Süddeutsche Zeitung - 31.07.2019

(Darren Dugan) #1

Die Großstadt in der Großstadt heißt Ra-
mersdorf-Perlach. Der 16. Stadtbezirk hat
schon heute mehr Einwohner als Erlan-
gen, und er wird weiterwachsen. Aller-
dings sind die absoluten Einwohnerzahlen
der 25 Münchner Stadtbezirke nur schwer
vergleichbar, da sie sich von der Fläche her
stark unterscheiden. So ist die Altstadt, zu
der auch das Lehel gehört, nur 3,1Quadrat-
kilometer groß (aktuell knapp 22 000 Ein-
wohner), während Ramersdorf-Perlach
auf 19,9 Quadratkilometer kommt. Num-
mer zwei in München und ebenfalls knapp
Großstadt ist Neuhausen-Nymphenburg,
das aber wegen geringerer Einwohnerzu-
wächse bis 2040 vom Stadtbezirk 19 (Thal-
kirchen etc.) und Bogenhausen überholt
wird. Schwabing-Freimann, das bis an die
Stadtgrenze reicht, erreicht bis 2040 eben-
falls Großstadtformat. dh


Die Altersstruktur bleibt in den kommen-
den Jahren im Wesentlichen erhalten. Ak-
tuell ist der Durchschnittsmünchner
41,2 Jahre alt, im Jahr 2040 werden es
41,3Jahre sein. Ein derzeit noch leicht über-
durchschnittlich betagtes Viertel, nämlich
Aubing-Lochhausen-Langwied, wird dann
Münchens „Jugendtreff“ sein: mit 38,8Jah-
ren Durchschnittsalter. Diese Entwicklung
dürfte vor allem durch die Fertigstellung
des großen Wohnquartiers in Freiham aus-
gelöst werden, das wohl viele junge Fami-
lien anzieht. Schwabing-Freimann, eine
Mischung zwischen Innenstadtquartier, lo-
ckerer Stadtrandbebauung und Neubauge-
bieten, ist Nummer zwei, gefolgt von der
wegen ihrer zentralen Lage und Kneipen-
dichte geschätzten Ludwigs- und Isarvor-
stadt, wozu auch Glockenbach- und Gärt-
nerplatzviertel gehören. dh

Im bundesweiten Vergleich ist München
eine ziemlich junge Stadt. Weil das Arbeits-
platzangebot und die Attraktivität des Frei-
zeitangebots viele junge Menschen anzie-
hen, dominieren die 20- bis 40-Jährigen
die Bevölkerung – es sind sogar mehr als
die berühmten „Baby Boomer“. Die Älte-
ren bevorzugen oft die etwas gediegeneren
Stadtviertel mit vielen Einfamilienhäu-
sern, die Nähe zur Szenekneipe ist nicht
mehr so wichtig. Zudem ziehen sie nicht
mehr so oft um, vor allem, wenn sie sich
Wohneigentum geleistet haben. Weshalb
das Durchschnittsalter in diesen Bezirken
besonders hoch ist. Spitzenreiter ist Ha-
dern, dessen Einwohner laut Prognose
2040 im Schnitt 43,4 Jahre alt sein werden.
Es folgen Pasing-Obermenzing, Untergie-
sing-Harlaching, Laim und Ramersdorf-
Perlach. dh

Beim Blick auf die Viertel, die am meisten
wachsen, fällt vor allem eines auf: Es sind
die Quartiere am Stadtrand, die die vielen
Neumünchner und Umzügler aufnehmen
werden – schließlich gibt es hier noch freie
Flächen. Spitzenreiter in Sachen Bevölke-
rungswachstum ist der Stadtbezirk Au-
bing-Lochhausen-Langwied, dessen Bevöl-
kerungszahl den Prognosen zufolge 2040
doppelt so hoch sein wird wie 2017. Allein
in Freiham nördlich der Bodenseestraße
soll auf 190 Hektar Wohnraum für rund
25000 Menschen entstehen. Für die Innen-
stadtbezirke Ludwigsvorstadt-Isarvor-
stadt, Schwabing-West, Maxvorstadt,
Sendling, Schwanthalerhöhe und Altstadt-
Lehel sowie am Stadtrand Hadern und Un-
tergiesing-Harlaching sind dagegen gerin-
ge Wachstumsraten oder auch leichte
Rückgänge zu erwarten. mest

Zum Bauen braucht man Platz, und der ist


  • wie an der Grafik deutlich zu erkennen –
    vor allem in Richtung Stadtrand vorhan-
    den. In den dicht bebauten Altstadtvier-
    teln des Zentrums, allen voran der Alt-
    stadt, dem Lehel und der Schwanthaler-
    höhe, geht schlicht nicht mehr viel, wenn
    man nicht Teile des Bestands abbrechen
    will. Dasselbe gilt für die klassischen In-
    nenstadtquartiere wie Haidhausen, die


Maxvorstadt oder West-Schwabing. Im
Münchner Süden hingegen gibt es noch
Flächen, und wo aktuell die ganz großen
Neubauprojekte oder zumindest -planun-
gen sind, kann man gut ablesen: in Aubing-
Lochhausen-Langwied (dort liegt Frei-
ham), in Feldmoching-Hasenbergl (dort
sollen 900 Hektar überplant werden, die
ehemalige SEM Nord) und in Bogenhausen
(600 Hektar, SEM Nordost). dh

von thomas anlauf

W


ir schreiben das Jahr 2040. Die
lange ersehnte U-Bahn-Linie 9
ist kürzlich in Betrieb gegangen
und schaufelt im Minutentakt Tausende
Menschen in die Stadt, auch die U 29
rauscht nun zwischen Harthof und Großha-
dern durch die teilweise neue Röhre. Die
westliche Endstation der U 5 ist allerdings
immer noch in Pasing, dabei hatte der
Stadtrat schon lange gefordert, dass die Li-
nie über Freiham bis zum Raumfahrtbahn-
hof Oberpfaffenhofen verlängert wird. Zu-
kunftsmusik, klar. Doch in der Münchner
Stadtplanung sind zwei Jahrzehnte kein
großer Zeitraum. Und der neue Demogra-
fiebericht mit der Bevölkerungsprognose
bis 2040 prophezeit einigen Stadtbezirken
ein exorbitantes Wachstum. Das bedeutet
nicht nur, dass die Viertel vor allem im
Münchner Norden, Westen und Nordosten
eine deutlich verbesserte Infrastruktur
beim öffentlichen Nahverkehr brauchen.
Auch Schulen, Kindergärten und weitere
soziale Angebote müssen in der weiterhin
stark wachsenden Metropole frühzeitig ge-
schaffen werden.
Zwar hat das Planungsreferat seine Be-
völkerungsprognose leicht nach unten kor-
rigiert, wonach München nicht schon
2035, sondern erst fünf Jahre später 1,85
Millionen Einwohner haben könnte. 18,8
Prozent mehr Münchner als 2017 würden
dann in der Stadt leben. Doch angesichts


der geplanten Großbauprojekte wird es bei
der Verteilung der Stadtbevölkerung zum
Teil massive Verschiebungen geben. Allen
voran der Münchner Westen wird am
stärksten wachsen. Wegen des Neubauge-
biets in Freiham wird sich die Einwohner-
zahl im Bezirk Aubing-Lochhausen-Lang-
wied um mehr als 40000 Menschen erhö-
hen und damit im Vergleich zu heute nahe-
zu verdoppeln. Auch im Münchner Norden

wird es in Zukunft deutlich enger: Feldmo-
ching-Hasenbergl soll wegen zahlreicher
Neubauprojekte um mehr als 50 Prozent
beziehungsweise etwa 30000 Einwohnern
wachsen. Weitere Boomgebiete sollen die
Stadtbezirke Moosach, Trudering-Riem,
Schwabing-Freimann sowie Bogenhausen
werden, wo derzeit bekanntlich über ein
riesiges Planungsgebiet diskutiert wird. Es
entsteht also eine gewisse Unwucht, was

die Bevölkerungsentwicklung im Münch-
ner Stadtgebiet angeht. Die bisherigen Ver-
kehrssysteme, insbesondere im Münchner
Norden, werden deshalb bald an ihre Gren-
zen stoßen, weshalb nun der Weg für den
Bau der U9 frei gemacht worden ist. Auch
die Überlegungen, eine Seilbahn entlang
des Frankfurter Rings zwischen Oberwie-
senfeld und Studentenstadt zu bauen,
könnte die stark wachsenden Stadtviertel
im Norden entlasten. In der Machbarkeits-
studie, die der Stadtrat im vergangenen De-
zember beschlossen hatte, soll untersucht
werden, ob die Seilbahn sogar bis Unterföh-
ring weitergeführt werden könnte. Auch
der S-Bahn-Nordring, für den bereits eine
Machbarkeitsstudie vorliegt, soll verhin-
dern, dass der Verkehr kollabiert.
Für das riesige neue Stadtviertel Frei-
ham ist bislang noch keine U-Bahn vorgese-
hen, die bisherigen Pläne reichen nur bis
Pasing im Westen. Dafür könnte die Verlän-
gerung nach Südosten bis hin nach Otto-
brunn beziehungsweise Taufkirchen nicht
nur viele Pendler dort dazu bewegen, vom
Auto in die künftige U5 umzusteigen. Die

neue Fakultät für Luftfahrt, Raumfahrt
und Geodäsie der TU München wird künf-
tig mehrere Tausend Studenten täglich auf
den neuen Campus in Ottobrunn/Taufkir-
chen ziehen.
Dabei wollen junge Menschen vor allem
in der Innenstadt leben. Bereits heute ist
deutlich zu beobachten, dass diese Gruppe
vorzugsweise von außerhalb in die inner-
städtischen Bereiche zieht. Einige Jahre
später, vor allem wenn die jungen Erwach-
senen eine Familie gründen, ziehen sie be-
vorzugt in die Neubaugebiete am Stadt-
rand. Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt mit
dem Glockenbach- und Gärtnerplatzvier-
tel ist besonders bei jungen Münchnern
beliebt. Es ist nach der Maxvorstadt der
zweitjüngste Stadtbezirk und derjenige
mit dem niedrigsten Altersquotienten (das
ist der Anteil der älteren, nicht mehr er-
werbstätigen Menschen im Verhältnis zu
den Menschen im typischen Erwerbsalter).
Die Maxvorstadt hingegen wird ihren
Rang als jüngster Stadtbezirk an Stadt-
randlagen mit großen Neubaugebieten ver-
lieren.

Auffällig ist, dass die beliebten Viertel
der Innenstadt in den kommenden zwei
Jahrzehnten nur wenig wachsen werden.
In Schwabing-West werden 2040 wohl nur
etwa 2500 Menschen mehr als heute le-
ben, insgesamt dann 73000 Personen.

Dennoch wird der Stadtbezirk auch in 20
Jahren weiterhin die höchste Einwohner-
dichte haben, dann werden voraussicht-
lich 16 700 Menschen pro Quadratkilome-
ter dort leben (heute sind es 16 151). Im Ver-
gleich: Die durchschnittliche Bevölke-
rungsdichte in München liegt derzeit bei
5012 Menschen pro Quadratkilometer (in
Berlin sind es laut Statistischem Bundes-
amt 4055, in Hamburg lediglich 2424 Men-
schen). Im Jahr 2040 wird sie laut der Be-
völkerungsprognose des Planungsreferats
bei 6000 Einwohnern pro Quadratkilome-
ter liegen.

Auch andere innerstädtische Viertel sta-
gnieren bei der Einwohnerzahl weitge-
hend: Das betrifft die Altstadt und das Le-
hel ebenso wie Sendling, die Schwanthaler-
höhe, Untergiesing-Harlaching sowie Ha-
dern. Das liegt vor allem in der Innenstadt
daran, dass eine Nachverdichtung so gut
wie nicht mehr möglich ist. Ein weiterer
Grund ist laut Stadtbaurätin Elisabeth
Merk aber auch, dass dort überproportio-
nal viele Singles leben.
In den Stadtrandlagen kommen auf die
Planer große Herausforderungen zu. Ein
starkes Wachstum von erwarteten 34,5
Prozent in Moosach bedeutet für den Stadt-
bezirk einen Zuwachs von 19 000 Men-
schen, etwa sechs Prozent aller Neubauten
Münchens entstehen dort. Die Experten
rechnen damit, dass München auch künf-
tig ein attraktiver Wohnstandort für Fami-
lien bleiben wird. „Die Stadtplanung wird
daher langfristig vor der großen Aufgabe
stehen, für all die Moosacher Buben und
Mädchen genügend Einrichtungen im Be-
reich der sozialen Infrastruktur zu schaf-
fen“, heißt es im aktuellen Demografiebe-
richt der Stadt. Ramersdorf-Perlach wie-
derum ist bereits heute einwohnerstärks-
ter Stadtbezirk mit 116 000 Menschen und
hat damit die Dimension einer Großstadt.
Er wird bis 2040 voraussichtlich auf
135 000 Menschen anwachsen. Die Planer
müssen in jedem Stadtteil auf besondere
Herausforderungen eingehen. Doch eins
ist sicher: München wächst weiter.

Hier mehr, dort wenigerDieBevölkerungsprognose des Planungsreferats für die Stadt ist klar:


München wächst in den kommenden Jahrzehnten weiter, 2040 werden 1,85 Millionen Menschen hier leben.


Doch die vielen Neumünchner verteilen sich sehr ungleichmäßig über das Stadtgebiet


Viele Großstädte in einer Neuer Jugendtreff Alt und sesshaft Spitzenreiter


Platz für Wohnungen


2040 werden in München
6000 Menschen pro
Quadratkilometer leben

Großbaustelle im Münchner Westen: Im neuen Stadtteil Freiham (hier ein Luftbild von 2017) entstehen Wohnungen für 25 000 Menschen. FOTO: HERBERT STOLZ

Wachstum am Stadtrand


Während in vielen Innenstadtbezirken die Einwohnerzahlen in den nächsten 20 Jahren kaum zulegen,
werden sich Viertel wie Freiham oder Moosach durch große Neubaugebiete massiv verändern

Für das riesige neue Stadtviertel
im Westen ist bisher keine
U-Bahn vorgesehen

DIE DEMOGRAFISCHE ENTWICKLUNG IN ZAHLEN


Das höchste Durchschnittsalter
in Jahren 2017 2040

43,143,4

Hadern

42,243,1

Pasing-

Obermenzing

42,843,0

Untergiesing-Harlaching

42,342,5

Laim

42,242,4

Ramersdorf-P

erlach

SZ-Grafik; Quelle: Referat für Stadtplanung und Bauordnung der Stadt München

Die bevölkerungsreichsten Viertel
Zahl der Einwohner


2017 2040
116 051
Ramersdorf-Perlach 134 628

97 022
124 002

Thalkirchen-Ober-
sendling-Forstenried-
Fürstenried-Solln
87 780
Bogenhausen 115 381

100 789
110 296

Neuhausen-
Nymphenburg

79 090
104 102

Schwabing-
Freimann

SZ-Grafik; Quelle: Referat für Stadtplanung und Bauordnung der Stadt München


+16,0%

+27,8%

+31,4%

+9,4%

+31,6%

Das niedrigste Durchschnittsalter
in Jahren 2017 2040

SZ-Grafik; Quelle: Referat für Stadtplanung und Bauordnung der Stadt München

41,7
38,8

Aubing-

Lochhausen-Langwied

39
,3
39,4

Schwabing-Freimann

39,139,7

Ludwigsvorstadt-
Isarv

orstadt

41,539,9

Feldmoching-Hasenber

gl

39,139,7

Milbertshofen-

Am

Hart
Altstadt-
Lehel
Ludwigs-
vorstadt-
Isarvorstadt

Maxvorstadt

Schwabing-
West

Au-
Haidhausen

Sendling

Sendling-
Westpark

Schwan-
thaler-
höhe

Neuhausen-
Nymphenburg

Moosach

Milbertshofen-
Am Hart

Schwabing-
Freimann

Bogenhausen

Berg am Laim
Trudering-
Riem
Ramersdorf-
Perlach
Obergiesing

Untergiesing-
Thalkirchen- Harlaching
Obersendling-
Forstenried-
Fürstenried-
Solln

Hadern

Pasing -
Obermenzing

Aubing-
Lochhausen-
Langwied

Allach-
Untermenzing

Feldmoching-
Hasenbergl

Laim

Hier wird neu gebaut
Neue Wohneinheiten

SZ-Grafik; Quelle: Referat für Stadtplanung
undBauordnung der Stadt München

bis 500
501 bis 2000
2001 bis 5000
5001 bis 10 000
mehr als 10 000

Welche Viertel am stärksten wachsen
Zahl der Einwohner
2017 2040
46 769
89 583

Aubing-Lochhausen-
Langwied

61 530
94 898

Feldmoching-
Hasenbergl

72 796
Trudering-Riem 97 914

54 439
Moosach 73 223

79 090
104 102

Schwabing-
Freimann
SZ-Grafik; Quelle: Referat für Stadtplanung und Bauordnung der Stadt München

+91,5%

+54,2%

+34,5%

+34,5%

+31,6%

R2 (^) THEMA DES TAGES Mittwoch, 31. Juli 2019, Nr. 175 DEFGH

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