Süddeutsche Zeitung - 31.07.2019

(Darren Dugan) #1
München– Bayern soll das erste klimaneu-
trale Bundesland in Deutschland werden.
Dieses Ziel hat Ministerpräsident Markus
Söder (CSU) nach der Kabinettssitzung am
Dienstag offiziell vorgegeben. Die Staatsre-
gierung will damit auch schneller sein als
der Bund, der sich das Jahr 2050 als Marke
vorgenommen hat. Söder hat bekräftigt,
dass die bayerische Messlatte bei „2040
plus“ liege. Zu diesem Zweck hat das Kabi-
nett eine Liste von Vorschlägen erarbeitet.
Im Herbst sollen sie dann in einer bayeri-
schen Klimastrategie beschlossen werden.
Als wichtigste Aufgabe nannte Söder, die
Klimapläne müssten mit der Konjunktur
verzahnt werden. Nur wenn sich Ökologie
und Ökonomie ergänzten, könnten die Kli-
maziele auch bei einer sich abschwächen-
den Wirtschaft erreicht werden. Auch für
den Bund plant Söder eine entsprechende
Offensive. Die Pläne will der CSU-Vorsit-
zende nach einer Vorstandsklausur An-
fang September vorstellen.

Söder hatte die letzte Sitzung vor der
Sommerpause zum „Klimakabinett“ aus-
gerufen. Sie fand symbolisch im Freien
statt, im Hofgarten hinter der Staatskanz-
lei. In der Runde saßen auch vier Mitglie-
der des bayerischen Klimarats: die Wissen-
schaftler Harald Lesch, Annette Menzel,
Karen Pittel und Jörg Völkel. Sie stehen als
ständige Berater im Austausch mit dem
Umweltministerium. Laut Söder begrüß-
ten die Wissenschaftler seinen Zeitplan zu
einem klimaneutralen Bayern. Zu Beginn
überreichten sie Söder einen Bierdeckel
mit einem Eisbär darauf, auf dem sie vier
Kernthesen formuliert hatten: Die Welt be-
finde sich mitten im Klimawandel, der
Wandel sei von den Menschen verursacht,
die massiven Auswirkungen seien überall
zu spüren, Politik und Gesellschaft müss-
ten sofort mit aller Kraft gegensteuern. Sö-
der sagte auf die Frage, wie zufrieden die
Experten mit den bisherigen Plänen seien:
Professor Lesch etwa pflege einen „eher ge-
samtapokalyptischen Ansatz“. Es seien
sich aber alle einig gewesen, dass es einen
gesamtheitlichen Ansatz brauche.
Ein zentraler Punkt in Söders Konzept
ist die Sonnenenergie. Kommunen sollen
künftig deutlich mehr Freiheiten bekom-
men, wenn sie Flächen für Photovoltaik
ausweisen wollen. Auch die Windkraft will
Söder fördern, ohne allerdings von der Um-
strittenen 10-H-Regel abzuweichen. In
den bayerischen Staatswäldern sollen spä-
testens in den kommenden drei Jahren
hundert neue Windräder entstehen. Land-
wirtschaftsministerin Michaela Kaniber
(CSU) kündigte an, ihr Haus werde eine Po-
tenzialanalyse in Auftrag geben. Das Ziel
gilt als äußerst ambitioniert. Fachleute be-
zweifeln, dass aus Gründen der Abstands-
regelung und des Naturschutzes hundert
Windräder gebaut werden können. Um-
weltminister Thorsten Glauber (FW) will
Bayern zum Vorreiter bei der Reduzierung
von Einwegplastik machen. Er will mit
dem Einzelhandel beraten, wie sich Verpa-
ckungsmüll vermeiden lässt.
Grünen-Fraktionschef Ludwig Hart-
mann forderte von Söder Taten statt Wor-
te. „Zum Handwerk gehört nicht nur klap-
pern, sondern auch machen.“ Vor allem im
Kampf gegen die „CO 2 -Emissionsriesen
Verkehr und Wärme“ müsse die Staatsre-
gierung mehr Einsatz zeigen. wiw

Schwitze-Hitze-Juli – so heiß und trocken, dass es nur unterm Schirm oder im Wasser wie hier im Wörthsee erträglich war. Rekord?
Dieheftigen Regenfälle zum Monatsende konnten die Trockenheit in Bayern jedenfalls nicht ausgleichen. Mit 75 Litern Niederschlag
pro Quadratmeter lag der Freistaat laut Deutschem Wetterdienst bundesweit auf Platz zwei, aber unter dem Schnitt vergangener Jah-
re. Der Hitze-Rekord fiel am 25. Juli: Kahl am Main verdrängte den Rekordhalter Kitzingen mit 40,4 Grad Celsius. FOTO: SVEN HOPPE/DPA

München– Die Pläne zum Volksbegehren
für einen Mietenstopp in Bayern werden
konkreter. Zwei Professoren von der Uni-
versität Bielefeld, Markus Artz und Franz
Mayer, haben einen Gesetzentwurf ausge-
arbeitet, der vorsieht, Mieterhöhungen in
angespannten Wohnungsmärkten in Bay-
ern bei laufenden Mietverhältnissen sechs
Jahre lang zu unterbinden. Gelten soll der
Stopp für 162 Städte und Gemeinden. Die
beiden Juristen sind überzeugt, dass ein
Mietenstopp rechtlich möglich ist. „Über
das öffentliche Recht kann das Land Bay-
ern agieren“, sagt Franz Mayer. „Es kommt
nur auf den politischen Willen an.“
Die Initiative geht zurück auf den Mie-
terverein München, der zusammen mit
der Münchner SPD Ende April seine Pläne
für ein Volksbegehren mit dem Titel „Uns
glangt’s“ verkündete. Zuvor hatten Artz
und Mayer bereits in Berlin ein Gutachten
erarbeitet, wonach ein Mietendeckel mög-
lich sei. Der Berliner Senat beschloss dar-
aufhin im Juni eine entsprechende Rege-
lung. Ein neuer Aspekt im Gesetzentwurf
für Bayern ist nun eine Ausnahmerege-
lung, die sozial verantwortlichen Vermie-
tern entgegenkommt. Nimmt ein Vermie-
ter bislang eine sehr niedrige Miete, soll er
sie auch während des Stopps erhöhen dür-
fen, allerdings nur bis zu maximal 80 Pro-
zent der ortsüblichen Vergleichsmiete.
„Wer derzeit sehr wenig Miete verlangt –
so wie etwa viele Genossenschaften – soll
noch einen kleinen finanziellen Spielraum
haben, um nicht in Bedrängnis zu kom-

men“, erläutert Beatrix Zurek, Vorsitzende
des Mietervereins. Bei Neuvermietungen
soll nach dem Gesetz zukünftig nur maxi-
mal die ortsübliche Vergleichsmiete ver-
langt werden dürfen. Wer gegen die Rege-
lungen verstößt, soll mit einer Geldbuße
von bis zu 500 000 Euro bestraft werden.
Und anders als bei der Mietpreisbremse
soll der Vermieter gemäß dem Gesetzent-

wurf beim Mietenstopp zu viel bezahlte
Miete von Anfang an zurückbezahlen; bei
der Mietpreisbremse ist dies erst ab der Rü-
ge der Fall. Auch Erhöhungen nach einer
Modernisierung sollen die ortsübliche Ver-
gleichsmiete nicht überschreiten dürfen.
Komplett ausgeschlossen von dem Gesetz
wären Mieten in Neubauten – Investitio-
nen sollen nicht gebremst werden.

Er habe „mit Interesse gelesen, dass die
Verfasser in dem neuen Entwurf offen-
sichtlich zurückgerudert sind“, kommen-
tiert Rudolf Stürzer, Vorsitzender des
Münchner Haus- und Grundbesitzerver-
eins, in Anspielung auf die „Härtefallrege-
lung“ für soziale Vermieter. Unabhängig
davon halte er das ganze Vorhaben für ver-
fassungsrechtlich unzulässig. Er glaube zu-
dem, dass die Initiatoren den Mietern ei-
nen Bärendienst erweisen und man aus
der Mietpreisbremse hätte lernen können


  • es habe noch nie so viele Mieterhöhun-
    gen gegeben wie vor deren Inkrafttreten.
    Tatsächlich berichtet der Berliner Mieter-
    verein dieser Tage, seit dem Senatsbe-
    schluss seien „zigtausend“ kurzfristige
    Mieterhöhungen bei seinen Mitgliedern
    eingegangen. Haus und Grund Berlin hatte
    seine Mitglieder dazu aufgerufen, „recht-
    zeitig“ die Mieten zu erhöhen.
    Zu den Unterstützern des Volksbegeh-
    rens im Freistaat zählen die Bayern-SPD,
    der Deutsche Gewerkschaftsbund Region
    München, die Linke Bayern, der Landesver-
    band Bayern des Deutschen Mieterbun-
    des, der SoVD Landesverband Bayern (Sozi-
    alverband Deutschland) und der Münch-
    ner Mieterbeirat. Alle Unterstützer können
    nun noch eine Woche lang Anmerkungen
    zu dem Gesetzentwurf machen. Nach dem
    Oktoberfest will das Bündnis anfangen, Un-
    terschriften zu sammeln – 25 000 sind nö-
    tig. Für das eigentliche Volksbegehren
    müssten dann eine Million Menschen un-
    terschreiben. anna hoben


Kulmbach– Inder von Grabenkämpfen
zerrissenen bayerischen AfD verschärfen
sich die Auseinandersetzungen zwischen
den verfeindeten Lagern. Der Landesvor-
stand will nach dem Regensburger Benja-
min Nolte ein zweites Mitglied aus dem
Führungsgremium ausschließen, den
Kulmbacher Kreisvorsitzenden Georg
Hock. Dieser bestätigte am Dienstag ent-
sprechende Medienberichte als „grund-
sätzlich richtig“ und kündigte an, sich ge-
gen seinen Ausschluss aus dem AfD-Lan-
desvorstand gerichtlich zur Wehr setzen
zu wollen.
Medienberichten zufolge wirft der Lan-
desvorstand Hock in einer Rundmail an
die Mitglieder Nähe zu einem umstritte-
nen Freiherrn vor, den dessen Gegner für
einen Hochstapler halten. Zu den Details
äußerte Hock sich nicht. „Ich bitte um Ver-
ständnis, dass ich mich wegen des schwe-
benden Verfahrens nicht weiter äußern
möchte.“ Der Landesvorsitzende Martin Si-
chert war zunächst nicht zu erreichen. Im
bayerischen AfD-Landesverband bekämp-
fen sich gemäßigtere Kräfte und Anhänger
des rechtsnationalen Thüringer Politikers
Björn Höcke sowie seines „Flügels“ – eine
Gliederung, die viele Beobachter für rechts-
extrem halten. Hock steht dem „Flügel“ na-
he, hat jedoch stets den Vorwurf zurückge-
wiesen, völkisch-nationalistisch einge-
stellt zu sein. Das erste Ausschlussverfah-
ren des AfD-Landesvorstands gegen Nolte
steht ebenfalls im Zusammenhang mit den
„Flügel“-Kämpfen. Nolte zählt zu den Al-
ten Herren der Burschenschaft Danubia,
deren Aktivitäten der Verfassungsschutz
als rechtsextrem einstuft. Zudem hatte er
bei einem AfD-Treffen vor einiger Zeit an-
geregt, die sogenannte Unvereinbarkeits-
liste abzuschaffen, in der festgelegt ist,
dass nicht Mitglied der AfD werden kann,
wer früher bei der NPD oder anderen extre-
mistischen Parteien Mitglied war. dpa

München– Im Kampf um die Nachfolge
von Grünen-Landeschefin Sigi Hagl zeich-
net sich ein weibliches Generationenduell
ab. Als Kandidatinnen haben sich bislang
Eva Lettenbauer aus Schwaben sowie die
Oberbayerin Judith Bogner beworben. Let-
tenbauer, 26, hat bis jetzt eine klassische
Parteikarriere durchlaufen. Nach ihrem
Eintritt 2011 war sie von 2013 an Jugend-
sprecherin im Kreis Donau-Ries, 2017 über-
nahm sie den Kreisvorsitz. 2015 wurde sie
zur Sprecherin der Grünen-Jugend in Bay-
ern gewählt. Im vergangenen Jahr zog die
studierte Wirtschaftsingenieurin in den
Landtag ein, wo sie als stellvertretende par-
lamentarische Geschäftsführerin dem
Fraktionsvorstand angehört. Trotz ihres
jungen Alters gilt sie als versiert in der Gre-
mienarbeit und auch deshalb als Favoritin
für den Landesvorsitz.
Die 50-jährige Bogner hat 2018 als grü-
ne Direktkandidatin in Mühldorf, wo sie
auch den Kreisvorsitz innehat, den Einzug
in den Landtag verpasst. Nach einem mehr-
jährigen Auslandsaufenthalt trat die TV-
Moderatorin und Schauspielerin erst 2016
in die Partei ein. 2017 machte sie erstmals
auf sich aufmerksam, als sie beim Landes-
parteitag die amtierende Sprecherin Hagl
herausforderte. Die gut 20 Prozent, die sie
holte, wurden als Achtungserfolg gewer-
tet. Dennoch werden Bogner lediglich Au-
ßenseiterchancen eingeräumt.
Der Landesparteitag der Grünen ist für
den 19. und 20. Oktober in Lindau ange-
setzt. Hagl, 52, hat bereits erklärt, dass sie
nach sechs Jahren nicht mehr antreten
wird. Die Niederbayerin will bei der Kom-
munalwahl im März das Landshuter Rat-
haus erobern. Oberbürgermeister Alexan-
der Putz (FDP) wird dann zwar erst gut drei
Jahre im Amt sein. Um die Wahlen wieder
an den bayernweiten Turnus anzupassen,
werden sie jedoch vorgezogen. Hagl gehört
seit 2008 dem Landshuter Stadtrat an.
Die Bewerbungsfrist für Hagls Nachfol-
ge an der Grünen-Spitze ist noch nicht ab-
gelaufen. Neben Lettenbauer und Bogner
können sich weitere Bewerberinnen mel-
den. Wegen des Geschlechterproporzes ha-
ben allerdings nur Frauen eine Chance.
Der männliche Teil der Doppelspitze ist be-
reits besetzt. Der frühere Landtagsabge-
ordnete Eike Hallitzky, 60, aus Passau war
erst im Februar für zwei weitere Jahre als
Landesvorsitzender bestätigt worden. Er
steht in Lindau nicht zur Wahl. wiw


von johann osel

Ingolstadt– Alfred Lehmann wirkt nervö-
ser als sonst. Da ist – wie immer – zwar der
selbstsichere Blick in die Zuschauerreihen
beim Korruptionsprozess am Landgericht
Ingolstadt; im Gespräch mit seinem Vertei-
diger aber knetet der ehemalige Oberbür-
germeister die Hände, tippelt mit den Bei-
nen, ist angespannt. Man ahnt bereits vor
Eröffnung der Sitzung, dass heute etwas
passiert. Und tatsächlich beginnt die Ver-
handlung am Dienstag mit einem Geständ-
nis des Angeklagten – so deutet es zumin-
dest die Verteidigung, als Lehmann er-
klärt, er habe „Fehler gemacht“ und „Vor-
teile angenommen“, die er als Amtsträger
nie hätte akzeptieren dürfen. Zweifel kom-
men aber von der Staatsanwaltschaft: Die
Einlassungen hätten „mit einem Geständ-
nis überhaupt nichts zu tun“. Auch der Vor-
sitzende Richter Jochen Bösl merkt an, es
sei fraglich, ob „so ein Geständnis“ aufklä-
rend sei. Lehmann räume im Grunde das
ein, was nach der Beweisaufnahme auf der
Hand liege. Die Kammer zieht sich schließ-
lich zur Beratung zurück, eigentlich waren
für diesen 20. Verhandlungstag die Plädo-
yers geplant. Nun wird der Prozess bis zum
Oktober dauern – allerdings nicht wegen
des Quasi-Geständnisses, sondern weil es
an dem turbulenten Sitzungstag auf den
letzten Drücker neue Beweisanträge gibt.
Seit März steht Lehmann, 69, wegen Be-
stechlichkeit in zwei Fällen vor Gericht. Er
hatte zum Auftakt und auch später alle Vor-
würfe bestritten: Er habe stets „im Interes-
se der Stadt gehandelt“, „mit Herzblut“; Be-
stechung habe es keine gegeben. Der CSU-
Politiker, von 2002 bis 2014 Rathauschef,
soll laut Anklage Wohnungen vergünstigt
erhalten und dafür als Chef kommunaler
Gremien bei Bauprojekten zugunsten zwei-

er Firmen getrickst haben. Im ersten Fall
geht es um eine luxuriöse Wohnung in der
Innenstadt für ihn selbst, auf dem Areal
des einstigen städtischen Krankenhauses.
Er soll sie zum Schein als Rohbau gekauft
und gratis ausgebaut bekommen haben.
Als Gegenleistung für einen Deal, als der
Krankenhauszweckverband das Teilgelän-
de an den Bauträger vergab. So soll er im
Bieterkampf und später bei der Preisbe-
rechnung Unkorrektheiten veranlasst ha-
ben. Beim zweiten Fall steht ein Kasernen-
areal mit Backsteinbauten im Fokus, in
dem Lehmann und sein Vater in 16 Buden
für Studenten und Soldaten investierten,
ebenfalls weit unter Marktpreis. Bei einem
Notartermin für den Kauf des Areals wur-
den einem Bauunternehmer abweichende
Zuschnitte und weitere Forderungen zuge-
standen, ohne dass die zuständigen Gremi-
en eingebunden waren. In der Anklage-
schrift ist von einem Vorteil von insgesamt
einer Dreiviertelmillion Euro die Rede; Gut-
achter im Prozess haben dies nach unten
korrigiert, es seien aber, so Richter Bösl, im-
mer noch „gewaltige Summen“.

Zur City-Wohnung blieb Lehmann bei
seiner Erklärung, ein Ausbau des Rohbaus
durch den Bauträger sei zunächst gar nicht
geplant gewesen; es habe aber ein Angebot
bestanden, von dem zu vermuten war,
dass es „nicht kostendeckend und markt-
gerecht“ war. „Das war mein Fehler, ich
hätte das zu keinem Zeitpunkt annehmen
dürfen.“ Er habe später „Bedenken bekom-
men, dass das alles zu billig ist“ – und Nach-
zahlungen veranlasst. Aus eigenem An-

trieb, nicht wegen anonymer Briefe, die da-
mals im Zuge eines aufkeimenden Skan-
dals um Vetternwirtschaft am Ingolstädter
Klinikum kursierten. So legt es die Staats-
anwaltschaft nahe. Zudem, so Lehmann,
habe es keine Gegenleistungen gegeben,
da derlei Dinge dem operativen Geschäft
des Klinikgeschäftsführers F. zufielen,
nicht seinem Aufsichtsgremium. F., im
Zentrum der Klinik-Affäre, hatte sich En-
de 2017 in Untersuchungshaft das Leben
genommen. Auch den „zu preisgünstigen“
Ausbau der Kasernenbuden und damit „ei-
nen Vorteil“ räumte Lehmann ein. Er habe
dem Bauunternehmer bei dessen Kalkula-
tion vertraut. Auf den Vorwurf von Mau-
scheleien hierbei ging der Alt-OB nicht ein.
Lehmann droht eine mehrjährige Haft-
strafe. In Gesprächen mit der Verteidigung

hatte Bösl jüngst auf die Möglichkeit eines
Geständnisses hingewiesen. Denn in dem
einen Fall komme auch lediglich Vorteils-
nahme in Frage, im anderen Bestechlich-
keit nicht in einem besonders schweren
Fall, wie ursprünglich angeklagt. Ohne Ge-
ständnis bewege man sich wohl oberhalb
der Grenze von zwei Jahren Freiheitsstra-
fe, die automatisch ohne Bewährung sei.
Damit wolle man niemanden unter Druck
setzen, so Bösl, der Hinweis sei vielmehr ei-
ne „reine Geste der Fairness“ gewesen. Je-
doch erwarte die Kammer dann auch ein
Geständnis, das „zum Rechtsfrieden bei-
trägt“ und „einen Schlussstrich zieht“,
„nicht nur ein großes Lippenbekenntnis“.
Laut der ersten Reaktion auf Lehmanns
Vortrag dürfte sich das Gericht klarere Ein-
lassungen vorgestellt haben. Inwiefern die
Flucht nach vorne dennoch Pluspunkte
bringt, wird sich zeigen.
Allerdings werden sich die Plädoyers
und das weitere Verfahren eine ganze Wei-
le hinziehen. Der Anwalt des mitangeklag-
ten Bauträgers (das Verfahren gegen die
Witwe des zweiten Bauunternehmers wur-
de gegen Auflage eingestellt) brachte über-
raschend neue Anträge ein: Unterlagen
über Sonderwünsche Lehmanns in seiner
Wohnung, zum Beispiel ein weiteres Dach-
fenster. Diese Dokumente sollen belegen,
dass ein Gespräch zwischen Lehmann und
einem Baumanager 2014 erst nach dem
Ausscheiden aus dem OB-Amt stattgefun-
den habe; die Causa wäre womöglich an-
ders zu bewerten, auch wäre wohl strittig,
welchen Einfluss Lehmann zu dem Zeit-
punkt hatte. „Wir lassen uns nicht unter
Druck setzen“, sagte Bösl. Weitere Verhand-
lungstage sind, auch wegen Urlaubs, Mitte
August und im September anberaumt. Ein
Urteil könnte am 11. Oktober fallen. Ur-
sprünglich war Ende Mai vorgesehen.

Das Wohnen in Bayerns Großstädten, wie hier in Nürnberg, wird immer teurer.
Aberauchin kleineren Orten steigen die Preise. FOTO: MICHAEL RUNKEL/IMAGO

Hitze und Starkregen


Mietenstopp für 162 Städte und Gemeinden


Professoren erarbeiten Gesetzentwurf, der Grundlage für ein Volksbegehren sein könnte. Ausnahme für soziale Vermieter


AfD-Spitze will nächstes


Mitglied ausschließen


von wolfgang wittl

S


ommerzeit ist bekanntlich Biergar-
tenzeit – erst recht, wenn der Som-
mer wieder so heiß ausfällt wie in
diesem Jahr. Der Getränkekonsum bleibt
davon natürlich nicht unberührt. Ob Rad-
ler oder Russ, Limo oder Bier: Die Braue-
reien kommen gar nicht mehr hinterher
mit ihrem Nachschub. Flehentliche Auf-
rufe, Verbraucher möchten bitteschön
ihr Leergut zurückbringen, weil sonst kei-
ne neuen Flaschen abgefüllt werden kön-
nen, verdunsten oft leider ungehört wie
ein warmes Noagerl im gleißenden Son-
nenlicht. Nicht gar so groß ist der Not-
stand bei Wasser und Wein, aber das
wusste ja schon Heinrich Heine.
Wer in diesen heißen Tagen gedankli-
che Abkühlung sucht, landet vielleicht
bei einem von Heines bekannteren Wer-
ken. In „Deutschland, ein Wintermär-
chen“ legt sich der Dichter subtil mit der
staatlichen Obrigkeit an. Da heißt es: „Sie
sang das alte Entsagungslied / Das Eiapo-
peia vom Himmel / Womit man einlullt,
wenn es greint / Das Volk, den großen
Lümmel. / Ich kenne die Weise, ich kenne
den Text / Ich kenn auch die Herren Ver-
fasser / Ich weiß, sie tranken heimlich
Wein / Und predigten öffentlich Wasser.“
Womit man auch schon bei der AfD wäre.
So mancher im Landtag hegt ja schon
länger den Verdacht, die AfD würde Was-
ser predigen und heimlich Wein trinken.
Wenn es etwa um die Diäten von Abgeord-
neten geht, übt sich die AfD in demonstra-
tiver Zurückhaltung. Als einzige Fraktion
lehnt sie es ab, die Bezüge an die allgemei-
ne Einkommensentwicklung zu koppeln.
Womöglich hat die Bescheidenheit auch
damit zu tun, dass die AfD ihre Abgeord-
neten aus dem Topf öffentlicher Zuschüs-
se großzügiger bedenkt als andere Frakti-
onen. So steht es jedenfalls in den Rech-
nungsberichten, die von den Fraktionen
noch zu autorisieren sind. 18 der 22 AfD-
Abgeordneten werden demnach für „be-
sondere Funktionen“ entschädigt. Zum
Vergleich: Bei der FDP sind es drei von elf



  • der Fraktionschef und seine zwei Vizes.
    Womöglich werden jetzt vier AfD-Ab-
    geordnete grübeln, wo ihre Funktionen
    sind. Und wo das Geld? Vielleicht können
    ihnen ja die sechs „Kampagnenbeauftrag-
    ten“ der Fraktion bei einem Biergartenbe-
    such mal verraten, wofür sie ihre insge-
    samt 4500 Euro bekommen. Ein Vermö-
    gen ist das zwar nicht. Aber für ein paar
    Radler samt Brotzeit dürfte es reichen.


Generationenduell um


Grünen-Vorsitz


Alfred Lehmann, 69, war von 2002 bis
2014 Rathauschef von Ingolstadt. Seit
März steht er vor Gericht. FOTO: KNEFFEL/DPA

Lehmann räumt überraschend Fehler ein


Eigentlich waren die Plädoyers im Ingolstädter Korruptionsprozess geplant, da legt der angeklagte frühere OB
ein Geständnis ab – auch wenn die Staatsanwaltschaft das nicht so wertet. Nun zieht sich der Prozess in die Länge

In den Staatswäldern sollen
hundert Windräder entstehen

Die Kammer erwarte ein echtes
Geständnis, „nicht nur ein
großes Lippenbekenntnis“

Klimaneutral


„2040 plus“


Söderwill Bayern zum Vorreiter
machen und Strategie vorlegen

MITTEN IN BAYERN

Funktionslos


bei derAfD


DEFGH Nr. 175, Mittwoch, 31. Juli 2019 R11


BAYERN

Free download pdf