Süddeutsche Zeitung - 08.08.2019

(Darren Dugan) #1
von kathrin werner

I


ch hole schnell Giersch“, sagt Leni und
drückt sich ins Gebüsch im Garten. Se-
kunden später kommt sie wieder mit
dem Kraut in der Hand. Sie ist neun Jahre
alt, und Giersch zu finden, fällt ihr leicht.
Der wildwuchernde Feind vieler Garten-
freunde ist das Lieblingsfutter ihrer Meer-
schweinchen. Das braune Tier in ihrem
Arm mümmelt ihn gierig weg. „Schmeckt
leicht nach Möhre“, sagt Lenis Mutter Stefa-
nie Kießling. „Wir essen ihn auch im Salat.“
Erste Lektion aus dem Treffen mit Familie
Kießling: Kleintierfutter kann man selbst
anbauen – und selbst essen.


Familie Kießling aus dem Örtchen
Bruckmühl in der Nähe von Rosenheim ist
eine Vorzeigefamilie, wenn es darum geht,
umweltfreundlich zu leben. Sie fliegen
nicht in den Urlaub, sie haben Ökostrom
und eine Solaranlage. Sie fahren kaum Au-
to, eigentlich nur zur Oma, weil man die an-
ders nicht erreicht. Sie kaufen kaum in nor-
malen Geschäften ein, sondern tauschen
so viel wie möglich mit Nachbarn und
Freunden, auch Spielzeug und Klamotten.
Sie verzichten auf fast alles, was Abfall ver-
ursacht. Und im Garten wächst viel, was sie
selbst essen, nicht nur Giersch, sondern
auch Pfirsiche, Tomaten, Kürbisse,
Gurken, Kartoffeln und allerlei Kräuter.
Rechts neben dem Haus sind gerade die di-
cken, schwarzen Brombeeren reif. Stefanie
Kießling zeigt auf eine Senfschote. „Mal
wieder ein neues Projekt“, sagt sie.
Nachhaltig leben ist für Familien beson-
ders schwer. Kinder produzieren Müll,
man denke nur an all die Windeln und
Feuchttücher. Essen landet zur einen Hälf-
te im Magen und zur anderen auf dem Fuß-
boden und dann im Abfalleimer. Sie brau-
chen Babybadewannen, Flaschenwärmer
und ständig neue Klamotten, weil sie aus
der Größe schon wieder herausgewachsen
sind. Sie wollen zum Ballettunterricht ge-
fahren werden und zum Geburtstag neue
Barbies. Aber muss das so sein? Wie kann
man klimafreundlich leben, ohne den Klei-
nen alles zu verbieten, was Spaß macht?
Familie Kießling hat das Nachhaltig-
keitsprojekt im September 2014 begon-
nen. Der viele Müll war eine Belastung ge-
worden. „Nach dem Einkaufen hatte ich
hier einen Haufen Gemüse und da einen
Haufen Verpackung, und beide waren ge-
nauso groß“, erzählt Stefanie Kießling. „Da
denkst du dir doch: Das kann nicht sein.“
Es war schwierig, den Abfall loszuwerden,
besonders das Plastik, das bei ihnen nicht
abgeholt wurde, sondern das sie zum Wert-
stoffhof brachten. „Es hat extrem ge-
nervt“, sagt sie. Sohn Maxi war damals
zwei, Vincent noch nicht auf der Welt.
Stefanie Kießling las daraufhin ein
Buch über die „Zero Waste“-Bewegung, al-
so die absolute Müllvermeidung, infor-
mierte sich im Internet und tauschte sich
mit Bekannten über Ideen aus, wie man
welchen Müll vermeiden könnte. Erst war
sie nicht optimistisch, dass es wirklich
klappen würde. „Wir sind dann aber doch
ziemlich schnell weit gekommen“, sagt die
38-Jährige. Im Jahr 2015 kamen sie mit ei-
ner einzigen Entleerung der Restmüllton-
ne aus. Kießling schreibt seit einigen Jah-
ren einen Blog über ihre Erfahrungen:
http://www.zerowastefamilie.de.
„Als Leni klein war, haben wir viele Din-
ge gebraucht gekauft, aber insgesamt viel
zu viele Sachen“, sagt sie. Eltern, Großel-
tern, Bekannte, alle hätten ihr vorgegeben,
was Babys brauchen, aber dann stellte sich


viel als nutzlos heraus. In die Badewanne, ei-
nen Plastiktrog, wollte sich Leni sowieso
nicht setzen. Und auch Kleidung brauchte
sie viel weniger als gedacht. „Das konnte sie
gar nicht alles anziehen.“
Inzwischen brauchen alle drei Kießling-
Kinder keine Windeln mehr. Windeln aber
sind ein großes Thema für Familien, die
nachhaltig leben wollen. Ein Baby, das pro
Tag fünfmal eine neue Windel bekommt
und mit zweieinhalb Jahren lernt, aufs
Töpfchen zu gehen, verbraucht in seinem
Leben mehr als 4500 Windeln. In manchen
Gemeinden machen Windeln zehn Prozent
des Restmülls aus. Allein im Landkreis Tü-
bingen landen pro Jahr neun Millionen Win-
deln im Müll – 2000 Tonnen. Manche Land-
kreise bezuschussen es darum, wenn Fami-
lien auf Mehrweg-Windeln umsteigen.
Stefanie Kießling hat sich lange mit der
Frage beschäftigt, wie sie das mit den Win-
deln besser löst. Die ersten beiden Kinder
bekamen Einwegwindeln, zwar die Bio-Va-
riante, im Abfalleimer landeten sie den-
noch. „Ich habe mich zu sehr von meinem
Umfeld beeinflussen lassen“, sagt sie. Alle
hätten sie gewarnt, dass sie mit Stoffwin-
deln vor lauter Waschen zu nichts ande-
rem kommen würde. Als sie dann Vincent
doch in Stoffwindeln wickelte, war alles
gar nicht so schwer. „Ich habe bereut, dass
ich es nicht schon viel früher gemacht ha-

be.“ Manchmal trug Vincent gar keine Win-
del, weil er gelernt hatte, zu signalisieren,
wenn er mal musste. Und wenn er doch
Windeln trug, war die Sauerei viel weniger
schlimm, als Kießling befürchtet hatte. Sie
steckte die Baumwolleinlage einfach in die
Waschmaschine. Über der Windel trug Vin-
cent ein Plastikhöschen, das sie regelmä-
ßig abwusch. Und statt Feuchttüchern be-
nutzte Kießling Waschlappen, die eben-
falls in der Waschmaschine landeten.

Apropos Waschen. Es ist kein Geheim-
nis: Selbst winzige Kinder verursachen Wä-
scheberge. In vielen Familien läuft die Ma-
schine jeden Tag, das kostet Strom und
Wasser. Das lässt sich nicht ändern, aber
natürlich helfen effiziente Waschmaschi-
nen. Es kann sich lohnen, eine neue zu kau-
fen – sowohl für die Umwelt als auch den
Geldbeutel. Nun ist es so, dass auch die Pro-
duktion und der Transport neuer Wasch-
maschinen die Umwelt belastet. Laut Öko-
Institut entstehen aber etwa 80 Prozent
der Umweltbelastung der Waschmaschine
während ihres Gebrauchs. Im Internet, et-
wa unter https://www.forum-waschen.de,

kann man ausrechnen, was Waschen mit
der eigenen Maschine wirklich kostet und
ob es sich lohnt, eine neue zu kaufen.
Und noch ein Tipp: Energie sparen lässt
sich leicht, indem man die Maschine im-
mer so voll belädt wie möglich und bei nied-
rigen Temperaturen wäscht. Und mit so we-
nig Waschmittel wie möglich. Stefanie
Kießling macht ihr Waschmittel sogar
selbst. Neben der Maschine in Bruckmühl
liegt ein großer Beutel Seifenflocken. Die
mischt sie mit Waschsoda und Zeolith als
Wasserenthärter. „Vieles ist einfacher, als
man denkt“, sagt Kießling. Die Klamotten,
die in der Waschmaschine landen, sind
fast alle secondhand. Kießling organisiert
in ihrer Nachbarschaft Tauschpartys.
Auch das meiste Spielzeug bekommt
Kießling gebraucht, vom Flohmarkt oder
von den Tauschbörsen. Aber sie will auch
nicht immer nur Nein sagen müssen. „Ich
versuche, den Kindern Hintergründe zu er-
klären und Alternativen zu zeigen“, sagt
Kießling. Als Leni sich Barbies wünschte,
zeigte ihre Mutter ihr Biegepuppen aus
Holz, die es gebraucht gab und denen sie
auch Klamotten anziehen konnte. Leni
fand sie gut und verzichtete auf Barbies.
Sie hat ein riesiges selbstgebautes Puppen-
haus für die Biegepuppen. Als sich Maxi
zum Geburtstag ein spezielles Lego-Set
wünschte, bekam er es – trotz Verpa-

ckungsmüll. „Wenn ich alles nur verbieten
würde, würden sie definitiv irgendwann re-
bellieren“, sagt Kießling. „Wenn alle ande-
ren etwas haben, nur sie nicht, würden sie
Müllvermeidung abspeichern als: doof.“
Im Moment sind die Kinder mit Begeiste-
rung dabei, vor allem Leni, die stolz die Ein-
machgläser im Keller vorzeigt und in der
Schule ein Bild mit einem Müllsammelro-
boter gemalt hat. „Die wirtschaftlichen Zu-
sammenhänge verstehen sie nicht, aber
das Problem schon“, sagt Kießling.
Als Leni in die Schule kam, gab es neue
Herausforderungen: Hefte mussten einge-
schlagen werden, Füller brauchten Tinten-
patronen. Kießling recherchierte und fand
stabile Umschläge aus Papier, nachfüllba-
re Folienstifte und Patronen. Bei Schulbe-
darf achtet sie auf langlebige, natürliche
Materialien: Ranzen und Federmäppchen
sind aus Leder, die Sportbeutel hat sie aus
Stoffresten zusammengenäht. Wenn ande-
re Eltern Dinge anders machen, etwa mit
Einwegwindeln wickeln, sagt Kießling
nichts dazu. „Ich glaube nicht, dass der er-
hobene Zeigefinger etwas bringt“, sagt sie.
„Wenn mich jemand fragt, erzähle ich na-
türlich, wie wir leben. Aber ich gebe nie-
mals ungefragt Ratschläge.“

Die Mülleimer der Kießlings in der
Küche sind fast leer. Im Eimerchen für den
Restmüll ist gar nichts, im Plastikrecycling
nur eine Käseverpackung. Der Käse
stammt von einem Service, der Lebensmit-
tel, die der Supermarkt nicht mehr verkau-
fen kann, an Interessierte weitergibt. Neu-
lich haben sie ein ganzes Netz Kartoffeln
bekommen, das leicht eingerissen und da-
mit unverkäuflich war. In vielen größeren
Städten kann man sich über solche Angebo-
te über die App „Too Good to Go“ informie-
ren, rät Kießling. Wenn sie einkaufen geht,
denkt sie oft: „Wahnsinn, was es für Dinge
gibt, die ich einfach auch nicht kaufen
kann“, erzählt sie. „Uns fehlt nichts.“
Pflanzenmilch macht sie selbst, etwa
aus Nüssen, die sie seiht. Kuhmilch kauft
sie selten und dann vom Milchautomaten,
einer Zapfstation des örtlichen Bauern.
Mehl bekommt sie aus der Mühle – in fast
jeder Region gebe es welche, bei denen
man frisch gemahlen und unverpackt ein-
kaufen könne, sagt sie. Oft kaufen die Kieß-
lings gemeinsam mit Freunden Lebensmit-
tel in großen Mengen und teilen sie dann
untereinander auf. Neulich gab es zum Bei-
spiel 50 Kilo Kirschen. Die Kießlings haben
einen Solarkocher im Garten, eine selbstge-
bastelte Box mit Alufolie, in der sie einko-
chen und zum Beispiel Kirschen trocknen


  • die Bastelanleitung findet sich im Blog.
    Vincent fischt ein paar getrocknete Kir-
    schen aus einem Einmachglas. „Die Kir-
    schen sind sehr beliebt statt Gummibär-
    chen“, sagt seine Mutter. Ansonsten kauft
    sie im Bioladen oder im Unverpackt-Ge-
    schäft. Nur Medikamente lassen sich nicht
    unverpackt kaufen. „Da ist die Industrie ge-
    fragt, als Privatperson kann ich wenig ma-
    chen“, sagt sie. Neulich hat sie aber kom-
    postierbare Pflaster gefunden.
    Die Pflaster, die Biolebensmittel – all
    das kostet Geld. „Die Dinge, die ich kaufe,
    sind oft schon teurer“, sagt Kießling. „Ins-
    gesamt sparen wir durch Zero Waste aber
    Geld, einfach durch all die Dinge, die wir
    nicht kaufen.“ Natürlich kostet der Lebens-
    stil auch viel Zeit, Kießling arbeitet Teilzeit
    als freie Lektorin, ihr Mann ist im öffentli-
    chen Dienst und steht voll hinter dem Pro-
    jekt. Sie habe enorm viel gelernt über Kon-
    sum und Nachhaltigkeit in den vergange-
    nen Jahren, sagt Stefanie Kießling – und
    sich verändert. „Es ist schön, was daraus
    für Netzwerke entstanden sind“, sagt sie.
    „Ich bin offener geworden für neue Ideen
    und Freundschaften. Und wenn Leute Din-
    ge miteinander tauschen, sind sie auch
    sonst mehr füreinander da.“


Folge 4 der Nachhaltigkeitsserie erscheint am


  1. August zum Thema: Reisen.


Arne Schönbohm, 50,Chef des Bundes-
amtes für Sicherheit in der Informations-
technik (BSI), hat sich zur Debatte um
Huawei geäußert. Der Telekomausrüster
aus China steht seit Monaten unter
Druck: Länder wie Deutschland und die
USA warnen davor, Huawei-Technik für
den neuen Mobilfunkstandard 5G zu ver-
wenden, aus Angst vor Spionage. Schön-
bohm dagegen warnt nun davor, techni-
sche und politische Fragen zu vermi-
schen. DerFAZsagte der BSI-Chef, „viel-
leicht ist eine Antenne von Huawei beim
Ausbau von 5G-Netzen am Ende genauso
unsicher oder sicher wie eine Antenne von
Ericsson“. Wenn allein politisches Vertrau-
en die Grundlage für Entscheidungen bei
Investitionen seien, könne das „die Grund-
lage unseres volkswirtschaftlichen Wohl-
stands“ zerstören. Auch das iPhone von
Apple sei „designed in California, made in
China“, so Schönbohm(FOTO: DPA). Wenn
man allerdings aus
technischen Gründen
etwa bei einer Anten-
ne zu dem Schluss
komme, sie lasse sich
nicht überprüfen und
überwachen, „dann
sollte man sie verbie-
ten, egal woher sie
kommt“. dpa

Ronaldinho, 39,Zauberfuß a.D., hatte
auch schon mal bessere Zeiten. Weil er
umgerechnet 2,4 Millionen Euro Steuern
nachzahlen soll, hat die Justiz des brasilia-
nischen Bundesstaats Rio Grande do Sul
sein Konto eingefroren. Auf dem war aller-
dings nicht viel zu holen: Laut lokalen
Medien befanden sich auf Ronaldinhos
Konto recht überschaubare 24,67 Reales –
ziemlich genau fünf Euro und 63 Cent.
Ach, Ronaldinho. Der Mann (FOTO: AFP)
schien vom Leben so reich beschenkt mit
diesem unglaublichen Gespür für den

Ball. Mit der brasilianischen National-
mannschaft wurde er 2002 Weltmeister,
später gewann er mit dem FC Barcelona
die Champions League. 2004 und 2005
wurde er zum Weltfußballer gewählt. Er
war der Beste von allen und er verdiente
Millionen.
Schon damals soll er allerdings Schwie-
rigkeiten mit der Disziplin gehabt haben:
In seiner Zeit bei Barcelona sei er meist
betrunken gewesen, erzählte ein ehemali-
ger Mitspieler kürzlich. „Von Montag bis
Donnerstag lag er meistens auf dem Mas-
sagetisch. Erst beim Abschlusstraining
war er wieder fit.“ Und auch der Umgang
mit Behörden liegt ihm nicht. Bereits vor
dem aktuellen Steuerärger musste er
umgerechnet 2,2 Millionen Euro Strafe
zahlen, weil er ein Haus in ein Natur-
schutzgebiet gebaut hatte.
Ist jetzt alles weg? Ronaldinho wäre
nicht der erste gefallene Held in finanziel-
ler Schieflage. Eike Immel musste 2008
Privatinsolvenz anmelden, Christian Vieri
verzockte sein Geld im Casino, Paul Gasco-
igne und George Best verloren alles an
den Alkohol. Und dann ist da noch Diego
Maradona, herrje. Ronaldinho könnte
aber sein Geld auch einfach rechtzeitig ins
Ausland geschafft haben, spekulieren
brasilianische Medien. So oder so, vom
alten Glanz ist nichts mehr übrig. as

München– Miley Cyrus glaubt, dass die
Natur wütend ist. Wütend und müde. „Uns
wird ein beschissener Planet hinterlassen,
und ich weigere mich, das an mein Kind
weiterzugeben“, sagt die Sängerin. Auf Kin-
der zu verzichten wegen des Klimawan-
dels – in ihrer Generation sei sie nicht al-
lein mit dem Plan. „Wir wollen uns nicht
vermehren, weil wir wissen, dass die Erde
nicht damit umgehen kann.“
Die Liste der Fragen, die sich Menschen
wegen des Klimawandels stellen, ist lang:
Fliegen oder Zug? Plastiktüte oder Jutebeu-
tel? Doch keine andere Frage ist so funda-
mental wie diese: Ist es vertretbar, Kinder
in die Welt zu setzen? Zum einen, weil sie
selbst zum Klimawandel beitragen wer-
den, wenn sie konsumieren, Auto fahren
und so weiter. Zum anderen, weil nicht
klar ist, in welcher Welt dieser potenzielle
neue Mensch leben wird. Wird ein Baby,
das 2019 zur Welt kommt, auch als Erwach-
sener ein gutes Leben haben – trotz abseh-
barer Kämpfe um Ressourcen und Hitze-
wellen? Um Kinder zu bekommen, braucht
es Optimismus – und der kommt vielen
jungen Menschen gerade abhanden.
In einer Umfrage derNew York Times
aus dem vergangenen Jahr gab ein Drittel
der Befragten an, wegen des Klimawan-
dels weniger Kinder in die Welt zu setzen.
Es ist also nicht so, dass Fortpflanzungsver-
weigerung ein Nischenphänomen ist. Die
Gruppe Birth Strike organisiert Protestak-
tionen. In der Verfassung der Gruppe heißt
es allerdings, dass sie „in mitfühlender So-
lidarität mit allen Eltern steht, ihre Wahl
feiert und nicht versucht, jemanden zu ver-
urteilen, der beabsichtigt, Kinder zu be-
kommen“. Birth Strike hat einen Blog, in
dem Menschen erklären, warum sie sich
gegen Nachwuchs entschieden haben, er
ist eine Ansammlung an Weltuntergangs-
ängsten. „Die Priorität meines Mannes
und mir ist, zu vermeiden, ein weiteres
Kind in unerträgliche Zukunftszustände
wie Hitzewellen und Dürre zu bringen,
wenn man bedenkt, dass Kinder bereits in
diesem Jahr in Indien und Pakistan an Hit-
zewellen sterben“, schreibt etwa Aletha,


  1. In Deutschland ruft derweil die Lehre-
    rin Verena Brunschweiger dazu auf, auf
    Kinder zu verzichten. „Ein Kind ist das
    Schlimmste, was man der Umwelt antun
    kann“, sagte sie in einem Interview.
    Laut einer Studie aus dem Jahr 2017, die
    viel zitiert wird, hat sie nicht unrecht: Die
    effektivste Maßnahme, die eigene Umwelt-
    belastung zu reduzieren, sei, keine Kinder
    in die Welt zu setzen. Die nächst effektivs-
    ten Veränderungen im persönlichen Le-
    ben: das Auto abgeben, nicht fliegen und
    auf pflanzliche Ernährung umsteigen. An-
    dererseits hat eine groß angelegte Untersu-
    chung der amerikanischen National Acade-
    my of Sciences aus dem gleichen Jahr erge-
    ben, dass die Reduzierung der Bevölke-
    rung eine Illusion ist. Die Studie untersuch-
    te verschiedene Szenarien für das Bevölke-
    rungswachstum und stellte fest, dass
    selbst eine weltweite Durchsetzung einer
    Ein-Kind-Politik zusammen mit „katastro-
    phalen Sterbe-Vorfällen“ die Weltbevölke-
    rung bis 2100 nicht wesentlich reduzieren
    würde. Stattdessen schlägt die Studie vor,
    dass „unmittelbarere Ergebnisse für die
    Nachhaltigkeit aus gesetzlichen Vorgaben
    und Technologien hervorgehen, die den
    steigenden Verbrauch natürlicher Ressour-
    cen umkehren“.
    Sprich: Das Problem ist nicht die Zahl
    der Menschen, sondern wie die Menschen
    ihr Leben führen. Die Politik und der Erfin-
    dungsgeist von Wissenschaft und Wirt-
    schaft sind gefragt – und für die braucht es
    Nachwuchs. Also neue, junge Menschen,
    die sich für Veränderung einsetzen und
    Ideen haben, wie sich der Weltuntergang
    aufhalten lässt. Vielleicht werden sie 2019
    geboren. kathrin werner


Nicolas Moreau, 54,geschasster Chef der
größten deutschen Vermögensverwaltung
DWS, hat schnell einen neuen Job gefun-
den. Der Franzose soll im September die
Leitung des Vermögensverwaltungs-Ge-
schäfts der britischen Großbank HSBC
übernehmen, teilte die HSBC in der Nacht
zum Mittwoch mit. Moreau(FOTO: DPA)wird
in London Nachfolger von Sri Chandrasek-
haran, der nach sieben Jahren an der Spit-
ze von HSBC Global Asset Management
einen anderen Posten innerhalb der Bank
übernehmen soll.


Mit einem verwalteten Vermögen von
etwa 500 Milliarden Dollar ist die HSBC-
Sparte deutlich kleiner als die Deutsche-
Bank-Tochter DWS, die 719 Milliarden
Euro verwaltet. Moreau hatte die DWS im
Frühjahr 2018 an die Börse gebracht und
damit weniger abhängig von der Bank
gemacht. Doch schwache Geschäftszah-
len, ein angeblich mangelnder Arbeitsei-
fer, wie in Bankkreisen kolportiert wurde,
und Differenzen mit Deutsche-Bank-Chef
Christian Sewing kosteten ihn am Ende
den Job. Finanziell hat sich das gelohnt.
Neben einem Gehalt von 5,86 Millionen
Euro als DWS-Chef erhielt Moreau Extra-
Zahlungen von insgesamt 8,8 Millionen
Euro für sein vorzeitiges Ausscheiden aus
dem Deutsche-Bank-Vorstand.
Moreau war 2016 auf Betreiben des
damaligen Bankchefs John Cryan vom
Versicherer Axa zu den Frankfurtern ge-
wechselt. Nach seinem Ausscheiden zwei
Jahre später hat er eine eigene Beratungs-
firma in London gegründet, mit der er
Asset Manager und Fintechs in Produkt-
und Strategiefragen beriet. Bei HSBC soll
Moreau dem FernsehsenderSky News
zufolge nun eine Fusion mit einer ande-
ren Fondsgesellschaft prüfen. HSBC hat
sich Anfang der Woche überraschend
nach nur eineinhalb Jahren von Bankchef
John Flint getrennt. jawi/reuters

Christiane Schönefeld,62, Chefin der
Arbeitsagentur in Nordrhein-Westfalen,
ist nun offiziell als neues Vorstandsmit-
glied der Bundesagentur für Arbeit (BA)
vom Verwaltungsrat vorgeschlagen wor-
den. Am 29. August 2019 findet die Son-
dersitzung statt, nach der Schönefeld in
den dreiköpfigen BA-Vorstand aufrücken
könnte und damit die Nachfolge von Vale-
rie Holsboer antritt. Der Verwaltungsrat
hatte nach einem wochenlangen Macht-
kampf die Entlassung Holsboers als Vor-
ständin für den Bereich Finanzen und
Personal durchgesetzt und sprach von
einem „unwiderruflich zerrütteten Ver-
trauen“. Schönefeld(FOTO: DPA), die 33 Jahre
Erfahrung in der Bundesagentur mit-
bringt und zuletzt auch Mitglied der Kom-
mission „Wachstum, Strukturwandel und
Beschäftigung“ der Bundesregierung war,
gilt als führungsstark und durchsetzungs-
fähig. Da die Vorstände der BA nur bis zu
einer Altersgrenze
von 65 Jahren im Amt
bleiben, könnte Schö-
nefeld womöglich
bald durch Jutta
Cordt, die ehemalige
Leiterin der Regional-
direktion Berlin-Bran-
denburg, abgelöst
werden.roja

18 HF2 (^) WIRTSCHAFT Donnerstag, 8. August 2019, Nr. 182 DEFGH
Richtig gut leben – die große NachhaltigkeitsserieFolge 3: Müll vermeiden in der Familie
Kontostand: 5,63 Euro
KeineKinder
fürs Klima
Sollte man lieber ganz auf
Nachwuchs verzichten?
„Uns fehlt nichts“
Die Kießlings aus Bruckmühl bei Rosenheim haben drei Kinder.
Trotzdem ist ihre Mülltonne fast leer. Sie bauen vieles selbst an
und kaufen wenig ein. Wie schaffen sie das?
N
A
C
H
H
A
LT
IG
KEIT
NN
AA
NN
C
A
H
H
A
LLT
IG
KEIT
In Frankfurt gegangen, in London willkommen Wohlstand in Gefahr Nominiert
PERSONALIEN
StefanieKießling hat selbst lernen müssen. Heute schreibt sie einen Blog über ihre Erfahrungen. FOTO: SIMONE RUPP
Getrocknete Kirschen
statt Gummibärchen –
das kommt gut an
Das Lego-Set zum
Geburtstag wird dann doch
gekauft – trotz Verpackung

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