Süddeutsche Zeitung - 08.08.2019

(Darren Dugan) #1
interview: michael bauchmüller
und elisabethdostert

Carl Martin Welcker, 59, mag Eiscreme, und
er fliegt viel. Auch zu dem Gespräch in Berlin
ist der Unternehmer mit dem Flugzeug ange-
reist – aus Köln, wo seine Firma sitzt, der
Werkzeugmaschinen-Hersteller Schütte.
Welcker ist Präsident des Maschinenbau-
Verbandes VDMA, und als solcher tritt er ge-
rade massiv für Klimaschutz an. Nicht nur,
weil die Maschinenbauer dafür einiges in
der Schublade hätten, sondern aus purer
Notwendigkeit. „Wenn wir die Welt für unse-
re Kinder erhalten wollen, können wir nicht
sagen, wir wollen heute nicht auf Wohlstand
und Komfort verzichten.“ Das bedeute dann
eben auch, das Eis und Fliegen teurer wird.


SZ: Herr Welcker, woher rührt die plötzli-
che Leidenschaft der Wirtschaft fürs Kli-
ma?
Carl Martin Welcker: Der VDMA hatte
schon vor zehn Jahren eine klare Position.
Aber Klimawandel und Klimapolitik genie-
ßen plötzlich hohe Priorität, weil jetzt Ge-
setzentwürfe geschrieben werden. Wir sa-
gen den Politikern, was technologisch geht
und was nicht, und was ordnungspolitisch
sinnvoll ist, damit über den Markt Bewe-
gung hineinkommt. Früher gab es zwar vie-
le internationale Abkommen, aber der ord-
nungspolitische Fußabdruck war nicht
sichtbar. Den sehen wir jetzt, und da läuft ei-
niges in die falsche Richtung.


Zum Beispiel?
Hier wird nicht Ordnungspolitik, sondern
Anordnungspolitik betrieben. Das wollen
wir nicht.


Was wollen Sie denn?
Eines steht schon jetzt fest: Das wird der
teuerste Umbau, den unsere Gesellschaft
je zu stemmen hatte. Deshalb haben wir
ein Gutachten beim Forum Ökologisch-So-
ziale Marktwirtschaft in Auftrag gegeben,
um einen effizienten Weg aufzuzeigen.


Und wie sieht dieser Weg aus?
Wir wollen eine aufkommensneutrale Um-
gestaltung der Belastung von Energieträ-
gern. Bislang nimmt der Staat durch Abga-
ben und Steuern wie die Ökostrom-Umlage
fast 80 Milliarden Euro jährlich ein, das soll
auch so bleiben. Wir wollen aber das bisheri-
ge Sammelsurium abschaffen und durch ei-
nen CO2-Preis von anfänglich 110 Euro je
Tonne ersetzen, allerdings nur für Sekto-
ren, die nicht dem EU-Emissionshandels-
system unterliegen. Wir wollen Klarheit
und langfristige Planungssicherheit. Und
was tut die Politik?
...die arbeitet auch an einem solchen Preis
auf Kohlendioxid.
Aber produziert gleichzeitig seit Jahren
nur Unsicherheit. Wenn wir schnell CO2 ein-
sparen wollen, gibt es Beschlüsse, die kann
man sofort fassen und solche, die Zeit brau-
chen. Ein CO2-Preis lässt sich schnell um-
setzen, der Umstieg auf Elektromobilität
dauert Jahre.
Behaupten Sie.
Das ist so. Der gesamte Fahrzeugbestand
in Deutschland wird im Schnitt alle zehn
Jahre erneuert. Das heißt, selbst wenn von
heute an die Elektromobilität mit allen Mit-
teln durchgedrückt würde und alle kauf-
ten Elektroautos, ist der Bestand frühes-
tens 2029/2030 ausgewechselt. Das spart,
bei ausschließlicher Nutzung von grünem
Strom, jährlich maximal zehn Millionen
Tonnen CO2 beziehungsweise vom Jahr
2030 an theoretisch jährlich 100 Millionen
Tonnen CO2. Und es kostet zu Beginn rich-
tig Geld, um mit E-Mobilität CO2 zu vermei-
den: in den nächsten Jahren mindestens
500 Euro pro Tonne. An anderen Stellen
lässt sich schneller viel mehr bewirken.


Wo zum Beispiel?
Zum Beispiel bei Mülldeponien weltweit.
Bei der Zersetzung organischer Stoffe ent-
steht Methangas, das besonders klima-
schädlich ist. Laut unseren Experten im
VDMA werden auf diesen Deponien bis
2030 jährlich rund 960 Millionen Tonnen
Methan produziert. Das ließe sich um circa
590 Millionen Tonnen verringern. Aber in
Deutschland bekommen wir nicht einmal
mehr die Dämmung von alten Häusern ge-
regelt. Nichts geht voran! Nach Angaben


des Weltklimarats IPCC kostet das Errei-
chen der Klimaziele bis 2050 im günstigs-
ten Fall rund 900 Milliarden Dollar jährlich.
Das Geld sollten wir möglichst effizient ein-
setzen.

Noch teurer kommt Nichtstun.
Stimmt. Deshalb müssen wir jetzt anfan-
gen, CO2 zu bepreisen. Aber wenn ein Gut
bepreist wird, das heute nichts kostet, muss
einer die Zeche zahlen. Auf unsere Gesell-
schaft kommen Wohlstandsverluste zu,
aber entweder wir nehmen diese heute in
Kauf oder unsere Kinder haben keine Zu-
kunft. Deutschland wird das als Exportnati-
on deutlicher zu spüren bekommen als an-
dere Länder, da unsere Produkte bei einer
CO2-Bepreisung im internationalen Wettbe-
werb teurer werden. Wir werden an Kom-
fort einbüßen, aber das ist keine Katastro-
phe. Das muss man den Menschen klar sa-
gen, sonst werden wir sie verlieren, dann
wählen sie aus Frust und Enttäuschung ex-
treme Parteien. Ich hasse es, wenn Politiker
und Organisationen so tun, als gäbe es Kli-
maschutz zum Nulltarif.
Der Maschinenbau hat gut reden – er pro-
fitiert schließlich.
Klar, Investitionen in Umwelttechnologien
sind ein Beschäftigungsprogramm für den
deutschen Maschinenbau. Aber eine Gegen-
frage: Wer, wenn nicht der Maschinenbau,
bietet denn sonst die Lösung des Problems?
Wie würde sich denn so ein CO2-Preis von
110 Euro auf Ihr eigenes Unternehmen,

die Schütte-Gruppe, auswirken?
Kann ich Ihnen sagen, obwohl ich hier
nicht als Unternehmer sitze, sondern als
VDMA-Präsident. Die Schütte-Gruppe
spart, weil Strom in diesem Konzept billi-
ger wird, etwa 120 000 Euro pro Jahr. Heiz-
öl, Gas und Kraftstoffe für Fahrzeuge wer-
den dagegen teurer, aber die machen nur
einen kleinen Teil unseres Energiever-
brauchs aus.

Sie selbst müssen also gar keine Wohl-
standsverluste hinnehmen?
Ich persönlich schon, aber meine Firma hät-
te einen Wohlstandsgewinn. Schütte würde
profitieren, wie viele andere Hersteller von
Maschinen und Anlagen auch. Negativ wä-
ren die Folgen für Unternehmen mit einem
hohen Energieverbrauch, etwa Gießereien,
oder Dienstleister mit einem großen Fuhr-
park. Der wirkliche Gewinn für den Maschi-
nenbau wären aber nicht die geringeren
Stromkosten. 120 000 Euro – bei unserem
Umsatz ist das weniger als 0,1 Prozent. Das
können Sie vernachlässigen.

Wie hoch sind Ihre persönlichen Wohl-
standsverluste?
Nun, das Beheizen eines Einfamilienhau-
ses, das Verzehren eines Steaks oder meine
Liebe zu Eiscreme, die Benutzung der Sau-
na im Winter bis hin zu Kreuzfahrten oder
meine Vielfliegerei – das wird wohl deut-
lich teurer werden oder manches nur noch
eingeschränkt möglich sein.

Aber nicht jeder ist ein Unternehmer. Für
einkommensschwache Haushalte sieht
Ihr Modell keine Ausgleichszahlung vor.
Diejenigen, die schon jetzt einen über-
durchschnittlich großen Teil ihres Ein-
kommens für Energie aufwenden müs-
sen, wären damit in Ihrem Modell die Ge-
lackmeierten. Wie erklären Sie denen den
Aufpreis?

In unserem Modell wird Energie insge-
samt ja nicht teurer, Strom wird deutlich
billiger, Heizöl und Kraftstoffe werden teu-
rer. Wir sollten uns nicht auf Extreme ka-
prizieren. Das gilt für beide Seiten. Das
Maß kann nicht sein, das vielleicht irgend-
wer im Winter friert, weil er wegen der CO2-
Belastung weniger heizt. Da muss es einen
sozialen Ausgleich geben. Aber eine sys-
temimmanente Umverteilung lehne ich
ab. Die Leute ändern ihr Verhalten erst,
wenn der Preis für ein Gut steigt oder fällt.
Menschen schränken ihre Flüge erst ein,
wenn das Ticket mehr kostet. Niemand hat
einen sozial hergeleiteten Anspruch, zwei
Mal im Jahr in die USA zu fliegen. Wenn wir
die Welt für unsere Kinder erhalten wollen,
können wir nicht sagen, wir wollen heute
nicht auf Wohlstand und Komfort verzich-
ten. Das geht nicht.

Sie reden wie der französische Präsident
Emanuel Macron, bevor die Gelbwesten
auf die Straße gingen.
Deshalb sage ich ja, wir müssen den Men-
schen die Spielregeln erklären und sagen,
was kommt. Das X, also der CO2-Preis, darf
nur nicht so hoch sein, dass es alles lahm-
legt. Die Leute sind klüger als mancher
denkt, sie werden das verstehen. Und sie
handeln ökonomisch. Die Bürger kaufen
heute kein E-Auto, weil es sich nicht rech-
net, weil es in der Anschaffung zu teuer,
der Stromverbrauch zu hoch und die Le-
bensdauer der Batterie zu gering ist. Wenn

der Preis für Diesel an der Tankstelle
durch die Kohlendioxid-Abgabe steigt,
sieht die Rechnung anders aus, vielleicht
nicht heute, aber möglicherweise in fünf
Jahren. Wir müssen erst CO2 bepreisen
und dann überlegen, wie wir Härten an
den Rändern ausgleichen. Das gilt für ein-
kommensschwache Haushalte genauso
wie für manche Industrien. Bei einem CO2-
Preis von 110 Euro je Tonne sind energiein-
tensive Industrien, etwa Stahl und Metall-
urgie, auf Dauer nicht in Deutschland zu
halten. Da müssen wir uns darüber unter-
halten, ob wir denen etwas Gutes tun wol-
len und unsere wertvollen Wertschöp-
fungsketten in Deutschland erhalten.

Sie meinen, die größten Energieverbrau-
cher zu subventionieren?
Ja, oder aber Carbon Leakage akzeptieren,
also die Verlagerung von CO2-Emissionen
in Drittstaaten. Das wollen wir nicht. Aber
erst einmal müssen wir doch den grundle-
genden Pfad festlegen, und der wird nicht
gefunden, weil ständig jemand die Ausnah-
men wie eine Monstranz vor sich herträgt.
Wir haben heute zu viele Regularien, Abga-
ben, Steuern und vieles mehr, wir drehen
ständig an zu vielen Rädchen. Mittel- bis
langfristig muss der Markt über den CO2-
Preis gesteuert werden. Das dauert fünf
bis zehn Jahre, weil auch das bisherige
komplizierte System Investitionen hervor-
gerufen hat, die sich nicht einfach zunichte
machen lassen. Aber langfristig müssen

wir einfache Steuerungsmechanismen be-
kommen – und das nicht nur in Deutsch-
land, sondern weltweit. Wir sitzen hier auf
einer kleinen Scholle und versuchen, inner-
halb Deutschlands das Weltklima zu ret-
ten. Das ist doch absurd, das ist eine globa-
le Aufgabe. Allein durch eine Umrüstung
der Zementwerke in der Welt ließen sich
mehr als 700 Millionen Tonnen CO2 einspa-
ren, und das bei Kosten von circa zwei Euro
pro Tonne.

Viele davon in Ländern wie China oder
den Vereinigten Staaten – und dort mit ei-
nem Präsidenten Donald Trump, der sich
vom Klimaschutz verabschiedet.
Aber in einzelnen Bundesstaaten, etwa Ka-
lifornien, tut sich schon etwas. Die USA
sind ohnehin nicht derMatchmaker, das
Spiel wird in China und Indien entschie-
den. Und diese Länder sind zurzeit anders
unterwegs, dort steigen die Emissionen
noch. Der indische Premier Narendra Modi
will in den nächsten Jahren Milliarden in
Kohlekraftwerke stecken. Klimapolitik
scheitert nicht an der Bevölkerung, auch
nicht an Trump. Wenn, dann scheitert sie
am Geld. Wir haben die Technologien, um
Geld zu sparen. Deutschland kann eine Vor-
reiterrolle spielen. Klar klingt das egois-
tisch, aber gibt es eine Alternative?

Die Konjunktur trübt sich ein. Auch der
VDMA hat dieses Jahr schon zweimal sei-
ne Prognose korrigiert. Statt mit einem
Produktionsplus von zwei Prozent wie
noch im Herbst rechnen Sie jetzt mit ei-
nem Rückgang um zwei Prozent. Taugt
Ihr CO2-Modell auch für schlechte Zeiten?
Im Falle einer Rezession fällt die CO2-Bi-
lanz erst einmal besser aus: Wenn weniger
produziert wird, sinkt auch der CO2-Aus-
stoß. Wir kaufen weniger Öl, verbrauchen
weniger Strom, es fahren weniger Lkw auf
der Straße. Aber wir sollten uns nicht da-
von blenden lassen. Klimaschutz ist kein
Luxusthema. Wir müssen uns in guten
und in schlechten Zeiten um das Thema
kümmern.

Finden Ihre Vorschläge in der Politik Ge-
hör?
Es gibt nicht viele Politiker, die das Thema
Klimaschutz vollständig durchdringen.
Das Sach- und Fachwissen ist unglaublich
niedrig. Der Klimawandel sollte nicht glau-
bens- sondern wissenschaftsbasiert ange-
gangen werden. Klimapolitik ist eine der
gesellschaftlichen Herausforderungen der
nächsten Jahre, das kann ich nicht irgend-
welchen Stäben und Beratern überlassen.
Wenn die Schütte-Gruppe die größte Inves-
tition ihrer Geschichte plant, dann grabe
ich mich selbst ins Thema ein, das ist Chef-
sache. Dasselbe erwarte ich auch von unse-
ren Volksvertretern.

„Die USA sind ohnehin
nicht derMatchmaker, das
Spiel wird in China und
Indien entschieden.“
„In Deutschland bekommen
wir nichteinmal mehr die
Dämmung von alten Häusern
geregelt. Nichts geht voran!“

Köln– Fabriken, in denen fast ausschließ-
lich Roboter arbeiten und nur noch wenige
Menschen die Maschinen überwachen,
sind bereits Realität. Beim Siemens-Elek-
tronikwerk in Amberg sind sämtliche Pro-
zesse IT-gesteuert, auch bei Thyssen-
krupp und Maserati sieht man in mancher
Produktionshalle nur wenige Menschen.
Kein Wunder, dass sich immer mehr Men-
schen Sorgen um ihren Job machen. Das
Start-up Ewa aus Essen sieht deshalb
Marktchancen für eine private Arbeitslo-
senversicherung.
Unter dem Motto „Grundeinkommen
per Versicherung“ soll die Police Kunden
davor schützen, in Hartz IV abzurutschen.
Die Police greift nach einer betriebsbeding-
ten Kündigung. Allerdings erhält der Versi-
cherte in den ersten zwölf Monaten – in
der er Arbeitslosengeld I (ALG I) erhält –
noch kein Geld von Ewa. „In der Phase geht
es um Sachleistungen im Bildungsbereich,
also Weiterbildungsmöglichkeiten und Be-
werbungscoachings“, sagt Malte Säger, ei-
ner der drei Gründer. Mit den Kursen soll
der Kunde nicht nur schneller einen Job fin-

den, sondern sich auch neue digitale Fähig-
keiten aneignen. Säger rechnet damit, dass
die Auswirkungen der Digitalisierung in
den kommenden Jahren deutlich spürba-
rer werden. „Der technische Wandel wird
immer schneller“, sagt er. Dinge, die vor
zehn Jahren als nicht ersetzbar galten, wer-
den heute von Computern übernommen.
„Nach dem ersten Jahr, wenn Hartz IV
greifen würde, bekommt er von uns Geld“,
sagt Säger. Wie hoch das Ewa-Grundein-
kommen ist, legt der Kunde selbst fest, je-
doch maximal so hoch wie das ALG I. Es
kann bis zu zwei Jahre gezahlt werden.
Ewa steht noch am Anfang. „Wir haben
noch keine Investorengelder eingesam-
melt, suchen aber auf jeden Fall Kapital“,
sagt er. Mit einem strategischen Partner
könnte Ewa die Police innerhalb eines Jah-
res auf den Markt bringen. Der Preis steht
noch nicht fest. Die Idee der privaten Ar-
beitslosenversicherung ist nicht neu. Einer
der ersten Anbieter war 1996 die Volksfür-
sorge, andere folgten. Allerdings hatten sol-
che Policen kaum Erfolg. Ein Grund: Sie wa-
ren schlicht zu teuer. nina nöthling

München– Eshatte so ausgesehen, als
bliebe das Aufregendste an Zolgensma der
Preis. Zwar ist das gentherapeutische Medi-
kament des Pharmaunternehmens Novar-
tis auch medizinisch sehr spektakulär: Es
kann kleine Kinder von einem rasch tödli-
chen, erblich bedingten Muskelschwund-
leiden heilen. Mehr als spektakulär aller-
dings ist, wenn auf dem Preisschild 2,1 Mil-
lionen Dollar steht.
Seit Dienstag gibt es nun jedoch ganz an-
dere Aufregung um das teuerste Medika-
ment der Welt. Wie die US-Zulassungsbe-
hörde FDA mitteilte, hat Novartis der FDA
im Zulassungsverfahren von Zolgensma In-
formationen über manipulierte Daten vor-
enthalten. Das Unternehmen hatte dem-
nach schon im März dieses Jahres und da-
mit zwei Monate vor der Zulassung des
neuartigen Medikaments gewusst, dass
die Gentherapie-Tochter des Konzerns,
Avexis, tierexperimentelle Ergebnisse ver-
fälscht hatte. Avexis informierte die Zulas-
sungsbehörde erst Ende Juni über die Ma-
nipulation. Die Daten waren für die soge-
nannte Biologics License Application des


Medikaments von Bedeutung gewesen.
Die Lizenz soll eine sauberes, sicheres und
wirksames Produkt garantieren.
Die FDA will die Zulassung des Medika-
ments nun zwar nicht zurückziehen. Die
Behörde geht davon aus, dass die Genthera-
pie für bis zu zweijährige Kinder mit Spina-
ler Muskelatrophie keine zusätzlichen Risi-
ken birgt und effektiv bleibt. Der Leiter der

zuständigen Abteilung in der FDA, Peter
Marks, sagte jedoch, dass man den Fall
nun genau untersuchen werde und Novar-
tis möglicherweise mit zivil- oder sogar
strafrechtlichen Konsequenzen rechnen
müsse. Für den Konzern wäre das ein weite-
rer Rückschlag nach einer Reihe unrühmli-
cher Begebenheiten, zu denen unter ande-
rem Millionenzahlungen an den Anwalt
des US-Präsidenten Donald Trump gehört
hatten. Novartis waren neben Bestechun-

gen auch illegales Marketing, Datenmani-
pulationen und ein ethisch fragwürdiger
Umgang mit weiblichen Mitarbeitern vor-
geworfen worden. Vasant Narasimhan, seit
Februar 2018 Chef von Novartis, beteuerte
am Mittwoch, dass es sich bei der aktuel-
len Datenmanipulation um einen Einzel-
fall handele, der sich „auf Labors an einem
einzigen Standort“ beziehe. Man habe die
FDA informiert, sobald eine Bewertung
vorlag. Der Kurs der Novartis-Aktie gab
am Mittwoch leicht nach.
Für Narasimhan könnte der Fall den-
noch problematisch werden. Der Harvard-
Mediziner hatte sich zum Ziel gesetzt, die
zweifelhafte Unternehmenskultur der vor-
angegangenen Jahre zu ändern – und das
Geschäftsmodell des Konzerns stärker auf
die Entwicklung neuartiger Arzneien zu fo-
kussieren. Auch Kymriah, die erste in den
USA zugelassene Gentherapie gegen eine
therapieresistente Form von Blutkrebs,
stammt von Novartis. Seit 2017 kommen al-
lerdings immer neue, nicht minder innova-
tive Gentherapien der Konkurrenz auf den
Markt. kathrin zinkant

(^24) WIRTSCHAFT Donnerstag, 8. August 2019, Nr. 182 DEFGH
„Wir werden an Komfort einbüßen“
Der Präsident des Maschinenbau-Verbandes, Carl Martin Welcker, über den Kampf gegen Klimawandel,
Wohlstandsverluste und E-Autos. Er plädiert dafür, jetzt rasch einen Preis auf Kohlendioxid zu erheben
Mit einer Dosis von Zolgensma können
todkranke Kinder geheilt werden. FOTO: OH
„Klimaschutz ist kein Luxusthema“: Carl
Martin Welcker, Präsident des Maschi-
nenbauverbands VDMA. FOTO: OH
Versicherung gegen Hartz IV
Start-up will eine private Arbeitslosenpolice anbieten
Der Verzicht auf Mülldeponien in aller Welt – hier eine Verbrennungsanlage im Breisgau – kann einiges Kohlendioxid einsparen. FOTO: IMAGEBROKER/DANIEL SCHOENEN
Von nichts gewusst
Novartis verkauft das teuerste Medikament. Nun hat der Konzern aber Ärger wegen manipulierter Daten bei der Zulassung
Der Konzern-Chef
versichert, es handle sich
um einen Einzelfall

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