Süddeutsche Zeitung - 31.07.2019

(Darren Dugan) #1

Die Sonne kommt nur sporadisch zum Vor-
schein, dieWolken überwiegen. Es kann
noch Regenschauer geben.  Seite R12


von andreas schubert

W


as waren das noch für schöne
Zeiten: Man stieg ins Auto, fuhr
damit ins Zentrum, parkte in
der Nähe seiner Lieblingskneipe. Das Ben-
zin war billig – und wenn man dann
selbst zu viel getankt hatte, ließ man die
Kiste einfach stehen, kostete ja nix. Ja,
die Achtziger- und Neunzigerjahre! In
der Stadt lebten noch 300 000 Menschen
weniger. Da war so viel Platz für Autos, es
gab noch nicht so viele nervige Radler
und Leute, die darauf herumritten, dass
eine Stadt auch den nicht-motorisierten
Menschen gehört. Dieses ständige Ge-
schwätz vom Klimawandel gab es auch
noch nicht. Kam das Thema doch mal zur
Sprache, wechselte man einfach am Auto-
radio den Sender, mit ein bisschen Glück
lief irgendwo „Highway to Hell“.
So oder ähnlich mag sich mancher
Autonostalgiker an die Zeit erinnern, als
es noch selbstverständlich war, selbst die
kürzesten Wege mit dem Auto zu fahren.
Zwar war die Luft in der Stadt damals
durchaus schlechter, aber man war es ja
nicht anders gewohnt.
Heute hat sich das Bewusstsein vieler
Menschen zum Glück geändert. Immer
mehr haben es satt, dass die Luft zwar ein
wenig besser, aber immer noch nicht gut
ist. Sie wollen sich umweltfreundlich fort-
bewegen, weil sie lange genug gedanken-
los Abgase in die Welt geblasen und ihren
Beitrag zur Klimakrise geleistet haben.
Da schüttelt man, vor allem als Bewohner
einer dicht besiedelten Innenstadt, schon
den Kopf, wenn wieder und wieder der
Weltuntergang beschworen wird und
Radler zu Reitern der Apokalypse erklärt
werden, sobald irgendwo Parkplätze zu-
gunsten des Radverkehrs gestrichen wer-
den, wie jetzt in der Fraunhoferstraße.
Ja, schon klar, Anwohner oder Liefe-
ranten haben es dort künftig schwerer.
Für sie stellt die Stadt aber Ersatzflächen
zur Verfügung. Wenn diese nicht ausrei-
chen, lassen sich durchaus noch mehr rei-
ne Anwohnerparkplätze und Lieferzonen
ausweisen. Man fragt sich ohnehin, was
Autofahrer von außerhalb eigentlich mit-
ten in der Stadt verloren haben. Denn ein-
kaufen und ausgehen: Das geht auch
ohne Auto. Und wenn die Welt tatsächlich
untergeht: Dafür sind bestimmt nicht die
Radler und Nutzer der öffentlichen Ver-
kehrsmittel verantwortlich.  Seite R3


22 °/13°


von andreas schubert

München– AmWochenende zieht es viele
Leute von außerhalb in die Innenstadt.
Zum Shoppen, Feiern oder einfach nur
zum Schauen. Wer dies im August vorhat
und mit der S-Bahn kommen will, muss
heuer allerdings auf Busse umsteigen.
Denn an allen Wochenenden ist die Stamm-
strecke teilweise oder komplett gesperrt.
Der Grund: Die Bahn nutzt die Sommerferi-
en, um die unterirdischen Stationen zu mo-
dernisieren.
Die Strecke ist jeweils von Freitag-
abend, circa 22.30 Uhr, bis Montagmor-
gen, 4.30 Uhr, dicht: die ersten drei Wo-
chenenden zwischen Donnersbergerbrü-
cke und Ostbahnhof, am letzten Wochenen-
de zwischen Pasing und Ostbahnhof. Hier
finden dann zusätzlich Arbeiten für die
zweite S-Bahn-Stammstrecke und die
neue Fußgänger- und Radlerbrücke über
die Bahngleise statt, den sogenannten Ar-
nulfsteg. Zusätzlich kommt es an allen Aus-
gust-Wochenenden sowie am ersten Sep-
tember-Wochenende nachts von Samstag

bis Montag zu Einschränkungen im Fern-
und Regionalverkehr. Einige Züge müssen
bis zum Ostbahnhof umgeleitet werden, al-
lerdings nur die in München ankommen-
den. Ein Großteil der Regionalzüge aus
dem Allgäu, dem Werdenfelser Land und
Augsburg beginnen und enden in Pasing.

Auch unter der Woche müssen Fahrgäs-
te Einschränkungen hinnehmen. Und hier
wird es umständlich: Von Montag, 5. Au-
gust, 4.30 Uhr, bis Freitag, 9. August,
23 Uhr, halten keine S-Bahnen am Haupt-
bahnhof, die in Richtung Pasing unter-
wegs sind. Eine Woche später, 12. bis 16. Au-
gust, gilt dies für Züge Richtung Ostbahn-
hof. Dann ist der Marienplatz dran: Hier
halten Richtung Ostbahnhof zwischen
Montag, 19., und Freitag, 24. August, keine
Züge. In der Gegenrichtung wird der Mari-
enplatz von 26. bis 30. August nicht be-

dient. Wer diese beiden Stationen dennoch
mit der S-Bahn erreichen will, muss eine
Station weiter fahren und anschließend in
der Gegenrichtung wieder zurückpendeln.
Die Bahn rechtfertigt diese Halteausfälle
unter der Woche damit, dass die Stationen
neue Bodenbeläge bekommen – und die
Böden erst einmal aushärten müssen. Da
reicht die Sperrung über das Wochenende
zeitlich nicht aus.
Dass dieses Jahr die Sperrungen so ge-
ballt daherkommen, liegt nach Auskunft ei-
ner Bahnsprecherin daran, dass man einen
großen Schritt weiterkommen wolle mit
der Modernisierung. Spätestens bis zum
Jahr 2021 sollen alle fünf unterirdischen
Bahnhöfe auf der Stammstrecke komplett
umgebaut sein. Sie bekommen unter ande-
rem neue Lamellendecken, die verhindern
sollen, dass Luftballons in die Oberleitung
gelangen. Die Optik soll moderner werden,
es gibt neue Sitzgelegenheiten.
Die Geschäftsleute in der Innenstadt fin-
den die Sperrungen nicht gerade erfreu-
lich. Wolfgang Fischer vom Verein Citypart-
ner kritisiert, über Jahre oder sogar Jahr-

zehnte sei die Infrastruktur wohl völlig ver-
nachlässigt worden. „Ausbaden müssen
dies nun die Fahrgäste und die Münchner
Innenstadt, denn die Erreichbarkeit ist
einer der existenziellen Standortfaktoren
für jedes Unternehmen.“
Nicht nur die Probleme des öffentlichen
Verkehrs, auch die nahezu überall auftau-
chenden Baustellen, Straßensperrungen
und Umleitungen sind für Kunden, Besu-
cher, Beschäftigte, Handwerker, Lieferan-
ten und auch Touristen – und somit für die
Unternehmen der Innenstadt – inzwi-
schen ein echtes Problem. Den Vorschlag
von Citypartner, an den betroffenen Wo-
chenenden die S-Bahn kostenlos zu ma-
chen, lehnt die Bahn ab. „Wir fahren nicht
Nichts“, sagt eine Sprecherin. Stattdessen
biete die Bahn einen umfangreichen und
leistungsfähigen Ersatzverkehr rund um
die Uhr, der je nach Tageszeit im Sieben-
bis 15-Minuten-Takt unterwegs sei.
Wie auch bei den vorhergehenden Voll-
sperrungen werden alle S-Bahn-Stationen
von den Ersatzbussen angefahren – bis auf
den Marienplatz. Statt hier hält der Bus am

Odeonsplatz, von dem aus der Marienplatz
per U-Bahn oder zu Fuß gut zu erreichen
ist. Zudem können die Fahrgäste auch Regi-
onalzüge nutzen, und: Im Auftrag und auf
Kosten der S-Bahn München fahren die U 5
und die Tramlinie 19 zwischen Hauptbahn-
hof und Pasing samstags häufiger. Der Er-
satzverkehr verlange der S-Bahn nicht nur
logistisch, sondern auch finanziell einiges
ab, kostenlose Fahrten könne man nicht an-
bieten, sagt die Sprecherin.

Die Sperrungen im August werden nicht
die letzten in diesem Jahr sein. Zwischen


  1. und 21. Oktober wird auf der Stamm-
    strecke wieder gebaut. Über das Ausweich-
    programm informiert die Bahn per Aus-
    hang und Handzettel, über die München-
    Navigator-App, im Internet unter s-bahn-
    muenchen.de/baustellen und telefonisch
    unter der Nummer: 089/20 35 50 00.


München– Kunstrasenplätze sind jahre-
lang als ideale Lösung für Sportvereine ge-
feiert worden. Darauf können Spieler
schließlich ganzjährig trainieren. Bereits
2013 hatte der Stadtrat ein Sonderförder-
programm beschlossen, dass Sportverei-
nen zehn Millionen Euro für den Bau von
Kunstrasenplätzen zur Verfügung stellte.
Im Mai vergangenen Jahres dann forderte
die CSU, keine bürokratischen Hürden für
solcher Spielfelder zu schaffen. Diese seien
für den „Trainings- und Spielbetrieb unbe-
dingt notwendig“, begründeten die Christ-
sozialen. Auch die SPD stellte in der Vergan-
genheit entsprechende Anträge. Doch mitt-
lerweile ist bekannt, dass die Plastikbeläge
ökologisch höchst problematisch sein kön-
nen. Vor allem das häufig eingesetzte Gum-
migranulat verschmutzt die Umwelt mit
Mikroplastik. Von 2022 an soll das Granu-
lat deshalb nach Willen der EU verboten
werden.
In München gibt es zahlreiche Sportplät-
ze mit Kunstrasen, weil sie eben scheinbar
so praktisch und im Vergleich zu natürli-
chem Rasen deutlich belastbarer sind. Und
die Stadt unterhält 47 Kunstrasenplätze,
davon 35 Groß-, sieben Klein- und fünf Mi-
ni-Spielfelder, wie das Referat für Bildung
und Sport mitteilt. Dazu kommen etwa
130 Kunstrasenplätze von Vereinen in Mün-
chen und der näheren Umgebung.

Noch ist unklar, wie viele Sportvereine
und Schulen von einem Verbot betroffen
wären. Doch Stadtschulrätin Beatrix Zurek
(SPD) teilte nun mit, dass die Stadt mittler-
weile „bei Modernisierungen und Neubau-
ten von Kunstrasenplätzen für Fußball

den Kunstrasenplatztyp der dritten Gene-
ration mit einer Füllung aus Quarzsand
und Granulat“ einsetze. Dieses sogenann-
te EPDM-Granulat werde seit etwa zehn
Jahren zur Verfüllung der städtischen
Kunstrasen verwendet, bei lediglich zwei

Plätzen ist es noch das besonders umwelt-
schädliche Recycling-Granulat, das zum
Teil aus Altreifen besteht. Bei diesen fällt
nach Auskunft der Wissenschaftlichen
Dienste des Bundestages etwa 50 Mal
mehr Polyzyklische Aromatische Kohlen-
wasserstoffe (PAK) an als bei EPDM-Mate-
rial. Das Granulat auf den beiden Plätzen
soll laut Zurek jedoch bis Ende des Jahres
ausgetauscht werden.
Bislang gibt es von der Stadt keinerlei
Messungen, wie viel umweltschädliches
Mikroplastik bei den Kunstrasenplätzen
anfällt und ob dieses letztlich in der Isar,
der Würm oder den Münchner Seen lan-
det. Doch das ist wahrscheinlich. Einige
Kunstrasenplätze liegen laut Zurek „im
Umfeld von ökologisch sensiblen Berei-
chen“. Pro Großspielfeld müssen jährlich
etwa 500 Kilogramm EPDM-Granulat
nachgefüllt werden. Da liegt es nahe, dass
das Granulat verweht wird oder an Schu-
hen und Kleidern der Sportler wegtrans-
portiert wird. Seit einem Jahr rätseln Ex-
perten darüber, weshalb Forscher in der
Isar flussabwärts von München zehn Mal
so viel Mikroplastik gefunden haben wie
flussaufwärts. Bei Baierbrunn fanden die
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-
ler damals 8,3 Partikel pro Kubikmeter.
Bei Moosburg waren es fast 88 Partikel pro
Kubikmeter. thomas anlauf

München– Noch immer hat die Münchner
Mordkommission keine Spur im Fall der
verschwundenen Maria Gertsuski, 41, und
ihrer Tochter Tatiana, 16. Auch am Diens-
tag durchkämmten etwa hundert Beamte
den Truderinger Wald auf der Suche nach
Hinweisen – oder den Leichen der beiden
Vermissten. Bis zum späten Nachmittag
brachte auch der zweite Tag der am Freitag
gestarteten Absuche kein Ergebnis. Mögli-
cherweise sind weitere Suchaktionen in
dem etwa zwei Quadratkilometer großen
Waldstück nördlich der Putzbrunner Stra-
ße nötig. Der Einsatz geht auf mehrere Indi-
zien zurück, die die Verschwundenen und
den des Mordes verdächtigen Ehemann
Roman H. mit genau diesem Waldstück in
Verbindung bringen. Die Polizei kennt das
Oedenstockacher Holz sehr gut – es ist die-
selbe Gegend, die seit Jahren immer im
Frühjahr von einem Serienbrandstifter
heimgesucht wird. Nach Angaben eines
Polizeisprechers sind inzwischen rund
70 Hinweise zum Fall der seit dem 13. Juli
verschwundenen Frauen eingegangen.
Der 44 Jahre alte Tatverdächtige sitzt in
Untersuchungshaft. Und schweigt. bm


München – Perfektes Badewetter
herrscht zwar nicht in dieser Woche, den-
noch mögen manche Münchner und Mün-
chenbesucher auf die Idee kommen, sich
in der Isar abzukühlen. Davor warnt jetzt
die Münchner Berufsfeuerwehr eindring-
lich: „Es besteht akute Lebensgefahr“, sag-
te ein Sprecher am Dienstag. Zwar sei der
Pegel wieder leicht gesunken, es bestehe
aber „weiterhin erhöhte Gefahr durch
Treibgut und erhöhte Fließgeschwindig-
keit“, mahnte die Feuerwehr auf Twitter
die Bevölkerung zur Vorsicht.
Durch Starkregen war am Montag der
Wasserstand Behördenangaben zufolge in-
nerhalb von zwölf Stunden von 78 Zentime-
ter auf 2,69 Meter hochgeschnellt – und da-
mit über die Meldestufe 1 des Hochwasser-
nachrichtendienstes beim Bayerischen
Landesamt für Umwelt. Die höchste Stu-
fe 4 liegt bei 5,20 Meter. Laut Feuerwehr
lag der Isar-Wasserstand am Dienstag-
abend bei 1,50 Meter. „Vor Freitag ist aber
nicht mit einer Entspannung zu rechnen“,
sagte der Sprecher unter Berufung auf das
Wasserwirtschaftsamt München. Das
heißt: Wenn Erholungssuchenden ihr Le-
ben lieb ist, sollten sie die Isar meiden,
ebenso Schlauchbootfahrer. Letztere un-
terschätzen oft die enorme Strömung und
kentern, wie der Feuerwehrsprecher be-
richtet. „Und die meisten haben keine
Schwimmwesten an.“ smüh

Mit geliehenem Material


Sven Pollert gewinnt


auf kurioseArt den


Wörthsee-Triathlon


 Sport in der Region, Seite R5

Geballte Sperrungen


Bis 2021 sollen alle fünf unterirdischen Bahnhöfe der Stammstrecke modernisiert sein. Deshalb gibt es in den Sommerferien
zwischen Pasing und Ostbahnhof Einschränkungen. Die Geschäftsleute in der Innenstadt kritisieren das Vorgehen der Bahn

Das gesamte


Programm


auf Seite R15


Umstrittener Untergrund: Auch in München gibt es zahlreiche Kunstrasenplätze,
die von einem Granulatverbot betroffen wären. FOTO: FREDRIK VON ERICHSEN/DPA

Ökologisch kicken


Umweltschädliches Plastik auf Kunstrasenplätzen soll verboten werden. Das stellt Stadt und Vereine vor Herausforderungen


Suche nach vermissten


Frauen geht weiter


Im Oktober stehen erneut
Bauarbeiten an, dann
zum letzten Mal in diesem Jahr

Feuerwehr warnt vor


Lebensgefahr in der Isar


NR. 175,MITTWOCH, 31. JULI 2019 PGS


Mit reichlich Bedenkzeit


Alfred Lehmann, einst OB


vonIngolstadt, räumt vor


Gericht Fehlverhalten ein


 Bayern, Seite R11

Ihr Lokalteil auf Tablet und Smart-
phone:sz.de/zeitungsapp

Vier Mal im Jahr geht auf der Stammstrecke nichts. Dann baut die Deutsche Bahn Haltepunkte um oder saniert die Strecke. FOTO: LUKAS BARTH

VERKEHRSWENDE

Das geht


auch ohne Auto


Umständlich wird es unter der
Woche, wenn die Züge an
einzelnen Stationen nicht halten

Kino & Theater


FOTOS: NILA THIEL

Mit viel Dynamik


Auch in den nächsten 20 Jahren wird


Münchengewaltig wachsen – vor allem


an den Rändern der Stadt


 Thema des Tages, Seite R2

DAS WETTER



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