Frankfurter Allgemeine Zeitung - 08.08.2019

(Joyce) #1

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Reiseblatt DONNERSTAG, 8. AUGUST 2019·NR. 182·SEITE R 3


D


asSalz entstammt dem Meer,
dort entstand es vor Millionen
von Jahren. Doch dann floss es
aufgelöst und dabei wohlgeleitet
entlang dicht bewaldeter Berghänge am
Alpenrand bergauf. Vom Meer weit und
breit keine Spur, nur das bayerische Meer,
der Chiemsee, sorgt noch für eine leichte
Brise. Und dazu hatte sich auch die natur-
gegebene Fließrichtung geändert. Der
Sole, dem mit Salz angereicherten Wasser,
gelang der Anstieg nicht aus eigener
Kraft, geniale Techniker hatten das Was-
ser gelehrt, bergauf zu fließen. Genau vier-
hundert Jahre ist das nun her. 1619 wurde
im bayerischen Voralpenland die erste
Pipeline der Welt eröffnet, im Chiemgau,
wo das Salz in den Bergen wohnt.
Konnte man es nicht einfach so gewin-
nen, ohne es erst kilometerlang bergauf,
bergab fließen zu lassen, an seinem Ur-
sprung in Bad Reichenhall in Empfang
nehmen, sieden, verwerten, verkaufen?
Am Anfang schon, doch dann wollte man
mehr. Eine zusätzliche Salzquelle wurde
1613 bei Bad Reichenhall entdeckt. Diese
ungenutzt zu lassen, das war für den Kur-
fürsten keine Option. Mit einer Quelle al-
lein ist die Salzgewinnung jedoch nicht zu
bewerkstelligen, denn das Salz muss von
seiner nassen Umgebung getrennt wer-
den. Dazu braucht man Feuer und fürs
Feuer wiederum Holz. Das gab es zwar ge-
nug in den bayerischen Bergen, aber rund
um Bad Reichenhall reichte es nicht aus,
um die Salzproduktion noch weiter zu stei-
gern. Was also tun? Wege und Straßen
fehlten, um das Holz aus der Ferne heran-
zukarren. Doch wenn das Holz nicht zum
Salz kommen konnte, dann eben das Salz
zum Holz. Leichter gesagt als getan, denn
es ging für die Sole nicht einfach bergab,
sondern bergauf. 253 Höhenmeter galt es
zu überwinden – von Bad Reichenhall
nach Traunstein, der zukünftigen Salzme-
tropole.
„Das Salz hat uns reich gemacht. Schon
seit dem Mittelalter wurde es in Traun-
stein umgeschlagen und ab 1619 hier ge-
siedet“, sagt heute wieder der Salzmaier,
Herr der Salzproduktion und des Salzhan-
dels und damit einst der einflussreichste
Mann der alten Salinenstadt, der hier sei-
ne Geschichte und die des Salzes erzählt.
Das Salz ist allgegenwärtig, und das nicht
erst, seit der Salinenpark vor den alten Sa-
linenhäusern eröffnet wurde. Josef
Knott, ausstaffiert mit grauer Locken-
perücke, Dreispitz, Stiefeln und weißer

Stiefelhose, blauem Rock und goldenen
Epauletten, hat sich der salzigen Stadtge-
schichte verschrieben. Die Salinenkapel-
le, den Lindlbrunnenn, Schrannenplatz,
den Rubertusbrunnen und vieles mehr
hat die Stadt dem Weißen Gold zu verdan-
ken. Doch das musste, bis es hier gesie-
det, getrocknet, verkauft und getauscht

werden konnte, erst einmal den Weg
nach Traunstein finden.
Neuntausend von Hand entkernte und
miteinander verbundene Baumstämme,
jeder vier Meter lang, bildeten ein 31 Kilo-
meter langes Rohrsystem. Doch diese Dei-
cheln waren noch nicht die Lösung des
Problems. Das Salz musste fließen ler-

nen, und zwar mit Druck sechzig Meter
bergauf. Es heißt, dass dieser auch von
höchster Instanz auf die Techniker ausge-
übt worden sei. Gerade damals empfahl
es sich, wie heute auch noch an manchen
Orten, den Herrschern zu gehorchen. Si-
mon Reiffenstuel gelang, zusammen mit
seinem Vater Hanns, das Unmögliche –

dank der von ihm entwickelten und nach
ihnen benannte Kolbendruckpumpe. Die
erste Pipeline der Welt war geschaffen.
Am 5. August 1619 wurde sie in Betrieb
genommen.
„Das war damals natürlich eine großar-
tige Entwicklung“, erklärt Otto Huber im
Museum des neueröffneten Traunsteiner
Salinenparks. Und stolz darf er sein, nicht
nur auf die Geschichte, die hier nun zu se-
hen ist, sondern auch auf seine eigene. Er
stammt aus einer Familie mit Tradition,
die auch für den Aufstieg der Alpensole
und damit des Salzes sorgte. Brunnenwär-
ter waren sie, ein Berufsstand von hohem
Ansehen. Seine Vorfahren und all die an-
deren Brunnenwärter zwischen Bad Rei-
chenhall und Traunstein und ab 1810 wei-
ter bis Rosenheim sorgten dafür, dass das
Salz auch wirklich in der Saline ankam,
für die es bestimmt war. Jeden Tag musste
dreimal der Wasserstand gemessen und in
genauen Tabellen festgehalten werden.
„Sank er ab, wusste man sofort, dass ir-
gendwo in den Soleleitungen ein Leck
war. Und auch der Salzgehalt musste mit
einem Aräometer bestimmt werden“, er-
klärt er den Beruf – oder war es Beru-
fung? – seiner Familie.
Auch die ausgehöhlten Holzstämme,
durch die das salzige Wasser floss, muss-
ten kontrolliert werden. Zweimal am Tag
wurden sie auf langen Wanderungen in-

spiziert. Otto Huber begleitete auf so
manchem Kilometer seinen Großvater
Franz Xaver Strobl auf dessen Kontroll-
gängen durch den Wald. Entlang der
Wege, die auch heute noch zum Wandern
einladen, durch dichte Wälder, durch end-
lose Bärlauchfelder – zumindest im Früh-
ling –, durchs lichte Grün, entlang steil ab-
fallender und aufsteigender Hänge berg-
auf, bergab. Hier scheint, auch wenn es
nur die Einbildung herbeizaubert, die fri-
sche Luft ein klein wenig mit Salz angerei-
chert zu sein. Der Kopf weiß, dass das un-
möglich ist, doch sobald man die alten,
moosbewachsenen Rohre am Wegesrand
entdeckt, atmet man gleich noch ein we-
nig tiefer ein.
Vor vierhundert Jahren waren solche
Wanderungen Pflicht und nicht Vergnü-
gen. Täglich mussten die Deicheln auf
ihre Dichtigkeit überprüft werden, kein
Tropfen sollte verlorengehen und nichts
gestohlen werden – an den eisernen Ver-
bindungsstücken bedienten sich gern Wil-
derer, um daraus Kugeln zu gießen, und
an der Sole die Bauern, die so an Salz für
ihre Tiere kamen.
Sieben Brunnenhäuser mit Reservebe-
cken, damit es immer genug Sole gab, mit
Leitungen und Pumpen gab es zwischen
Traunstein und Rosenheim. In ihnen wur-
de die Sole bergauf gepumpt, damit sie an-
schließend bis zur nächsten Steigung wie-
der bergab fließen konnte. In Weißbach
an der Alpenstraße unweit der Weißbach-
fälle geht es vom Brunnenhäusl Nagling
und der Niederreserve besonders steil und
hoch hinauf. 556 Treppenstufen, 207 Me-
ter, die der Beinmuskulatur auch heute
noch einiges abverlangen. Auf ihre endgül-
tige Länge kam die „Himmelsleiter“ erst
bei der Erneuerung der Soleleitung im
Jahr 1880, seither wurde zwar ausgebes-
sert, aber nie vollkommen erneuert. Und
so taucht man mit jedem Schritt weiter ein
in die Geschichte des Salzes, in das harte
Leben der Brunnenwärter und ist froh,
dass man diesen Aufstieg hinauf zur 1817
errichteten Hochreserve nicht tagein, tag-
aus dreimal vornehmen muss. Die Mus-
keln schmerzen, und die Atmung legt zu.
Vorbei geht es an den Resten der alten Auf-
schlagswasserleitung und weiter hinauf,
bis der alte Hochbehälter und der schöne
Ausblick von dort erreicht sind.
Mit der Pumpe hätte doch gleich ein
Lift erfunden werden können. Für mehr
Komfort hätten bestimmt auch die Waldar-
beiter plädiert, die im Winter hinauf in die
Wälder zogen. Die Holzknechte, wie sie
sich zum Teil noch voller Stolz nennen,
hatten ein hartes Leben im Wald. Tage-
lang blieben sie oben am Berg, hausten in
einfachsten Hütten und hatten enormen
Respekt vor der Natur. Ein Baum war
nicht nur ein Stück Feuerholz oder eine
spätere Deichel, er war für sie die Lebens-
grundlage, die es zu ehren galt. Wie viele
Völker auf der Welt ihrer Beute mit Ritua-
len, mit Tanz, Theater oder Gebet Respekt
zollten, so taten es die Holzknechte mit ih-
ren Bäumen: War einer der Riesen gefällt,
so hielten sie inne und bedankten sich bei
ihm. Auch wenn der nächste, den es zu fäl-
len galt, bereits schon ausgesucht war, um
später in Traunstein die Sole zum Sieden
zu bringen und mit dem Salz für Wohl-
stand zu sorgen.

LVeranstaltungen zum Salz:Am9. August findet der historische Samerzug
vom Holzknechtmuseum über Inzell und Siegsdorf nach Traunstein statt.
Mehr unter http://www.chiemsee-chiemgau.info/samerzug.
LEssen: Mitdem Salzmaier wird im Anschluss an seine Führung im Gasthof
„Zum Aubräu“ (wwww.zum-aubraeu.de) ein Salzkrustenbraten serviert.
Auf Nachfrage kann man im Parkhotel Traunstein ein Salzmenü bestellen und mit
Glück auch die Karamell-Schokoladen-Tarte, mit Salz natürlich, probieren.
LÜbernachten:Zentral und traditionsreich das Parkhotel 1888,
http://www.parkhotel-traunstein.de.
LAusstellungen:Salinenpark in Traunstein, http://www.traunstein.de.
Das Museum Salz und Moor in Grassau zeigt bis Ende Oktober die Ausstellung
„400 Jahre Soleleitung“, http://www.grassau.de/klaushaeusl. Im Holzknechtmuseum
Ruhpolding erfährt man alles zur Geschichte des Holzknechtvereins
und zum Leben der Waldarbeiter, http://www.holzknechtmuseum.com.
LWeitere Informationenunter http://www.traunstein.de/salz. Allgemeine Informationen
zur Region bei Chiemgau Tourismus unter http://www.chiemsee-chiemgau.info und zum
Fernwanderweg SalzAlpenSteig und zu den SalzAlpenTouren und -Wegen unter
http://www.salzalpensteig.com.

Uferschwalben ihre armtiefen Röhren in
den Sand der Steilküste gegraben. Zwi-
schen fünfhundert und zweitausend Paa-
re, je nachdem, wie viele den Rückweg
aus Afrika geschafft haben, bilden hier je-
des Jahr die zweitgrößte Kolonie Schles-
wig-Holsteins. Sie bauen auf Zeit in ge-
fährdetem Umfeld: Heftige Regengüsse
lassen manchmal ganze Schwalbensied-
lungen abrutschen. Und dumme Touris-
ten ritzen ungeniert ihre Initialen zwi-
schen die Einfluglöcher. Doch fast meint
man, die rasanten Flieger hätten sich an
Publikumsverkehr gewöhnt. Geschickt
umschwirren sie den Eindringling, kata-
pultieren sich in rasante Loopings und
Zickzackkurse, schießen mit Beute im
Schnabel blitzschnell in ihre Röhren, und
selbst im Gewimmel findet jeder auf An-
hieb seine Hausnummer.
Zum ersten Mal kommt jetzt die Feh-
marnsundbrücke in Sicht, neunhundert-
dreiundsechzig Meter lang, auf sieben Be-
tonpfeilern ruhend. 1963 wurde sie eröff-
net und ist in ihrer Ausgewogenheit und
ihrer Beschränkung auf das Wesentliche
auch heute noch schön. Das Mittelstück,
ein flacher Bogen auf zwei Stützen, erin-
nert von fern tatsächlich an einen hölzer-
nen Kleiderbügel – so nannte man sie
denn auch. In dem winzigen Hafen an ih-
rem Fuß legte früher die Fähre nach Gro-
ßenbrode ab, anders kamen die Einwoh-
ner nicht nach „Europa“.
Noch hält das Wetter, auch wenn der
Himmel sich bezogen hat. Gelegentli-
cher Donner kündigt nicht etwa ein Ge-
witter an, sondern den Zug, der gerade
die Brücke überquert. Im kleinen Nest
Gold steht ein Mann mit einem gummier-
ten, schwarzen Rucksack auf den Schul-
tern und einem kleinen Brett unterm
Arm neben seiner Freundin am Strand,
schüttelt traurig den Kopf, als hätte je-
mand ihm alle Geburtstagsgeschenke ge-
stohlen, und jammert: „Das wird nichts
mehr, das wird wohl nie mehr was.“ Ein
Kite-Surfer ohne Wind mit eingepack-
tem Equipment ist ein trauriger Fall. Er
ist es besonders auf Fehmarn, wo Surfer
und Kiter fast immer mit Wind rechnen
können. Doch die bunten Surfsegel und
Lenkdrachen, die sonst die Lemkenhafe-
ner und die Gollendorfer Wiek spren-

keln, fehlen heute völlig. Es herrscht
Flaute. Das bringt Verdruss.
Am späten Nachmittag melden sich un-
wirsch ein paar bisher unbekannte Mus-
keln in Leiste und Oberschenkel. Es wird
Zeit, Schluss zu machen. Und da an die-
sem Tag das kulinarische Element erheb-
lich zu kurz gekommen ist, endet die Tour
in der „Aalkate“ in Lemkenhafen: Es gibt
kein besseres Bier als das nach einem lan-
gen Fußmarsch.
Der nächste Morgen am Hafen dort be-
ginnt mit rosa-goldenen Madonnenwölk-
chen im Stil italienischer Meister. Gelen-
ke und Muskeln haben sich erholt, es geht
wieder los. Alles macht den Wanderer in
diesem Moment glücklich: das Licht, der
menschenleere Deich, die vorüberstrei-
chenden Schwäne am Himmel, vor allem
aber das Privileg, einfach loslaufen zu dür-
fen. Wie eine flache, silberne Schale liegt
die Orther Reede im Morgenlicht. Weit
geht der Blick darüber hin, nur selten fin-
det er Grenzen auf Fehmarn. In Orth
schmückt sich das Hafenkontor von 1875
ebenfalls mit einem blauen Andreas-
kreuz. In etwa ein Meter Höhe zeigt eine
Marke, bis wohin das Wasser bei der gro-
ßen Flut vom 13. November 1872 gestie-
gen war, die sechsundfünfzig Hektar Feh-
marn wegspülte. Die geräumigen Getrei-
despeicher, die Schienen der längst stillge-
legten Eisenbahn im Kopfsteinpflaster
und eine weiße Säule mit der Büste Wil-
helms I. erinnern an die große Zeit des
Örtchens als Getreide- und Viehhafen.
Heute liegen Yachten vor Anker und gele-
gentlich das Schiff, auf dem Tierarzt Hin-
nerk Schönemann in der Fernsehserie
„Nord bei Nordwest“ sich Tee aufbrüht
und Damenbesuch empfängt. Wo es dann
festmacht? Der einzige Morgenmensch,
ein verwitterter Pirat mit grauem Bart,
grauem Schopf und tatsächlich einer täto-
wierten Blondine auf dem Unterarm, der
gerade Brötchen ausliefert, weiß es auch
nicht genauer.
Hinter dem Flügger Leuchtturm geht
es an einem der vielen Campingplätze
vorbei. Langsam erwacht dort das Leben.
Papa kommt mit Brötchen, Sohn lässt alle
Welt wissen, was er davon hält, dass die
Nutella alle ist, und Nachbar stellt die
Standardfrage aller Camper: Na, wie lan-

ge ging es denn gestern noch? Morgenki-
no im Vorübergehen.
Kleine Seen, Schilfgürtel, Strandwälle
und Kiesstreifen bilden im Nordwesten
der Insel eine Patchwork-Landschaft. Tei-
le der Dünen sind gesperrt, damit die
Zwergschwalben ungestört zwischen
Meerkohl und Strandkamille brüten kön-
nen. Im Schilf hebt beim Vorübergehen
ein ungestümes Zeter und Mordio an, ein
Froschkonzert mit üblen Misstönen. Ein
schwarzer und ein weißer Hund toben
über ein abgemähtes Wiesenstück. Aus
purer Lust laufen sie lange Wege ohne
Sinn und Zweck – nichts anderes macht
der Wanderer auch. Und noch einmal
zeigt sich der heute so gnädige Bruder Zu-
fall großzügig. Am Bojendorfer Strand
kullert im Wasser zwischen angespültem
Tang ein kleiner Stein von zartem, milchi-
gem Schimmer mit einer faserigen Struk-
tur im Inneren, der an abgeschabtes Glas
erinnert. Es ist ein Stück Ostseejade, das
schönste nur denkbare Souvenir einer
Strandwanderung. Der Faserkalk lässt
sich zu samtglatten, manchmal fast durch-
sichtigen Anhängern schleifen. Nun heißt
es freilich, Selbstdisziplin zu wahren und
nicht in den Suchtrott zu verfallen. Quar-
zite, Basalte, Porphyre, Gneis – zweihun-
dert Arten von Steinen sind an Fehmarns
Küsten zu entdecken. Dazwischen findet
man versteinerte Seeigel oder die soge-
nannten Hühnergötter, durchlöcherte
Feuersteine, die man einst an Stalltüren
hängte, um das Federvieh vor Füchsen zu
schützen; oder die begehrten Klapperstei-
ne, runde Feuersteine, die einen
Schwamm umschließen, der sich teils auf-
gelöst hat und dessen verfestigte Reste
munter in der Kugel rasseln.
Am nördlichsten Punkt der Insel, der
Markelsdorfer Huk, biegt die Küste nach
Osten ab. Lange, auch langweilige Kilo-
meter geraden Deichs liegen jetzt vor
dem Wanderer. Linker Hand ziehen weit
draußen Schiffe wie lose an einer Kette
aufgereiht vorbei. Der Fehmarnbelt ge-
hört zu den am meisten befahrenen Schiff-
fahrtsstraßen der Welt. Die Heideland-
schaft am Grünen Brink, heißt es, sei mit
ihren Kiefern, Erlen und Birken, den rosa
Grasnelken und der strähnigen Küstenhei-
de ein Stück Ur-Fehmarn. So habe die gan-

ze Insel einst ausgesehen, ehe sie weiträu-
mig gerodet wurde für Ackerbau und
Viehzucht.
Es ist Nachmittag, die Beine werden
schwer. Wie beruhigend, dass endlich die
Fähren zwischen Puttgarden und Rødby
in Sicht kommen. Die Rispen des Blauen
Natternkopfes säumen leuchtend den
Weg nach Puttgarden. Am Hafen werden
Fischbrötchen verkauft, „die letzten vor
Dänemark“, am nächsten Stand bereits
dänische Hotdogs, sicher die ersten vor
Dänemark. Vor dem Bordershop, einem
dreistöckigen Einkaufsschiff, das sechs-
hundert Sorten Alkohol vorhält, prüfen
Schweden und Dänen Bierpalette für Bier-
palette die Belastbarkeit ihrer Auto-Ach-
sen. Dahinter legen im Halbstundentakt
die „Schleswig-Holstein“ und die „Prins
Richard“ und zwei weitere Fähren an, für
die fünfundvierzig Minuten lange Über-
fahrt nach Dänemark.
Hier, ganz am Ende, löst sich auch das
Rätsel der blauen Kreuze. Sie sind das Zei-
chen der Beltretter und ihrer Unterstüt-
zer, jener großen Gruppe von Menschen,
die den geplanten Bau eines Tunnels un-
term Belt für puren Unsinn halten und
ihn verhindern wollen. Die Reederei
Scandlines, die die Schiffe betreibt, hat
im Fährbahnhof einen kleinen Raum mit
Stellwänden zum Thema eingerichtet.
Achtzehn Kilometer lang soll dieser Tun-
nel werden. Dänemark hat das Projekt an-
gestoßen und will die Kosten überneh-
men, Deutschland zahlt für die Anbin-
dung auf seiner Seite. Sowohl das däni-
sche wie das deutsche Parlament haben
das Bauvorhaben abgesegnet. Natürlich
müsste der Monopolist Scandlines da-
durch enorme Umsatzeinbußen hinneh-
men. Aber seine Argumente werden von
vielen Einheimischen geteilt: Ein sech-
zehn Meter tiefer und einhundert Meter
breiter Graben soll in den Belt gezogen
werden, in den die Tunnelsegmente abge-
senkt werden. Dies würde Tausende Ton-
nen von Segment aufwühlen, Fische verja-
gen und Schweinswale verstören, wäh-
rend die jahrelangen Bauarbeiten an
Land Touristen vergrämten. Ohnehin
knappes Land auf der Insel ginge für die
Verbreiterung der Straße und den Ausbau
der Bahntrasse verloren. Zehn, fünfzehn,

zwanzig Milliarden Euro für eine Zeiter-
sparnis von gerade einmal fünfunddrei-
ßig Minuten und ein Verkehrsaufkom-
men, das unter dem einer Bundesstraße
liegt – wo bleibt da der Sinn? Darüber grü-
belt auch der Wanderer lange. Und fragt
sich am Ende, warum nicht an jedem
Busch, jedem Ferienapartment und je-

dem der Urlauberautos mit Kennzeichen
aus ganz Deutschland ein großes, blaues
Andreaskreuz zu sehen ist.
Informationen:Tourismus-Service Fehmarn,
Telefon: 04371/506300, http://www.fehmarn.de.
Bisher erschienen:Wandern in der Eifel (11. Juli),
Ballonfahren im Allgäu (18. Juli), Mit dem Zug
durch das Rheintal (25. Juli).

10 km

Chiemsee
Traunstein

Bad
Reichenhall

Bad
Inzell Reichenhall
Ruhpolding

Weißbach

Inzell

Weißbach

Grassau

SiegsdorfSiegsdorf

Bayern

F.A.Z.- Karte lev.

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Fortsetzung von Seite 1


Eine Wanderung auf Fehmarn von Marienleuchte nach Puttgarden


Das weiße Gold, das aufwärts fließt


Das Salz in den Chiemgauer Bergen


Dieweltweit erste


Sole-Pipeline wird


vierhundert Jahre


alt. Das wird morgen


im Chiemgau


groß gefeiert.


Von Kirsten Panzer


So ging Rohrleitungsbau früher:Ein Baumstamm wird im Chiemgauer Holzknechtmuseum entkernt. Foto Kirsten Panzer

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