Süddeutsche Zeitung - 08.08.2019

(Darren Dugan) #1
von klaus hoeltzenbein

I


m Juni 2012 verabschiedete die Mit-
gliederversammlung ein Leitbild des
FC Schalke 04, von dem es heißt, es
sei von Clemens Tönnies mitentwickelt
worden. In Punkt 8 dieses Leitbildes mit
dem Titel „Schalke 04. Wir lieben dich“
heißt es: „Von uns Schalkern geht keine
Diskriminierung oder Gewalt aus. Wir zei-
gen Rassismus die Rote Karte und setzen
uns aktiv für Toleranz und Fairness ein.“
Sieben Jahre später, im Juli 2019, hielt
der Großschlachter Tönnies in Pader-
born am „Tag des Handwerks“ eine Rede,
in die er eine Stammtisch-Passage einfüg-
te, die er kurz darauf selbst als „töricht“
geißelte. Tönnies empfahl zum Klima-
schutz die Finanzierung von Kraftwer-
ken in Afrika und folgerte: „Dann würden
die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen,
und sie hören auf, wenn’s dunkel ist, Kin-
der zu produzieren.“


Glatt Rot! Platzverweis. Ein klarer Ver-
stoß gegen das Schalker Leitbild, sollte
man meinen. Zumal so ein Aufsichtsrats-
chef in jeder öffentlichen Rolle, an jedem
Ort und über 24 Stunden nie als Privatper-
son, sondern stets als Schalker spricht.
Irritierend ist jetzt, dass der Ehrenrat
des Klubs zu einem anderen Urteil
kommt. Nicht Rot, nur Gelb, eine Verwar-
nung. Tönnies ist 63, er ist zuvor öffent-
lich nicht mit rassistischen Äußerungen
aufgefallen. Wenn er sein Amt jetzt drei
Monate lang ruhen lässt, so klingt das wie
ein Urteil auf Bewährung. Doch wer heu-
te glaubt, Tönnies könne zurückkehren,
als sei nichts gewesen, der irrt: Die innen-
politischen Debatten, die folgen, werden
Schalke in eine Zerreißprobe führen.
Weniger als das Urteil ist die Begrün-
dung das Problem. Denn Tönnies ist vie-
les, aber er ist kein Rassist, jedenfalls gibt
das die aktuelle Beleglage nicht her, da
gibt es hierzulande ganz andere Kaliber.
Aber Tönnies hat eine rassistische Zote
gerissen, und deshalb ist es irritierend,
warum der Schalker Ehrenrat dies nicht
klar so benennt. Wer eine Gruppe kollek-
tiv beleidigt, Afrika, alle Afrikanerinnen
und Afrikaner, äußert sich rassistisch.
Das geht über den Vorwurf der Diskrimi-
nierung weit hinaus: Als solchen hat der
Ehrenrat die Tönnies-Zote deklariert.
Natürlich ist dieser Rat eine Art Zunft-
gericht. Wer hinein berufen wird, ist nie
völlig unbefangen, der ist Klubmitglied
und hat ein Herz für Schalke. Die vierstün-
dige Debatte aber soll, so ist zu hören, in
Teilen kontrovers und scharf gewesen
sein. Und dies, obwohl das notorisch
klamme Schalke am Tropf des Clemens
Tönnies hängt, des Milliardärs, der die Fi-
nanzströme speist und zu steuern weiß.
Königsblau ist keine Einheitsfarbe.
Kurz vor seiner Paderborner Rede wurde
Tönnies von nur 5599 der 9568 Wahlbe-
rechtigten im Aufsichtsamt bestätigt. Die
nächsten drei Monate muss er nun selbst
darüber richten, ob oder wie er zurück-
kehrt. Derweil Schalke entscheidet, ob es
ihn überhaupt zurückhaben will. Einfach
so geht das nicht. Das ist auch für die Bun-
desliga ein neuer und es ist ein demokrati-
scher Prozess. In diesem sollte man der
Urteilskraft der fast 160 000 eingetrage-
nen Schalker vertrauen. Denn das Votum
wird auf der Tribüne fallen.


Düsseldorf– Kevin Großkreutz sagt: „Ich
bin seit meiner Kindheit Fan von Borussia
Dortmund, aber für diese 90 Minuten ken-
ne ich keine Freunde.“ Man könnte das als
Drohung verstehen, wenn man beobachtet
hat, wie der Fußballer jüngst im Drittliga-
spiel seines KFC Uerdingen dem Großaspa-
cher Dimitry Imbongo Boele abseits des
Ballgeschehens von hinten gegen die Wade
trat. Am Mittwoch wurde Großkreutz des-
halb vom Sportgericht des Deutschen Fuß-
ball-Bunds zu einer Sperre von vier Spie-
len plus zwei auf Bewährung verurteilt. Die
Strafe gilt aber nur für die dritte Liga. Das
Erstrundenspiel im DFB-Pokal am Freitag-
abend gegen Dortmund darf er mitma-
chen. Glück für Großkreutz. „Das wird ein
geiles Spiel“, sagt er.
Man darf natürlich nicht davon ausge-
hen, dass der lebenslange BVB-Fan Groß-
kreutz irgendeinem BVB-Fußballer vor-
sätzlich Schaden zufügen wird. Das wäre
für den 31-Jährigen wie ein Stich ins eigene
Herz, und er müsste um seine Beliebtheit
fürchten in seiner Heimatstadt. „Als wir
den BVB zugelost bekommen haben, bin
ich durchgedreht und hatte innerhalb von
zwei Minuten 200 Whatsapp-Nachrichten
auf dem Handy“, berichtet Großkreutz.
Für den 2014er-Weltmeister, der seit ei-
nem Jahr beim Drittligisten Uerdingen
spielt, ist die Partie gegen Dortmund der
Höhepunkt des Fußballjahres. Im Düssel-
dorfer Stadion werden mehr als 30000 Zu-
schauer erwartet.
Großkreutz hat früher offensiv gespielt,
in Krefeld ist er jetzt Verteidiger. Das Vertei-
digen ist aber sowieso ein bisschen zu ei-
ner Lebensaufgabe geworden, denn in den
vergangenen Jahren sind ihm immer wie-
der Malheure passiert, bei denen aufgereg-
tere Medien von Skandalen sprechen. 2014
hat er nach dem verlorenen Pokalfinale
mit dem BVB gegen Bayern München näch-
tens in die Lobby eines Berliner Luxusho-
tels uriniert, im selben Jahr soll er in seiner
Freizeit einem pöbelnden Fan einen Döner
hinterhergeschleudert haben. Der briti-
scheGuardianhat Großkreutz damals in
eine Liste der zehn unfairsten Sportler des
Jahres gewählt. 2017 mit einer nächtlichen
Prügelei im Stuttgarter Rotlichtviertel be-
warb sich Großkreutz noch einmal, aller-
dings vergeblich, um die Aufnahme in eine
solche Liste. Als er im vergangenen Mai am
Rande eines Kreisligaspiels in Dortmund-
Kemminghausen wieder in Scharmützel
verstrickt war, lautete die einhellige media-
le Resonanz indes, er sei von einer granti-
gen Gruppe verdroschen worden.

Großkreutz führt ein ganz schön körper-
liches Leben, was bei einem impulsiven
Fußballprofi aber auch nachvollziehbarer
erscheint als bei einem braven Buchhalter.
Offenbar transferiert Großkreutz reichlich
Adrenalin aus dem Fußball ins bürgerliche
Leben. Und er hat viel Emotionales erlebt.
Seine Erfolge rühren aus jener Zeit, als er
zwischen 2009 und 2015 für Borussia Dort-
mund gespielt hat. Er wurde 2011 und 2012
mit dem BVB Meister und 2012 zusätzlich
Pokalsieger. 2014 wurde er sogar Weltmeis-
ter, wenn auch ohne eine einzige Minute
mitgespielt zu haben. Dass er sich hinter-
her neben dem DFB-Pokal und der Meister-
schale auch den Weltpokal auf die hintere
linke Schulter tätowieren ließ, hat ihm
nochmals Spott eingebrockt.
Mit diesem Gefühl kommt Großkreutz
aber ganz gut zurecht. Sein Fußball, seine
Familie und sein Dortmund prägen seine
Gefühlswelt. In Großkreutz steckt mehr
Dortmund als in den meisten gegenwärti-
gen BVB-Fußballern. Er wurde in dieser
Stadt geboren, ist BVB-Mitglied, trägt ein
Tattoo der Dortmunder Skyline auf der
rechten Wade, ist in der Stadt Mitbesitzer
eines Schnitzelrestaurants und überdies
ehrenamtlicher Co-Trainer bei seinem
Dortmunder Kindheitsklub VfL Kemming-
hausen in der Bezirksliga.
Gegen den BVB hat Großkreutz erst ein
Mal gespielt, das war im Februar 2016 und
auch schon im Pokal, als er mit seinem da-
maligen Klub VfB Stuttgart im Viertelfina-
le 1:3 unterlag. Der sonst so aufbrausende
Spieler hat sich damals sehr anständig be-
nommen, niemandem etwas zuleide getan
und die Niederlage tapfer ertragen. Auch
diesmal dürfte man von ihm eher die Scho-
koladenseite zu sehen bekommen, zumal
sein Ziel ist, nach dem Abpfiff das Trikot
seines Freundes Marco Reus zu holen. Vor-
her, sagt er aber, „wollen wir den BVB noch
richtig ärgern“. ulrich hartmann

von hans leyendecker

E


nde Juni, auf der Hauptversamm-
lung des FC Schalke 04, sagte Auf-
sichtsratschef Clemens Tönnies eini-
ge Sätze zur Befindlichkeit: „Ich bin 63. Je-
den Tag Fleisch.“ Das betont der Fleischin-
dustrielle gern und oft. Manchmal fügt er
dann hinzu, dass er noch lieber Wurst isst.
Auf Schalke sagte er noch einiges zur La-
ge des Vereins: „Wir werden es besser ma-
chen“ als in der vergangenen Saison. Und:
„Ich bin nicht derjenige, der abhaut. Ich
bin der, der anpackt.“ Applaus.
Tönnies später: „Es ist eine Tugend von
uns Schalkern, dass wir nicht nachtreten.“
Großer Applaus. Als Tönnies das sagte,
meinte er vor allem den jungen Trainer Do-
menico Tedesco, 33, der Schalke verlassen
musste. „Es tut mir unheimlich leid um
ihn“, sagte Tönnies. Ganz großer Applaus.
Wenn es denn wirklich eine Tugend der
Schalker ist, nicht nachzutreten, gilt das
auch für den Fall des Chefs? Für den Fall
Clemens Tönnies? Und steht wirklich fest,
dass er nicht abhauen wird? Niemals?
Am Dienstagabend tagte der Ehrenrat
des Klubs. Es ging um Tönnies selbst. Vor
allem um seine Äußerungen zu Afrika, wo
Kraftwerke fehlen würden, und zu den Be-
wohnern des Kontinents, die deshalb im
Dunkeln „Kinder produzieren“ würden.
Nach den üblichen Definitionen war das,
was Tönnies in eine Rede in Paderborn ein-
streute, der klassische Rassismus.
„Rassismus ist der Prozess, in dem Men-
schen aufgrund tatsächlicher oder ver-
meintlicher körperlicher oder kultureller
Merkmale als homogene Gruppen konstru-

iert, negativ bewertet und ausgegrenzt wer-
den“, heißt es im einschlägigen Glossar.
Der Schalker Ehrenrat beriet viereinhalb
Stunden, und das Resultat war, auf den ers-
ten Blick, so bizarr wie in der vorigen Sai-
son manche Feststellung der Videoschieds-
richter, die im Kölner Keller hockten.
Kein Rassismus. Der Vorwurf sei „unbe-
gründet“. So der Ehrenrat. Vorzuwerfen sei
Tönnies allerdings, dass er gegen das in
der Vereinssatzung und im Schalker Leit-
bild verankerte Diskriminierungsverbot
verstoßen habe. Insbesondere als Auf-
sichtsratschef habe er seine Pflicht ver-
letzt. Tönnies habe dies bedauert und er-
klärt, sein Amt als Mitglied des Aufsichtsra-
tes für den Zeitraum von drei Monaten ru-
hen zu lassen. Danach gehe er wieder ran.

Der fünfköpfige Ehrenrat trat nicht
nach und begrüßte diesen Plan.
Das Echo ist entsprechend. Und es ist
vieltönig. In Schalker Fankreisen regt sich
erster Widerstand: „Clemens Tönnies
kann so nicht mehr das Gesicht von Schal-
ke sein“, sagt zum Beispiel Manfred Beck
von der Schalker Fan-Initiative. Und wei-
ter: „Ich hoffe, dass das nicht das endgülti-
ge Ergebnis ist, sondern dass dies erst mal
ein Zwischenergebnis ist.“ In einigen Medi-
en ist von „Marionetten“ die Rede, an de-
nen Tönnies „die Fäden“ gezogen habe.
Von der „verlorenen Ehre des FC Schalke“
ist ebenfalls die Rede. Und, es ist Sommer-

pause, fast jeder, der im politischen Sport-
betrieb etwas zu sagen hat, hechtete nach:
„Erbärmlich“, „fragwürdig“, „elendig“.
Das Echo auf den Ehrenrats-Entscheid
ist unerbittlich, aber es ist mit dem eigentli-
chen Spielverlauf nur schwer zu erklären.
Im Schalker Ehrenrat, dem seit Tagen ei-
ne Bedeutung zugeschrieben wird, als sei
er das Jüngste Gericht, sitzen fünf Men-
schen. Jeder von ihnen muss über 30 Jahre
alt sein, dem Verein als Mitglied mindes-
tens fünf Jahre angehören, und mindes-
tens zwei der Mitglieder müssen die Befähi-
gung zum Richteramt haben.
Alle fünf Mitglieder erfüllen diese Vor-
aussetzungen. Alle fünf sind Schalker.
Manche kennt man, wie den Pfarrer
Hans-Joachim Dohm, der Vorsitzender des
Gremiums ist und der schon Manuel Neu-
er getauft haben soll. Oder seinen Stellver-
treter, den Professor Dr. Klaus Berns-
mann, der Anwalt und Leiter des Lehr-
stuhls für Straf- und Prozessrecht an der
Uni Bochum ist. Bernsmann zumindest
kennt Tönnies bis aufs Fleisch.
Als der Großmetzger in einem Strafver-
fahren unter anderem Probleme bekam,
weil beim „Hackfleisch gemischt“, bei dem
der Anteil Schweinefleisch gewöhnlich mit
55 Prozent und Rindfleisch mit 45 Prozent
angegeben wird, die Proportionen nicht ge-
stimmt haben sollen, verfasste Berns-
mann eine erstaunliche Expertise. Nach
der Lektüre wusste selbst ein Staatsanwalt
nicht mehr, wie es denn mit den Anteilen
so richtig sei. Ob Rindfleisch wirklich bes-
ser ist als Schweinefleisch. Juristen-Kunst.
Also: Richtige Tönnies-Gegner sind der
Pfarrer und der Anwalt nicht.

Und dennoch lief die Sitzung des Ehren-
rats, wie verlässliche Quellen bezeugen, an-
ders, als das Ergebnis es vermuten lässt.
Die Juristin Kornelia Toporzysek, Richte-
rin am Oberlandesgericht Düsseldorf und
seit 2005 Schalke-Mitglied, soll die Pader-
borner Tönnies-Äußerungen sofort sehr
scharf kritisiert haben. Es gibt jemanden,
der dabei war und beteuert, wenn das so
weitergegangen wäre, dann hätte Tönnies
in dieser Dienstagnacht hingeworfen.
Auch Götz Bock, Richter am Hessischen
Finanzgericht, soll sehr grundsätzlich ge-
worden sein. Mitglieder des Gremiums er-
klären, sie dürften nichts sagen. Geheim.
Auf Anfrage, ob er zu einem Interview
bereit sei, teilte Tönnies am Mittwoch via
SMS kurz mit, er mache jetzt „erst einmal
eine Pause“. In gegebener Zeit komme er
wieder auf die Öffentlichkeit zu.
Stimmen die überlieferten Beschreibun-
gen dieser Sitzung, so hat es eine Weile ge-
braucht, um die Grundlage für den Schal-
ker Kompromiss zu legen. „Wir dürfen uns
doch nicht selbst zerfleischen“, soll ein Eh-
renrat gesagt haben. Und weil zu dem Gre-
mium ein Steuerberater gehört, dem Ein-
blick in das Reich von Schalke 04 – ein-
schließlich aller Tönnies-Aktivitäten – zu-
getraut wird, soll dessen Votum besonders
wichtig gewesen sein. Bernhard Terhorst
soll zur Besonnenheit geraten haben.
Auf der Hauptversammlung im Juni üb-
rigens hat eine Schalkerin etwas Wichtiges
über das Schalke-Sein gesagt und dafür
viel Beifall bekommen: „Ich bleibe bei je-
dem Spiel, ganz gleich, wie scheiße es auch
ist.“ Clemens Tönnies stand daneben und
half beim Ausrichten des Mikrofons.

DEFGH Nr. 182, Donnerstag, 8. August 2019 HMG 25


München– Welche Drohkulisse der Wall-
berg darstellt, hat inzwischen womöglich
auch der Rekordeinkauf des FC Bayern er-
fahren. Der Wallberg ragt im Mangfallge-
birge am Rande des Tegernsees in den Him-
mel, von der Talstation in Rottach-Egern
führt ein Anstieg bis auf eine Höhe von
1722 Metern. Um nach oben zu kommen,
kann man die Bergbahn nutzen. Man kann
aber auch einen Aufstieg wählen wie Felix
Magath. Im Sommer 2004 ließ der damali-
ge Trainer des FC Bayern seine Profis den
Berg hinaufrennen, von diesen Qualen
erzählen sie im Verein noch 15 Sommer
später begeistert. Am Dienstagnachmittag
aber blieb der Rekordeinkauf des FC Bay-
ern stets auf Seehöhe, die Drohkulisse
nahm er nur im Hintergrund wahr. Lucas
Hernández, für 80 Millionen Euro von
Atlético Madrid gekommen, trainierte am
Dienstag nach einer komplizierten Verlet-
zung am Knie erstmals mit seinen neuen
Mitspielern.
Hernández sprintete, er absolvierte klei-
nere Spielformen, von Zweikämpfen blieb
er verschont. Das Knie hielt.
Doch das Knie des Rekordeinkaufs des
FC Bayern ist in diesen Tagen ohnehin
nicht das Knie, über das sie sich im Verein
am meisten Gedanken machen. Das Knie,
dem sie so viel Aufmerksamkeit schenken,
gehört aktuell noch zum Kader von Man-
chester City.
Am Sonntag, wenige Tage nachdem Le-
roy Sané dem FC Bayern signalisiert haben
soll, dass er bereit sei zu einem Wechsel
nach München, stand der 23 Jahre alte Flü-
gelspieler in der Startelf von City im Super-
cup gegen den FC Liverpool, schon nach
zwölf Minuten musste er ausgewechselt
werden. Er humpelte, zur Siegerehrung
kehrte er mit einem bandagierten rechten
Knie zurück. Bereits am Montagvormittag


soll er untersucht worden sein. Doch die Er-
gebnisse der Untersuchung blieben mehr
als 48 Stunden lang in der Öffentlichkeit
ein Rätsel. Bei City äußerte sich keiner,
weil sie sich dort traditionell nur auf Presse-
konferenzen zur Gesundheit ihrer Spieler
äußern (und auch dann nur spärlich; in die-
sen Pressekonferenzen sitzt schließlich
Trainer Pep Guardiola, der in seiner Zeit in
München auf derartige Fragen stets ant-
wortete: „Frag den Doktor!“). Beim FCBay-
ern äußerte sich keiner, weil sie sich dort
gar nicht mehr zu Sané äußern wollen, be-
vor dieser Transfer fix geklappt oder eben
nicht geklappt hat. Dass Sané sich nicht äu-
ßerte, überraschte am wenigsten – öffent-
lich hat er zu seinem möglichen Wechsel

überhaupt noch nichts gesagt. Am Mitt-
woch meldete dieBild, den Grund für all
die Geheimnistuerei zu kennen: Sané soll
freie Flüssigkeit im rechten Knie haben,
was eine Diagnose erschwere – dem Be-
richt zufolge soll an diesem Donnerstag
entschieden werden, ob Sané operiert wer-
den muss. Der FC Bayern wollte den Be-
richt nicht kommentieren. Bei City hieß es,
das alles sei völlig spekulativ. Die medizini-
schen Tests dauerten an, man warte auf Re-
sultate.
Die ohnehin schon verwickelte Transfer-
geschichte ist durch diese Knieverletzung
jedenfalls noch komplexer geworden. Von
der Gesundheit des Spielers hängt ja in ei-
nem ersten Schritt ab, ob das Interesse des

FC Bayern aktuell bleibt – und in einem
zweiten Schritt, wie viel Geld der Klub aus-
geben will. Bisher ist unbekannt, ob City
von den ursprünglich geforderten 137Milli-
onen Pfund (fast 150 Millionen Euro) abge-
rückt ist. Dass an diesem Donnerstag um
18Uhr deutscher Zeit in England die Frist
für Einkäufe endet, schwächt die Position
von Manchester dabei nicht, im Gegenteil.
Guardiola würde Sané am liebsten behal-
ten, einen Ersatz will City wohl ohnehin
nicht verpflichten. Und mit jedem Tag, der
vergeht, steigt für den FC Bayern der Hand-
lungsdruck. Auch ein verletzter Sané dürf-
te also so teuer werden, dass Hernández
dann nur in wenigen Trainingseinheiten
als Rekordeinkauf auf dem Platz stand.

Der für Transfers zuständige Sport-
direktor Hasan Salihamidzic verfolgte am
Dienstag das Training, er sah dabei auch
seinen ersten Wunschspieler Hernández.
LautBildließ er sich vom Mannschaftsarzt
zudem erklären, wie genau sich sein zwei-
ter Wunschspieler Sané verletzt habe. Da-
nach wusste er, dass es nicht leichter für
ihn wird. Und dann kommt auch noch
Druck aus der eigenen Mannschaft dazu.
„Ich denke, dass wir noch drei neue Spie-
ler brauchen“, sagte Robert Lewandowski
derSport-Bild. Es ist keine neue Forde-
rung des Angreifers, doch weil er sie konse-
quent wiederholt, gewinnt sie zunehmend
an Wucht. Als einen der drei Neuen hätte
Lewandowski gerne Sané, dazu wünscht er
sich einen weiteren Außenstürmer sowie
„vielleicht einen Sechser oder einen offen-
siven Spieler für das Zentrum“. Beim 0:2
im Supercup in Dortmund war zu erken-
nen, wie verwundbar der FC Bayern in der
Spielfeldmitte noch ist. Doch da Salihamid-
zic sich das Training anschaute, verhandel-
te er zumindest am Dienstagnachmittag
mit keinem möglichen Zugang, nicht mit
Sané, auch nicht mit einem weiteren der
vielen Spieler, die mit dem FC Bayern in die-
sem unruhigen Transfersommer in Verbin-
dung gebracht werden. Er verhandelte also
zum Beispiel auch nicht mit dem Außen-
stürmer Hakim Ziyech von Ajax Amster-
dam oder mit dem Sechser Marc Roca von
Espanyol Barcelona. Und so verging ein
weiterer Tag ohne einen weiteren, vom gan-
zen Klub ersehnten Zugang.
2004 war Salihamidzic übrigens einer
der Spieler, die von Magath den Wallberg
hochgescheucht wurden; später erzählte
er tapfer, dass es ihm dennoch „Spaß“ ge-
macht habe. Aber das war in einer Zeit, in
der seine Arbeit noch nicht ganz so kompli-
ziert war. benedikt warmbrunn

SPORT


Inder dritten Liga
für mindestens vier
Spiele gesperrt – im
DFB-Pokal am Frei-
tag aber spielberech-
tigt: Kevin Groß-
kreuz, Weltmeister
2014, derzeit KFC
Uerdingen.
FOTO: D. KOPATSCH / GETTY

Wünsche am Wallberg


Der mögliche Wechsel von Leroy Sané zum FC Bayern wird durch dessen Knieverletzung verkompliziert – Robert Lewandowski erhöht den Druck auf die Bosse


Fußball
Die Nummer 29: Spielt
Bakery Jatta unter einem
falschen Namen beim HSV? 26

Basketball
Wie einst Nowitzki: Vince Carter
geht bei den Atlanta Hawks
in seine 21. NBA-Saison 27

„Wir dürfen uns nicht selbst zerfleischen“


Der Schalker Ehrenrat wird dafür kritisiert, Clemens Tönnies nicht hart genug sanktioniert zu haben.
Der Aufsichtsratschef lässt sein Amt nur drei Monate ruhen, doch die Verhandlung hatte durchaus ihre Schärfen

SCHALKE 04

Vor der


Zerreißprobe


Schalke entscheidet, ob es


Tönnies zurückhaben will.


Einfach so geht das nicht


Auf Anfrage teilt Tönnies
via SMS kurz mit, er mache jetzt
„erst einmal eine Pause“

Rekordeinkauf im ersten Nahkontakt: 80-Millionen-Euro-Zugang Lucas Hernández nahm am Dienstag erstmals am Mann-
schaftstraining desFC Bayern teil – bei den Fans ist er bereits jetzt ein begehrter Selfie-Partner. FOTOS: ANDREAS GEBERT / REUTERS

Skyline


auf der Wade


Großkreutz trifft mit Uerdingen
auf seinen Herzensklub BVB

HEUTE


Schalke diskutiert: Darf Clemens Tönnies noch das Gesicht des Bundesligisten sein? FOTO: MARTINMEISSNER / AP
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