Handelsblatt - 08.08.2019

(Ann) #1
Das stimmt, ist aber kein Problem.
Durch diese Aufstellung haben die
Manager der Länderorganisationen
mehr Freiheit, eigene Entscheidun-
gen zu treffen. Nichts demotiviert gu-
te Leute mehr, als 15 Tage auf eine
Entscheidung aus der Zentrale zu
warten.

Vor einem Jahr haben Sie das Soft-
waregeschäft von Schneider mit
dem britischen Entwickler Aveva fu-
sioniert. Ist der Prozess abgeschlos-
sen?
Das größte Thema, das wir dabei zu
bearbeiten hatten, war ein menschli-
ches. Die Softwarewelt und ihre Leu-
te können manchmal etwas speziell
sein. Sie haben unzählige Jobmög-
lichkeiten, deshalb ist es wichtig, ih-
nen eine Umgebung zu bieten, in der
sie gut arbeiten können. Aveva ist
trotzdem stark an Schneider gekop-
pelt und wird entsprechend unter-
stützt. Trotz der Integration wächst
das Geschäft von Aveva weiterhin
zweistellig, der Unternehmenswert
hat sich im vergangenen Jahr sogar
verdoppelt. Das sehen wir als Zei-
chen des Erfolgs.

Warum bleibt Aveva als eigenständi-
ges Unternehmen an der Börse gelis-
tet?
Das hat einerseits mit dem Ge-
schäftsmodell der Firma zu tun. Wir
garantieren unseren Kunden so die
Unabhängigkeit von der verwende-
ten Hardware. Software und Service
von Aveva sollen alle Geräteherstel-
ler gleichwertig behandeln. Es hat
aber andererseits auch mit dem Per-
sonal zu tun: Softwareentwickler
wollen für Softwarefirmen arbeiten.
Drittens erlaubt die eigenständige
Börsennotierung eine reellere Be-
wertung des Unternehmens, denn
Softwarefirmen werden auf einem
höheren Niveau bewertet als Indus-
triekonzerne.

Wie digitalisiert ist das Geschäft von
Schneider selbst?
Heute sind 45 Prozent unserer Pro-
dukte vernetzt. Das bedeutet, sie sind
mit dem Internet verbunden, kon-
trollieren Messwerte oder erledigen
digitale Arbeitsschritte. Von unseren
200 Fabriken weltweit haben wir zu-
dem bereits 60 nach Industrie-
4.0-Standards ausgerüstet, inklusive
Edge-Datenübertragung in die Cloud,
wo die Daten sofort per Software
analysiert werden. Einer der größten
positiven Effekte ist das Sammeln
von Daten des gesamten Unterneh-
mens – und zwar in Echtzeit. Wenn
jeder auf dem gleichen Level ist, be-
kommt man einen enormen Produk-
tivitätsschub.

Welche Rolle spielt da noch die Me-
chanik?
Wenn man eine Maschine digitali-

siert, bleibt immer noch viel Mecha-
nik übrig. Ingenieurswissen gehört al-
so weiterhin zu den Kernkompeten-
zen. Man braucht für die Digitalisie-
rung von Fabriken Leute, die sich mit
der Materie auskennen und die phy-
sikalische Welt verstehen. Es geht da-
bei nicht um eine Snapchat-App oder
darum, ein Uber zu bestellen. Man
braucht auch lokale Serviceteams.
Denn wenn die Produktion wegen ei-
nes Fehlers stehen bleibt, hilft eine
Hotline auf den Philippinen nicht
weiter.

In welche Bereiche wollen Sie in Zu-
kunft investieren?
Viele digitale Technologien gibt es
bereits fertig zu kaufen. Darauf wer-
den wir einfach aufsetzen. Wir wür-
den beispielsweise keine Cloud-In-
frastruktur anbieten, weil es das be-
reits gibt. Das Gleiche gilt für An-
wendungen in der Künstlichen Intel-
ligenz, die bereits entwickelt sind.
Das ist die große Falle der Digitalisie-
rung: zu machen, was andere be-
reits machen. Deshalb sind wir viele
Partnerschaften eingegangen und
investieren in Start-ups. Hier finde
ich KI-Technologien sehr interes-
sant.

Liegt darin nicht auch eine Gefahr,
zu viel von seinen Daten preiszuge-
ben und dadurch langfristig womög-
lich Wettbewerbsvorteile zu verspie-
len?
Jeder ist von jedem abhängig. Zudem
sind die Daten geschützt und Ei -
gentum des Endverbrauchers. Es
geht im Geschäft aber auch um mehr
als nur Daten. Es geht um Know-how,
die Präsenz in den jeweiligen Märk-
ten, ein Netzwerk, integrierte Prozes-
se ... Und umgekehrt: Warum sollte
ein Industrieunternehmen mit einem
IT-Konzern konkurrieren wollen,
der ganze Branchen mit seiner
Dienst leistung versorgt und so mas -
sive Skalenvorteile erzielen kann?
Kollaborationen sind hier viel effi-
zienter.

Wenn wir Ihnen sagen, dass Ihr
deutsches Team die neue Zentrale
auf einem Mobilitätscampus bauen
wird – können Sie sich vorstellen, wa-
rum?
Wir machen viel Infrastruktur für
Elektrofahrzeuge, also Ladesäulen
und Leitungen. Das ist natürlich
auch ein Wachstumstreiber. Viele
Fahrzeuge werden in Zukunft elek-
trisch fahren. Das wird auch die Ge-
bäudetechnik verändern, wo wir
ebenfalls aktiv sind.

Herr Tricoire, vielen Dank für
ßdas Interview.

Die Fragen stellten
Christof Kerkmann und
Kevin Knitterscheidt.

Elektroauto-Infrastruktur: Schneider stellt unter anderem Ladesäulen her.


Bloomberg


Currenta


Investor übernimmt


Chemieparks


Bayer und Lanxess erzielen


eine hohe Bewertung beim


Verkauf und gewinnen damit


finanziellen Spielraum.


S. Hofmann, R. Landgraf Frankfurt


E


iner der größten Chemiepark-
betreiber in Deutschland
wechselt den Besitzer. Bayer
und Lanxess verkaufen ihre Tochter
Currenta für knapp zwei Milliarden
Euro an Fonds, die von Macquarie In-
frastructure and Real Assets (MIRA)
geführt werden. Mehrheitseigner
Bayer erhält für seinen 60-prozenti-
gen Anteil an Currenta 1,17 Milliarden
Euro, Lanxess 780 Millionen Euro.
Darüber hinaus verkauft Bayer ein
Paket an Grundstücken und Infra-
struktur für 180 Millionen Euro an
Currenta, so dass dem Leverkusener
Konzern insgesamt 1,35 Milliarden Eu-
ro aus der Transaktion zufließen. Be-
zieht man die Pensionsverbindlichkei-
ten von Currenta mit ein, bewegt sich
die Gesamtbewertung des Chemie-
parkbetreibers nach Angaben der Un-
ternehmen bei 3,5 Milliarden Euro.
Beide Chemiekonzerne können
mit dem Deal ihre Verschuldung re-
duzieren und gewinnen so zusätzli-
chen finanziellen Spielraum. Den will
Lanxess nach Aussage von Firmen-
chef Matthias Zachert unter anderem
nutzen, um den Wachstumskurs in
der Spezialchemie voranzutreiben.

Investoren bewerteten den Deal
angesichts der soliden Bewertung
von Currenta als positiv für beide
Chemiekonzerne. Auf Basis der Ge-
samtbewertung von 3,5 Milliarden
Euro zahlt MIRA nach Informationen
aus Unternehmenskreisen das 13,5-
Fache des für 2019 erwarteten Be-
triebsgewinns vor Abschreibungen
(Ebitda) und damit ein vergleichswei-
se hohes Multiple. Gemessen an den
Zahlen, die Currenta für das vergan-
gene Jahr ausgewiesen hat, errechnet
sich sogar ein Faktor von mehr als
dem 17-Fachen des Ebitda.
Die Bayer-Aktie notierte am Diens-
tag zeitweise mehr als fünf Prozent
im Plus. Sie profitierte dabei aller-
dings zusätzlich auch von Meldun-
gen, wonach der Beginn des nächs-
ten Glyphosat-Prozesses in den USA
verschoben wurde.
MIRA zählt sich mit einem verwal-
teten Vermögen von 115 Milliarden
Euro zu den größten Infrastruktur-In-
vestoren weltweit. Die Gruppe ist in
Deutschland unter anderem bereits
beim überregionalen Gastransport-
netz Open Grid Europe sowie im
Tanklagergeschäft für die Petroche-
mie engagiert.
Currenta betreibt die großen nie-
derrheinischen Chemieparks in Le-
verkusen, Dormagen und Krefeld mit
einer Gesamtfläche von 1 100 Hektar
und versorgt die dort produzieren-
den Firmen mit Energie, Umwelt-
und Sicherheitsdienstleistungen.

Wir sind


vom


integrierten


Modell der


Currenta-


Gruppe


überzeugt


und halten


daran


langfristig fest.


Hilko Schomerus
MIRA-Deutschlandchef

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Unternehmen & Märkte
DONNERSTAG, 8. AUGUST 2019, NR. 151

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