Süddeutsche Zeitung - 08.08.2019

(Darren Dugan) #1
Franz, 27, kam mit fünf Jahren aus Albanien nach
Deutschland undstudiert heute Wirtschaft und Ethik
im Master.
„Ich finde: Das Ziel sollte sein, dass wir nicht die Kinder
dem System anpassen, sondern das System den Kin-
dern. Ich sollte schon ein Jahr vorher eingeschult wer-
den, das ist dann aber in Rücksprache mit dem Kinder-
arzt wegen meiner sprachlichen Defizite verschoben
worden. In der Vorschule war ich wie auch zu Beginn
der Grundschulzeit ziemlich isoliert. Ich war sehr
schüchtern, was sicher auch mit den sprachlichen Pro-
blemen zu tun hatte. Das zusätzliche Jahr im Kindergar-
ten hat mir wenig bis gar nichts gebracht, weil ich wirk-
lich kaum gesprochen habe.
Die zweite Klasse und die Hälfte der dritten Klasse war
ich an einer anderen Schule, in der viele Kinder mit Mi-
grationshintergrund waren. Dort hatte ich eine ganz
andere Betreuung – und nicht solche Hemmungen,
weil ich nicht perfekt Deutsch gesprochen habe. Als
ich dann wieder meine alte Schule besuchte, hatte ich
das Deutsch drauf. Aber ich weiß noch gut, dass eine
Lehrerin mal zu meinen Eltern gesagt hat: ,Der Franz
wird in Deutsch niemals über eine Vier hinauskom-
men, weil in seinem Elternhaus kein Deutsch gespro-
chen wird.‘ Da werde ich heute noch sehr wütend,
wenn ich drüber nachdenke.“

Angi, 25, hat gerade ihren BWL-Bachelor in Hamburg
abgeschlossen. Ihre Eltern kamen kurz vor ihrer Ge-
burt aus Serbien nach Deutschland.
„Daheim haben wir nur serbisch gesprochen. Daher ha-
be ich erst im Kindergarten und in der Grundschule
richtig gelernt, die Sprache zu sprechen. Nachhilfe
oder Förderunterricht hatte ich nie. Im Kindergarten
habe ich gar nicht gemerkt, dass ich Verständigungs-
probleme hatte, aber ich war leiser und zurückhalten-
der als die anderen. Trotzdem habe ich mir die Sprache
angeeignet. In der Grundschule war ich dann ziemlich
auf dem Niveau meiner Mitschüler und habe mich mit
vielen Deutschen angefreundet. Deutsch war immer
mein Lieblingsfach, da hatte ich immer gute Noten.
Meine Eltern konnten kein Deutsch. Ich habe sehr
schnell angefangen, ihnen bei vielem zu helfen, Briefe
zu lesen und zu übersetzen zum Beispiel. Irgendwann
haben wir daheim einen Mix aus Deutsch und Serbisch
gesprochen, mit meiner Schwester rede ich bis heute
nur deutsch. Durch uns wurden auch unsere Eltern im-
mer mehr integriert. Deswegen finde ich die Idee, Kin-
der mit Migrationshintergrund erst einzuschulen,
wenn sie Deutsch können, schrecklich. Man integriert
sich und lernt dadurch, dass man Menschen kennen-
lernt, die aus Deutschland kommen und die Sprache
sprechen.“

Olga, 31, kam mit sechs Jahren aus Russland nach
Deutschland. Heute ist sie Kommunikationsdesignerin.
„Wenn man von einer fremden Sprache umgeben ist,
lernt man sie als Kind ziemlich schnell. Ich denke, dass es
den Lernprozess verlangsamt, wenn alle Kinder um ei-
nen herum auch kein Deutsch können. Natürlich ist die
Anfangsphase hart, wenn man eingeschult wird und
nichts versteht. Aber es wird schnell besser. Als wir aus
Russland nach Baden-Württemberg kamen, entschie-
den meine Eltern, dass ich ein Jahr länger im Kindergar-
ten und der Vorschulklasse bleiben sollte. Ich war in ei-
ner normalen Vorschulklasse mit anderen deutschen
Kindern. Deutsch habe ich dann schnell gelernt und gut
gesprochen, als ich ein Jahr später in die Schule kam.
Meine Schwester ist dreieinhalb Jahre älter als ich und
kam in die dritte Klasse. Für sie war es schwieriger, mit
der Sprache zurechtzukommen, doch sie hat in dem Jahr
so gut aufgeholt, dass sie nicht sitzen geblieben ist. Ich
war oft bei deutschen Freunden eingeladen. Ich konnte
da zwar nicht richtig kommunizieren, aber irgendwie
hat es funktioniert, und der Kontakt zur deutschen Kul-
tur und der Sprache war wichtig für mich. Deutsch ha-
ben wir Kinder auch übers Fernsehen gelernt. Die
Zusammenhänge in den Filmen haben wir nicht so rich-
tig verstanden – von der Sprache blieb dennoch viel
hängen.“ PROTOKOLLE: SOPHIE ASCHENBRENNER

Nabard, 32, studiert in Marburg Medizin und ist
Anfang der 90er mit seiner Familie aus Afghanistan
nach Deutschland geflüchtet.
„Meine Geschwister und ich sind in einem Stadtteil auf-
gewachsen, in dem hauptsächlich Migranten wohn-
ten, wir hatten also als Kinder erst einmal wenig bis
gar keinen Kontakt zu Deutschen. Dementsprechend
haben wir uns im Kindergarten eher mit Händen und
Füßen verständigt. Wenn man Kinder von Migranten
vor dem Schulbeginn zusammensteckt und unter sich
lässt, ist das nicht gut. Danach heißt es dann: ,Ihr inte-
griert euch nicht.‘ Es hat meiner Meinung nach keinen
Sinn, nichtdeutsche Kinder von deutschen Kindern zu
separieren nach den Ergebnissen von irgendwelchen
Tests. Sozial Schwache werden dadurch noch mehr be-
nachteiligt. In der Grundschule habe ich angefangen,
Deutsch zu lernen. Das hat angefangen, mir Spaß zu
machen. Viele Kinder kamen nicht aus Deutschland,
und das gemeinsame Lernen hat uns zusammenge-
bracht: Unser gemeinsamer Nenner war die deutsche
Sprache. Samstags haben wir immer zusammen Car-
toons auf Deutsch angeschaut. Ideal ist es meiner Mei-
nung nach, wenn Kinder von Migranten normal einge-
schult werden. Nach der Schule sollte es, wie für Kin-
der ohne Sprachprobleme auch, Nachhilfe oder ande-
re Förderklassen geben.“

Einschulen oder nichtWennKinder für den Unterricht nicht gut genug Deutsch verstehen


Überflüssiges Jahr Cartoons angeschaut Mein Lieblingsfach Deutsche Freunde


Berlin–Nach den jüngsten Übergriffen
auf Rabbiner in mehreren Städten ruft
der Präsident des Zentralrats der Juden
in Deutschland, Josef Schuster, zu Zivil-
courage auf. „Neben politischen Maß-
nahmen zum Schutz von Minderheiten
ist ebenso Zivilcourage erforderlich.
Leider machen Juden immer wieder die
Erfahrung, dass niemand eingreift,
wenn sie antisemitisch beleidigt wer-
den“, sagte Schuster am Mittwoch.
„Doch für das Land insgesamt gilt: Weg-
schauen ist gefährlich! Dann überlassen
wir den Hetzern und Spaltern das Feld.“
Mehr mutiges Einschreiten für die Wer-
te des Grundgesetzes solle in der Gesell-
schaft Konsens sein. Die jüngsten Vorfäl-
le, bei denen Rabbiner in München und
Berlin bespuckt und beschimpft wur-
den, lösten in der jüdischen Gemein-
schaft „große Beunruhigung“ aus, be-
tonte Schuster: „Meine Warnung, dass
Juden sich nicht überall erkennbar als
Jude frei bewegen können, wird damit
leider bestätigt.“kna


von bernd kramer

München– Zumindest das hat Unions-
Fraktionsvize Carsten Linnemann ge-
schafft: Die Verwirrung ist groß. Zu Wo-
chenbeginn hatte der CDU-Politiker in
markigen Worten eine Deutschpflicht für
Grundschulkinder angemahnt; einge-
schult werden solle nur, wer die Sprache
ausreichend beherrscht. CDU-Generalse-
kretär Paul Ziemiak sprang ihm bei und for-
derte Sprachuntersuchungen vor der ers-
ten Klasse. „Damit alle Kinder in der Schu-
le mitsprechen und gleichberechtigt teilha-
ben können, brauchen wir gezielte Sprach-
förderung im Kindergarten, überall ver-
bindliche Sprachtests vor der Einschu-
lung“, twitterte er. Teilweise fordern die
Unionspolitiker dabei Dinge, die es in ähnli-
cher Form schon gibt. Fest steht aber wie
so oft in der Schulpolitik: Jedes Bundes-
land verfährt ein bisschen anders.
So führen mittlerweile viele Länder be-
reits vor Schulbeginn Sprachtests durch.
Unterschiede gibt es allerdings darin, wie
früh sie die Deutschkenntnisse der künfti-
gen Grundschüler erheben. In Sachsen-An-
halt und Brandenburg zum Beispiel wer-
den Kinder eineinhalb Jahre vor der
Einschulung überprüft, in Berlin bis zu
zwei Jahre vor der Einschulung. In Ham-
burg müssen sich seit dem Jahr 2006 alle
Kinder bereits im Alter von viereinhalb Jah-
ren bei der künftigen Grundschule vorstel-
len. Dort wird ihr Sprachniveau ermittelt.
Die Tests sind in Hamburg, anders als in
vielen anderen Ländern, verpflichtend. In
Rheinland-Pfalz gibt es dagegen für Kin-

der, die einen Kindergarten besuchen, kei-
nen Sprachtest vor der Einschulung. Das
Land setzt darauf, dass die Erzieherinnen
und Erzieher Defizite erkennen. Nur die
sehr wenigen Kinder, die nicht in den Kin-
dergarten gehen, müssen ein Jahr vor der
Einschulung zu einem gesonderten
Sprachtest.
In die erste Klasse soll nur gehen dür-
fen, wer ausreichend Deutsch spricht – mit
dieser Idee hatte CDU-Politiker Linne-
mann für den größten Wirbel gesorgt.
Sollen Kinder bei mangelnden Sprach-
kenntnissen zurückgestellt werden? Es
gibt einige Bundesländer, die dies explizit
ausschließen. In Rheinland-Pfalz dürfen
Kinder nur dann später eingeschult wer-
den, wenn es dafür körperliche oder medi-
zinische Gründe gibt. Fehlende Deutsch-
kenntnisse genügen nicht. Ebenso ist es in
Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Nord-
rhein-Westfalen, Niedersachsen, Branden-
burg und Berlin.

In Hamburg, wo Kinder vergleichsweise
früh getestet werden, wird die Schulpflicht
sogar um ein Jahr vorgezogen: Die Kinder
müssen noch vor der regulären Einschu-
lung in die Vorschulklassen gehen und
bekommen dort Sprachförderung. Das ent-
spräche einer Vorschulpflicht, wie sie Lin-
nemann ins Gespräch gebracht hat. 60 Pro-
zent eines Jahrgangs gehen in Hamburg in

eine solche Vorschulklasse – damit erfasst
das Angebot sehr viele Kinder. Der Groß-
teil der Vorschüler, heißt es aus dem Senat,
komme freiwillig. Nur 15 Prozent der Teil-
nehmer seien verpflichtet gewesen. Auch
in Berlin gibt es die Möglichkeit, die Schul-
pflicht vorzuziehen. Die Kinder müssen
dann vor der Einschulung 18 Monate lang
einen Kindergarten mit Sprachförderung
besuchen. Berlin hatte die Vorschulpflicht
2015 ausgeweitet. Zuvor war bei mangeln-
den Deutschkenntnissen nur ein Kinder-
gartenjahr verpflichtend. Bayern erlaubt
es, dass ein Kind wegen mangelnder
Deutschkenntnisse zurückgestellt wird.
Dann muss es allerdings – ähnlich wie in
Berlin – eine Kindertageseinrichtung besu-
chen, in der es eine Deutschförderung
erhält. Ähnlich ist es in Hessen, wo zurück-
gestellte Kinder dann verpflichtend soge-
nannte Vorlaufkurse besuchen müssen.
Diese Lernkurse sind an den Kindergärten
oder an den Schulen angedockt.
Das zeigt bereits: Die Länder verfolgen
ganz unterschiedliche Philosophien, wie
Kinder unterstützt werden sollten – ob ver-
pflichtend oder freiwillig, vor allem im Kin-
dergarten oder auch in der Schule, mit Ex-
traklassen oder beiläufig zum regulären
Unterricht. Gerade an diesem Punkt wird
die Debatte mitunter kontrovers geführt.
Mona Massumi etwa, die am Mercator-In-
stitut für Sprachförderung an der Uni Köln
die verschiedenen Wege analysiert hat,
sieht eigene Deutschlernklassen kritisch.
„Wir würden damit schon in der Grund-
schule selektieren, zu einem Zeitpunkt al-
so, zu dem wir eigentlich bewusst darauf

verzichten.“ Kinder könnten so stigmati-
siert werden, warnte sie. Den Vorschlag
von Linnemann lehnt sie daher ab.
Rheinland-Pfalz setzt darauf, dass Kin-
der ab der Grundschule den Regelunter-
richt besuchen und nicht mehr in eigenen
Klassen lernen. Bei Bedarf bekommen sie
aber parallel dazu 20 Stunden Intensivun-
terricht. Ebenso verfährt Sachsen-Anhalt.
In Baden-Württemberg können Grund-
schulen seit 2005 sogenannte Vorberei-
tungsklassen zum Deutschlernen einrich-
ten. Ob sie das machen, ist ihnen freige-
stellt. Vor allem, wenn es relativ viele Kin-
der mit Sprachdefiziten gibt, griffen die
Schulen zu diesem Mittel, sagt ein Spre-
cher des Kultusministeriums. Wenn es we-
nige Kinder mit Förderbedarf gibt, würden
die Sprachkenntnisse eher zusätzlich zum
Unterricht aufgeholt. Nordrhein-Westfa-
len stellt den Grundschulen seit kurzem
ebenfalls frei, wie sie Kinder mit Defiziten
unterrichten wollen. Sie können spezielle
Lerngruppen bilden oder die Kinder teil-
weise oder vollständig im normalen Unter-
richt mitlaufen lassen. Zusätzlich gibt es
Deutschkurse in den Ferien, aktuell besu-
chen in NRW 4500 Schülerinnen und Schü-
ler ein solches Programm.
In Schleswig-Holstein gibt es dagegen
feste Basisklassen, in denen die Schüler ab-
seits vom regulären Unterricht Deutsch ler-
nen sollen. Nicht jede Schule hat solche
Klassen, sie sind landesweit an 236 Schu-
len angedockt. Wenn die Teilnehmer die
Sprache gut genug beherrschen, können
sie nach und nach in den Unterricht mit ih-
ren Altersgenossen wechseln.

Berlin– Die Bundeswehr hat wegen
möglicherweise fehlerhafter Bauteile
alle KampfhubschrauberTigervorerst
aus dem Verkehr gezogen. Der Flugbe-
trieb mit allen 53 Maschinen sei ausge-
setzt worden, teilte das Presse- und
Informationszentrum des Heeres am
Mittwoch mit. Hintergrund sei eine
Hersteller-Mitteilung, wonach bestimm-
te verbaute Bolzen einen Mangel aufwei-
sen könnten. Sicherheit habe oberste
Priorität, hieß es weiter. Daher habe der
General Flugbetrieb Heer die Anwei-
sung gegeben, den Flugbetrieb vorläu-
fig auszusetzen. Die Sperrung betreffe
dieTigerim Kampfhubschrauberregi-
ment 36 im hessischen Fritzlar und im
Deutsch-Französischen Heeresflieger-
ausbildungszentrum in Le Luc in Frank-
reich. Zur Zeit seien keine Maschinen
im Auslandseinsatz. dpa


Paderborn –Die Sparkasse Paderborn-
Detmold darf nach einer Entscheidung
des Amtsgerichts Paderborn ein Konto
nicht kündigen, weil der Verfassungs-
schutz den Inhaber als rechtsextremis-
tisch eingestuft hat. Das Gericht ent-
schied am Mittwoch, dem Antrag auf
einstweilige Anordnung der Identitären
Bewegung stattzugeben, weil „der Ver-
ein zwar unter Beobachtung steht, aber
es kein Vereinsverbot gibt“. Außerdem
habe der Verein nachweisen können,
dass er kein Konto bei anderen Banken
einrichten konnte. So dürfe die Sparkas-
se, zumindest bis zu einer Entschei-
dung im Hauptsacheverfahren, das
Konto nicht kündigen. Der Verfassungs-
schutz hatte die Identitäre Bewegung
im Juli 2019 als rechtsextremistisches
Beobachtungsobjekt eingestuft.dpa


Hamburg– Hamburg will im Bundes-
rat eine Gesetzesinitiative gegen Lebens-
mittelverschwendung einbringen. Das
kündigte Verbraucherschutzsenatorin
Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) am Mitt-
woch in Hamburg an. Damit sollten
Lebensmittelbetriebe des Handels ab
einer bestimmten Größe verpflichtet
werden, noch genießbare Ware an ge-
meinnützige Organisationen abzuge-
ben. Millionen Tonnen an einwandfrei-
en Lebensmitteln landeten in Deutsch-
land im Abfall, so die Senatorin. Das


zeige, dass das auf Freiwilligkeit basie-
rende System für Spenden nicht ausrei-
che. Die Hamburger Gesundheitsbehör-
de verweist in diesem Zusammenhang
auf eine Studie des World Wide Fund
For Nature (WWF), wonach in Deutsch-
land jährlich etwa 18 Millionen Tonnen
Nahrungsmittel entsorgt werden.
2,58 Millionen Tonnen entstehen dem-
nach im Groß- und Einzelhandel. Hier-
von seien 2,4 Millionen Tonnen ver-
meidbar, hieß es (FOTO: DPA).kna


München– Ein Arbeitgeber darf seinen
Mitarbeitern künstliche Fingernägel
verbieten, wenn er das aus hygieni-
schen Gründen für nötig hält. Dies hat
das Arbeitsgericht Aachen in einem
Streit zwischen einem Altenheim und
einer Helferin dort entschieden. Letzte-
re bestand auf ihren Gelnägeln, der
Arbeitgeber hingegen fand, kurz ge-
schnittene und natürliche Fingernägel
seien zwingend bei Mitarbeitern, die
Bewohner versorgen oder Essen zuberei-
ten. Dem schloss sich das Gericht an.
Unter anderem behindere Nagellack die
Sichtbeurteilung der Nägel, auf künstli-
chen Nägeln sei die Bakteriendichte
höher, sie beeinträchtigten die Händehy-
giene und erhöhten die Perforationsge-
fahr für Einmalhandschuhe. Das Urteil
stammt bereits von Februar, der Deut-
sche Anwaltverein wies am Mittwoch in
einer Pressemitteilung darauf hin. de.


München– Esist eine Herausforderung,
vor der praktisch alle westlichen Staaten
stehen: Kinder, die nicht die Landesspra-
che sprechen, in die Schulen zu integrie-
ren. Immerhin stammen in den Industrie-
staaten durchschnittlich 12,5 Prozent der
Schüler aus Migrantenfamilien. Manche
sprechen die Landessprache – vor allem,
wenn es Englisch oder Französisch ist –, an-
dere jedoch nicht. Und jeder Staat hat seine
eigenen Methoden, damit umzugehen.

Kanada


Kanada gilt als Mustereinwanderungsland
mit einem der migrantenfreundlichsten
Schulsysteme der Welt. Hier stammen
37,5 Prozent der Kinder aus Familien, die
eingewandert sind. Der Staat sieht Migrati-
on als Grundlage für wirtschaftliches
Wachstum und will die Zuwanderung in
den kommenden Jahren erhöhen. Kinder
von Einwanderern und Flüchtlingen wer-
den auf ihre Sprachkenntnisse getestet
und können nach einer Bewertung an indi-
viduell zugeschnittenen Förderprogram-
men teilnehmen. Die Englisch- und Fran-
zösischkurse sind in dem zweisprachigen
Land kostenlos. Sie finden zum Beispiel
morgens vor dem regulären Unterricht in
Klassenzimmern der Grundschule statt.
Aber auch in anderen Fächern haben soge-
nannte English Language Learners An-
spruch auf besondere Betreuung.

Großbritannien


In Großbritannien haben 16,7 Prozent der
Schüler einen Migrationshintergrund, da-
mit liegt das Vereinigte Königreich eben-
falls über dem OECD-Schnitt. Für Kinder,
deren Muttersprache nicht Englisch ist,
gibt es Programme wie zum Beispiel „Eng-
lish as an Additional Language“ (EAL). Dar-
an nehmen, so das britische Bildungsmi-
nisterium, mehr als 1,5 Millionen Schüler
teil; damit besucht mehr als jeder fünfte
Grundschüler einen EAL-Kurs. Allerdings
haben die Schulen ein hohes Maß an Auto-
nomie, sie bestimmen zu einem Großteil
selber, wie sie Vorgaben der Schulauf-
sichtsbehörde umsetzen.

Frankreich


In Frankreich wird die Sprachkompetenz
von Kindern, die erst seit kurzem im Land
sind, vor der Einschulung von der nationa-
len Bildungsaufsicht bewertet – ob und
wie sie Französisch sprechen, aber auch
nach ihren Kenntnissen in anderen Fä-
chern. Wer Probleme hat, kommt in eine so-
genannte „Pädagogische Einheit für an-
kommende fremdsprachige Schüler“, bis
nach Einschätzung der dortigen Lehrer
der Besuch einer normalen Klasse möglich
ist. Allerdings kommt die große Mehrheit
der Zuwandererkinder aus – meist afrika-
nischen – Ländern, in denen Französisch
weit verbreitet ist.

Dänemark


In Dänemark gibt es eine verpflichtende
Bewertung der Sprachentwicklung für
Dreijährige. So sollen Sprachprobleme er-
kannt werden, bevor die Kinder zur Schule
gehen. Bei Bedarf erhalten sie eine Förde-
rung in der Kindertagesstätte oder andere
staatliche Hilfe. thomas balbierer

DEFGH Nr. 182, Donnerstag, 8. August 2019 (^) POLITIK HF3 5
Mit viereinhalb zum Sprachtest
Viele Bundesländer überprüfen längst vor der Einschulung, ob und wie gut die Kinder Deutsch sprechen.
Doch mit denen, die Hilfe brauchen, gehen die Schulbehörden sehr unterschiedlich um
Mancherorts bekommen Kinder mit schlechten Deutschkenntnissen zusätzliche Förderkurse, wie hier in Fürstenwalde, Brandenburg. FOTO: JOHN MACDOUGALL/AFP
In Hamburg lernen die Kinder
in der Vorschule Deutsch,
Bayern fördert im Kindergarten
„Tiger“ bleiben am Boden
FOTOS: PRIVAT
„Wegschauen ist gefährlich“
Extremist darf Konto behalten
Gesetz gegen Verschwendung
Arbeitsgericht zu Nagelpflege
Mal freiwillig,
mal Pflicht
Was andere Staaten dafür tun, dass
Kinder die Landessprache lernen
INLAND
WIE EINWANDERERKINDER IN DEUTSCHEN SCHULEN ZURECHTKAMEN

Free download pdf