorisiert und
in individuellen Ordnern gela-
gert werden, die anschließend
staatlichen Institutionen und
privaten Konzernen zugänglich
gemacht werden. Und doch geht
die eigentliche Bedrohung weni-
ger von digitaler Kontrolle an
sich aus als vom Lieblingsprojekt
der Hirnforscher: digitale Gerät-
schaften, die in der Lage sein sol-
len, unsere Gedanken zu lesen
(natürlich ohne, dass wir davon
etwas mitbekommen).
Diejenigen, die dahinterste-
hen, also die Machthaber, verlas-
sen sich auf eine Reihe von Stra-
tegien, um uns, wie den Frosch,
nicht wahrnehmen zu lassen,
dass das Wasser heißer und hei-
ßer wird. Eine Strategie besteht
darin, diese Bedrohung als uto-
pisch abzutun: Davon seien wir
noch weit entfernt, bei der Angst
vor Gedanken lesenden Maschi-
nen handele es sich um nichts als
linksliberale Paranoia. Die ande-
re Strategie besteht darin die
möglichen (vor allen Dingen me-
dizinischen) Vorteile dieses Pro-
zesses hervorzuheben: Wenn ei-
ne Maschine die Gedanken eines
vollständig gelähmten Menschen
lesen könnte, würde das alltägli-
che Leben für diesen Menschen
wesentlich leichter, denn eresentlich leichter, denn er
könnte seinen Mitmenschenönnte seinen Mitmenschen
ganz einfach vermitteln, was eranz einfach vermitteln, was er
möchte, und zwar, indem er festöchte, und zwar, indem er fest
daran denkt.
Darüber hinaus werden diearüber hinaus werden die
Medien nicht müde zu betonen,edien nicht müde zu betonen,
wie sehr die neuen Technologienie sehr die neuen Technologien
unser tägliches Leben erleich-nser tägliches Leben erleich-
tern werden. Meine Lieblingsge-ern werden. Meine Lieblingsge-
schichte ist die vom Irisscanner,chichte ist die vom Irisscanner,
der jedes Mal zur Anwendunger jedes Mal zur Anwendung
kommen wird, wenn wir einenommen wird, wenn wir einen
Laden betreten. Der Scanneraden betreten. Der Scanner
identifiziert uns, baut eine Ver-dentifiziert uns, baut eine Ver-
bindung zu unserem Konto aufindung zu unserem Konto auf
und stellt fest, was wir uns leis-nd stellt fest, was wir uns leis-
ten können. Obendrein regis-en können. Obendrein regis-
triert das System, was wir beiriert das System, was wir bei
uns haben, wenn wir den Laden
verlassen, sodass wir nichts wei-
ter tun müssen. Geschäfte wer-
den Orte sein, an denen wir neh-
men, was wir brauchen, und
dann wieder gehen.
Sowohl im Zusammenhang
mit der Klimaerwärmung als
auch mit der immer weiter vo-
ranschreitenden digitalen Über-
wachung sind die Veränderun-
gen graduell, sodass wir sie, au-
ßer in kurzen Ausnahmesituatio-
nen, im täglichen Leben eigent-
lich ignorieren können, bis es
ganz plötzlich zu spät sein wird
und wir feststellen, dass wir alles
verloren haben.
Und doch gibt es einen Unter-
schied zwischen der Zubereitung
eines Frosches und der Klimaer-
wärmung oder digitaler Überwa-
chung: Sowohl im Zusammen-
hang mit der ökologischen wie
auch der digitalen Bedrohung
gibt es keinen Außenstehenden,
keine übermenschliche Instanz,
die ganz langsam die Tempera-
tur aufdreht oder die digitale
Überwachung verstärkt. Wir tun
uns das alles selbst an, wir selbst
erhöhen Stück für Stück die
Temperatur, was uns die Mög-
lichkeit gibt, die Bedrohung zu
ignorieren. Wir sind die Frösche,
die sich selbst langsam zu Tode
kochen.
TAus dem Englischen von
Sabine Kray
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