Süddeutsche Zeitung - 08.08.2019

(Darren Dugan) #1
von steve przybilla

E


s gibt Dinge, die sind so schön,
dass man sie kaum glauben kann.
„Das sind keine LEDs, wirklich
nicht“, versichert der Höhlen-
Guide, nachdem er die Frage an diesem
Tag zum dritten Mal gehört hat. „Was wir
hier sehen, ist ein Wunder der Natur.“
45 Meter unter der Erdoberfläche, inmit-
ten von Stalaktiten und Stalagmiten, fun-
keln die Sterne. Zumindest sieht es so aus.
Das „Wunder“ ist eine Kolonie leuchten-
der Mücken – Glowworms werden sie hier
genannt –, die sich in den Höhlen von Wai-
tomo in Neuseeland niedergelassen hat.
Schwer vorstellbar, dass in dieser dunklen,
feuchten Unterwelt überhaupt etwas lebt.
Aber so ist es. Zigtausende Exemplare die-
ser nur in Neuseeland vorkommenden
Langhornmücken-Art, Arachnocampa lu-
minosa, beherbergt die Grotte. Die erwach-
senen Tiere werden nur wenige Tage alt.
Die wurmartigen Larven wachsen über Mo-
nate heran; dabei hängen sie an der Höhlen-
decke, lassen von dort seidene Fangfäden
herab. Ihr Leuchten lockt Beute an. So ent-
steht das Sternenzelt tief in der Erde.
Trotzdem ist von Romantik zunächst
nicht viel zu spüren, denn durch die auch
im Deutschen als Glühwürmchen-Höhle
beworbenen Grotten wimmeln nicht nur
Insekten, sondern auch Menschen. Mehre-
re Gruppen werden gleichzeitig durch die
15 Grad kühlen Gewölbe geführt. Zwar
mahnen Schilder zur Ruhe, aber davon ist
beim Abstieg nicht viel zu spüren.
„Schhhhh!“, zischt der Guide, als ein jun-
ges Paar abermals tuschelt. „Und macht


das Handy aus!“ Helle Lichtquellen oder
laute Geräusche sind in den Höhlen streng
verboten, weil sie die Insekten stören –
und diese dann weniger leuchten.
Nach ein paar Metern scheint die Anwei-
sung schon wieder vergessen, selbst bei
denjenigen, die sie durchsetzen sollen.
Plötzlich ermuntert der Guide zum Singen.

„Hier unten ist die Akustik so toll, dass wir
sogar Konzerte veranstalten“, erklärt er, be-
vor er die gedimmten Lampen, die den
Weg beleuchten, komplett ausschaltet. In
der Ferne ist fröhlicher Gesang zu hören, ei-
ne Gruppe südkoreanischer Touristen hat
ein Volkslied angestimmt. Als das Schum-
merlicht wieder angeht, sind beseelte Ge-
sichter zu erkennen. Nur eines fehlt noch
immer: das Leuchten der Mücken.
Einfach machen es einem die Tiere zu-
nächst nicht. Man muss in die Hocke ge-
hen, den Oberkörper strecken und den
Hals verrenken, bevor man das bläuliche
Glimmen erblickt. „Die Weibchen sind hel-
ler als die Männchen“, erklärt der Guide.
„Ihr seht, das ist wie bei den Menschen.“
Ein kurzer Lacher, dann geht’s weiter,
denn die nächste Gruppe wartet bereits.
Die Höhlen von Waitomo zählen zu den be-
liebtesten Touristenattraktionen Neusee-
lands. Eine halbe Million Menschen steigt
jedes Jahr in die Tiefe, manche für einen
Rundgang, andere für eine Bootstour, zum
Abseilen oder – die härteste Variante – fürs

„Black Water Rafting“. Dabei sausen Aben-
teuerlustige auf Gummireifen durch das
unterirdische Wassersystem. Leuchttiere
gibt es nicht in jedem Abschnitt; bei man-
chen Touren geht es eher um Adrenalin.
Zur Faszination gehört das Gefühl, in ei-
ne exotische Welt vorzudringen. Der Pio-
niergeist trieb auch den englischen For-
scher Fred Mace im Jahr 1887 in die Höhlen
von Waitomo. Zusammen mit dem einhei-
mischen Maori-Häuptling Tane Tinorau er-
kundete er auf einem Floß das weit ver-
zweigte System. „Die Höhlen haben sich
seitdem kaum verändert, aber der Besuch
war komplett anders“, erzählt Hiria Kohe-
Love. Die 36-Jährige stammt selbst von Ti-
norau ab und verantwortet heute das tou-
ristische Programm in den Höhlen. „Da-
mals musste man mutiger sein“, sagt sie.
„Die Leute haben sich abgeseilt und Kar-
bidlampen vor sich hergetragen. Es dauer-
te Stunden, den Weg zu finden.“ Frauen

und Kindern war das Betreten der Höhlen
nicht gestattet.
Schon früh erkannten die Maori, dass in
diesem Erlebnis ein wirtschaftliches Poten-
zial steckt. 1889 machten sie die Höhlen
für die Öffentlichkeit zugänglich. Aber be-
reits einige Jahre später enteignete die Re-
gierung die Maori und übernahm selbst
die Verwaltung. Die Tourismusbehörde
errichtete ein Hotel und baute die Höhlen-
eingänge aufwendig aus. Selbst Queen Eli-
zabeth II., die noch heute das Staatsober-
haupt Neuseelands ist, besuchte 1953 die
Waitomo-Höhlen.
Erst 1989, fast ein Jahrhundert nach der
Enteignung, erhielten Tinoraus Nachfah-
ren ihr Land zurück. Noch heute sind die
meisten Mitarbeiter in den Höhlen Maori.
Sie werden beteiligt an den Einnahmen. So
hat sich das Verhältnis zwischen Maori, Re-
gierung und Geschäftsleuten in der jüngs-
ten Vergangenheit spürbar verbessert –

auch deshalb, weil alle an einem Strang zie-
hen müssen, um ihre Attraktion zu erhal-
ten. Längst warnen Wissenschaftler vor zu
vielen Besuchern. Womöglich könnte das
Kohlendioxid, das durchs Atmen entsteht,
die Insekten schädigen. Die Langzeiteffek-
te durch menschliche Besucher sind bis-
lang kaum erforscht. Wenn sich Feuchtig-
keit oder Sauerstoffgehalt zu stark ändern,
könnte das zu einem Massensterben der
Mücken führen, wie schon einmal in den
Siebzigerjahren. „Das wollen wir unbe-
dingt vermeiden“, beteuert Hiria Kohe-
Love. „Deshalb haben wir überall Sensoren
installiert, die ständig Luft- und Wasser-
qualität messen.“
Höhlen mit Leucht-Insekten gibt es in
Neuseeland nicht nur in Waitomo, und
nicht alle sind touristisch erschlossen. Wer
also sucht, findet vielleicht auch heute
noch eine unerforschte Höhle, in der man
sich wie Fred Mace und Tane Tinorau auf
ihrer ersten Expedition fühlen kann. Unge-
fährlich sind solche Erkundungen auf eige-
ne Faust nicht; zudem bei den Einheimi-
schen auch nicht gern gesehen, denn auch
hier kämpft man gegen Müll und Graffiti.
In der Höhle steuert die Gruppe unter-
dessen dem Finale entgegen. Über eine
Treppe werden die Besucher abermals in
die Tiefe geführt, diesmal zu einer Boots-
anlegestelle. Dicht an dicht sitzen alle ne-
beneinander. Das Holzboot wackelt und
schwankt; dann geht auch die letzte Ta-
schenlampe aus. „Schhhht!“, zischt aber-
mals der Guide, als das Tuscheln wieder
losgeht. Sekunden später verschlägt es al-
len die Sprache: Die Sterne sind aufgegan-
gen, 45 Meter unter der Erde.

Waitomo-Höhlen

Wellington

Auckland

Nordinsel

Südinsel

Tasmansee

PAZIFIK

NEUSEELAND

100 km
SZ-Karte: Mainka/Maps4News

Tauranga

New
Plymouth
Napier

Jetzt, wo alle in den Urlaub fahren,
radeln,fliegen, wird es Zeit, mal wieder
Danke zu sagen. An all jene, die „den gan-
zen Laden am Laufen halten“. (Okay, das
war jetzt gestohlen aus der neuen Plakat-
kampagne des Boulevardblatts mit den
vier Buchstaben, die einem beim Warten
auf den verspäteten Zug an jedem Bahn-
hof ins Auge fällt.)
Da sind die Zugbegleiter, die bei aus-
fallenden Klimaanlagen und Stellwerk-
störungen doppelt ins Schwitzen kom-
men, weil sie auch die Wut der Passagie-
re abbekommen. Danke! Da sind die Pilo-
ten, die mit der künstlichen Dummheit
ihrer Softwaresysteme zu kämpfen
haben, damit sie die Maschinen sicher
landen. Danke! Ja, und da sind auch die
Stewardessen und Stewards, die früher
böswillig als Saftschubsen bezeichnet
wurden, aber natürlich aufopferungsvol-
le Arbeit leisten, noch mehr, seit Essen
und Trinken nicht mehr im Ticket inklu-
diert sind und sie Bestellungen aufneh-
men, servieren und schließlich abkassie-
ren müssen. Danke. Gracias. Merci.
Vor diesem Hintergrund sollten wir
nicht vorschnell über ein Ereignis urtei-
len, das sich vor Kurzem in einem Flug-
zeug von Southwest zugetragen hat, der
größten Billigfluglinie der Welt. Beim
Betreten der Maschine in Nashville fiel
Passagieren eine Stewardess auf, die aus-
gestreckt in einem der für das Handge-
päck vorgesehen Fächer über den Sitzen
lag. Eine eifrige Passagierin hielt gleich
mit ihrer Handykamera drauf und poste-
te das auf Twitter. Man sieht, wie sich die
nicht besonders große Flugbegleiterin
in der Gepäckablage umdreht und zu
den einsteigenden Passagieren schaut.
Die postende Kundin schrieb zu ihrem
Video: „Southwest, ist das ein Traum?“
und bittet um Erklärung, denn sie finde
das ziemlich „weird“, also verrückt,
bizarr, gar unheimlich.
Was bitte soll daran verrückt sein?
Mit nur ein bisschen Einfühlungsvermö-
gen hätte die Passagierin kurz den har-
ten Arbeitstag einer Stewardess bei ei-
ner Billigfluglinie gedanklich skizzieren
können: Früh aufstehen, zwölf Stunden
im Flugzeug herumlaufen und Passagie-
re bedienen, die sich beschweren, dass
sie für das 89-Dollar-Ticket nicht mal
gratis ein Getränk bekommen. Natürlich
hatte die Flugbegleiterin zwischen ei-
nem Flug und dem anderen mal das Be-
dürfnis, sich kurz auszustrecken und ein
Nickerchen zu machen. Da das aber bei
den derartig eng aneinandermontierten
Sitzen nicht möglich ist und sie verständ-
licherweise auf dem schmutzigen Boden
nicht liegen wollte, schwang sie sich ins
Gepäckfach hoch, wo sie dann während
des hochverdienten Power Naps von den
einsteigenden Passagieren überrascht
wurde. So what?
Die Twitter-Frau sagte aber später
Trumps Haussender Fox News, sie glau-
be, die Dame habe das getan, „um lustig
zu sein und die Passagiere zum Lachen
zu bringen“. So argumentierte auch
Southwest in einer Stellungnahme. Da
sieht man’s wieder: Keiner gönnt dem
Personal mal eine kurze Verschnaufpau-
se. Alles für den Gast. Deshalb noch mal:
Thank you! hans gasser

Die Maori erkannten früh die
Bedeutung der Höhle. Doch die
Regierung enteignete sie zunächst

Anreise:Ab Frankfurt z. B. mit Cathay Pacific nach
Wellington, Zwischenstopp in Hongkong, ca. 1100 Eu-
ro. Die Höhlen von Waitomo sind vom Flughafen aus
per Mietwagen in zweieinhalb Stunden erreichbar.
Übernachtung:Am besten in Hamilton, ca. 70 Kilome-
ter von Waitomo entfernt. Im Zentrum liegen mehre-
re Mittelklassehotels, z. B. das Ibis, 18 Alma Street
(DZ ab 90 Euro) oder das Novotel, 7 Alma Street (DZ
ca. 130 Euro).
Führungen:Die 45-minütige Führung plus Boots-
fahrt in der Glühwürmchenhöhle kostet 32 Euro; Kin-
der zahlen 14,50 Euro. Rafting ab 89 Euro, Jugendli-
che 76 Euro. Es gibt ermäßigte Kombitickets. Da die
Temperaturen ganzjährig bei 15 bis 16 Grad liegen,
empfiehlt sich warme Kleidung, http://www.waitomo.com

In Gruppen werden Touristen durch die Grotten geführt, an deren Decke die Mückenlarven hängen. Den Mut der Entdecker brauchen sie heute nicht mehr.FOTO: CORIN WALKER BAIN / TOURISM NEW ZEALAND

Unterm

Sternenzelt

DieGlühwürmchen-Höhle zählt zu Neuseelands


größten Attraktionen. Was steckt dahinter?


32 REISE Donnerstag, 8. August 2019, Nr. 182 DEFGH


Hinweis der Redaktion:Die Recherchereisen für
diese Ausgabe wurden zum Teil unterstützt von
Veranstaltern, Hotels, Fluglinien und/oder Tou-
rismus-Agenturen.

ENDE DER REISE


Einfach mal


Danke sagen


Foto: Fotolia/IgorZh Foto: Fotolia/boule1301

SZL080819

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Süddeutsche Zeitung Leserreisen


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Foto: Norwegian Cruise Line/
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