Handelsblatt - 31.07.2019

(Steven Felgate) #1

Matthias Streit Erfurt


U


m die Klimaziele zu er-
reichen und die Men-
schen zu weniger Ver-
brauch von fossilen
Energieträgern zu ani-
mieren, plant das Umweltministerium
eine CO 2 -Steuer. Das Vorhaben ist in
der Politik und in der Wirtschaft stark
umstritten. Die Politik erhofft sich von
der Steuer eine Lenkungswirkung:
weg von fossilen Brennstoffen wie Öl
und Gas hin zu klimaneutraleren und
erneuerbaren Rohstoffen.
Die Steuer soll fossile Brennstoffe
im Verkehr und im Gebäudesektor
bepreisen. Wer häufig Auto fährt,
den trifft sie wohl am stärksten. Be-
troffen ist am Ende aber nahezu je-
der Deutsche über die Wohnung.
Im Durchschnitt verbraucht jeder
Deutsche 11,3 Tonnen CO 2 pro Jahr.
Allein auf Wohnen entfällt mehr als
ein Drittel davon.

Wie müssen Hausbesitzer und
Mieter die Steuer bezahlen?
Die aktuellen Vorschläge sehen ab
2020 einen Preis von 35 Euro je Ton-
ne CO 2 vor. Dieser soll bis 2023 auf 80
Euro, bis 2030 schließlich auf 180 Eu-
ro steigen. Laut den bisherigen Gut-
achten zu der Steuer soll die Abgabe
bei den Unternehmen anfallen, das
hieße also bei den Energieunterneh-
men. Die Wissenschaftler gehen je-
doch davon aus, dass die Steuer von
den Unternehmen an die Verbrau-
cher weitergereicht wird – über die
Abrechnung der Heizkosten.

Welche Heizformen sind davon
betroffen?
Die CO 2 -Steuer zielt auf fossile Brenn-
stoffe ab. Zahlen müssten die Abgabe
also alle Haushalte, die mit Gas, Öl
oder Kohle heizen. Betroffen davon
ist das Gros der Deutschen: Laut ei-
ner Untersuchung des Bundesver-
bands der Deutschen Energie- und
Wasserwirtschaft heizt rund die Hälf-
te der Deutschen mit Gas, weitere
26,3 Prozent nutzen Heizöl.
„Menschen, die mit Fernwärme
aus Kraftwerken versorgt werden,
werden nicht mit der CO 2 -Steuer be-
lastet“, sagt Stefan Bach, einer der
Autoren des Gutachtens vom Deut-
schen Institut für Wirtschaftsfor-
schung (DIW) in Berlin. Indirekt zah-
len diese Haushalte aber heute
schon, da die Unternehmen für ihre
Emissionen CO 2 -Zertifikate im euro-
päischen Emissionshandel erwerben
müssen. Haushalte, die mit Holz hei-
zen, sind ebenfalls von der geplanten
Abgabe ausgenommen.

Wie viel teurer wird Wohnen
durch die Steuer?
Das DIW hat in seinem Gutachten be-
rechnet, wie sich die CO 2 -Steuer auf
die Energiepreise auswirken würde.
Leichtes Heizöl würde sich bei einem
Preis von 80 Euro je Tonne um 25,18
Cent pro Liter verteuern, inklusive
Mehrwertsteuer. Derzeit kostet ein
Liter Heizöl 66 Cent. Die Kosten ei-
ner Kilowattstunde Gas stiege um
1,92 Cent. Derzeit kostet eine Kilo-
wattstunde sechs Cent. Die Heizstoffe
würden sich also etwa um ein Drittel
verteuern.
Anhand dieser Berechnungen und
der durchschnittlichen Verbräuche
hat das DIW für verschiedene Bei-
spielhaushalte ausgerechnet, welche

Belastung aus der CO 2 -Steuer für sie
entstünde. So müsste eine allein le-
bende Rentnerin auf dem Land für
die Heizstoffe 162 Euro im Jahr mehr
bezahlen, also 13 Euro im Monat. Bei
einer vierköpfigen Familie in der
Stadt wären es 289 Euro.
Allerdings muss man diesen Beträ-
gen auch den Klimabonus entgegen-
stellen. Denn die Erträge aus der
CO 2 -Steuer sollen zurückgezahlt wer-
den. Das DIW empfiehlt bei einem
CO 2 -Preis von 80 Euro je Tonne einen
Klimabonus von 80 Euro pro Haus-
haltsmitglied. Zudem sollen die
Stromsteuer und die Umlage für er-
neuerbare Energien gesenkt werden.
Um einen Nettoeffekt der CO 2 -Steuer
für die Haushalte zu berechnen, be-
zieht das DIW die Kosten für den Ver-
kehr ein, also ob ein Haushalt viel Au-
to fährt. Setzt man all dies ins Ver-
hältnis, bleibt für die Rentnerin auf
dem Land eine jährliche Belastung
von 16 Euro. Die Familie in der Stadt
käme hingegen auf eine Entlastung
von 56 Euro. „Gewinner sind tenden-
ziell Stadtbewohner einer gut ge-
dämmten Wohnung, die außerdem
wenig Kraftstoffe verbrauchen“, sagt
Bach. Verlierer seien Menschen in
schlecht gedämmten Eigenheimen
auf dem Land mit langen per Auto
zurückgelegten Arbeitswegen.

Müssen Mieter oder Eigentümer
die Steuer zahlen?
Heizkosten zählen zu den Nebenkos-
ten, die Vermieter auf die Mieter um-
legen dürfen. Dementsprechend
dürften sie auch die CO 2 -Steuer wei-
tergeben. Der Deutsche Mieterbund
will das verhindern: Die Mieter hät-
ten keinen Einfluss darauf, mit wel-
cher Heizart ihre Wohnung geheizt
wird, sagt Ulrich Ropertz, Geschäfts-
führer des Deutschen Mieterbunds.
Die CO 2 -Steuer soll eine Lenkungswir-
kung entfalten, hin zu weniger
CO 2 -Verbrauch. Weil der Vermieter
über die Heizart seines Hauses ent-
scheide, müsse er daher zum Umlen-
ken gebracht werden und die
CO 2 -Steuer tragen, sagt Ropertz.
Der Eigentümerverband Haus und
Grund wendet ein, dass Mieter
durchaus Einfluss auf ihren CO 2 -Aus-
stoß hätten. Sie allein würden ent-
scheiden, wie viel sie heizen oder wie
viel Warmwasser sie verbrauchen,
sagt der Verbandspräsident Kai
Warnecke. Weil sich die Investition in
eine umweltfreundlichere Heizung
derzeit nicht lohne, bräuchten Ver-
mieter Unterstützung. „Ein Drittel
der Einnahmen aus den CO 2 -Steuer-
Einnahmen könnten in Förderpro-
gramme fließen, um Eigentümern
Anreize für Investitionen zu geben“,
schlägt Warnecke vor.
Für Mieter bliebe aber auch dann
ein Kostenrisiko: Die Kosten für ener-
getische Modernisierungen dürfen
auf die Miete umgelegt werden.

Kann Deutschland mit der Steuer
seine Klimaziele erreichen?
Das DIW ist skeptisch. Bei einem
Preis von 80 Euro je Tonne rechnet
das Wirtschaftsforschungsinstitut mit
einer Einsparung von maximal 43
Prozent der notwendigen CO 2 -Reduk-
tion im Gebäudesektor. Es brauche
„zusätzliche flankierende ordnungs-
politische Maßnahmen“, um die Sek-
torziele 2030 zu erreichen.

Immobilien


Wie die


CO
2

-Steuer das


Wohnen verteuert


Mit der Abgabe auf Kohlendioxid-Emissionen will


die Bundesregierung die Deutschen zu


umweltfreundlicherem Handeln bewegen.


Entziehen kann sich dem kaum jemand.


Stadtwohnung:
Wer in gut gedämmten
Räumen wohnt, wird nicht
so stark von der CO 2 -Steuer
belastet werden.

imago/Westend61

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MITTWOCH, 31. JULI 2019, NR. 145


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