Süddeutsche Zeitung - 08.08.2019

(Darren Dugan) #1
Der Kultur- und Freizeit-Service
mit Tippsvom 8. bis 14. August

Die Seite Drei


DieHälfte der Augsburger hat einen


Migrationshintergrund. Über eine


Stadt und ihre eigene Welt 3


Meinung


Die E-Mobilität in Deutschland


kommt kaum voran. Dabei ließe


sich das leicht ändern 4


Panorama


Blutige Tradition: Erstmals seit zwei


Jahren sollen auf Mallorca wieder


Stierkämpfe stattfinden 8


Feuilleton


Autorin Lena Gorelik erzählt, wie


sie als Kind in der Grundschule


kein Wort Deutsch verstand 9


Wirtschaft


Banken kündigen Tausende


Sparverträge. Für viele Kunden


ist das ein herber Schlag 17


Medien, TV-/Radioprogramm 15,
Forum & Leserbriefe 13
Kino · Theater im Lokalteil
Rätsel 15
Traueranzeigen 20


An den Schutz der freien Rede in der grie-
chischen Antike wird jetzt erinnert. Auch
an das von Kaiser Barbarossa der Universi-
tät Bologna im Jahr 1158 verliehene „Scho-
larenprivileg“, eine eigene akademische
Gerichtsbarkeit. Sie ist natürlich längst
abgeschafft. Das soll nun auch mit dem so-
genannten Universitätsasyl in Griechen-
land passieren, einer weitweit wohl ein-
maligen Regelung.
Als sie 1982 in der jetzigen Form einge-
führt wurde, war die Erinnerung an die
Militärdiktatur in Athen noch sehr prä-
sent. Die endete im Juli 1974. Studenten
hatten schon im November 1973 gegen
die Junta rebelliert, der Aufstand wurde
blutig niedergeschlagen, ein Panzer
durchbrach das Tor zum Campus des
Athener Polytechnikums.
Gedenkmärsche dazu gibt es jedes
Jahr, denen folgen, auch das ist Ritual,
meist Straßenschlachten zwischen Anar-
chisten und Polizisten. Die Beamten müs-

sen die Verfolgung von Gewalttätern
einstellen, wenn die eine Universität be-
treten. Deren Räume sind tabu. Bildungs-
ministerin Niki Kerameus, geboren 1980,
spricht von einem „Asyl für Kriminelle“,
einem Refugium für Radikale aller Art.
Auch viele Rektoren klagen über den
„Anachronismus“ und sind für die Ab-
schaffung des Polizeibanns. „Der schützt
nicht länger die Meinungsfreiheit, son-
dern im Gegenteil, er behindert sie“, sagte
der Rektor der Universität von Kreta,
Odysseas Zoras, der ZeitungKathimerini.
Professoren können Schauergeschich-
ten erzählen, wie zum Beispiel ein Geowis-
senschaftler aus Thessaloniki: Studenten
hätten ihm gedroht, ihn aus dem siebten
Stock zu werfen. Mary Bosi, Professorin

für Internationale Beziehungen an der
Universität von Piräus, wurde während ei-
ner Vorlesung 2018 mit roter Farbe be-
sprüht. Bosi ist dennoch gegen die Ab-
schaffung des Banns, sie hält ihn weiter
für „ein wichtiges Symbol“, aber sie ver-
langt eine Debatte darüber, wie der Ge-
walt Grenzen zu setzen seien. Bildungsmi-
nisterin Karameus stellt sich das so vor:
„Mit einem einfachen Telefonanruf.“ Ru-
fe ein Student oder ein Bürger die Polizei,
dann könne die den Campus betreten.
Das ging bisher nur nach einem kompli-
zierten Verfahren, Unileitung und Studen-
tenvertretung mussten zustimmen. Die
Erlaubnis wurde so gut wie nie erteilt. Ein
spektakulärer Fall aus dem Jahr 2002 ist
bekannt. Da wurde die Polizei in die Uni-

versität von Kreta eingelassen, um ein
Feld mit mehr als 600 Marihuana-Pflan-
zen zu entfernen. Drogenhändler und
-konsumenten, Kleinkriminelle – die Re-
gierung sagt, auch sie fänden heute
Schutz in einem quasi rechtsfreien Raum
in den staatlichen Universitäten.
Die Bildungsministerin und die konser-
vative Regierung sind erst seit vier Wo-
chen im Amt. Ministerpräsident Kyriakos
Mitsotakis hat es eilig, seine Reformver-
sprechen umzusetzen. Die Abschaffung
des Polizeiverbots gehört dazu, das Parla-
ment soll sie schon an diesem Donnerstag
beschließen, dort hat die Regierung eine
klare Mehrheit. Unter Mitsotakis’ linkem
Vorgänger Alexis Tsipras war das „Uni-
asyl“ sakrosankt. Mit Protesten wird in
Athen gerechnet. Die Frage ist nur, ob sie
gleich nach der Abstimmung stattfinden,
oder erst nach dem glühend heißen Som-
mer, wenn alle aus den Ferien zurück
sind. christiane schlötzer

von hubert wetzel

Washington –Nachden Massenschieße-
reien vom Wochenende mit mehr als 30 To-
ten wächst der Druck auf die US-Republi-
kaner, einer Verschärfung der Waffenge-
setze zuzustimmen. „Wir müssen etwas
tun, und wir werden etwas tun“, sagte der
republikanische Gouverneur des Bundes-
staates Ohio, Mike DeWine, bei einer Pres-
sekonferenz. In der Stadt Dayton in Ohio
hatte ein Amokläufer in der Nacht zu Sonn-
tag neun Menschen erschossen. Wenige
Stunden zuvor hatte in der texanischen
Stadt El Paso ein Mann in einem Einkaufs-
zentrum um sich gefeuert und 22 Men-
schen getötet. Offenbar handelte er aus ras-
sistischen Motiven.
Das von den Demokraten beherrschte
US-Abgeordnetenhaus hat in diesem Jahr

bereits zwei Gesetze verabschiedet, welche
den Verkauf von Waffen an gefährliche Per-
sonen erschweren sollen. Unter anderem
soll die Überprüfung eines Käufers durch
das FBI – der sogenannte Background
Check – ausgeweitet werden. Die Waffen-
lobby, die großen Einfluss auf viele republi-
kanische Parlamentarier hat, lehnt das
strikt ab. Der republikanisch dominierte
US-Senat weigert sich bisher, über die bei-
den Gesetze abzustimmen und blockiert
sie dadurch.
Stattdessen wollen die Republikaner
aber offenbar an einer anderen Stelle Zuge-
ständnisse machen. Offensichtlich soll im
Senat ein Gesetz erarbeitet werden, dass es
der US-Bundesregierung ermöglichen
soll, den Bundesstaaten beim Erlass soge-
nannter Red-Flag-Gesetze zu helfen. Diese
Regelungen, die es bisher in etwa zwei Dut-

zend Bundesstaaten gibt, erlauben es loka-
len Polizeibehörden, vorübergehend die
Waffen von Personen zu konfiszieren, die
von einem Richter als Gefahr für sich oder
andere eingestuft wurden. Die Red-Flag-
Gesetze begrenzen daher nicht den Ver-
kauf bestimmter militärischer Schusswaf-
fen oder besonders großer Patronenmaga-
zine, wie viele Demokraten es fordern. Sie
schreiben auch nicht die Überprüfung
sämtlicher Käufer vor. Durch sie kann aber
zumindest eine möglicherweise gefährli-
che Person in einzelnen Fällen entwaffnet
werden, bevor sie Schaden anrichten kann.
Ob das in der Praxis viel ändern wird, ist
umstritten. Um die Waffen konfiszieren zu
können, muss eine Person zunächst als ge-
fährlich gemeldet werden. Dann muss ein
Richter zustimmen. Zwar geben viele
Amokläufer vor der Tat Hinweise auf ihre

Absichten. Wenn diese aber übersehen
oder nicht ernst genommen werden, hilft
auch ein Red-Flag-Gesetz nichts. Studien
zufolge sinkt in Bundesstaaten mit sol-
chen Gesetzen eher die Zahl der Suizide
mit Schusswaffen als die der Morde.
US-Präsident Donald Trump hatte sich
angesichts der Bluttaten und des enormen
öffentlichen Drucks am Montag für eine
Ausweitung der Red-Flag-Gesetze ausge-
sprochen. Die Republikaner im Senat ha-
ben dadurch politische Rückendeckung.
Am Mittwoch reiste der Präsident nach
Dayton und El Paso, um Polizisten, Sanitä-
ter und Überlebende der Schießereien zu
treffen. Die Besuche wurden von Protesten
begleitet. Viele Kritiker werfen Trump vor,
durch seine harte Rhetorik gegen Einwan-
derer den rassistischen Attentäter von El
Paso angestachelt zu haben.  Seite 4

Mittwoch-Lotto(7.8.2019)
Gewinnzahlen:15, 21, 27, 30, 46, 47
Superzahl: 2
Spiel 77: 4189544
Super 6:7 1 6 5 4 8 (Ohne Gewähr)

Frische KüsteEin Badmit Algen im Whis-
kyfass, klatschende Robben, Sprung ins
Wurmloch: Irlands Strände eignen sich gut
zum Entspannen. Sagen die Iren. Und ent-
decken ihre Heimat neu.  Seite 29

Berlin– In der Debatte um mehr Tier- und
Umweltschutz haben sich führende Politi-
ker von Regierung und Opposition skep-
tisch zu Vorschlägen geäußert, die Mehr-
wertsteuer für Fleisch zu erhöhen. Mehr
Tier- und Umweltschutz koste zwar Geld,
sagte Landwirtschaftsministerin Julia
Klöckner (CDU). Das aber müsse nicht aus
Steuererhöhungen kommen. Auch Grünen-
Chef Robert Habeck stellte sich gegen den
Vorstoß. Eine „isolierte Betrachtung von
Einzelsteuersätzen“ sei nicht sinnvoll. Wer
etwas ändern wolle, müsse das gesamte
Mehrwertsteuersystem im Hinblick auf
die ökologische Lenkungswirkung umbau-
en, sagte er derSüddeutschen Zeitung.
Agrarpolitiker von Grünen und SPD hat-
ten sich am Mittwoch dafür ausgespro-
chen, den reduzierten Mehrwertsteuersatz

für Fleisch abzuschaffen und auf 19 Pro-
zent zu erhöhen. Die Preise in Deutschland
würden dadurch deutlich steigen. Die Erlö-
se sollten direkt in bessere Haltungsbedin-
gungen für Tiere fließen und Landwirten
beim Umstieg auf eine nachhaltigere Pro-
duktion helfen, forderte etwa der agrarpoli-
tische Sprecher der Grünen im Bundestag,
Friedrich Ostendorff. Auch in der SPD-
Fraktion fand der Vorschlag Unterstützer.
Eine Mehrwertsteuer von 19 Prozent wür-
de die Nachfrage laut Berechnungen des
Forums Ökologisch-Soziale Marktwirt-
schaft im Auftrag von Greenpeace um elf
Prozent verringern und zu Mehreinnah-
men von 3,6 Milliarden Euro führen.
Massiver Widerstand kam aus der CSU
im Bundestag. Sie lehne „Strafsteuern“,
die für den Verzehr von Fleisch erhoben

werden, ab, sagte CSU-Agrarexperte Artur
Auernhammer. Die FDP-Abgeordnete Lin-
da Teuteberg sprach von „schädlichem Ak-
tionismus“. Gerade hochwertiges Fleisch
würde für Familien und ärmere Menschen
noch weniger erschwinglich, warnte sie.
Bereits am Nachmittag ruderten auch
SPD und Grüne zurück. „Die SPD-Bundes-
tagsfraktion diskutiert nicht über eine Er-
höhung der Mehrwertsteuer auf Fleisch-
produkte“, stellte Carsten Schneider, parla-
mentarischer Geschäftsführer der SPD-
Fraktion, klar. Grünen-Parteichef Habeck
warnte zwar: „Die weltweit hohe Fleisch-
produktion verschärft das Klimaproblem.“
Dürren, Wassermangel und Extremwetter
gefährdeten die Landwirte. „Das System
der industriellen Tierhaltung wendet sich
inzwischen gegen sich selbst.“ Die Fleisch-

produktion müsse deshalb sinken. Dafür
sei es aber nötig, bei den Produktionsbe-
dingungen anzusetzen. „Bauern sollten
künftig für Klimaschutz und tiergerechte
Haltung entlohnt werden.“ Notwendig sei-
en zudem klare Vorgaben fürs Tierwohl.
In der Tierhaltung liegen Wunsch und
Wirklichkeit weit auseinander. Ein Groß-
teil der Verbraucher wünscht sich laut Um-
fragen bessere Standards in der Tierhal-
tung und schonenderen Umgang mit Res-
sourcen. Trotzdem sind nach wie vor viele
Quälereien erlaubt, über deren Abschaf-
fung in Deutschland schon länger disku-
tiert wird. Dazu zählt das Abschneiden von
Ringelschwänzen. Obwohl bereits verbo-
ten, wird es über Ausnahmeregeln immer
noch praktiziert. markus balser,
stefan braun  Seiten 2 und 4

Berlin– Deutschlands Maschinenbauer
fordern einen Aufpreis auf Kohlendioxid.
„Wir müssen jetzt anfangen, CO2 zu beprei-
sen“, sagte Carl Martin Welcker, Chef des
Branchenverbands VDMA der SZ. Das wer-
de Komfort kosten, so Welcker. „Aber das
ist keine Katastrophe.“ sz  Wirtschaft

München– Mosambiks Regierung und
die größte Oppositionspartei haben Frie-
den geschlossen. Präsident Filipe Nyusi
und der Vorsitzende der Renamo-Partei,
Ossufo Momade, unterzeichneten ein Ab-
kommen. Es soll die Wahlen im Oktober er-
leichtern.sz  Seiten 4 und 7

München– Die niedrigen Zinsen werden
zum Problem für deutsche Unternehmen.
Die Lücke bei den Pensionsverpflichtun-
gen der 30 Dax-Konzerne ist hoch wie nie,
zeigt eine Studie. Sie haben rund 150 Milli-
arden Euro mehr an Betriebsrenten zuge-
sagt, als vorhanden ist. sz  Wirtschaft

Gelsenkirchen– Widerstand bei den eige-
nen Fans: Dass Clemens Tönnies sein Amt
als Aufsichtsratschef des Fußballklubs
Schalke 04 nach seinen als rassistisch emp-
fundenen Äußerungen lediglich für drei
Monate ruhen lassen will, stößt auf Kritik.
Tönnies könne „so nicht mehr das Gesicht
von Schalke sein“, so Manfred Beck von der
Schalker Fan-Initiative. Auch Politiker kri-
tisierten die Entscheidung. Der Ehrenrat
des Vereins hatte am Dienstag befunden,
der „Vorwurf des Rassismus“ gegen Tön-
nies sei „unbegründet“. sz  Sport

Süddeutsche ZeitungGmbH,
Hultschiner Straße8, 81677 München; Telefon 089/2183-0,
Telefax -9777; [email protected]
Anzeigen:Telefon 089/2183-1010 (Immobilien- und
Mietmarkt), 089/2183-1020 (Motormarkt),
089/2183-1030 (Stellenmarkt, weitere Märkte).
Abo-Service:Telefon 089/21 83-80 80, http://www.sz.de/abo
A, B, ES (Festland, Balearen), F, GR, I, L, NL, P, SLO, SK: € 3,70;
ES (Kanaren): € 3,80; dkr. 29; £ 3,50; kn 30; SFr. 4,90; czk 105; Ft 990

Xetra Schluss
11650 Punkte

N.Y. Schluss
26007 Punkte

22 Uhr
1,1202 US-$

HEUTE


Die SZ gibt es als App
fürTablet und Smart-
phone: sz.de/zeitungsapp

Über den Norden und Nordosten ziehen
einzelne Schauer, örtlich auch Gewitter. In
den Mittelgebirgen und Alpen kommt
nach Frühnebel die Sonne hervor. Tages-
höchsttemperaturen bis zu 29 Grad am
Hochrhein.  Seite 13 und Bayern

Habeck gegen höhere Mehrwertsteuer auf Fleisch


Der Grünen-Chefwiderspricht einem Vorstoß auch aus seiner Partei. Preissteigerungen allein dienten dem Tierwohl nicht


Studieren vor Protestieren


Griechenland will der Polizei künftig Zutritt zu Unis erlauben


Maschinenbau


verlangt Klimaschutz


Friedensabkommen für


Mosambik unterzeichnet


Betriebsrente


wird zur Last


USA erwägen schärfere Waffengesetze


Nach den tödlichen Schießereien in Texas und Ohio kündigt nun auch Trumps Lager an, einigen


Änderungen zuzustimmen. Den Demokraten geht die geplante Reform aber nicht weit genug


+ 0,71% - 0,09% + 0,

Warten auf den Impfstoff: Ebola hat den Kongo im Griff Politik


29 °/11°


Windeln, Klamotten, Barbies –


ein Haushaltmit Kindern produziert


viel Abfall. Wie kann man das ändern?


Eine Familie wagt den Selbstversuch.


Teil 3 der SZ-Serie


zum Thema Nachhaltigkeit


 Wirtschaft


MÜNCHNER NEUESTE NACHRICHTEN AUS POLITIK, KULTUR, WIRTSCHAFT UND SPORT


WWW.SÜDDEUTSCHE.DE HMG MÜNCHEN, DONNERSTAG, 8. AUGUST 2019 75. JAHRGANG/ 32. WOCHE / NR. 182 / 3,00 EURO


REISE


ILLUSTRATION: STEFAN DIMITROV

FOTO: JAKOB HOFF/IMAGO

Kritik an Urteil


im Fall Tönnies


Ehrenrat erkennt keinen Rassismus,
Schalke-Fans widersprechen

Dax▲ Dow▶ Euro▶


(SZ) Im Grunde ist es gänzlich ungewiss,
ob andereLeute die Welt genauso sehen
wie man selbst. Wie kann der Mensch si-
cher sein, dass beispielsweise der Mond,
zu dem er aufblickt und der zweifelsohne
eine gut ausgeleuchtete, große Scheibe Kä-
se ist, auch von den Mitmenschen als gut
ausgeleuchtete, große Scheibe Käse wahr-
genommen wird und nicht als was ganz
anderes, etwa als eine Riesenkugel Vanille-
eis? Zugegeben, beim Mond geht es um har-
te naturwissenschaftliche Fakten, da kann
man schon mal unterschiedlicher Ansicht
sein. Aber wie steht es mit einfachen Wahr-
heiten? Da blickt man in den Spiegel und
sieht ein Genie, doch der Rest der Welt
sieht immer nur einen Esel. Seltsam. Offen-
bar gibt es keine Gewissheiten, zumal sich
auch nicht vernünftig darüber reden lässt,
weil miteinander sprechen nur eine Metho-
de ist, sich permanent misszuverstehen.
Empirisch erwiesen ist immerhin, dass
Frauen und Männer die Welt vollkommen
unterschiedlich wahrnehmen. So ist zum
Beispiel ein Zimmer, das ein Mann als ta-
dellos sauber betrachten würde, in den Au-
gen der Frau ein einziger Saustall.
Noch komplizierter wird es, wenn man
wissen will, wie Tiere die Welt sehen. Gut,
bei der Blindschleiche ist es klar, die sieht,
wie der Name schon sagt, nichts. Der Hund
wiederum betrachtet sein Herrchen als
den Größten, er ist vielleicht das einzige
Geschöpf, das einen realistischen Blick auf
die Dinge hat. Was aber das Weltbild der
Kuh betrifft, wissen wir bislang wenig.
Doch das ändert sich gerade. Der baden-
württembergische Agrarminister Peter
Hauk hat soeben einen Kuhaugensimula-
tor getestet, ein Gerät, das aussieht wie ei-
ne Virtual-Reality-Brille und den Benutzer
die Welt aus der Perspektive der Kuh erle-
ben lässt. Beim Selbstversuch hat Hauk
unter anderem herausgefunden, dass Kü-
he einen Tunnelblick haben, Gefälle nicht
erkennen und ganz schlecht sind, wenn es
gilt, Entfernungen abzuschätzen. Natür-
lich müssen die Experten nun prüfen, ob
dies wirklich Schwächen der Kuh sind und
nicht etwa Sehstörungen der Testperson.
In jedem Fall ist dem Minister zugutezu-
halten, dass er der erste Politiker ist, der
sich dazu bekennt, die Wirklichkeit gele-
gentlich mit den Augen eines Rindviechs
zu sehen. Und womöglich dient es dem
Tierwohl, wenn vermehrt Kuh-, Schweine-
oder Hühnerversteher im Kabinett sitzen.
Bereits einen Schritt weiter ist der Münch-
ner Filmstudent Wouter Wirth, der den
Filmklassiker „Vom Winde verweht“ der-
zeit so adaptiert, dass ihn auch Bienen,
deren Facettenaugen eigentlich kinoun-
tauglich sind, sehen können. Wirth will
sich damit für den Honig bedanken, es
könnte aber sein, dass es bald keinen Ho-
nig mehr gibt, weil die Bienen nur noch Fil-
me anschauen. Klar ist aber: Die Tieraugen-
forschung kommt gut voran, wohingegen
es bis zum Männeraugen- und Frauenau-
gensimulator noch ein weiter Weg ist.


DAS WETTER



TAGS

NACHTS

Wir packen das


4 190655 803005

43032
Free download pdf