Süddeutsche Zeitung - 31.07.2019

(Darren Dugan) #1
Der Caritas-Therapieverbund Sucht
München hat die selbst konzipierte Cari-
App geladenen Fachkräften, Vertretern
der Suchthilfe und Sponsoren präsentiert.
Sie soll die klassische ambulante Suchtbe-
handlung ergänzen, nicht ersetzen. „Analo-
ge Angebote sollen sinnvoll mit digitalen
Elementen verbunden oder ergänzt wer-
den“, sagte Gabriele Stark-Angermeier aus
dem Caritas-Vorstand. Ralf Hermannstäd-
ter, Leiter der Caritas-Fachambulanz für
junge Suchtkranke, schilderte die konkre-
ten Vorteile: „Ein vertrautes Gerät in eine
Therapie zu integrieren, kann bedeuten,
dass Klientinnen und Klienten Therapie
und Arbeitsaufträge bereitwilliger anneh-
men und eher dabeibleiben.“ Die App kön-
ne die Effizienz einer Therapie erhöhen.
Laut Hermannstädter sollen die Nutzer ler-
nen, sich bis zu einem gewissen Grad in

psychischen Krisen selbst zu helfen, so-
wohl während der Therapie als auch da-
nach. Erkrankte können ihre Abhängig-
keit, ihre Stimmung und ihren Konsum täg-
lich dokumentieren. Suchtkranke können
außerdem Frühwarnsignale für einen
Rückfall hinterlegen. Selbständig oder ge-
meinsam mit dem Therapeuten ist es mög-
lich, Ziele und Vereinbarungen fortlaufend
zu definieren und zu bearbeiten. Die Cari-
App ist in einer eingeschränkten Version
gratis erhältlich. Klienten des Caritas-The-
rapieverbunds Sucht können sie im vollen
Umfang kostenlos herunterladen.

Zum dritten Mal in Neuperlach und zum
ersten Mal im Theatron im Ostpark hat Kul-
turBunt Neuperlach zusammen mit den Ju-
gendeinrichtungenComeIn, dem KJT an
der Kurt-Eisner-Straße, dem Stadtjugend-

amt Streetwork und mit dem ZAK das
HoodWood Open Air Festivalveranstal-
tet. Bei großer Hitze haben die Musiker
den Zuschauern in der Atmosphäre des Am-
phitheaters mit ihrem bunt gemischten
multikulturellen Musikprogramm zusätz-
lich eingeheizt. Die Besucher folgten auf-
merksam den jungen Darstellern des Som-
mernachtstraums von „BühnenWerk“ und
tanzten zu der Musik von Malaka Hostel,
Roger Rekless oder Grosses K. Während
der fünf Tage dauernden Veranstaltung ka-
men mehr als 3000 Zuschauer zum Hood-
Wood Open Air.

Die Münchener ABG- und die Büschl-Un-
ternehmensgruppe feierten die Grund-
steinlegung für ihrWohnungsbau-Pro-
jekt Living Isar. Zusammen mit rund 200
Gästen griffen Stadtbaurätin Elisabeth

Merk, Rainer Sticken von der ABG, Ralf
Büschl, Architekt Manfred Ortner, zudem
Heico Zirkel, Geschäftsführer der Gustav
Epple Bauunternehmung und damit des
Generalunternehmers, sowie Clemens
Baumgärtner, Chef des Bezirksausschus-
ses Untergiesing-Harlaching und Wirt-
schaftsreferent der Stadt, auf dem ehemali-
gen Osram-Gelände zur Kelle. Die ersten
Bauarbeiten auf dem 31500 Quadratmeter
großen Grundstück begannen im Januar.
Mit der Grundsteinlegung startete nun die
Realisierung des südlichen Bauabschnitts.
Die ersten Wohnungen sollen Sommer
2021 fertig sein, das gesamte Projekt Ende


  1. Es entstehen insgesamt rund
    420 Wohnungen sowie Flächen für Gewer-
    be und zwei Kindertagesstätten. Der zen-
    trale Grünbereich des Quartiers erhält eine
    Anbindung zu den Isarauen. sz, re


von walter gierlich

Karlsfeld– Beider Bürgerversammlung
im November 2009 gibt es unter den Karls-
feldern erhebliche Unruhe. Die Einwohner
äußern sich verängstigt, sie sorgen sich
um die Sicherheit im Ort. Bewohner des
Ortsteils Rothschwaige stellen sogar die
Frage, ob man denn künftig die Kinder
noch draußen spielen lassen könne.

Dass die Unsicherheit in Karlsfeld zu die-
sem Zeitpunkt so groß ist, liegt daran, dass
eine Gruppe von Arbeitern der Straßen-
meisterei Dachau am Vormittag des 3.No-
vember 2009 etwas erlebt hat, was man
normalerweise nur in gruseligen Krimis zu
sehen bekommt: Sie wollen eine Lärm-
schutzwand an der Bundesstraße 471 in
der Rothschwaige von Gestrüpp befreien.
Sie sind dabei, Bäume zurückzuschneiden,
als sie hinter der Wand einen dunklen Ano-
rak und einen menschlichen Schädel entde-
cken. Die Männer rufen sofort die Polizei,
die schließlich eine skelettierte Leiche fin-
det.
Anschließend übernimmt die Kriminal-
polizei Fürstenfeldbruck die Ermittlun-
gen. Die Kommissare stellen Kleidung und
persönliche Gegenstände sicher: eine
Handtasche, eine braune Jacke, einen
schwarzen Rolli, einen braunen Rock und
braune Schuhe. Die Leiche liegt versteckt

auf einer Anhöhe gleich neben der gut zwei-
einhalb Meter hohen Schutzwand, welche
die Einfamilienhäuser in der Rothschwai-
ge vom Verkehrslärm der viel befahrenen
Bundesstraße B471 abschirmt. Schnell ist
klar, dass die tote Frau dort seit mehr als ei-
nem Jahr gelegen haben muss. Möglicher-
weise sogar seit beinahe zwei Jahren.
In der Handtasche finden die Ermittler
Hinweise, dass es sich bei der Toten um
Zouzouna I. handeln dürfte, die bereits seit
dem 14. Oktober 2007 als vermisst gilt. Am
folgenden Tag beseitigt die Obduktion letz-
te Zweifel über die Identität der Toten: Es
ist die zum Zeitpunkt ihres Verschwindens
46-jährige Georgierin griechischer Ab-
stammung aus München-Giesing. Ziem-
lich sicher sind sich zu diesem Zeitpunkt
die Ermittler auch, dass sie einem Gewalt-
verbrechen zum Opfer gefallen ist, obwohl
die Obduktion keine Rückschlüsse auf die
Todesursache zulässt.
Die aus Tiflis stammende Familie von
Zouzouna I. war 1989 nach Griechenland
gezogen. Dort hatte die Tochter von Zou-
zouna I. ihren Mann kennengelernt, mit
dem sie sich 2004 in München niederließ.
Als das Paar sein erstes Kind bekam, folgte
die Mutter 2006 der Tochter nach Mün-
chen, um der jungen Frau im Haushalt zu
helfen und auf den Enkel aufzupassen. Ihr
Mann war zu Hause in Griechenland geblie-
ben, sie selbst hatte in München wenige
Kontakte, außer zur Familie und zu ihrer
orthodoxen Kirchengemeinde. Sie sprach
ja auch nicht Deutsch, konnte jedoch nach
Angaben ihrer Familie Russisch, Grie-
chisch und etwas Türkisch.
Am 14. Oktober 2007, einem recht trü-
ben Tag, verlässt die streng gläubige Zou-
zouna I. um 9 Uhr morgens ihre Wohnung
an der Münchner Untersbergstraße, um zu
einem Gottesdienst in der Innenstadt zu
fahren. Ihre Tochter fühlt sich nicht wohl
und bleibt daher zu Hause. Die orthodoxe
Kirche feiert an jenem Tag das Fest „Maria
Schutz“ im Kolpinghaus in der Nähe des
Hauptbahnhofs. Die 46-Jährige hat, wie ih-
re Tochter später sagen wird, ihr Gebet-
buch, ein Holzkreuz am Lederband und ei-
nen Rosenkranz eingesteckt. Sie will ver-
mutlich zur wenige hundert Meter von der
Wohnung entfernten U-Bahn-Station. Ob
sie dort je ankommt, ist unklar. Sie fehlt je-

denfalls beim Gottesdienst im Kolping-
haus. Die Familie fragt noch am Tag des
Verschwindens in allen orthodoxen Kir-
chengemeinden nach, aber es findet sich
keine Spur von Zouzouna I. Niemand hat
sie gesehen und wird sie auch nie mehr wie-
der sehen.
Die Angehörigen laufen damals den
Weg in die Innenstadt zu Fuß ab, verteilen
Fotos in der U-Bahn. Sie befragen Freunde,
Nachbarn und Bekannte – alles ohne Er-
folg. Die mittlerweile alarmierte Polizei
sucht ebenfalls vergeblich nach der Georgi-
erin. Sie bleibt verschwunden. Einen Sui-
zid der Frau, die Medikamente gegen De-
pression genommen hat, schließt die Fami-
lie angesichts der Religiosität der 46-Jähri-
gen kategorisch aus.
Auch die Ermittler der Kripo glauben
nicht an einen Suizid. „Der Fundort der Lei-
che ist nicht der Tatort“, betont damals ein
Polizeisprecher. Damit ist es für die ermit-

telnden Beamten ausgeschlossen, dass
Zouzouna I. sich an der abgelegenen und
gut verborgenen Stelle selbst das Leben ge-
nommen haben könnte. Damals vermuten
die Polizisten: Wer immer den Körper der
toten Frau aus München in die Rothschwai-
ge gebracht hat, muss ganz bewusst jenen
versteckten und uneinsehbaren Platz hin-
ter der Lärmschutzwand in Karlsfeld aus-
gewählt haben – in der Hoffnung, dass die
Leiche nicht so bald gefunden würde. Spa-
ziergänger kommen dort nicht vorbei und
von der Bundesstraße aus ist der Ort durch
die Lärmschutzwand verdeckt. Tatsäch-
lich ist die Rechnung aufgegangen, hat es
doch fast zwei Jahre gedauert, bis die Stra-
ßenarbeiter ihren grausigen Fund ge-
macht haben.
Die Fürstenfeldbrucker Kriminalpolizei
bildet damals die Sonderkommission „Hel-
las“ und bittet die Bevölkerung um Mithil-
fe in dem rätselhaften Fall. Die Beamten

verteilen Hunderte Flugblätter in der Nähe
des Fundorts in Karlsfeld und der Nachbar-
stadt Dachau, befragen Anwohner in der
Hoffnung, dass diesen am 14. Oktober
2007, dem Tag, an dem der München-Ma-
rathon stattgefunden hat, etwas Verdächti-
ges aufgefallen ist. Doch alle Mühe bleibt
vergeblich.
Und heute? Mittlerweile geht die Polizei
„von einem natürlichen Ableben aus“, sagt
Pressesprecher Hans-Peter Kammerer
vom Präsidium Oberbayern-Nord: „Es
spricht vieles dafür.“ Die Ermittler hätten
letztlich keine Anhaltspunkte für ein Ge-
waltverbrechen gefunden. Die Frau sei
„psychisch auffällig“ gewesen und habe
unter „religiösen Wahnvorstellungen“ ge-
litten. Das dürfte laut Kammerer auch hin-
ter dem verborgenen Auffindungsort ste-
cken. Wie Zouzouna I. an die B471 in der
Rothschwaige gekommen ist, bleibt weiter-
hin ein Rätsel.

München/Garching– Gleich an drei mög-
lichen Umrüstungsszenarien für den Gar-
chinger Forschungsreaktor FRM II arbei-
ten derzeit die Wissenschaftler der TU,
auch in Zusammenarbeit mit europäi-
schen Partnern und dem US Department
of Energy. Das teilt die Technische Univer-
sität als Reaktorbetreiber in einer Presseer-
klärung mit. Berichtet wird darin von ei-
nem Treffen der TU-Wissenschaftler mit
Vertretern der Amerikaner und des bayeri-
schen Staatsministeriums für Wissen-
schaft in Garching, in dem es um neue For-
schungsergebnisse ging.
Die mögliche oder unmögliche Umrüs-
tung des FRM II ist ein heiß diskutiertes
Thema. Befeuert wurde es von einem
Rechtsgutachten, das zu dem Schluss
kam, der Reaktor laufe seit acht Jahren ille-
gal, weil er nach wie vor hoch angereicher-
tes Uran (mehr als 90 Prozent) verwendet.
Im Genehmigungsbescheid von 2003
steht jedoch die Auflage, die TU als Betrei-
ber müsse spätestens 2010 auf niedriger
angereichertes Uran (unter 50 Prozent) um-
rüsten. Aktuell würden drei Brennstoffe ge-
prüft, hochdichtes Uransilizid, disperses
Uran-Molybdän und monolithisches Uran-
Molybdän (unter 20 Prozent), das die TU
wegen der niedrigsten Anreicherung und
der höchsten Urandichte favorisiert.
Alle drei Brennstoffe würden gerade in
einem Reaktor in Belgien geprüft, berich-
tet Anke Görg, Pressesprecherin des
FRM II. Dort arbeiteten die Wissenschaft-
ler der Arbeitsgruppe „Hochdichte Kern-
brennstoffe“ mit anderen Forschungsein-
richtungen im europäischen Forschungs-
verbund „Heracles“ (Heritage Resilience
Against Climate Events on Site) zusam-
men. Bei dem Termin in Garching wurden
auch baldige Treffen mit Vertretern des Ar-
gonne National Laboratory bei Chicago ver-
einbart, das dem US-Energieministerium
unterstellt ist. Christopher Landers von
der US National Nuclear Security Adminis-
tration betonte dabei, man arbeite daran,
dass sowohl alte als auch neue Forschungs-
reaktoren niedrig angereichertes Uran als
Brennstoff verwenden. pa


Freimann– Weil in Garching-Hochbrück
vier Weichen erneuert werden müssen,
kommt es auf der Linie der U 6 zwischen
Fröttmaning und Garching-Forschungs-
zentrum in den Sommerferien zwei Wo-
chen lang zu Einschränkungen. Von Don-
nerstag, 1. August, bis Freitag, 16. August,
circa 15 Uhr, fahren zwischen Fröttmaning
und Garching sowie zwischen Garching
und Garching-Forschungszentrum Pendel-
züge im 20-Minuten-Takt. Zur Weiter-
fahrt müssen Fahrgäste sowohl in Fröttma-
ning als auch in Garching umsteigen. Im
Spätverkehr nach 22.30 Uhr ersetzen Bus-
se die U6 zwischen Fröttmaning und Gar-
ching-Forschungszentrum. Fahrgäste soll-
ten für die Strecke deutlich mehr Zeit als
üblich einplanen. Die MVG informiert un-
ter anderem mit Tickertexten und Aushän-
gen an den Haltestellen über die Einschrän-
kungen. Informationen zu allen Betriebs-
änderungen gibt es auch im Internet auf
http://www.mvg.de, in der App „MVG Fahrinfo
München“ sowie an der MVG-Hotline un-
ter 0800 344 22 66 00 (gebührenfrei). sz


Moosach– Letzte Gelegenheit vor der
Sommerpause, seiner Musik freien Lauf
zu lassen: An diesem Mittwoch, 31. Juli,
steht ein Klavier der Aktion „Play Me I’m
Yours“ von 15 bis 17 Uhr im Kultur- und
Bürgerhaus Pelkovenschlössl am Moos-
acher Sankt-Martins-Platz 2 zum freien
Spielen zur Verfügung. Jeder, der musizie-
ren möchte, ist willkommen. Wer einfach
nur zuhören, Tee trinken, ratschen oder le-
sen möchte, ist ebenfalls ins Schlössl-Foy-
er eingeladen. Bücher zum Schmökern ste-
hen bereit. Der Eintritt ist frei. Eine Anmel-
dung ist nicht erforderlich. anna STADT, LAND, LEUTE


Mysterium an der B471


An einemHerbsttag des Jahres 2007 macht sich eine 46-jährige Georgierin griechischer Abstammung auf den Weg in die Kirche.
Dort kommt sie niemals an. Zwei Jahre später finden Straßenarbeiter ihre Leiche an einer Schallschutzwand. Ihr Tod ist noch heute ein Rätsel

Der Tatort damals und heute: Die Polizei setzt 2009 einen Spürhund ein, um die Böschung abzusuchen. Heute ist die Stelle dicht
mit Gestrüpp bewachsen. FOTOS: TONI HEIGL

Neuer Brennstoff


für den Reaktor


Pendelzüge und


Busse ersetzen die U6


Ein Klavier


zum Improvisieren


→ Anders als im Artikel
„Weit weg“ vom 23. Juli be-
richtet, hat der Bezirksaus-
schuss Pasing-Obermenzing
den geplanten Kiesabbau im Planegger
Holz nicht mit „keine Einwände“ kommen-
tiert, sondern auf Anregung des Vorsitzen-
den Romanus Scholz (Grüne) einstimmig
zur Kenntnis genommen.


→ Das Aus für die Städtebauliche Ent-
wicklungsmaßnahme im Norden der Stadt
leitete die Abkehr der CSU Anfang 2018
ein, nicht erst Anfang 2019, wie zeitlich un-
korrekt im Artikel „Eine Frage des Gemein-
wohls“ am 18. Juli geschildert. sz


Die spektakulärsten
Kriminalfälle
SZ-Serie · Teil 3

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Gutes Wetter, gute Stimmung: Zum Open
Airim Ostpark kamen mehr als 3000 Zu-
schauer. FOTO: PRIVAT

An einer Lärmschutzwand im Karlsfelder Ortsteil Rothschwaige finden Polizisten eine Frauenleiche. Schnell ist klar: Es handelt sich um eine seit zwei Jahren vermisste 46-Jährige. FOTO: TONI HEIGL

KORREKTUREN


NORDEN


R8 PGS (^) STADTVIERTEL Mittwoch,31. Juli 2019, Nr. 175 DEFGH

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