„Die Automobilkonjunktur
kühlt sich eindeutig ab.“
Herbert Eibensteiner,
Voestalpine-Chef
„Wir haben im ersten Halbjahr
in Großbritannien rund
400 000 Kunden verloren.“
Marc Spieker,
Finanzvorstand von Eon
E
s gibt Sätze, die haben eine enorme Langzeitwir-
kung. Sätze wie der des seinerzeitigen Deutsche-
Bank-Chefs Rolf-E. Breuer, der seinem Kunden
Leo Kirch die Kreditwürdigkeit absprach. Oder die Aus-
sage von Gloria von Thurn und Taxis, Afrika habe ein
Aids-Problem, „weil der Schwarze gerne schnackselt“.
In diese Kategorie bedeutungsschwerer Aussagen fällt
auch, was Clemens Tönnies zu dem von ihm angeregten
Bau von Kraftwerken in Afrika emittierte: „Dann wür-
den die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen, und sie
hören auf, wenn‘s dunkel ist, Kinder zu produzieren.“
Dieser Satz wird seit Tagen diskutiert, als hätte An-
gela Merkel ihren sofortigen Abschied aus der Politik
verkündet. Um es gleich vorweg zu sagen: Die Phrase
des Fleisch- und Fußball-Allgewaltigen ist so dumm
wie anmaßend, so töricht wie rassistisch. Dass der FC
Schalke 04 seinen rhetorisch marodierenden Auf-
sichtsratschef nun wegen eines Verstoßes gegen das
interne Diskriminierungsverbot tadelt und nicht we-
gen der rassistischen Äußerung, ist eindeutig ein Fehl-
pass.
Doch bei aller Aufregung über die Verirrung des Cle-
mens Tönnies, der drei Monate pausieren muss: Es ist an-
dererseits auch dringend Entspannung angezeigt. Haben
wir keine anderen Probleme? Der Delinquent hat sich so-
fort entschuldigt, er ist definitiv keiner für die Reihen der
AfD. Als Rassist ist er nie aufgefallen, sondern nur einer,
der Aufmerksamkeit sucht und dafür auf das Lockmittel lo-
ckerer Sprüche setzt. Das hat Tönnies zum gesuchten Ge-
sprächspartner für viele gemacht, für Wladimir Putin ge-
nauso wie für den dunkelhäutigen Ex-Profi Gerald Asa-
moah. Das hat ihn aber auch vor Unternehmern beim
„Tag des Handwerks“ in Paderborn verleitet, auf billigste
Art Applaus erhaschen zu wollen. Mit seinem Afrika-Aus-
setzer hat er sich benommen wie ein Blogger, der provo-
ziert, weil er dringend mehr Reichweite braucht, und da-
bei weit übers Ziel hinausschießt. Das ist der ganze Fall.
Der manische Plauderer Clemens Tönnies sollte also
im Amt beweisen können, dass er es als Anti-Rassist
ernst meint — zum Beispiel mit einem Projekt in Afrika.
Die Kampagne seines Klubs Schalke 04 für Vielfalt und
Toleranz im Sport braucht glaubwürdige Vertreter.
Feststellen muss man aber auch: Die geradezu grotes-
ke Selbst- und Fremderhöhung des Fußballs ist eine Ver-
irrung. Es handelt sich am Ende doch nur um ein faszi-
nierendes Spiel, das immer mehr Investoren anzieht,
auch fragwürdige, das aber kein Ersatz von Religion,
Parteien oder Gewerkschaften ist, die in diesem Zusam-
menhang gerne genannt werden.
Eine Veltins-Arena ist kein Parlament und ein Fußball-
funktionär kein Philosoph. Also: weniger wichtig nehmen.
Luft rauslassen.
Clemens Tönnies
Irgendwo in Afrika
Sein Geltungsdrang hat den
Schalke-Chefaufseher im grotesk
überhöhten Fußballgeschäft auf Abwege
gebracht. Er muss sich neu bewähren,
findet Hans-Jürgen Jakobs.
Der Autor ist Senior Editor des Handelsblatts.
Sie erreichen ihn unter:
[email protected]
Doch bei
aller Aufre -
gung über
die Ver irrung
des Clemens
Tönnies, der
drei Monate
pausieren
muss: Es ist
anderer-
seits auch
dringend
Entspan-
nung
angezeigt.
REUTERS, imago images/Eibner Europa, Bloomberg
Continental
Mut zur
Lücke
U
naufhaltsam frisst sich die
Krise durch die Automobil-
industrie. Nun hat auch der
Autozulieferer Continental einen
satten Gewinneinbruch und ein
Sparprogramm noch unbekannten
Ausmaßes verkündet. Nachrichten
wie diese kommen derzeit fast tag-
täglich aus der gebeutelten Bran-
che: Gewinnwarnungen bei Konzer-
nen wie Daimler, Stellenabbau bei
Industriegrößen wie Bosch und so-
gar Pleiten wie beim schwäbischen
Anlagenbauer Eisenmann zeigen,
wie schwer es die gesamte Industrie
gerade leidet.
Gründe dafür sind nicht nur der
internationale Handelskonflikt und
die damit verbundenen Unsicher-
heiten in wichtigen Absatzmärkten
wie China, sondern auch die Trans-
formation des Geschäftsmodells.
Die Branche verabschiedet sich
vom Verbrennungsmotor und stellt
zunehmend auf E-Mobilität um. Das
ist ein schmerzlicher Prozess.
Nun kann man Continental mit
Fug und Recht vorwerfen, dass der
Konzern viel zu lange herumlaviert
ha t, was die Strategie betrifft – vor
allem im Antriebsbereich. Die Rech-
nung liegt nun in Form des Gewinn-
rückgangs auf dem Tisch. Aber im-
merhin hat Continental-Chef Elmar
Degenhart an diesem Mittwoch die
Weichen ganz klar auf die E-Zukunft
gestellt. Die Hannoveraner werden
künftig ihre Entwicklungsenergie
auf E-Motoren und Hybridmotoren
lenken – und die Entwicklung be-
stimmter Komponenten für Ver-
brennungsmotoren einstellen. Auch
die Produktion von Festkörperbat-
teriezellen will Degenhart nicht wei-
terverfolgen.
Ein solcher Schritt erfordert Mut.
Applaus bekommt ein Manager in
aller Regel für visionäre Ideen – und
nicht, wenn er das Aus für be-
stimmte Projekte oder Geschäftsfel-
der verkündet. Und doch ist dieser
Schritt gerade in Zeiten des Wan-
dels von enormer Bedeutung, denn
genau dann ist Fokussierung ge-
fragt. Nur so verzetteln sich die Mit-
arbeiter nicht, nur so ist genug Ka-
pazität für Zukunftsprojekte da.
Erst das Weglassen von altem Bal-
last schafft die Voraussetzung für
den Erfolg neuer Ideen.
Die Autozulieferer stehen unter
großem Druck. Nur Unternehmen,
die sich fokussieren, haben
Chancen, betont Andrea Rexer.
Die Autorin ist Ressortleiterin
Unternehmen & Märkte.
Sie erreichen sie unter:
[email protected]
Unternehmen & Märkte
DONNERSTAG, 8. AUGUST 2019, NR. 151
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