Handelsblatt - 08.08.2019

(Ann) #1

Andreas Kröner Frankfurt


M


ehr Kreditausfälle,
eine Serie von IT-
Pannen und ver-
mutlich bald eine
weitere Zinssenkung
der EZB: Für die Commerzbank gab
es in jüngster Zeit eine Reihe von
schlechten Nachrichten. Und Besse-
rung ist nicht in Sicht. „Auch im
zweiten Halbjahr gibt es keinen Man-
gel an Herausforderungen“, sagte Fi-
nanzchef Stephan Engels am Mitt-
woch bei der Präsentation der Halb-
jahreszahlen – und nannte unter an-
derem den Brexit, die Konjunkturab-
kühlung in Deutschland und die an-
haltenden Handelsstreitigkeiten.
Vor diesem Hintergrund über-
rascht es nicht, dass die Commerz-
bank ihre Strategie im Herbst mögli-
cherweise stärker anpassen wird als
ursprünglich geplant. Nach der ge-
platzten Fusion mit der Deutschen
Bank hatte Vorstandschef Martin Ziel-
ke noch betont, dass er keinen Anlass
für grundlegende Änderungen sieht.
Das Management prüfe lediglich, „ob
wir an der einen oder anderen Stelle
noch einmal nachschärfen“, sagte er
dem Handelsblatt Ende April.
Gut drei Monate später hat sich sei-
ne Wortwahl spürbar verändert. „Die
Herausforderungen für die Branche
und für uns nehmen weiter zu“, sagt
Zielke nun. „Dies wird vermutlich
weitere Investitionen erfordern, und
genau das prüfen und bewerten wir
im aktuellen Strategieprozess.“ Laut
Finanzchef Engels sind weitere Inves-
titionen unter anderem nötig, um die
Abwicklungsplattformen der Bank
billiger zu machen und so die Kosten
zu senken. Darüber hinaus wollten
sich Engels und Zielke nicht zur künf-
tigen Ausrichtung von Deutschlands
zweitgrößter Privatbank äußern.

Gewinnziel in Gefahr


Die Ergebnisse des ersten Halbjahres
unterstreichen jedoch, dass es Hand-
lungsbedarf gibt. Der Gewinn brach
um 27 Prozent auf 391 Millionen Euro
ein. Das entspricht einer Eigenkapi-
talrendite von 3,1 Prozent. Von ihrem
Ziel, im kommenden Jahr auf fünf bis
sechs Prozent zu kommen, ist die
Commerzbank damit noch weit ent-
fernt.
Und auch das Ziel, den Vorjahres-
gewinn von 865 Millionen Euro im
Jahr 2019 zu übertreffen, ist „vor dem
Hintergrund der Ergebnisentwick-
lung im ersten Halbjahr sowie der
sich spürbar eintrübenden gesamt-
wirtschaftlichen Lage und der zuneh-
mend von Unsicherheit geprägten
geopolitischen Situation deutlich am-
bitionierter geworden“, warnte die
Commerzbank.
Analysten sprachen von ernüch-
ternden Zahlen. Die Commerzbank-
Aktie verlor zeitweise mehr als fünf
Prozent. Seit einem Zwischenhoch
während der Fusionsverhandlungen
mit der Deutschen Bank Mitte April
hat das Papier damit ein Drittel sei-
nes Werts eingebüßt.
Zum Gewinnrückgang im ersten
Halbjahr trugen Abschreibungen auf
Altportfolios und der schrittweise
Verkauf der Derivatesparte EMC an
Société Générale bei. Auffällig ist je-
doch vor allem, dass die Commerz-
bank deutlich mehr Geld für ausfall-
gefährdete Kredite zurücklegen
musste. Die Risikovorsorge stieg um
beachtliche 60 Prozent auf 256 Mil-
lionen Euro.

Die höheren Belastungen sind laut
Engels auf geringere Auflösungen von
Risikovorsorge zurückzuführen – und
auf „weniger als eine Handvoll“ Ein-
zelfälle. Dabei handle es sich um Un-
ternehmen aus allen Regionen, die
aus verschiedenen Gründen Proble-
me hätten – etwa, weil sie sich mit
Projekten verhoben oder juristische
Auseinandersetzungen verloren ha-
ben. Einen Trend zu mehr Kreditaus-
fällen – branchenübergreifenden
oder in bestimmten Sektoren wie der
Autoindustrie – hat die Commerz-
bank bisher jedoch nicht festgestellt.
Engels rechnet bis Jahresende mit
weiteren Einzelfällen, aber trotz Kon-
junkturabkühlung nicht mit einer
Flut an Kreditausfällen. „Unsere Risi-
koindikatoren sind stabil.“ Im Ge-
samtjahr kalkuliert der Finanzchef
mit einer Risikovorsorge von mehr
als 550 Millionen Euro, aber deutlich
unter einer Milliarde Euro.

Commerzbank


Der Druck nimmt zu


Die EZB-Politik und steigende Kreditausfälle setzen der


Commerzbank zu. Das Institut muss seine Strategie deshalb


möglicherweise stärker verändern als ursprünglich geplant.


Commerzbank-Zen-
trale: Für die Aktie
geht es steil bergab.

dpa

Die Kreditausfälle belasteten vor al-
lem das Ergebnis der Firmenkun-
densparte, das im ersten Halbjahr um
mehr als die Hälfte einbrach. Darüber
hinaus setzen der Commerzbank der
harte Wettbewerb und die Geldpolitik
der EZB zu. Diese verlangt aktuell ei-
nen Strafzins von 0,4 Prozent, wenn
Institute über Nacht Geld bei ihr par-
ken. Im September könnte die Zen-
tralbank den Einlagezins weiter sen-
ken – auf minus 0,5 Prozent.
Auf die Commerzbank kämen in
diesem Fall im ersten Jahr zusätzliche
Belastungen von 50 Millionen Euro
zu. Pläne, die Negativzinsen an Pri-
vatkunden weiterzugeben, gibt es ak-
tuell nicht. Engels schloss dies für die
Zukunft jedoch nicht aus. Falls viele
Konkurrenten diesen Weg einschla-
gen sollten und die Commerzbank
dann mit Einlagen überhäuft werde,
„müssten wir uns das sicherlich noch
mal sehr genau anschauen“.

Kennzahlen der Commerzbank



  1. Halbjahr 2018
    Angaben in Mio. Euro


-2,5 %


HANDELSBLATT

4 395 4 285


-26,7 %


533


- 160


-256


391


Erträge* Nettoergebnis Risikoergebnis


*Vor Risikovorsorge • Quelle: Unternehmen


  1. Halbjahr 2019


Finanzen & Börsen
DONNERSTAG, 8. AUGUST 2019, NR. 151

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