Handelsblatt - 31.07.2019

(Steven Felgate) #1

„Für die vor uns liegenden


Monate und Jahre sind wir


sehr zuversichtlich.“


Stephan Sturm, Fresenius-Chef


„Die Lieferketten bei Kaffee sind


extrem komplex. Für kleine


Röstereien ist es sehr schwierig, diese


selbst unter Kontrolle zu halten.“


Claudia Brück, geschäftsführende Vorständin
des Vereins Transfair

D


er amerikanische Pharmariese Pfizer gehörte in
den vergangenen Jahren nicht unbedingt zu
den erfolgreichsten Vertretern der Branche.

Aber der US-Konzern ist nach wie vor ein guter Indika-


tor für den Strukturwandel im Pharmasektor, und er ist


weiterhin bereit, mit radikalen Schritten auf diese Ver-


änderungen zu reagieren.


Das zeigt er nun einmal mehr mit dem jüngsten Ma-


növer, dem geplanten Zusammenschluss seiner Sparte


für patentfreie Medikamente mit dem Generikaherstel-


ler Mylan. Aus der Fusion entsteht ein neues, eigenstän-


diges Pharmaunternehmen mit etwa 20 Milliarden Dol-


lar Umsatz und damit ein neuer Akteur im oberen Mit-


telfeld der Branche.


Für den US-Konzern und derzeit noch weltweit größ-


ten Arzneimittelhersteller bietet die Transaktion eine


elegante Möglichkeit, die wachstumsschwachen Teile


seines Geschäfts loszuwerden. Die Sparte Upjohn, die


künftig Teil des neuen Pharmakonzerns mit Mylan sein


wird, lieferte im ersten Halbjahr zwar noch knapp ein


Viertel des Pfizer-Umsatzes, schrumpfte aber wäh-


rungsbereinigt um drei Prozent. Durch die Fusion mit
Mylan etabliert Pfizer nun eine Art Bad Bank für patent-
freie Pharmaprodukte. Sie werden künftig die Perfor-
mance des verbleibenden und stärker innovationsge-
triebenen Kerngeschäfts nicht mehr verwässern.
Dessen ungeachtet reagieren Investoren zu Recht mit
einer gewissen Skepsis auf den Deal. Denn er bestätigt
letztlich, wie zwiespältig die Performance im Pharma-
sektor ist. Den erfolgreichen und umsatztreibenden In-
novationen steht nach wie vor ein riesiges Geschäft mit
Altprodukten gegenüber, das in den letzten Jahren mas-
siv unter Preisdruck geraten ist. Das gilt auch für die
Big-Pharma-Konzerne.
Wie stark das Gefälle ist, zeigen nicht zuletzt die Be-
wertungen. Gemessen an den Konditionen der geplan-
ten Fusion, repräsentieren die Altprodukte von Pfizer,
darunter immerhin so prominente Vertreter wie das Po-
tenzmittel Viagra und der Cholesterinsenker Lipitor, ak-
tuell weniger als ein Zehntel der Marktkapitalisierung
des US-Konzerns.
Der Deal legt insofern offen, dass die wirklich wachs-
tumsträchtigen Teile des Pharmageschäfts letztlich klei-
ner sind, als es auf den ersten Blick aussehen mag. Pfi-
zer wird mit der nun vereinbarten Ausgliederung auf ei-
ne Größe schrumpfen, die man auch 2003 schon
einmal fast erreicht hatte – also vor milliardenschweren
Übernahmen von Firmen wie Pharmacia, Wyeth, Hospi-
ra und diversen weiteren, kleineren Zukäufen. Um wie-
der zu einem Wachstumsunternehmen zu werden,
muss sich der Konzern von der Philosophie der Größe
wieder weitgehend verabschieden.

Pfizer/Mylan


Zwiespältige Schrumpfkur


Die Abspaltung der patentfreien
Arzneien ist für Pfizer sinnvoll,
beleuchtet aber auch die
Schwächen des Pharmariesen,
meint Siegfried Hofmann.

Der Autor ist Korrespondent in Frankfurt.
Sie erreichen ihn unter:
[email protected]

Durch die


Fusion mit


Mylan


etabliert


Pfizer eine


Bad Bank


für patent-


freie


Pharma-


produkte.


AP, dpa, Transfair

Bankenaufsicht


Fragiles


Konstrukt


E


s ist ein wegweisendes Ur-
teil: Die deutschen Verfas-
sungsrichter haben ent-
schieden, dass die Bankenunion in
der Euro-Zone rechtens ist. Alles
andere wäre eine echte Katastro-
phe gewesen. Denn die gemeinsa-
me Kontrolle der größten Geldhäu-
ser und der gemeinsame Abwick-
lungsfonds für angeschlagene Ban-
ken sind zentrale Bausteine des
Vorsorgeprogramms, mit dem die
Europäer künftige Finanzkrisen
verhindern wollen.
Doch die Verfassungsrichter zei-
gen mit ihrem Urteil auch, dass die
Bankenunion noch immer auf ei-
nem schwachen Fundament steht.
Die Karlsruher Richter haben sehr
genau hingeschaut und das kom-
plexe Konstrukt am Ende nur ab-
genickt, weil noch genügend Kom-
petenzen für die nationalen Auf-
sichtsbehörden übrig bleiben.
Anders ausgedrückt, die Konstruk-
teure der EU-Bankenunion sind
mit ihrem Projekt, vor allem was
den gemeinsamen Abwicklungs-
fonds angeht, an die Grenze des
rechtlich Zulässigen gegangen.
Dabei ist die Bankenunion noch
nicht einmal vollständig: Die dritte
Säule, die gemeinsame Einlagensi-
cherung, fehlt noch. Vor allem
Deutschland hegt schwere Beden-
ken gegen den Plan, weil Banken
und Politiker fürchten, dass am
Ende die heimischen Steuerzahler
für Probleme in den schwächeren
Finanzsystemen in der Euro-Zone
geradestehen müssen.
Mit ihrem Urteil haben die Ver-
fassungsrichter eine Art rote Linie
gezogen, die zeigt, wo sie die
Grenzen der europäischen Zentra-
lisierung sehen. Die Entscheidung
über Bankenaufsicht und Abwick-
lung hat zwar keine direkten Aus-
wirkungen auf die geplante ge-
meinsame Einlagensicherung,
aber sie wird die Lust der Deut-
schen auf mehr Integration ganz
bestimmt nicht beflügeln. So droht
die Bankenunion weiter Stückwerk
zu bleiben. Das Problem dabei:
Ewig kann das fragile Gebäude
nicht auf zwei Säulen stehen blei-
ben. Entweder es wird weiterge-
baut, oder die Einsturzgefahr
wächst.

Die Krisenprävention in der
Euro-Zone steht noch auf einem
schwachen Fundament, warnt
Michael Maisch.

Der Autor ist stellvertretender
Ressortleiter der Finanzzeitung.
Sie erreichen ihn unter:
[email protected]

Unternehmen & Märkte


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MITTWOCH, 31. JULI 2019, NR. 145


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