Süddeutsche Zeitung - 31.07.2019

(Darren Dugan) #1

E


r hat über Staatsanwälte gesagt,
für sie sei die Erde eine Scheibe,
sie hätten keine Ahnung von Un-
ternehmen und könnten nicht
mal eine Bilanz lesen. Seine Mit-
arbeiter, die ungeliebten zumindest, soll er
früher regelrecht angeprangert haben. Er
klebte ihre Fotos neben seine Bürotür, dar-
unter stand: „Ich muss leider draußen blei-
ben.“ Wenn jemand im Gefängnis landete
und damit nicht zurechtkam, nannte er
ihn eine „Tränensuse“.
Noch härter war die Art, wie der Ham-
burger Unternehmer Alexander Falk, Erbe
des gleichnamigen Stadtplan-Verlags,
über ein Verbrechen im Jahr 2010 redete,
es gibt einen Mitschnitt davon. Ein Frank-
furter Rechtsanwalt und Gegenspieler
Falks war damals Opfer einer Gewalttat
auf der Straße geworden, ein Unbekannter
hatte ihm ins Bein geschossen. Falk erzähl-
te dem Mitschnitt zufolge später in vertrau-
ter Runde, wie freudig er reagiert habe, als
er vom Angriff auf diesen Anwalt erfuhr.
„Ja, ja!“, habe er gesagt: „War sehr geil.“
Das Problem für Falk liegt darin, dass er
jetzt im Verdacht steht, die Bluttat an dem
Anwalt selbst in Auftrag gegeben zu haben.
Dieser hatte ihm in einem großen Wirt-
schaftsverfahren sein Privatvermögen
streitig gemacht. Die Staatsanwaltschaft
Frankfurt wirft Falk nun versuchte Anstif-
tung zum Mord aus Habgier sowie Anstif-
tung zu gefährlicher Körperverletzung vor.
Falk bestreitet die Vorwürfe.


Der Prozess soll am 21. August vor dem
Landgericht Frankfurt beginnen und dürf-
te eines der aufsehenerregenden Verfah-
ren dieses Jahres werden. Es wird sich un-
terscheiden von den Audi-, Banken- und
Cum-Ex-Prozessen, bei denen es um Kri-
minalität der „weißen Krägen“ geht, um
Untreue, Betrug, Steuerhinterziehung. Der
Fall des heute 50 Jahre alten Alexander
Falk liegt anders: Er führt von der Hambur-
ger Geldgesellschaft in die Unterwelt, in
das Milieu der Hacker, Einbrecher,
Schutzgelderpresser und Gewalttäter –
dorthin, wo Rechnungen mit Blut begli-
chen werden.
Aber der Fall wirft auch Fragen über den
Staat auf, mit welchen Mitteln er agiert, ob
seinen Informanten immer zu trauen ist.
Falks Verteidiger Björn Gercke will die An-
klage in mehreren Punkten angreifen.
Erstens fehlt aus seiner Sicht ein Motiv:
Warum sollte Falk einen Anwalt umbrin-
gen lassen und nicht etwa dessen Auftrag-
geber? Zweitens hat die Verteidigung Zwei-
fel an der Beweiskraft des Tonmitschnitts,
auf dem sich Falk so schadenfroh über den
Angriff äußert. Drittens hält die Verteidi-
gung den Hauptzeugen der Staatsanwalt-
schaft für einen Lügner und Erpresser, der
an dem Fall viel Geld verdienen wolle.
Vor Gericht stehen sich also demnächst
zwei Parteien gegenüber, die einerseits
sehr entschlossen wirken, andererseits
aber beide angreifbar sind. Einerseits der
oft hochmütig wirkende, frühere New-Eco-
nomy-Star Alexander Falk, der sich mit Kri-
minellen eingelassen hat. Andererseits ei-
ne Staatsanwaltschaft, die offenbar selbst
Hilfe aus dem Milieu in Anspruch nahm,
um den Fall aufzuklären.
Seit September vergangenen Jahres
sitzt Falk in Untersuchungshaft, aber er
scheint ganz der Alte geblieben zu sein – ei-
ner, dessen Wille, so die Botschaft, nicht zu
brechen ist. Gerade soll er wieder ein Paar
Turnschuhe durchgelaufen haben, weil er
im Gefängnis so viel trainiert. „Wir versu-
chen jetzt, ihm neue Schuhe zu besorgen“,
sagt ein Bekannter. Fit, entschlossen, unab-
hängig, so hat sich Falk immer dargestellt.
Alexander Falk wuchs in der Hambur-
ger Oberschicht auf. Von seinem Vater
übernahm er die Firma Falk, die mit Stadt-
plänen viel Geld verdient hatte. Doch Alex-
ander Falk fand, die Firma sei „ein zutiefst
unsportlicher Laden“. Er verkaufte sie in
den Neunzigerjahren an Bertelsmann und
investierte das Geld in Internettechnolo-
gie. Die Zeitungen nannten ihn von da an
„Online-Kapitän“, nicht mehr den „Stadt-
plan-Erben“. Ein Fernsehbeitrag von da-
mals zeigt ihn als Visionär und Vielflieger,
der seine Firma mit einem Formel-1-Wa-
gen vergleicht und sagt, an ihm komme
man nicht vorbei. In der nächsten Szene
sieht man ihn als Kapitän beim Segeln auf
seinem BootFlica II. Der Beitrag endet mit
dem Satz, es werde sich zeigen, ob Falk
„weiterhin Wind in den Segeln“ habe.
Zur Jahrtausendwende verkaufte der
Diplomkaufmann Falk die Mehrheit an sei-
ner Firma Ision Internet AG für umgerech-
net etwa 800 Millionen Euro an den
britischen Telekommunikationskonzern
Energis. Aber es gab bald Ärger: Ision
schrammte 2002 an der Insolvenz vorbei
und zog Energis in den Abgrund. Die Käu-
fer warfen Falk vor, er habe Bilanzen aufge-
blasen und seine Firma über Wert ver-
kauft. Sie verlangten Schadenersatz, von
Falk persönlich und von seiner Holding.
Sein Ruf als Macher war zerstört. „Wo Falk
auftauchte, hinterließ er Verluste“, schrieb
2002 dasManager Magazin. Gleichzeitig er-
mittelte die Staatsanwaltschaft Hamburg.
Falk kam von 2003 bis 2005 in Untersu-
chungshaft, wurde 2008 vom Landgericht
Hamburg unter anderem wegen versuch-
ten Betrugs zu vier Jahren Haft verurteilt,
saß ab Ende 2010 noch mal ein Dreiviertel-
jahr im Gefängnis und sollte mehr als
200 Millionen Euro Schadenersatz zahlen.
Am Ende gab es einen Vergleich.


Falk legte Wert darauf, dass ihn die Haft
stärker gemacht habe. Er habe die Tage
durchgetaktet, erzählte er 2006, habe sich
durch seine Strafakte gepaukt, dann Liege-
stützen gemacht, Klimmzüge, Schattenbo-
xen, und er habe viel gelesen, Victor Hugos
„Die Elenden“, der Held Jean Valjean muss
20 Jahre ins Gefängnis wegen eines gestoh-
lenen Laibs Brot. Vermutlich sollen Paralle-
len gezogen werden zwischen dem Helden
Jean Valjean und dem gefallenen Internet-
star – beide angeblich Opfer einer rach-
süchtigen Justiz. Und vor allem sollte wohl
in Erinnerung bleiben: Falk setzt sich
selbst bei den Härtesten durch. Über seine
Bekanntschaften im Gefängnis sagte er
einmal: „Mir lagen die Drogendealer und
Gewaltverbrecher mehr als die Betrüger.
Ich habe noch heute einige gute Freunde
aus der Zeit, mit denen ich mich heute
noch treffe.“
Tatsächlich hatte sich Falk im Gefäng-
nis mit einem türkischen Kriminellen na-
mens B. angefreundet. Im Bekanntenkreis
von Falk heißt es, beide hätten einander ge-
schätzt. Es heißt, der Türke habe sich als
Vertrauter des prominenten Unterneh-
mers Falk profilieren wollen. Falk blieb
nach der Haft in Kontakt zu B., lieh sich bei
ihm Geld und plante mit ihm gemeinsame
Immobiliengeschäfte in der Türkei.

Und noch etwas plante Falk mit B. und
dessen Bruder: Die beiden Türken sollten
gegnerische Rechtsanwälte ausspionie-
ren. Falk erhoffte sich davon frisches Mate-
rial, um seine Unschuld im Streit um die
Firma Ision zu beweisen. So überlegten sie
gemeinsam, ob die beiden Türken, als
„Putz-Truppe“ verkleidet, in Anwalts-
büros eindringen und vertrauliche Infor-
mationen herausschmuggeln könnten.
Einer der Brüder B. soll stattdessen einen
IT-Spezialisten aus dem türkischen Mili-

tär oder Geheimdienst angeheuert haben,
um sich in die Anwaltscomputer zu
hacken.
Als dies nicht das erhoffte Ergebnis
brachte, soll Falks Gefängnisfreund B. ei-
nen Einbruch beim gegnerischen Rechts-
anwalt Dr. J. organisiert haben. Die dafür
angeheuerten Osteuropäer, unter ihnen
laut einem Insider angeblich ein Pole, der
auf Drogen war, sollen dabei brachial vor-
gegangen sein und ein Fenster schwer be-
schädigt haben. Auch dabei soll aber nichts
Brauchbares herausgekommen sein.
Falk, der sich von der Justiz schlecht be-
handelt fühlte, schien jedenfalls zu einer
Art Selbstjustiz zu greifen. Im Kreis von
Kriminellen wollte er sich offenbar einen
Teil jener Macht zurückholen, die er seit
seinem Absturz als Geschäftsmann verlo-
ren hatte. Erst hacken, dann einbrechen.
Schließlich sogar ein Mordauftrag?
Als Falk zwischen zwei Gefängnisaufent-
halten gerade mal in Freiheit war, im Sep-
tember 2009, traf er sich nach Darstellung
der Staatsanwaltschaft im Hamburger
Steakrestaurant Block House mit den Ge-
brüdern B. und zwei weiteren Männern
und beauftragte die B.s damit, den Frank-
furter Rechtsanwalt Dr. J. töten zu lassen.
Dem Hauptzeugen der Staatsanwaltschaft
zufolge soll Falk damals gesagt haben, er
wolle, dass „diese Bazille“ nicht mehr exis-
tiere. Dr. J. solle „eiskalt gemacht werden“.
Angeblich machte Falk dabei eine schnei-
dende Bewegung vor dem Hals und über-
gab daraufhin auch einen Umschlag mit
Geld. Der Mord soll ihm laut Anklage
200000 Euro wert gewesen sein. Falk und
weitere Teilnehmer der angeblichen Run-
de bestreiten, dass das Treffen überhaupt
stattgefunden habe.
Dr. J. war damals Rechtsanwalt in der
Großkanzlei Clifford Chance, die die briti-
sche Firma Energis vertrat. Energis fühlte
sich von Falk betrogen und kämpfte um
ihr Geld, insbesondere hatte sie es auf
30 Millionen Euro abgesehen, die Falk per-
sönlich verdient hatte, also auf sein Privat-
vermögen, unter anderem Bankkonten
und zwei Schiffe, darunter das Segelboot

Flica II. Dr. J. aus Frankfurt gehörte damit
zu dem Team, das Falk schon seit Jahren
das Leben schwer machte. Er war kein per-
sönlicher Feind von Alexander Falk, aber
ein beharrlicher Gegenspieler.
Aus Sicht der Verteidigung liegt hier die
zentrale Schwäche der Anklage: Es fehle an
jeglichem Motiv. In der Kanzlei Clifford
Chance hätten viele Anwälte an dem Fall ge-
arbeitet, angeleitet von zwei Partnern. „Es
ist völlig abwegig, dass das Einschüchtern
eines einzelnen – überdies angestellten –
Rechtsanwalts bei einer Großkanzlei mit
mehreren Tausend Rechtsanwälten einen
Schriftsatz verhindern würde“, sagt Falks
Anwalt Gercke. Das Opfer, Dr. J., habe nur
zugearbeitet und sei angeblich sogar kurz
davor gewesen, die Kanzlei zu verlassen.
Dies soll auch Falk gewusst haben: Er
schrieb einmal, J. sei nur ein „halbgefeuer-
ter“ Angestellter. Aus Sicht der Staatsan-
waltschaft hingegen war Dr. J. die treiben-
de Kraft hinter der Pfändung von Falks Pri-
vatvermögen. Falk habe diesen Angriff
auch „maßgeblich“ dem Anwalt J. zuge-
schrieben, heißt es in der Anklage.
Unstreitig ist, dass J. tatsächlich Opfer
eines Gewaltverbrechens wurde. Am 8.Fe-
bruar 2010, morgens um kurz vor neun
Uhr, hatte er gerade sein Haus in Frankfurt
verlassen, als ein Unbekannter auf ihn
schoss. J. erlitt eine Durchschussverlet-
zung am linken Oberschenkel, die Kugel
verfehlte den Knochen nur knapp, er muss-
te operiert werden. Nach Darstellung der
Staatsanwaltschaft geriet er nicht in Le-
bensgefahr. Hätte die Kugel aber eine grö-
ßere Schlagader getroffen, wäre J. womög-
lich verblutet.
Den Ermittlern zufolge war das Verbre-
chen sorgfältig geplant. Falk soll im Sep-
tember 2009 die Anweisung gegeben ha-
ben, nicht sofort zur Tat zu schreiten, sonst
falle das Ganze auf ihn selbst zurück. Erst
wolle er nach Südafrika fliegen. Die Gebrü-
der B. sollen den Mordauftrag dann an
zwei Unbekannte weitergegeben und
50 000 Euro angezahlt haben. Der Angriff
auf den Anwalt geschah dann, während
sich Falk mit Familie auf seinem Anwesen

in Südafrika erholte. Dort soll er per Mail
von dem Verbrechen erfahren haben.
Der verwundete Dr. J. aus Frankfurt
lenkte den Verdacht offenbar schnell auf
Falk. Laut Anklage soll der Anwalt schon ei-
ne Stunde nach der Tat in einem Telefonat
mit der Polizei gesagt haben, der Auftrag
für den Angriff könne von Falk stammen,
gegen den er seit Jahren prozessiere. Der
Streit um Falks Privatvermögen habe sich
gerade in einer heißen Phase befunden. Au-
ßerdem habe er bereits Ende 2009 zwei
Einbruchsversuche an seinem Haus festge-
stellt. Nach alledem war sich J. sicher, dass
die Angriffe auf ihn mit seinem Mandat zu
tun hatten, und er zog sich sofort aus dem
Fall Falk zurück.

Die Polizei stand vor einem Rätsel. We-
der gab es belastbare Hinweise auf den
oder die Täter, noch auf die Hintermänner.
J. hatte mittlerweile die Kanzlei gewech-
selt, sein neuer Arbeitgeber setzte im Som-
mer 2010 eine Belohnung von 100 000 Eu-
ro aus für Hinweise, es gab eine bundeswei-
te Plakataktion. Im Herbst 2010 kam der
Fall in der Fernsehsendung „Aktenzeichen
XY ... ungelöst“ vor. Ein Phantombild oder
eine Zeugenaussage führten hier und da
auf die Spur von Verdächtigen, aber letzt-
lich ließ sich nichts erhärten.
Mehr als sieben Jahre nach der Tat mel-
dete sich im August 2017 plötzlich ein neu-
er Zeuge beim Landeskriminalamt Ham-
burg. Den Beamten erklärte er, er sei
persönlich dabei gewesen, als Falk den
Mordauftrag erteilt habe, und von einem
weiteren Gespräch habe er eine Aufnah-
me, gebrannt auf CD, die er mit der Polizei
teilen könne. Jahrelang hatten die Ermitt-
ler nichts herausgefunden, jetzt schienen
sie ganz nah dran zu sein.
Zeuge E. erzählte vom angeblichen Tref-
fen im Steakrestaurant Block House im

September 2009, als Falk den Mordauf-
trag erteilt habe. Und dass Falk später, also
nach dem Angriff auf Dr. J., über das Opfer
hergezogen sei. Von diesem zweiten Tref-
fen gab es einen heimlichen Tonmitschnitt
auf CD, den der Zeuge den Beamten über-
gab. E. zufolge sollen die vermeintlichen
Vertrauten von Falk, die türkischen Gebrü-
der B., das kompromittierende Gespräch
aufgenommen haben, um Falk damit zu er-
pressen.
Zweifellos ist auf diesem Band Falk zu
hören, das bestreitet nicht einmal dessen
Verteidigung. Allerdings sieht sich Falk
mitnichten überführt. Schon in seinem ers-
ten Strafprozess, als es um mögliche Betrü-
gereien mit seiner Firma Ision ging, war
Falk ein zäher Gegner für die Staatsanwalt-
schaft. Nach seiner Verurteilung räumte er
imBild-Interview zwar ein, dass einige Ge-
schäfte seiner Firma „durchaus fragwür-
dig“ gewesen seien, andererseits aber ha-
be die Staatsanwaltschaft „alle Vorwürfe
aufgebauscht und verfälscht“.
Auch diesmal hat Falk nicht vor, klein
beizugeben. Zwar hat er sein Privatvermö-
gen überwiegend verloren, aber seine Frau
und deren Familie sind noch immer vermö-
gend. Falks Verteidiger haben den Prozess
also aufwendig vorbereitet und offenbar
sogar Privatdetektive eingeschaltet.
Falks Anwalt Björn Gercke will sich
nicht näher zur „Informationsgewinnung“
äußern, er bestätigt aber, dass er beispiels-
weise über den Hauptbelastungszeugen E.
exklusive Informationen erhalten habe.
„Während die Staatsanwaltschaft den
Hauptbelastungszeugen als unbescholte-
nen Bürger präsentiert hat, konnte nur so
das erhebliche kriminelle Vorleben des Be-
lastungszeugen aufgedeckt werden“, er-
klärt Gercke. E. soll demnach zwei Dut-
zend Mal polizeilich aufgefallen sein, etwa
mit versuchter Tötung, räuberischer Er-
pressung und mehrmaliger Brandstiftung.
Außerdem soll er als V-Mann für das LKA
Hamburg gearbeitet haben.

Damit wird der Zeuge, der im Sommer
2017 plötzlich beim LKA Hamburg auf-
tauchte, zu einer der zentralen Figuren im
bevorstehenden Strafprozess. Aus Sicht
des Verteidigers Gercke hat der Zeuge E.
ein profanes Motiv dafür, den Angeklagten
Falk zu belasten: Geld. Die finanziellen Pro-
bleme von E. seien so groß, dass er ein
Privatinsolvenzverfahren beantragt habe.
Mehrere Jahre lang habe er versucht, die
Familie Falk mit der belastenden Tonauf-
nahme zu erpressen. Als E. damit geschei-
tert sei, habe er seinen V-Mann-Führer
beim LKA Hamburg informiert, um we-
nigstens die ausgelobte Belohnung von
100000 Euro zu kassieren. „Insoweit hat
er ein deutliches – finanzielles – Motiv für
eine Falschbelastung von Herrn Falk“,
schreibt Falks Anwalt über den Zeugen.
Alexander Falk bestreitet, im Herbst
2009 an einem Treffen im Restaurant
Block House teilgenommen und einen
Mordauftrag erteilt zu haben. Die für ihn
sehr ungünstige Tonbandaufnahme sei
ebenfalls nicht aussagekräftig. Zwar
räumt Falk ein, hämisch über den ange-
schossenen Anwalt J. geredet zu haben, ei-
nen Mordauftrag aber beweise dies nicht,
im Gegenteil. Hätte Falk tatsächlich einen
solchen Auftrag erteilt, hätte er ja ent-
täuscht darüber sein müssen, dass der An-
walt nur angeschossen wurde. „Hätte es
entsprechend der Anklage einen ,Mordauf-
trag‘ gegeben, wäre dieser ja ,gescheitert‘;
Herr Falk als angeblicher Auftraggeber
hätte also nach aller Lebenswahrschein-
lichkeit Kritik an dem Scheitern geübt“,
schreibt sein Verteidiger.
So belastend die Anklage auf den ersten
Blick wirkt, so sehr offenbart sie bei nähe-
rer Betrachtung also Schwächen. Sowohl
Falk als auch einer der Brüder B. haben an-
gegeben, dass der Hauptbelastungszeuge
E. selbst in die Gewalttat gegen den Anwalt
Dr. J. verwickelt gewesen sei. Der Türke B.
gibt an, E. habe „mit seinen Leuten“ den
Angriff auf den Anwalt begangen. Falk
sagt, der Schütze sei ein „polnischer Tür-
ke“ gewesen. Dies sei ihm von den Brüdern
B. im Nachhinein gesagt worden, ebenso
wie die angebliche Verwicklung von E. in
den Anschlag auf den Anwalt. Gegen E.
läuft ein Ermittlungsverfahren, unter an-
derem wegen Beihilfe zum versuchten
Mord an Dr. J. in Frankfurt, was bedeutet,
dass die Staatsanwaltschaft gegen ihren ei-
genen Hauptzeugen ermittelt.
Gleichwohl heißt es im Umfeld von Alex-
ander Falk, er werde es nicht leicht haben
vor Gericht. Das Opfer sei schließlich ein
Jurist, genau wie die Richter, und da dürfte
das gehässige Gerede Falks über das Ge-
waltopfer schlecht ankommen. Laut der
Aufzeichnung sagt Falk, es sei die einzige
richtige Konsequenz gewesen, dem Anwalt
Dr. J. „ins Bein zu ballern“. „Der hat jetzt
richtig Angst und denkt, scheiße.“ Es dürf-
te Falks Glaubwürdigkeit auch schaden,
dass er sich mit Kriminellen eingelassen
hat und deren Erpressungsversuche nicht
der Polizei gemeldet hat. Mit einer gewis-
sen Nachsicht, wie sie bei „weißen Krägen“
sonst üblich ist, kann Falk also womöglich
nicht rechnen.
Aber Falk erweckt nie den Eindruck,
dass er Mitgefühl erwarte. Als er vor Jah-
ren das Gefängnis verließ, am Ende seiner
Zeit in der Untersuchungshaft, tat er so, als
habe er sich die ganze Zeit über prächtig
amüsiert. „Der Abenteuerurlaub ist vor-
bei“, rief er den Reportern zu.

Schuss ins Bein


„War sehr geil“: Alexander Falk, Erbe des Stadtplan-Verlags und


New-Economy-Star, soll einen versuchten Mord in Auftrag gegeben haben.


Aber hatte er überhaupt ein Motiv?


von klaus ott und nicolas richter


DEFGH Nr. 175, Mittwoch, 31. Juli 2019 (^) DIE SEITE DREI 3
Die Verteidigung argumentiert,
dem Belastungszeugen
gehe es nur um eines: Geld
Er gibt sich gern als besonders
hart. Seine erste Haft, darauf legt
er Wert, habe ihn stärker gemacht
Mehr als sieben Jahre nach der
Tat meldet sich plötzlich
ein Mann mit einer Tonaufnahme
FOTO: DPA, COLLAGE: SZ
Morgens, um kurz vor neun,
schießt jemand auf den Anwalt.
Der überlebt den Durchschuss

Free download pdf