Handelsblatt - 08.08.2019

(Ann) #1

Britta-Heide Garben: Die Politikerin hat in ihrem
Blog mehrfach abgeschrieben.


imago images / Christian Schroedter

Britta-Heide Garben


Landeschefin der


Grünen tritt zurück


HALLE Vor einer Wo-


che hatte Britta-Heide


Garben eingeräumt,


für ein Blog fremde


Textpassagen ohne


Angabe der korrekten


Quellen verwendet zu


haben. Jetzt ist die


Landesvorsitzende


der Grünen in Sach-


sen-Anhalt mit soforti-


ger Wirkung zurückge-


treten. Sie wolle nicht


weiter von der „wichti-


gen bündnisgrünen


Arbeit in Sachsen-An-


halt ablenken“,


schrieb die 48-Jährige


am Mittwoch auf Twit-


ter. Betroffen sind


Blogbeiträge zu The-


men wie Klimawandel


und Kükenschred-


dern. Die Agrarökono-


min soll etwa Absätze


von anderen Grünen-


Politikern wie Partei-


chef Robert Habeck
abgeschrieben haben.
Auch um journalisti-
sche Texte und wis-
senschaftliche Beiträ-
ge ging es in der Plagi-
atsaffäre. „Ich wollte
möglichst schnell grü-
ne Positionen verbrei-
ten und habe Texte
anderer kopiert“, sag-
te sie der „Mitteldeut-
schen Zeitung“.
Bisher hatte Garben
den Landesverband
gemeinsam mit Susan
Sziborra-Seidlitz ge-
führt, die nun erst ein-
mal allein die Reprä-
sentation der Landes-
partei nach außen
übernimmt. Zusam-
men mit CDU und SPD
bilden die Grünen in
Sachsen-Anhalt eine
sogenannte Kenia-Ko-
alition. HB/dpa

Helmut Steuer Stockholm


I


ch habe jeden Fehler gemacht, den
man als Chef nur machen kann“, be-
schrieb Sebastian Siemiatkowski sei-
ne ersten Jahre als Mitgründer und
Boss des schwedischen Zahlungs-
dienstleisters Klarna. Fehlende Führungsqua-
litäten und Erfahrungen im Umgang mit Mit-
arbeitern hätten ihm in der ersten Zeit schlaf-
lose Nächte bereitet. Vor allem mit dem Dele-
gieren hätte er sich zunächst schwergetan,
sodass er beinahe unter einer Lawine an Ar-
beit begraben worden sei.
Nun, so viele Fehler können es auch in den
Anfangsjahren von Klarna nicht gewesen
sein. Denn mittlerweile ist das von dem
37-jährigen Schweden mitbegründete Fintech
Europas wertvollstes Start-up. Nachdem An-
fang dieser Woche eine weitere Finanzie-
rungsrunde des nicht börsennotierten Unter-
nehmens erfolgreich abgeschlossen wurde,
wird Siemiatkowskis Unternehmen mit rund
fünf Milliarden Euro bewertet.
Der Sohn polnischer Einwanderer hatte
den Zahlungsdienstleister 2005 zusammen
mit zwei Freunden gegründet, sie kannten
sich aus Studienzeiten an der Stockholmer
Handelshochschule. Zunächst agierte Klarna
als Bindeglied zwischen Onlinehändlern und
den Kunden. Das damals noch kleine Unter-
nehmen wickelte den Zahlungsvorgang mit
dem Kunden ab und garantierte dem Händ-
ler den Erhalt der Summe.
14 Jahre und viele Akquisitionen später ist
Klarna nicht mehr nur Mittler zwischen Onli-
nehändlern und Kunden: Seit zwei Jahren be-
sitzt das in Stockholm beheimatete Unterneh-
men eine Banklizenz, vergibt Kredite und
gibt Kreditkarten aus. Aus dem kleinen Start-
up der drei Gründer ist ein Finanzkonzern
mit 2 500 Mitarbeitern, 60 Millionen Kunden
und 130 000 Onlinehändlern in 14 Ländern
geworden. Etwa eine Million Zahlungsvor-
gänge wickelt Klarna pro Tag ab. Dabei ist
Deutschland zum wichtigsten Markt der
Schweden geworden, rund 40 Prozent des
Umsatzes von 510 Millionen Euro werden
hierzulande erwirtschaftet.

Mit Kreditkarten näher
an den Endverbraucher

Doch der stets rastlos wirkende Siemiat-
kowski will mehr. In einem Interview erklärte
er, dass sein Unternehmen künftig näher an
den Kunden rücken und damit den traditio-
nellen Banken Paroli bieten will. Dass er die-
sen Weg bereits eingeschlagen hat, zeigt die
Ausgabe eigener Kreditkarten. Es handelte
sich um einen strategischen Schritt, der Klar-
na nun direkten Zugang zum Endverbrau-
cher verschafft. In diesem Zuge stellt er eine
düstere Prognose für die Deutsche Bank und
andere traditionelle Kreditinstitute. Die ra-
sante Digitalisierungen werde den Großban-
ken in nicht allzu weiter Zukunft den Garaus
machen, orakelt er.
„Wir haben bei allen vorangegangenen in-
dustriellen Revolutionen gesehen, dass die
Spezialisierung der Unternehmen weiter fort-
schreitet. Meiner Meinung nach sind die Ban-
ken viel zu breit aufgestellt“, erklärte er ge-
genüber der Zeitung „Svenska Dagbladet“.
Der Exitus herkömmlicher Institute stehe un-
mittelbar bevor. „Früher habe ich gesagt,

dass die Veränderung der Finanzbranche 15
bis 20 Jahre dauert. Jetzt glaube ich, dass es
nur fünf Jahre sein werden.“
Auch wenn Klarna heute Europas wert-
vollstes nicht börsennotiertes Fintech ist, ver-
lief der Aufstieg des Start-ups nicht reibungs-
los. Vor zwei Jahren etwa warfen Verbrau-
cherschutzverbände in Nordeuropa dem
Unternehmen vor, allzu schnell Mahn- und
Inkassogebühren von Endkunden einzufor-
dern. Negative Klarna-Schlagzeilen dominier-
ten über Wochen schwedische Medien. „Es
war meine schwierigste Zeit“, gibt der dreifa-
che Vater heute zu. Einige Vorwürfe seien be-
rechtigt gewesen, man habe die internen Ab-
läufe entsprechend verändert.
Von den drei Freunden ist nur noch Sebas-
tian Siemiatkowski im Unternehmen, die bei-
den anderen haben Klarna bereits vor einiger
Zeit verlassen. Nun rückt innerhalb der Bran-
che die Frage in den Mittelpunkt, ob Klarna
in absehbarer Zukunft an die Börse strebt. Es
ist allerdings eine Frage, die dem Klarna-Chef
derzeit offenbar keine schlaflosen Nächte be-
reitet. „Ich glaube, dass es dazu irgendwann
kommen kann“, sagt Siemiatkowski ziemlich
gelassen, „aber wir haben keine Eile damit.“

Sebastian Siemiatkowski


Der Bankenschreck


Der Chef von Klarna kann feiern: Sein Finanzdienstleister ist mit einer


Bewertung von fünf Milliarden Euro jetzt das teuerste Fintech


Europas. Klassischen Banken sagt er eine düstere Zukunft voraus.


Sebastian
Siemiatkowski:
Selbstinszenie-
rung mittels
Photoshop.

Klarna

Früher habe


ich gesagt,


dass die


Veränderung


der Finanz -


branche


15 bis 20


Jahre dauert.


Jetzt glaube


ich, dass es nur


fünf Jahre sind.


S. Siemiatkowski
Klarna-Chef

Virginijus Sinkevicius


28-jähriger Litauer


wird EU-Kommissar


VILNIUS Mit 28 Jahren


dürfte er das jüngste


Mitglied der künftigen


Kommission sein: Li-


tauens Wirtschaftsmi-


nister Virginijus Sinke-


vicius soll neuer EU-


Kommissar seines


Landes in Brüssel wer-


den. Der 28-jährige Po-


litiker des regierenden


Bundes der Bauern


und Grünen wurde am


Mittwoch von der Re-


gierung des Balten-


staats offiziell als Kan-


didat für den Posten


nominiert, wie die


Staatskanzlei in Vilni-


us mitteilte.


Sinkevicius hatte be-


reits Dienstag ein Ken-


nenlerngespräch mit


der künftigen EU-Kom-


missionspräsidentin
Ursula von der Leyen
in Brüssel geführt.
Staatspräsident Gita-
nas Nauseda, der das
Treffen als „sehr er-
folgreich“ bezeichne-
te, telefonierte an-
schließend ebenfalls
mit von der Leyen.
Verfassungsgemäß
muss die Kandidatur
nun noch von Nause-
da und vom Parlament
bestätigt werden. Dies
gilt trotz Bedenken ei-
niger Oppositionspoli-
tiker als Formsache.
Die neue EU-Kommis-
sion konstituiert sich
im Herbst – jeder der
EU-Staaten ist mit je-
weils einem Kommis-
sar vertreten. HB

Namen


des Tages


1


DONNERSTAG, 8. AUGUST 2019, NR. 151


46

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